AsaneRedakteur
#1Das Folgende ist mehr eine Sammlung von Gedanken zu einem Film, der so recht keiner sein will. Wenn's am Ende eine Rezension wird - gut. Wenn nicht, Pech gehabt.
Am besten, man tut so, als sei dies ein normaler Film und nähert sich über die üblichen Kriterien: Setting, Handlung, Charaktere. Dem künstlerischen Wert und dem, "was hinten dabei rauskommt", wie ein bekannter Altkanzler mal gesagt hat.
Der Film ist eine Reise in die komplizierte Gefühlswelt von Misuzu Moritani, die, schüchtern und unzugänglich wie sie ist, alles von sich abblockt, was sie als unangenehm und indiskret empfindet. Besonders die Versuche anderer Schülerinnen, ihr nahezukommen, lösen wahre Panikattacken aus, denen sie dadurch auszuweichen sucht, dass sie die Zeit anhält, um daraufhin die Flucht zu ergreifen.
Für drei Minuten steht dann die Welt still und scheint wie eingefroren. Drei Minuten, in denen Misuzu entkommen oder sich anderen zuwenden kann, ohne dabei bemerkt oder in unangenehme Gespräche verwickelt zu werden. Drei Minuten, in denen sie sich der Welt entziehen, sie beobachten oder sich unbemerkt ihr nähern kann.
Wie zum Beispiel ihrer Mitschülerin Haruka Murakami. Beziehungsweise deren Höschen - was aber nicht ganz nach ihren Vorstellungen verläuft, denn auf Haruka scheint sich ihre Magie nicht auszuwirken, weswegen sie in schwere Erklärungsnot gerät.
Haruka ist eher das komplette Gegenteil von Misuzu: Klug, in allen Fächern gut, beliebt, aber immer etwas distanziert; souverän, aber unterkühlt - und unnahbar schön.
Doch die Konversation mit ihr ist anstrengend. Immer wirkt sie etwas reserviert, zwar freundlich, oft etwas schnippisch in den Antworten, tendenziell manipulativ und lieber oberflächlich unverbindlich als von herzlicher Zuneigung überströmend. Und dennoch scheint sie Gefallen an Misuzu zu finden, nicht nur erotisch...
So anstrengend, wie Harukas Charakter ist, gibt sich auch der Film.
Jedenfalls ist es kein Film, in den man sich mit hochgelegten Beinen hineinfläzen und sich von wohliger Shoujo-Atmosphäre treiben lassen kann. Der Film gibt sich mindestens ebenso spröde wie Haruka, schön anzuschauen, mit intelligenter Regie und bei aller visuellen Schönheit und der Ruhe, die er ausstrahlt, doch immer etwas distanziert und unterkühlt.
Das liegt zum großen Teil daran, dass es keinen wirklichen Plot gibt, der den Zuschauer "mitnimmt". Sondern fast alles in dem Film, jede Einstellung, jeder Schnitt und jede Szene, dient dazu, den Zuschauer in das Innerste der Charaktere zu leiten, die Gefühlswelten und Befindlichkeiten der beiden Protagonistinnen auszubreiten, zu kommentieren und zu illustrieren, oft mit dem ablenkenden Blick auf Nebensächlichkeiten, gerne "in Reihe" geschnitten, die immer auch eine deutliche metaphorische Qualität haben.
Dieser Film holt einen nicht ab, sondern man muss sich ihm nähern. Daher ist das Anschauen anstrengend und gelegentlich mühsam, wie der Charakter Harukas; alles, jedes Wort resp. jeder Blick erfordert Arbeit - und ein Abschweifen, ein Sich-Treiben-Lassen ist einem kaum gegönnt.
Aber es lohnt sich. Für den Zuschauer wie für Misuzu auch.
Der Zuschauer spürt, dass das Verhältnis von Misuzu und Haruka einigermaßen fragil ist und wie am seidenen Faden hängt. Nutzen die beiden im jugendlichen Übermut Misuzus "Magie" anfangs, um allerlei Schabernack zu treiben, gerät das Verhältnis allmählich in ein kritischeres Stadium. Äußerlich festgemacht an der schwindenden Fähigkeit, diese Magie zu kontrollieren, innerlich an dem undeutlichen Verlangen, mehr zu wollen als diese Freundschaft, die seltsam oberflächlich bleibt, trotz aller Küsse.
Wie anders Freundschaft sein kann, erfährt sie in Gesellschaft dieses Grüppchens, das bis vor kurzem so vergebens um ihre Aufmerksamkeit geworben hat und in deren Mitte sich Misuzu nun zusehends wohler fühlt, - sehr zum Missfallen von Haruka.
Aber da Misuzu nun das neue Gefühl erfahren hat, akzeptiert zu sein so wie sie ist (und die Szene gerät der Regie absolut glaubwürdig ohne didaktisch zu wirken) und ohne sich verstellen zu müssen, hinterfragt sie immer mehr das Verhalten ihrer Freundin Haruka, ihre reservierte Art, ihre kühle Oberflächlichkeit, die keine echte, vertrauliche Nähe zuzulassen scheint, - bis sie eines Tages von Haruka zu sich eingeladen wird.
Dreh- und Angelpunkt hierfür ist die Bettszene. (Haruka fordert sie dreimal auf, nirgends im Zimmer rumzustöbern, während sie Tee machen geht, ganz besonders nicht im Bett - deutlicher kann eine Aufforderung dazu eigentlich kaum ausgesprochen werden!) Denn dies ist nicht nur der Ort erotischer Erfüllung (das auch!), sondern auch der Freudschen Tiefenpsychologie. So bekommt man mit dem Einblick in die Bettschubladen zugleich auch Einblick in Harukas Unterbewusstsein und damit in die Beweggründe, weswegen sie sich so eigenartig verhält.
An der Stelle sollte mal erwähnt werden, dass einige der Charaktere man durchaus als Stereotypen ansehen kann, aber diese eher nicht wie solche sich verhalten. Ganz speziell Haruka, die den Typ "unnahbare Schönheit, die niemandem ihre inneren Verletzungen zeigen will" scheinbar mühelos und überzeugend verkörpert. All das ist doch viel glaubwürdiger geraten, als man hoffen konnte. Diese Realitätsnähe, auch an der Erfahrungswelt des Zuschauers, resultiert auch aus dem Bestreben der Regie, auf all die neckischen Kinkerlitzchen zu verzichten, die einem das Anschauen manchmal zur Qual machen; also all die mimischen Übertreibungen, das overacting, Fanservice und ähnlichen Plunder mehr... - hier fließt alles in ruhigen Bahnen, denen auch der stille, freundliche Humor nicht in die Quere kommt.
Auch wenn der Film sich etwas schwierig gibt, ist das wunderschön anzusehen und führt am Ende zu jener Szene, wie sie auf dem Cover zu sehen ist.
Ein Rewatch ist auf jeden Fall zu empfehlen.
Am besten, man tut so, als sei dies ein normaler Film und nähert sich über die üblichen Kriterien: Setting, Handlung, Charaktere. Dem künstlerischen Wert und dem, "was hinten dabei rauskommt", wie ein bekannter Altkanzler mal gesagt hat.
Der Film ist eine Reise in die komplizierte Gefühlswelt von Misuzu Moritani, die, schüchtern und unzugänglich wie sie ist, alles von sich abblockt, was sie als unangenehm und indiskret empfindet. Besonders die Versuche anderer Schülerinnen, ihr nahezukommen, lösen wahre Panikattacken aus, denen sie dadurch auszuweichen sucht, dass sie die Zeit anhält, um daraufhin die Flucht zu ergreifen.
Für drei Minuten steht dann die Welt still und scheint wie eingefroren. Drei Minuten, in denen Misuzu entkommen oder sich anderen zuwenden kann, ohne dabei bemerkt oder in unangenehme Gespräche verwickelt zu werden. Drei Minuten, in denen sie sich der Welt entziehen, sie beobachten oder sich unbemerkt ihr nähern kann.
Wie zum Beispiel ihrer Mitschülerin Haruka Murakami. Beziehungsweise deren Höschen - was aber nicht ganz nach ihren Vorstellungen verläuft, denn auf Haruka scheint sich ihre Magie nicht auszuwirken, weswegen sie in schwere Erklärungsnot gerät.
Haruka ist eher das komplette Gegenteil von Misuzu: Klug, in allen Fächern gut, beliebt, aber immer etwas distanziert; souverän, aber unterkühlt - und unnahbar schön.
Doch die Konversation mit ihr ist anstrengend. Immer wirkt sie etwas reserviert, zwar freundlich, oft etwas schnippisch in den Antworten, tendenziell manipulativ und lieber oberflächlich unverbindlich als von herzlicher Zuneigung überströmend. Und dennoch scheint sie Gefallen an Misuzu zu finden, nicht nur erotisch...
So anstrengend, wie Harukas Charakter ist, gibt sich auch der Film.
Jedenfalls ist es kein Film, in den man sich mit hochgelegten Beinen hineinfläzen und sich von wohliger Shoujo-Atmosphäre treiben lassen kann. Der Film gibt sich mindestens ebenso spröde wie Haruka, schön anzuschauen, mit intelligenter Regie und bei aller visuellen Schönheit und der Ruhe, die er ausstrahlt, doch immer etwas distanziert und unterkühlt.
Das liegt zum großen Teil daran, dass es keinen wirklichen Plot gibt, der den Zuschauer "mitnimmt". Sondern fast alles in dem Film, jede Einstellung, jeder Schnitt und jede Szene, dient dazu, den Zuschauer in das Innerste der Charaktere zu leiten, die Gefühlswelten und Befindlichkeiten der beiden Protagonistinnen auszubreiten, zu kommentieren und zu illustrieren, oft mit dem ablenkenden Blick auf Nebensächlichkeiten, gerne "in Reihe" geschnitten, die immer auch eine deutliche metaphorische Qualität haben.
Dieser Film holt einen nicht ab, sondern man muss sich ihm nähern. Daher ist das Anschauen anstrengend und gelegentlich mühsam, wie der Charakter Harukas; alles, jedes Wort resp. jeder Blick erfordert Arbeit - und ein Abschweifen, ein Sich-Treiben-Lassen ist einem kaum gegönnt.
Aber es lohnt sich. Für den Zuschauer wie für Misuzu auch.
Der Zuschauer spürt, dass das Verhältnis von Misuzu und Haruka einigermaßen fragil ist und wie am seidenen Faden hängt. Nutzen die beiden im jugendlichen Übermut Misuzus "Magie" anfangs, um allerlei Schabernack zu treiben, gerät das Verhältnis allmählich in ein kritischeres Stadium. Äußerlich festgemacht an der schwindenden Fähigkeit, diese Magie zu kontrollieren, innerlich an dem undeutlichen Verlangen, mehr zu wollen als diese Freundschaft, die seltsam oberflächlich bleibt, trotz aller Küsse.
Wie anders Freundschaft sein kann, erfährt sie in Gesellschaft dieses Grüppchens, das bis vor kurzem so vergebens um ihre Aufmerksamkeit geworben hat und in deren Mitte sich Misuzu nun zusehends wohler fühlt, - sehr zum Missfallen von Haruka.
Aber da Misuzu nun das neue Gefühl erfahren hat, akzeptiert zu sein so wie sie ist (und die Szene gerät der Regie absolut glaubwürdig ohne didaktisch zu wirken) und ohne sich verstellen zu müssen, hinterfragt sie immer mehr das Verhalten ihrer Freundin Haruka, ihre reservierte Art, ihre kühle Oberflächlichkeit, die keine echte, vertrauliche Nähe zuzulassen scheint, - bis sie eines Tages von Haruka zu sich eingeladen wird.
Dreh- und Angelpunkt hierfür ist die Bettszene. (Haruka fordert sie dreimal auf, nirgends im Zimmer rumzustöbern, während sie Tee machen geht, ganz besonders nicht im Bett - deutlicher kann eine Aufforderung dazu eigentlich kaum ausgesprochen werden!) Denn dies ist nicht nur der Ort erotischer Erfüllung (das auch!), sondern auch der Freudschen Tiefenpsychologie. So bekommt man mit dem Einblick in die Bettschubladen zugleich auch Einblick in Harukas Unterbewusstsein und damit in die Beweggründe, weswegen sie sich so eigenartig verhält.
Und der Showdown auf dem Schulflur einige Tage später bringt das ganze Durcheinander ziemlich gut auf den Punkt. Wo es dann zu einem hitzigen Wortgefecht kommt und Misuzu mit einer schlagenden Logik und schonungslosen Aufdröselung von Harukas Verhalten gegen alle Finten und Ausweichungen erfolgreich ankommt; - und das auf eine Art, die man in ihrer argumentativen Schlüssigkeit einer 17-Jährigen so nicht unbedingt zugetraut hätte. Hier gelingt es Misuzu, den Mut und die neu gewonnene innere Stärke aufzubringen, Haruka nicht nur zu zwingen, sich zu öffnen, sondern vor allem sie dahin zu bringen, ihre eigenen Wünsche und ihr eigenes Verlangen zu akzeptieren und zu leben.
Damit bricht Harukas Verteidigungsbollwerk zusammen. Am Ende haben zwei Außenseiter zueinander gefunden, die sich von der Klasse immer etwas abgekoppelt hatten und sich nie als echten Bestandteil dieser Gemeinschaft gefühlt haben, aber jeweils aus völlig unterschiedlichen Gründen. Und denen es nicht zuletzt aufgrund innerer Zuneigung gelingt, sich gegenseitig aus dem Schlamassel herauszuziehen.
Damit bricht Harukas Verteidigungsbollwerk zusammen. Am Ende haben zwei Außenseiter zueinander gefunden, die sich von der Klasse immer etwas abgekoppelt hatten und sich nie als echten Bestandteil dieser Gemeinschaft gefühlt haben, aber jeweils aus völlig unterschiedlichen Gründen. Und denen es nicht zuletzt aufgrund innerer Zuneigung gelingt, sich gegenseitig aus dem Schlamassel herauszuziehen.
An der Stelle sollte mal erwähnt werden, dass einige der Charaktere man durchaus als Stereotypen ansehen kann, aber diese eher nicht wie solche sich verhalten. Ganz speziell Haruka, die den Typ "unnahbare Schönheit, die niemandem ihre inneren Verletzungen zeigen will" scheinbar mühelos und überzeugend verkörpert. All das ist doch viel glaubwürdiger geraten, als man hoffen konnte. Diese Realitätsnähe, auch an der Erfahrungswelt des Zuschauers, resultiert auch aus dem Bestreben der Regie, auf all die neckischen Kinkerlitzchen zu verzichten, die einem das Anschauen manchmal zur Qual machen; also all die mimischen Übertreibungen, das overacting, Fanservice und ähnlichen Plunder mehr... - hier fließt alles in ruhigen Bahnen, denen auch der stille, freundliche Humor nicht in die Quere kommt.
Auch wenn der Film sich etwas schwierig gibt, ist das wunderschön anzusehen und führt am Ende zu jener Szene, wie sie auf dem Cover zu sehen ist.
Ein Rewatch ist auf jeden Fall zu empfehlen.
Beitrag wurde zuletzt am 29.03.2021 22:21 geändert.
Kommentare
An sich ein wirklich sehr schöner Film, aber halt mit dieser Schwäche.
Ansonsten aber fühlte ich mich unterhalten. :)
Obwohl der Manga schon recht kurz ist wurden große Lücken gelassen. Sehr schwierig für alle die den Film vor dem Manga schauen, oder letzteren sogar weglassen.
Dennoch, für Genre-Fans einfach pure bliss:
> die Stimmung wurde perfekt eingefangen
> das Artwork gefällt mir sehr gut
> der Themesong ist zuckersüß
Deshalb eine klare Empfehlung für alle meinesgleichen.... der Rest? Naja.
Ich hab so das Gefühl, Misuzu und Haruka verkörpern die entgegengesetzten Enden der gleichen Anomalität im Umgang mit Mitmenschen: Beide legen viel zu viel Wert darauf, was andere Menschen über sie denken - bis zu dem Punkt, wo sie ihre eigenen Wünsche dafür aufgegeben, oder besser gesagt, bislang nie geäußert haben. Die eine sagt lieber gar nichts, bevor es ihr angekreidet werden kann; sie kriegt aber mit, dass ihr auch das negativ ausgelegt wird. Die andere legt sich eine Enzyklopädie über ihre Mitmenschen an, um ihnen jeden Wunsch von den Lippen ablesen und bei jedem beliebt sein zu können, was ebenso wenig funktioniert - sie wird als Schlampe bezeichnet. Generell scheint das keine gute Idee zu sein: Die individuellen Wünsche einer ganzen Klasse widersprechen sich ja häufig. Wenn man dem Einen einen Gefallen tut, pisst man den Anderen an...
MIr war relativ schnell klar, dass dieses "drei Minuten Zeit anhalten" die Hauptmetapher des Films darstellt. Um aus diesem selbst verstärkenden Kreislauf rauszukommen, müssen die beiden aus ihrem üblichen Rahmen ausbrechen und sich "Zeit für sich selbst" nehmen. Haruka, logischerweise mit dem größeren Selbstvertrauen ausgestattet, lässt die gröbsten Dinger gucken - aber es ist die stille Misuzu, die initial das Röckchen lupft. Es ist auch Misuzu, die das Ganze letztlich auslöst, in dem sie die Zeit anhält. In ihr ist der Wunsch stärker, etwas zu ändern. Die Harukas dieser Welt tun gut daran, darauf gelegentlich mal einzugehen, auch wenn es von einem schüchternen Mitmenschen kommt.
Eine andere Szene hat mich auch noch eingefangen: Wie zuerst Misuzu eifersüchtig war, weil sie plötzlich wahrnahm, dass Haruka (schon immer) mit jedem reden konnte, und wie sie ihre "Auszeit" unberechtigterweise nahm. Und wie Haruka dann eifersüchtig wurde, weil plötzlich Misuzu auch mit anderen reden konnte - und wie sie wieder vor ihren Gefühlen fortlief. Irgendwie kennt man die beiden jetzt, obwohl es nur eine knappe Stunde war. Ein kleine Perle, der Film.
Promo Video:
Das Fragtime-OVA hat viele derselben Leute, die an dem Kase-san OVA gearbeitet haben, mit an Bord, so dass die Chancen sehr hoch sind, dass dieses OVA vielleicht auch eine Stunde dauern wird. Fragtime ist jedoch eine kürzere Geschichte.
Das OVA wird ab dem 22. November für begrenzte Zeit in japanischen Kinos zu sehen sein. Hoffentlich dauert das Warten auf die Subs nicht lange.