Fragtime (2019)

フラグタイム

Rezensionen – Fragtime

Hier findest Du sowohl kurze als auch umfangreichere Rezensionen zum Anime „Fragtime“. Dies ist kein Diskussionsthema! Jeder Beitrag im Thema muss eine für sich alleinstehende, selbst verfasste Rezension sein und muss inhaltlich mindestens die Kerngebiete Handlung und Charaktere sowie ein persönliches Fazit enthalten. Du kannst zu einer vorhandenen Rezension allerdings gern einen Kommentar hinterlassen.
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Avatar: Asane
Redakteur
#1
Das Folgende ist mehr eine Sammlung von Gedanken zu einem Film, der so recht keiner sein will. Wenn's am Ende eine Rezension wird - gut. Wenn nicht, Pech gehabt.

Am besten, man tut so, als sei dies ein normaler Film und nähert sich über die üblichen Kriterien: Setting, Handlung, Charaktere. Dem künstlerischen Wert und dem, "was hinten dabei rauskommt", wie ein bekannter Altkanzler mal gesagt hat.

Der Film ist eine Reise in die komplizierte Gefühlswelt von Misuzu Moritani, die, schüchtern und unzugänglich wie sie ist, alles von sich abblockt, was sie als unangenehm und indiskret empfindet. Besonders die Versuche anderer Schülerinnen, ihr nahezukommen, lösen wahre Panikattacken aus, denen sie dadurch auszuweichen sucht, dass sie die Zeit anhält, um daraufhin die Flucht zu ergreifen.

Für drei Minuten steht dann die Welt still und scheint wie eingefroren. Drei Minuten, in denen Misuzu entkommen oder sich anderen zuwenden kann, ohne dabei bemerkt oder in unangenehme Gespräche verwickelt zu werden. Drei Minuten, in denen sie sich der Welt entziehen, sie beobachten oder sich unbemerkt ihr nähern kann.

Wie zum Beispiel ihrer Mitschülerin Haruka Murakami. Beziehungsweise deren Höschen - was aber nicht ganz nach ihren Vorstellungen verläuft, denn auf Haruka scheint sich ihre Magie nicht auszuwirken, weswegen sie in schwere Erklärungsnot gerät.

Haruka ist eher das komplette Gegenteil von Misuzu: Klug, in allen Fächern gut, beliebt, aber immer etwas distanziert; souverän, aber unterkühlt - und unnahbar schön.

Doch die Konversation mit ihr ist anstrengend. Immer wirkt sie etwas reserviert, zwar freundlich, oft etwas schnippisch in den Antworten, tendenziell manipulativ und lieber oberflächlich unverbindlich als von herzlicher Zuneigung überströmend. Und dennoch scheint sie Gefallen an Misuzu zu finden, nicht nur erotisch...



So anstrengend, wie Harukas Charakter ist, gibt sich auch der Film.

Jedenfalls ist es kein Film, in den man sich mit hochgelegten Beinen hineinfläzen und sich von wohliger Shoujo-Atmosphäre treiben lassen kann. Der Film gibt sich mindestens ebenso spröde wie Haruka, schön anzuschauen, mit intelligenter Regie und bei aller visuellen Schönheit und der Ruhe, die er ausstrahlt, doch immer etwas distanziert und unterkühlt.

Das liegt zum großen Teil daran, dass es keinen wirklichen Plot gibt, der den Zuschauer "mitnimmt". Sondern fast alles in dem Film, jede Einstellung, jeder Schnitt und jede Szene, dient dazu, den Zuschauer in das Innerste der Charaktere zu leiten, die Gefühlswelten und Befindlichkeiten der beiden Protagonistinnen auszubreiten, zu kommentieren und zu illustrieren, oft mit dem ablenkenden Blick auf Nebensächlichkeiten, gerne "in Reihe" geschnitten, die immer auch eine deutliche metaphorische Qualität haben.
Dieser Film holt einen nicht ab, sondern man muss sich ihm nähern. Daher ist das Anschauen anstrengend und gelegentlich mühsam, wie der Charakter Harukas; alles, jedes Wort resp. jeder Blick erfordert Arbeit - und ein Abschweifen, ein Sich-Treiben-Lassen ist einem kaum gegönnt.

Aber es lohnt sich. Für den Zuschauer wie für Misuzu auch.



Der Zuschauer spürt, dass das Verhältnis von Misuzu und Haruka einigermaßen fragil ist und wie am seidenen Faden hängt. Nutzen die beiden im jugendlichen Übermut Misuzus "Magie" anfangs, um allerlei Schabernack zu treiben, gerät das Verhältnis allmählich in ein kritischeres Stadium. Äußerlich festgemacht an der schwindenden Fähigkeit, diese Magie zu kontrollieren, innerlich an dem undeutlichen Verlangen, mehr zu wollen als diese Freundschaft, die seltsam oberflächlich bleibt, trotz aller Küsse.
Wie anders Freundschaft sein kann, erfährt sie in Gesellschaft dieses Grüppchens, das bis vor kurzem so vergebens um ihre Aufmerksamkeit geworben hat und in deren Mitte sich Misuzu nun zusehends wohler fühlt, - sehr zum Missfallen von Haruka.
Aber da Misuzu nun das neue Gefühl erfahren hat, akzeptiert zu sein so wie sie ist (und die Szene gerät der Regie absolut glaubwürdig ohne didaktisch zu wirken) und ohne sich verstellen zu müssen, hinterfragt sie immer mehr das Verhalten ihrer Freundin Haruka, ihre reservierte Art, ihre kühle Oberflächlichkeit, die keine echte, vertrauliche Nähe zuzulassen scheint, - bis sie eines Tages von Haruka zu sich eingeladen wird.

Dreh- und Angelpunkt hierfür ist die Bettszene. (Haruka fordert sie dreimal auf, nirgends im Zimmer rumzustöbern, während sie Tee machen geht, ganz besonders nicht im Bett - deutlicher kann eine Aufforderung dazu eigentlich kaum ausgesprochen werden!) Denn dies ist nicht nur der Ort erotischer Erfüllung (das auch!), sondern auch der Freudschen Tiefenpsychologie. So bekommt man mit dem Einblick in die Bettschubladen zugleich auch Einblick in Harukas Unterbewusstsein und damit in die Beweggründe, weswegen sie sich so eigenartig verhält.

Und der Showdown auf dem Schulflur einige Tage später bringt das ganze Durcheinander ziemlich gut auf den Punkt. Wo es dann zu einem hitzigen Wortgefecht kommt und Misuzu mit einer schlagenden Logik und schonungslosen Aufdröselung von Harukas Verhalten gegen alle Finten und Ausweichungen erfolgreich ankommt; - und das auf eine Art, die man in ihrer argumentativen Schlüssigkeit einer 17-Jährigen so nicht unbedingt zugetraut hätte. Hier gelingt es Misuzu, den Mut und die neu gewonnene innere Stärke aufzubringen, Haruka nicht nur zu zwingen, sich zu öffnen, sondern vor allem sie dahin zu bringen, ihre eigenen Wünsche und ihr eigenes Verlangen zu akzeptieren und zu leben.

Damit bricht Harukas Verteidigungsbollwerk zusammen. Am Ende haben zwei Außenseiter zueinander gefunden, die sich von der Klasse immer etwas abgekoppelt hatten und sich nie als echten Bestandteil dieser Gemeinschaft gefühlt haben, aber jeweils aus völlig unterschiedlichen Gründen. Und denen es nicht zuletzt aufgrund innerer Zuneigung gelingt, sich gegenseitig aus dem Schlamassel herauszuziehen.

An der Stelle sollte mal erwähnt werden, dass einige der Charaktere man durchaus als Stereotypen ansehen kann, aber diese eher nicht wie solche sich verhalten. Ganz speziell Haruka, die den Typ "unnahbare Schönheit, die niemandem ihre inneren Verletzungen zeigen will" scheinbar mühelos und überzeugend verkörpert. All das ist doch viel glaubwürdiger geraten, als man hoffen konnte. Diese Realitätsnähe, auch an der Erfahrungswelt des Zuschauers, resultiert auch aus dem Bestreben der Regie, auf all die neckischen Kinkerlitzchen zu verzichten, die einem das Anschauen manchmal zur Qual machen; also all die mimischen Übertreibungen, das overacting, Fanservice und ähnlichen Plunder mehr... - hier fließt alles in ruhigen Bahnen, denen auch der stille, freundliche Humor nicht in die Quere kommt.

Auch wenn der Film sich etwas schwierig gibt, ist das wunderschön anzusehen und führt am Ende zu jener Szene, wie sie auf dem Cover zu sehen ist.

Ein Rewatch ist auf jeden Fall zu empfehlen.
Beitrag wurde zuletzt am 29.03.2021 22:21 geändert.
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Avatar: Acuros
DB-Helfer
#2
»Fragtime« dürfte so manche Zuschauererwartung nicht erfüllt haben.
Einerseits ist der Film mit dem Tag »Girl’s Love« markiert. Es entwickelt sich sehr wohl eine Liebesbeziehung, aber sie ist weder das zentrale Element noch wird sie als etwas Besonderes oder gar Verbotenes dargestellt – den Appetit der meisten Yuri-Heißhungrigen (davon will ich mich gar nicht komplett ausnehmen) dürfte das jedenfalls nicht gestillt haben. Andererseits ist das Erzähltempo aufgrund der kurzen Laufzeit relativ hoch, die Detaildichte um so mehr – es wird vom Zuschauer eine gewisse Aufmerksamkeit verlangt. Damit erfüllt sich auch nicht die Hoffnung, hier eine tiefenentspannte Stunde verbringen zu können.

Der Film beginnt mit einem Symbol für das unaufhaltsame Voranschreiten der Zeit: dem Ticken einer Uhr. Eine Stimme setzt ein; kurz darauf verstummt das Ticken. Diese Stimme gehört Misuzu Moritani, die aus unerfindlichen Gründen die Zeit für drei Minuten anhalten kann und damit gern unangenehmen Situationen entkommt. Als sie eine Schnapsidee – nennen wir sie mal »Höschenspionage« – in die Tat umsetzt, muss sie entgeistert feststellen, dass das Ziel der Aktion, die hübsche Haruka Murakami, gegen ihre Gabe gänzlich immun ist.

»That’s just a momentary dream« – Harukas erste Worte an Misuzu sind eine passende Beschreibung für das entstehende Verhältnis der beiden Protagonistinnen, dreht es sich doch stark um die angehaltene Zeit – die Zeit, in der sie ihren selbst gebauten Käfigen entkommen und teilweise so sein können, wie sie es insgeheim gern wären (vor allem Haruka). Doch wie auch Träume, finden diese Momente ihr Ende und die Normalität holt die zwei wieder ein. Misuzu stellt Haruka und die gemeinsamen Eskapaden mehr und mehr in Frage und macht Stück für Stück eine merkliche Entwicklung durch. Bei Haruka ist diese wesentlich diffuser und zeigt sich erst gegen Ende deutlich, weil sie zu einem guten Teil auf einer bestimmten Erkenntnis beruht.

Der Film strotzt vor Symbolik und dürfte gerade für Freunde der Interpretation ein Fest sein – ich kann selbst nach zweimaligem Anschauen nicht behaupten, alles aufgeschnappt zu haben. Jedoch habe ich den Eindruck, dass die Namen kein Zufall sind; die Nachnamen beschreiben zum Beispiel den Ersteindruck, den die zwei Figuren vermitteln: Misuzu findet allein den Gedanken daran, es allen recht zu machen, so unangenehm, dass sie sich oft lieber zurückzieht – passend also »moritani«, was man frei mit »bewaldetes Tal« (ein unzugänglicher Rückzugsort) übersetzen könnte. Haruka wirkt freundlich, höflich und aufgeschlossen. Der Schein trügt natürlich, denn letztendlich ist sie sehr darum bemüht, bei allen gut anzukommen. Entsprechend passt die Kombination aus »mura« (Dorf) und »kami« (sinngemäß »oben«), denn dank ihrer Fassade ist sie in der begrenzten Gemeinschaft zwar (scheinbar) oben auf, doch an der Spitze ist es einsam.

Bei den Vornamen handelt es sich nur um blanke Spekulation meinerseits, aber z. B. »suzu« steht für »Glöckchen« – ein Gegenstand, der wie Misuzu nicht viel Aufmerksamkeit erregt und zudem auch als Spielzeug taugt. Zu Beginn scheint Misuzu genau das für Haruka zu sein: ein Werkzeug für die eigene Unterhaltung. »haruka« ergibt »weit entfernt« – für eine ganze Weile wirkt Haruka für Misuzu nicht nur distanziert, sondern regelrecht unerreichbar. Aber rein klanglich haben mich die Vornamen an zwei recht bekannte Wörter erinnert: Wasser (»mizu«) und Frühling (»haru«), eine Umschreibung für das regelrecht symbiotische Verhältnis der beiden: Die Wärme des Frühlings lässt gefrorenes Wasser tauen und bringt es wieder zum Fließen; so gesehen Misuzus persönliches Zeitgefühl, das durch ihren ständigen Rückzug nahezu stehen geblieben ist. Und ohne Wasser kann im Frühling nichts richtig gedeihen. Erst als Misuzu dafür sorgt, dass Harukas Fassade zunehmend aufweicht, fängt diese an, ihre Persönlichkeit zu zeigen – im übertragenen Sinne also zu erblühen.

Der Film konzentriert sich fast ausschließlich auf seine zwei Hauptfiguren; der Rest ist lediglich Mittel zum Zweck. Die einzige Ausnahme ist Yukari, eine Mitschülerin von Misuzu und Haruka. Sie dient an manchen Stellen als Triebfeder für Misuzu und erhält leider nicht die gleiche Tiefe; bis auf ihre Vorlieben für Tischtennis und vor allem Mangas erfährt man kaum etwas über sie. Das ist ein bisschen schade, denn ihr Charakter ist relativ sympathisch – insbesondere ein späterer Dialog zwischen ihr und Misuzu war für mich ein angenehmer Kontrast zum eher ernsten Verlauf.

»I wish that this time would go on longer« – das Filmzitat ist nicht nur mein (vergeblicher) Wunsch an den Anime, sondern auch Kritik daran: An einigen Stellen hat man sich die Zeit genommen, die Szenerie wirken zu lassen, aber so manche Szene wird eilig abgehandelt oder wirkt durch abrupte Überblendung zur nächsten irgendwie unvollständig – bei einem Film mit eher ruhigem Grundton stört so etwas eher.
Eine späte Szene fällt stimmungsmäßig schon fast aus dem Rahmen, weil sie abrupt kommt und unverhältnismäßig dramatisch ist. Sie wäre in der Form auch gar nicht nötig gewesen, denn eine simple Verweigerungshaltung von Misuzu bezüglich ihrer Gabe hätte vermutlich genauso zur (schön inszenierten) Auflösung überleiten können.
Außerdem leistet man sich nicht nur hier, sondern auch bei zwei weiteren Szenen einen Schnitzer: Zeitreise ist hinsichtlich Konsistenz schon kein leichtes Thema, aber Zeitstillstand ist noch problematischer, weil sich die davon betroffenen Figuren niemals zum plötzlichen Bewegen oder Verschwinden einer Figur äußern sollten – ärgerlicherweise passiert genau das, obwohl es in keinem der drei Fälle nötig gewesen wäre.

Passend zur ruhigen Erzählweise kommen viele Abschnitte des Films ohne Musikuntermalung aus, ansonsten gibt es, vom seichten J-Pop des Abspanns mal abgesehen, überwiegend Piano- und Streichertöne zu hören. Optisch ist der Film etwas inkonsistent: Dass Charaktermodelle bei zunehmender Distanz schnell gröber werden, ist nichts Neues, aber es wirkt seltsam, wenn man Sachen wie Blumenkübel fast schon schludrig zeichnet, bei so mancher Umgebung aber wesentlich mehr Aufwand betreibt – ein »Highlight« sind Bäume mit detailliertem Stamm, aber verwaschen wirkender Krone; einen künstlerischen Wert konnte ich darin nicht erkennen.
Bei den Synchronsprechern erspare ich mir die üblichen Psalme bezüglich Kompetenz und sage einfach, dass gerade die zwei Protagonistinnen passend vertont sind – vor allem die Stimme von Haruka hat mir gut gefallen.

Fazit:
Der Film mag nicht fehlerfrei sein, aber dafür einfallsreich – spätestens wenn Misuzu am Ende über ihre veränderte Lebenseinstellung sinniert, parallel dazu zwei Vögel gemeinsam durch die Lüfte fliegen und das kurz darauf einsetzende Abspannlied gemeinsam von den Synchronsprecherinnen der Hauptfiguren gesungen wird, dürfte man merken, dass der Anime nicht nur durchdacht ist, sondern auch künstlerischen Wert besitzt. Ironischerweise kann man selbst die kurze Laufzeit symbolisch betrachten: Man muss die Zeit, die einem gegeben wurde, bestmöglich nutzen.

Update 22.10.2020: Nach einem dankenswerten Hinweis zu Fehlern bei der Namensdeutung habe ich die zwei Abschnitte korrigiert und überarbeitet. Ansonsten zwei Fehlerchen entsorgt – selbstverständlich in die Fehlertonne.
Update 24.10.2020: Absatz über Vornamen nochmal ein bisschen ausgebessert
Beitrag wurde zuletzt am 24.10.2020 14:57 geändert.
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