Mit K-Serien kenne ich mich überhaupt nicht aus, darum ist diese Rezension ein Sprung ins kalte Wasser, begleitet vom darauffolgenden Versuch, sich durch unbeholfenes Planschen an der Wasseroberfläche zu halten. Geht es um Live Action, rezensiere ich lieber Filme über Männer in Gummianzügen.
Der Start war etwas holprig, was wohl hauptsächlich daran lag, dass ich mich zuerst an bestimmte Eigenheiten von K-Serien gewöhnen musste. Ganz besonders auffällig ist die glatte Haut der Koreaner. Die Darsteller sehen beinahe aus wie Schaufensterpuppen. Bärte sind nicht existent und Bartstoppel sind selbst bei guter Beleuchtung und bei Nahaufnahmen nicht auszumachen. Die Schauspieler rennen quasi mit einem Babypopo im Gesicht rum. Zuseher, die keine perfekte Haut besitzen und schnell grün oder pickelig vor Neid werden, sollten vielleicht einen großen Bogen um K-Serien machen.
Nach jahrelangem Anime-Bingings kennt man bereits ein paar Wörter und man muss nicht mal mehr die Subs lesen, um zu verstehen, was gemeint ist. Wenn ich beispielsweise die Augen schließe und ein Mädchen ganz schrill und laut »Baka!« schreien höre, weiß ich erfahrungsgemäß, dass eine Tsundere gerade einen Kerl beschimpft. Hört man dann plötzlich Koreanisch, fängt man praktisch bei Null an, und alles, was man versteht, sind genuschelte, halb geschluckte Konsonanten und Vokale. So etwas wie »Senpai« und »Kohei« existieren hier nicht. Stattdessen hört man oft den Begriff »Sunbae«, der das koreanische Äquivalent zum japanischen »Senpai« ist.
Der wohl wichtigste Sunbae in dieser Serie ist
Yoo Jung, der männliche Protagonist, gespielt von
Park Hae-jin. Liest man sich den Beschreibungstext durch, könnte man meinen, Jung sei der lebendig gewordene Delinquenten-Protagonist eines typischen Shoujo-Mangas. Glücklicherweise ist diese Serie jedoch etwas realistischer und komplexer als so eine schnöde RomCom für den schnellen Dopamin- und Serotonin-Push für zwischendurch. Die Figuren sind vielschichtig und besitzen so etwas wie Beweggründe. Manchmal findet man sie doof, dann wieder etwas sympathischer, und selten, aber doch möchte man sie ab und zu
abwatschen. Jung ist von Anfang bis Ende ein Rätsel. Bei seinem Erstauftritt machte er einen relativ unsympathischen Eindruck auf mich. Im Gesicht sieht er aus wie eine asiatische Version von
Ken aus der
Barbie-Produktkollektion. Gesichtszüge sind bei den Figuren ohnehin kaum zu erkennen, da ihre Haut wie gesagt aalglatt ist. Dennoch besitzt Jung eine gewisse männliche Kantigkeit, ohne wirklich kantig zu sein. Er hat volle Lippen – Ober- und Unterlippe scheinen symmetrisch zu sein – sowie ein ausgeprägtes
Philtrum. Wenn man etwas kantig nennen kann, dann vielleicht seine
Beatles-Frisur, die sitzt wie eine Eins. Oder ist es eher umgekehrt, und die Beatles haben sich an Asiaten orientiert? Die große Frage lautet natürlich, was zuerst da war: die Beatles oder Asiaten? In der Horizontalen verlieren Jungs Haare ihren Sitz und er sieht dann tatsächlich menschlich aus, und nicht mehr wie ein Plastikroboter. Seine auffällig großen Tränensäcke, gepaart mit seinem anfangs noch emotionslosen Schauspiel
for the sake of mystery, lassen ihn etwas gruslig wirken. Zumindest macht er einen sehr suspekten Eindruck. Und dieser Eindruck lässt einen viele, viele Episoden lang nicht los. Jung ist sehr manipulativ und gehört zu jener Sorte Mensch, die einem etwas 100-fach zurückzahlt. Bewirft man ihn mit einem Kieselstein, wirft er eine Atombombe zurück. Rempelt man ihn versehentlich an, engagiert er die
Klitschko-Brüder, um einen zu vermöbeln. Und alle haben deshalb
scheiße Angst vor ihm. So in etwa muss man sich Jung vorstellen, weshalb ich mir zunächst etwas schwer damit tat, ihn als Male Prota zu mögen. Viele seiner Taten sind natürlich selbstlos und rein für das Wohl seiner geliebten Female Prota:
Hong Seol, gespielt von
Kim Go-Eun. Blöd nur, dass Jung immer alles hinter ihrem Rücken macht und Seol das alles gar nicht will …
Die Geschichte wird hauptsächlich aus Seols Blickwinkel erzählt. Sie ist schlau, tüchtig, nett und ohne jegliche Macken. Sie kann einem richtig leidtun, dass sie umgeben von lauter Nichtsnutzen und Psychopathen ist.
Baek In-Ho, gespielt von
Seo Kang-Joon, ist einer der hübschesten Asiatenmänner, die ich jemals gesehen hab. Ein wahrer Schnuckel. Nur hat er etwas blutunterlaufene Augen und sieht daher immer so aus, als würde er gleich anfangen zu weinen. Aber ich glaube, das macht ihn für die Frauenwelt nur noch attraktiver, da er Verletzlichkeit zeigt – oder zumindest so aussieht, als würde er das tun. Obwohl er in seiner ersten Szene wütet und immer wieder sehr temperamentvoll ist, kommt er bereits zu Beginn viel sympathischer rüber als Jung. Bei all den Problemen, die Seol und Jung haben, scheinen Seol und In-Ho einfach das bessere Pärchen abzugeben. Wenn die beiden zusammen sind, ist die Atmosphäre einfach viel entspannter, auch dann, wenn sie streiten. In-Ho hat eine schöne dramatische Backgroundstory bekommen. Einst ein aufstrebender Pianist, ist er heute nur noch ein Herumtreiber, der auf seine ältere Schwester aufpassen muss, da diese nicht lebensfähig ist.
Baek In-Ha, gespielt von
Lee Seong-Gyeong, ist In-Hos ältere Schwester. Sie ist die koreanische
Paris Hilton und hat einen ganz fürchterlichen Charakter. Ihr Leben dreht sich nur ums
Shoppen und um
Luxus. Sie kauft all ihre Sachen jedoch nicht mit ihrem hart verdienten Geld – sie arbeitet natürlich nicht –, sondern ist mit der Mentalität aufgewachsen, dass Männer ihr schon ausreichend
Geld geben, solange sie nur lange genug darum bettelt. Den meisten Zaster bekommt sie von einem älteren Herren, den sie »Ajusshi« nennt. Lange habe ich gebraucht, bis ich erkannt habe, dass dieser Begriff nicht das koreanische Wort für »Sugar-Daddy« ist, sondern für »älterer Herr«. In-Ha und In-Ho wurden nämlich von Jungs Vater in seine Familie aufgenommen. Wie gesagt, sie ist eine ganz schreckliche Person. Ich liebe sie. Sie ist die einzige Figur, die etwas Comedy in diese Serie bringt, obwohl sie einem eigentlich leidtun kann (oder auch nicht …), da ihr irgendwann der Geldhahn zugedreht wird. Sie redet gefühlt doppelt so schnell wie die anderen Figuren und zieht die Vokale immer so lange, bis ihr die Luft ausgeht. Ihr Spiel mit den
Augen ist klasse. Mal strahlt sie Verachtung aus, mal Hinterlistigkeit, auch wenn sie zu doof ist, um irgendwas auf die Reihe zu kriegen. Ihre Hochnäsigkeit kommt noch besser zur Geltung, wenn sie eine Seite der Lippen hochzieht. Sollte das angeboren sein: Sorry, Seong-Gyeong. Am besten ist ihr Overacting, das in dieser Serie fast schon fehl am Platz wirkt. Zusammen mit oben erwähnten Sachen kommen zu ihren Schauspielkünsten noch hinzu: mit den Armen rumfuchteln, sich die Lunge aus dem Hals schreien und ungesunde Körperverrenkungen machen. Sie ist wie ein kleines Kind, das mit Rumplärren ihren Willen bekommen möchte, nur mit dem Unterschied, dass sie geschlechtsreif ist und weiß, wie sie diesen bei Männern bekommen kann. Ajusshi meint, früher, als sie tatsächlich noch ein kleines Kind war, sei sie nicht so gewesen. Sie entwickelt sich also zurück, was ich zum Schießen finde.
Zu Beginn habe ich mich gefragt, wie man aus der Prämisse dieser Serie ganze 16 Episoden mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 63 Minuten herausquetschen möchte. Und am Ende habe ich mich dasselbe gefragt. Es ist eigentlich die alte Leier: Mann und Frau treffen sich; sie fangen an, sich zu mögen; es tauchen ein paar Problemchen auf, die mal mehr, mal weniger gut gelöst werden, und irgendwann taucht ein Liebesrivale auf. Oft stehen die Figuren sich einfach nur selbst im Weg. Jung, weil er – wie gesagt – Rache am liebsten eiskalt und mit einem Maschinengewehr serviert. Und die anderen, weil sie Tölpel und Irre sind. Ein
Studienkollege beispielsweise macht Seol mit seiner Inkompetenz das Leben schwer. Dabei sieht das, was die Studenten in dieser Serie lernen, eigentlich ziemlich einfach aus. Ein Hauptschüler könnte dem folgen. Die Banalität des Lernstoffes ließ mich öfter mal daran zweifeln, dass die Serie tatsächlich auf einem College spielen soll. Dort treiben sich aber noch ganz andere Kaliber als nur ein unfähiger Dorftrottel rum, beispielsweise ein Mädchen, das Seol offensichtlich
kopiert, oder aber auch ein
Stalker. Viele Probleme hätte man schon eher lösen können, hätte man nur die Polizei alarmiert oder wäre eine gesunde Watsche etwas früher gekommen, denn
geprügelt wird hier ohnehin. Vielleicht etwas zu spät, wenn sich bereits zu viel angestaut hat? Am Ende taucht dann noch zur Erhöhung des Dramas eine Yakuza-ähnliche Gruppierung auf, und wenn das passiert, weiß man als Zuseher, dass die Polizei erst recht nicht eingeschaltet wird.
Ungefähr ab dem letzten Drittel oder Viertel, wenn aus den Problemen des Main Casts nicht mehr viel rausgeholt werden kann, transformieren sich manche Figuren von
Komparsen zu Nebencharakteren. Man hat etwas verabsäumt, diese Figuren zeitnah aufzubauen und sie dem Zuseher möglichst früh näherzubringen.
Der Zeichenstil ist … ach, stimmt ja, hier gibt es echte Menschen. Auf Spezialeffekte muss man ebenfalls verzichten, da alles sehr realistisch gehalten ist. Zumindest zur Musik kann man sagen, dass diese sehr einprägsam ist. Das Ending klingt wie »
One Moment in Time« von
Whitney Houston. Und wenn eine ganz bestimmte Melodie spielt, weiß man, dass es dramatisch wird.
Irgendwo »muss« man anfangen. Ob »
Cheese in the Trap« ein guter Einstieg in koreanische Serien ist, zeigt die Zukunft, wenn der Zuseher, der sich selbst ins kalte Wasser geschmissen hat, an Erfahrung dazugewonnen hat. 16 Episoden halte ich vielleicht für etwas viel in Anbetracht des tatsächlichen Inhaltes dieser Serie, und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich manchmal dabei erwischt habe, wie ich einfach nur auf den nächsten Auftritt von In-Ha gewartet habe, um von ihrer Herumhampelei und ihrer
Suderei zum Lachen gebracht zu werden.
Beitrag wurde zuletzt am 08.06.2023 05:48 geändert.
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