Wer sucht, findet nicht, aber wer nicht sucht, wird gefunden.
Ein schönes Paradoxon von Franz Kafka. Aus dem dritten seiner Oktavhafte. Vorn und hinten finden sich Einträge wie "Die Tatsache, daß es nichts anderes gibt als eine geistige Welt, nimmt uns die Hoffnung und gibt uns die Gewißheit" oder "Ekelhaftes Essen: gestern Schweinsfuß, heute Schwanz" oder auch "Jedem Augenblick entspricht auch etwas Außerzeitliches. Dem Diesseits kann nicht ein Jenseits folgen, denn das Jenseits ist ewig, kann also mit dem Diesseits nicht in zeitlicher Berührung stehn"Aber ok - man kann selbstverständlich das alles fröhlich ignorieren und so hindrehen, wie's einem grade in den Sinn kommt.Denn eigentlich enthält das Zitat eine Warnung, vielleicht sogar eine Drohung.
Kafkas "Prozeß" beginnt so:
Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.
[...]
Was waren denn das für Menschen? Wovon sprachen sie? Welcher Behörde gehörten sie an? K. lebte doch in einem Rechtsstaat, überall herrschte Friede, alle Gesetze bestanden aufrecht, wer wagte, ihn in seiner Wohnung zu überfallen? Er neigte stets dazu, alles möglichst leicht zu nehmen, das Schlimmste erst beim Eintritt des Schlimmsten zu glauben, keine Vorsorge für die Zukunft zu treffen, selbst wenn alles drohte.
Es gibt keine Erklärungen, keine Antworten, schon gar keine Akteneinsicht oder eine Möglichkeit, seine Unschuld nachzuweisen. Joseph K. sucht, findet aber nicht. Als er die Suche aufgibt, wird er gefunden, fatalerweise - und das endet dann so:
Nach Austausch einiger Höflichkeiten hinsichtlich dessen, wer die nächsten Aufgaben auszuführen habe – die Herren schienen die Aufträge ungeteilt bekommen zu haben -, ging der eine zu K. und zog ihm den Rock, die Weste und schließlich das Hemd aus. K. fröstelte unwillkürlich, worauf ihm der Herr einen leichten, beruhigenden Schlag auf den Rücken gab. Dann legte er die Sachen sorgfältig zusammen, wie Dinge, die man noch gebrauchen wird, wenn auch nicht in allernächster Zeit.
[...]
War noch Hilfe? Gab es Einwände, die man vergessen hatte? Gewiß gab es solche. Die Logik ist zwar unerschütterlich, aber einem Menschen, der leben will, widersteht sie nicht. Wo war der Richter, den er nie gesehen hatte? Wo war das hohe Gericht, bis zu dem er nie gekommen war? Er hob die Hände und spreizte alle Finger.
Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während der andere das Messer ihm tief ins Herz stieß und zweimal dort drehte. Mit brechenden Augen sah noch K., wie die Herren, nahe vor seinem Gesicht, Wange an Wange aneinandergelehnt, die Entscheidung beobachteten. »Wie ein Hund!« sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben.
Aber Frau Heidrun Klaua sieht das sicher alles ganz anders…
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