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SabriSonneRedakteur
#1Meine finale Bewertung von 7.7 ist im Endeffekt überhaupt nicht weit von den 8.1 entfernt, was die Serie allgemein erreicht hat – dennoch habe das Gefühl, ich scheine wieder einmal die <Unpopular Opinion> zu vertreten, denn das Internet rastet aus, wie toll die Serie ist.
Aber wenn sie doch so toll ist, warum insgesamt dann nur 8.1?!
Hier also mein Versuch, das Drama objektiv zu bewerten – wobei ich heute zugeben muss, für mich funktionierte die Serie v.a. aufgrund meiner subjektiven Ebene nicht so, wie ich erwartet hatte.
Zur Handlung
„Nur“ ein Instrumental als Opening, sehr gedecktes Farbschema, keine Weichzeichner und Aufheller für die Schauspieler – als würde uns „Luoyang“ unmissverständlich klar machen wollen, dass die Handlung der Schwerpunkt der Geschichte werden soll. Und ja, die Handlung ist düster, anspruchsvoll und ernstzunehmend.
Zu Beginn war ich schwer beeindruckt. Wer Period-CDrama kennt, dem sagen sicherlich die typischen Costume-Drama etwas, bei denen alles extrem bunt ist und denen man das niedrige Budget mehr als deutlich ansieht. Umso angenehmer war es, dass „Luoyang“ schon mit der ersten Szene eine komplett andere Stimmung verbreitet und sich somit sehr positiv von den anderen Serien abhebt. Zusätzlich sprechen sich alle Schauspieler selbst, was umso mehr die Ernsthaftigkeit der Serie anhebt.
Die Serie ist dunkel, beinahe düster, dennoch optisch von herausragender Qualität. Chinesen scheinen einfach ein Händchen für Ästhetik zu haben, und auch „Luoyang“ hängt hier in nichts hinterher. Die Produktion hat Geld, sehr viel Geld, und das merkt man. Selbst wenn man jedem Statisten nur 1€ pro Szene zahlen würde, dann wäre man ganz schnell hunderte von € los! Die Actionszenen sahen grandios aus, es wird insgesamt auf viel unnötiges und kitschiges CGI verzichtet, und auch die Kostüme wirken realitätsgetreu und optisch ansprechend.
Doch leider täuscht die Optik und Gesamtstimmung sehr über die tatsächliche Qualität der Geschichte hinweg.
Serien, die eine so dermaßen ernstzunehmende Stimmung verbreiten, wollen damit meist ihren Schwerpunkt auf die Handlung legen. Dementsprechend erwartet man bereits ab Folge 1 eine ausladende, mehrschichtige und komplexe Handlung mit mehreren Strängen, die herausragend ineinander verwebt werden und die einen am Ende mit dem sprichwörtlichen „Wow!“ zurücklassen.
Lustigerweise ist die Geschichte genau das, doch beim genauerem Hinsehen versagt sie in vielen wichtigen Punkten. Und wenn man seine Zuschauer genau darauf ausrichtet, auf die Handlung zu schauen, dann ist es für mich technisch schwach, wenn so offensichtliche Schwachpunkte vorliegen.
Punkt 1: Die Grundgeschichte ist nicht gut genug
Zu Beginn hat man noch das Gefühl, dass die Serie alles anders macht, wie sämtliche Period-Dramas vor ihr, doch final entpuppen sich die 39 Folgen „Luoyang“ nur als die typische Intrige gegen das Königshaus, die man selbst in Costume-Dramas auch nicht schlechter sieht. „Luoyang“ geht hier zwar einen anderen und damit angenehm überraschenden Weg, weil man versucht, die Stadt Luoyang von Innen heraus zu zerstören, um der Kaiserin zu schaden und nicht den Weg „Mann-gegen-Mann“ wählt, aber das täuscht auch nicht über die Grundidee hinweg, die nicht besser ist als in anderen Titeln.
Punkt 2: Das Pacing ist mangelhaft, v.a. am Ende
Am Anfang ist die Serie wahnsinnig schnell, bringt sehr viele Informationen und Schauplätze, sodass man fast mit ihnen erschlagen wird, weil alles so schnell hintereinander passiert. Man will mehr, und am Anfang bekommt man sogar mehr als man kauen kann – aber man ist zufrieden.
Doch je länger die Handlung voranschreitet, desto mehr merkt man, dass die Autoren ihre zahlreichen Handlungsstränge nicht unter einen Hut bekommen. Die einzelnen Stränge lösen sich nach einiger Zeit immer mehr voneinander, sodass man stellenweise das Gefühl hat, die gehören überhaupt nicht mehr zusammen. So passiert es dann auch, dass man manche zentrale Figur die ganze Folge nicht sieht, weil die Serie gerade auf eine andere Storyline fokussiert.
Punkt 3: Die Character-Stories der 3 zentralen Figuren sind zu schwach
Zum Charakterdesign als Solches komme ich noch, hier möchte ich erst einmal auf den handlungstechnischen Aspekt der Figuren eingehen. Selbstverständlich bringt jeder der 3 Hauptcharaktere seine eigene Geschichte mit, doch es soll nicht lange dauern, bis sie die Handlung nicht mehr tragen – und damit wird die Intrige zu schwach, um zu motivieren.
- Gao Bing Zhu funktioniert mit seiner Geschichte zu Beginn noch sehr gut, weil bei ihm das Sprichwort „Zur falschen Zeit am falschen Ort“ ein ganz anderes Ausmaß bekommt. Egal wo er auftauchte, immer war er sofort der Bösewicht, und man konnte es allen anderen handelnden Charakteren auch nicht verdenken. Das machte seine Geschichte und seine Figur komplex, weil er laufend damit beschäftigt war, seine eigene Unschuld zu beweisen. Somit bekommt der Charakter wie von selbst Motivation und die Geschichte kommt schnell ins Rollen.
Jedoch entpuppt sich Bing Zhu im Verlauf schnell als der Charakter, der sich über eine Rachegeschichte definiert, die es da Außen wie Sand am Meer gibt. So entwickelt sich die zu Beginn sehr erfrischende Spontangeschichte zu einem für mich zu langatmigen Racheakt, der mich einfach nicht interessierte. Er war zu vorhersehbar, auch emotional, sodass ich viel übersprang. - Si Yue verkörpert das Badass-Girl, das auch Badass ist, aber für mich zu sehr die Feminismusdebatte unterstreicht. Eine Figur, die sich gegen das System auflehnt, weil sie Antworten haben will und immer wieder zu hören bekommt „Das darfst du nicht, das ist nicht deine Aufgabe!“ macht die Figur nicht automatisch charakterstark.
- Hong Yi tritt als der widerwillige Held auf, der über eine Verkettung von mehreren Umständen in die Geschichte geworfen wird und erst einmal seinen Platz suchen und festigen muss. Das macht ihn im Endeffekt zum einzig wirklich interessanten Charakter, weil alle anderen ihren Platz in der Geschichte schon haben, doch leider macht seine dermaßen stoische Art einen emotionalen Bezug schwer. Noch dazu bringt er mit seiner Frau Liu Ran die schlimmste Kombination aus allen nervigen Frauenzimmern mit, die ich je in Serien gesehen habe; außerdem ist die finale Auslösung seiner Geschichte schlicht und einfach schlecht. Als der Hinweis zur Auflösung kam, war mir die Geschichte mit einem Mal klar – man musste dann noch knapp 7 Folgen warten, bis sich eben dieser Verdacht als „richtig“ herausstellte.
Punkt 4: das Trio hat kaum gemeinsame Screentime
Ich hatte erwartet, dass wir mit den 3 unterschiedlichen Figuren das Setting bekommen, indem alle irgendwann ihre Fähigkeiten kombinieren und am Ende den Oberbösewicht dingfest machen – aber nein! Stattdessen bleibt die Handlung bis zum Schluss in 2 Seiten gespalten: Team Bing Zhu & Si Yue auf der einen und Hong Yi auf der anderen Seite. Sicherlich benötigt man damit ein gutes Writing, um beide Handlungsstränge trotz unterschiedliche Vorgehensweise und Informationsstand immer wieder zusammen zu bringen, aber das sorgt leider auch dafür, dass sie die Gesamthandlung in 2 Hälften aufteilt. Und je nach Sympathie kommt man schnell ins Fahrwasser, jeweils die eine oder die andere Geschichte zu überspringen, weil die Sympathie oder das Interesse nicht passt.
Punkt 5: die Geschichten der 3 Hauptfiguren verlaufen zu ähnlich
Im Grunde ist es ja interessant, wenn man verschiedene Figuren ähnlichen oder gleichen Situationen aussetzt und ihre Reaktionen vergleicht: der eine rastet aus, während ein anderer in Depression versinkt.
Doch hier hatte ich eher das Gefühl, dass es für die Autoren der Weg des geringsten Widerstands war. Ganz nach dem Motto: „Ach ja, die Idee ist gut, nehmen wir sie doch für den anderen Charakter auch.“ So fällt einfach schnell auf, dass gerade bei den 3 Hauptfiguren die Geschichten auf beinahe die gleiche Weise ihr Ende finden. Und da alle von komplett unterschiedlichen Startpunkten kommen, ist es schade, dass das Ende nicht genauso individuell ist wie der Start.
zu den Charakteren
Und bei mir persönlich war es tatsächlich die Sympathie im Allgemeinen, weshalb ich emotional nicht mehr der Serie und seinen Figuren warm geworden bin. Denn es ist doch Wahnsinn, wie sehr die Sympathie das persönliche Zuschauererlebnis beeinflusst.
Technisch gesehen sind die Figuren nämlich sehr gut!
Es gibt die verschiedensten Punkte, die erfüllt sein müssen, damit ein Charakter funktionieren kann: starke Motivation, innere Konflikte, Hintergrundgeschichte für Tiefgründigkeit, aber auch nachvollziehbare Fehler im Charakter und persönliche Grenzen – all das macht eine Figur realistisch und gibt dem Zuschauer einen Grund, sich mit ihr beschäftigen zu wollen.
Lustigerweise haben alle Figuren der Serie diese Eigenschaften, doch es reicht eine einzige Kleinigkeit sie zunichte zu machen: die Sympathie zu den Schauspielern.
Ich bin ehrlich, ich mag Song Qian / Victoria Song einfach nicht, und mit Huang Xuan (Bing Zhu) bin ich trotz guter schauspielerischer Leistung auch nach mehreren Folgen nicht warm geworden. Und dann kann eine Figur auf dem Papier noch so gut klingen, wenn man keinen Draht zu ihnen bekommt, dann funktioniert es einfach nicht.
So hielt ich mich an Hong Yi, der als Figur zwar auch einige inhaltliche Schwächen hat, der aber charakterlich auf technischer Ebene sehr interessant war. Hong Yi verbindet nämlich sämtliche Hauptcharakter-Typen: im Grundkonzept der stoische Typ, zu Beginn der widerwillige Held, der einige typisch heroische Eigenschaften hat, sich im Endeffekt aber oft als zu schwach herausstellt, damit immer wieder zur <Damsel in Distress> wird, am Ende des Tages aber trotzdem wahnsinnig viel selbst auf die Reihe bekommt.
Ich fand es interessant, die Rolle der <Damsel in Distress> diesmal an einen Mann zu vergeben. Besonders gut funktioniert das dann auch noch, als dass Hong Yi oft genug selbst zum Helden wird und mit Liu Ran seine persönliche <Damsel in Distress> retten darf. Und genau dieses Element macht für mich den Charakter sympathisch, weil man sich in ihm selbst wieder findet. Wie oft stellt man sich selbst vor, dass man in Gefahrensituationen seinen Mann steht, nur um im wahren Leben schnell von der Realität eingeholt zu werden.
Die Bösewichte waren okay. Mich störte jedoch besonders, dass viele im Endeffekt auf die gleiche Weise funktionierten, weil wie in Punkt 5 oben angedeutet die Character-Stories einfach zu ähnlich wurden. So wurden auch viele Gegenspieler irgendwann zu ähnlich, was ihnen viel an Individualität nahm.
Wie gesagt, ich fand die Vorgehensweise sehr abwechslungsreich, mal nicht gegen die Kaiserin als Person vorzugehen, sondern sie von ganz Unten heraus anzugreifen, indem man ihr „Reich“ kaputt macht, doch im Endeffekt wird nur diese Idee im Kopf bleiben.
Fazit
Ich muss zugeben: ich bin enttäuscht!
Selten haben sich 39 Folgen so lang angefühlt wie bei „Luoyang“ – und das auch noch mit Kurzfolgen mit teilweise nur 36min Länge!
Für mich verschießt „Luoyang“ viel gute Vorlage, weil sich die Handlungsstränge zu sehr spalten und damit viel Zeit ins Land geht, bis alles hinreichend erklärt und aufbereitet ist, um die Geschichte im Zusammenhang zusammenführen zu können. Und da diese Zusammenführung inhaltlich auch nicht spannender ist als in anderen Serien, macht es das Gesamterlebnis nicht besser. Ganz im Gegenteil: andere Serien zeigen, wie man auch interessant, aber deutlich einfacher zum gleichen Ziel kommen kann.
Bei mir spielt sicherlich viel persönliche Sympathie mit rein, weil ich, wie gesagt, mit den Schauspielern nichts anfangen konnte. Deswegen kann ich heute nur für mich persönlich sprechen, wenn ich sage: war überraschenderweise nicht Meins!
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Beitrag wurde zuletzt am 21.02.2022 20:46 geändert.
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