AsaneRedakteur
#1»Wo beginnen, da wo nicht aus noch ein?«
[Beckmesser in: Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg]
Es war ganz offensichtlich ein Fehler, blind in die Kiste mit den Musikvideos zu greifen und aufs Geratewohl was rauszuzerren. Nichtmal Youtube hat mich davor bewahrt, dieses Machwerk kennenzulernen; auf nichts ist mehr Verlass in dieser schlechten Welt …
Jammern gehört jedenfalls zum edlen Grundprinzip dieses fünfminütigen Clips, und wäre der Song nicht in Japanisch und auch sonst keine Herkunftsangabe vorhanden, könnte man ohne weiteres eine westliche Produktion vermuten, die im bewährt-betroffenen Liedermacherstil gitarrenbewaffnet im Sechsachteltakt die Schlechtigkeit der Welt beweint und den miesen Charakter der Menschen ganz besonders anprangert.
So weit, so überraschungsfrei.
»Yowai Mushi«, übersetzt als "Weak Bugs", nennt sich das Ding, und es spielt natürlich auf den Begriff "Yowamushi" an, den man allgemein als "Schwächling" wiedergeben kann. Der Protagonist ist seit frühesten Tagen ein solcher und erträgt alles Mobbing und jeden Hohn mit Gleichmut auf seinem unabänderlichen Lebensweg, aber auch mit dem immergleichen dauerleidenden Gesichtsausdruck. Indem er mieses Verhalten anzieht wie Autobahnen den Verkehr, macht er sich so selbst zum Opfer.
Opfer einer Gesellschaft, die streng hierarchisch gegliedert ist und ziemlich darwinistisch verfährt. Die Metaphorik mit den Ameisen passt also perfekt. Wie man sieht, verlässt man sich voll und ganz auf die bewährte Wackelstrichoptik mit fließenden Übergängen zwischen diesen einzelnen Szenen aus dem Leben eines Taugenichts.
Die Botschaft, wie schlecht diese Welt doch ist, trieft aus jedem Frame und kleckert dem Zuschauer den klaren Verstand voll. Aber was soll man sagen: Diese Botschaft kommt an! Kurzer Abriss aus den Kommentaren:
Anhand des unangenehm didaktischen Impetus, den der Song auf voller Länge verströmt, bereitet man einem aufgeschlossenen, achtsamkeitsaffinen Publikum das warme Gefühl, auf der richtigen Seite der Menschheit zu stehen und für die vom Leben Benachteiligten, für die Opfer der Gesellschaft, für die Gerechtigkeit überhaupt stellvertretend kämpfen zu müssen, egal, ob die das wollen, egal, ob es was nützt.
Ja klar, muss man Rücksicht nehmen, Anstand wahren und Höflichkeit leben zum Wohle aller. Das sind alles Binsenweisheiten. Aber bitte doch nicht auf solch schmalspurige, tränendrückerische Art. Der hier ins Bild gesetzte Loser-kun hat mir gegenüber immerhin zwei dicke Vorteile: er hat eine nette, fürsorgliche Frau sowie eine Tochter, die auch mal auf den Tisch haut, wenn's nötig scheint.
Nicht nur einmal verfährt man auf Seiten der ausdrucksstarken Symbolik so, daß furchtbar schlimme Bilder ("Verbrecherin! Verrecke!") von Bildern einer rosigen, hoffnungsfrohen Zukunft abgelöst werden (Libelle), aber da dem Clip ansonsten nichts weiter einfällt, als immer nur auf die Betroffenheitsschiene zu setzen, verfängt dieser Kniff schon bald nicht mehr und man ist recht bald genervt von diesem ostentativen Appell an das Gutmenschentum.
Bleibt zuletzt die bange Frage: Ist das jetzt am Ende noch eine Rezension? Ich fürchte, nein …
[Beckmesser in: Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg]
Es war ganz offensichtlich ein Fehler, blind in die Kiste mit den Musikvideos zu greifen und aufs Geratewohl was rauszuzerren. Nichtmal Youtube hat mich davor bewahrt, dieses Machwerk kennenzulernen; auf nichts ist mehr Verlass in dieser schlechten Welt …
Jammern gehört jedenfalls zum edlen Grundprinzip dieses fünfminütigen Clips, und wäre der Song nicht in Japanisch und auch sonst keine Herkunftsangabe vorhanden, könnte man ohne weiteres eine westliche Produktion vermuten, die im bewährt-betroffenen Liedermacherstil gitarrenbewaffnet im Sechsachteltakt die Schlechtigkeit der Welt beweint und den miesen Charakter der Menschen ganz besonders anprangert.
So weit, so überraschungsfrei.
»Yowai Mushi«, übersetzt als "Weak Bugs", nennt sich das Ding, und es spielt natürlich auf den Begriff "Yowamushi" an, den man allgemein als "Schwächling" wiedergeben kann. Der Protagonist ist seit frühesten Tagen ein solcher und erträgt alles Mobbing und jeden Hohn mit Gleichmut auf seinem unabänderlichen Lebensweg, aber auch mit dem immergleichen dauerleidenden Gesichtsausdruck. Indem er mieses Verhalten anzieht wie Autobahnen den Verkehr, macht er sich so selbst zum Opfer.
Opfer einer Gesellschaft, die streng hierarchisch gegliedert ist und ziemlich darwinistisch verfährt. Die Metaphorik mit den Ameisen passt also perfekt. Wie man sieht, verlässt man sich voll und ganz auf die bewährte Wackelstrichoptik mit fließenden Übergängen zwischen diesen einzelnen Szenen aus dem Leben eines Taugenichts.
Die Botschaft, wie schlecht diese Welt doch ist, trieft aus jedem Frame und kleckert dem Zuschauer den klaren Verstand voll. Aber was soll man sagen: Diese Botschaft kommt an! Kurzer Abriss aus den Kommentaren:
- 感動。 泣けるっ (Enorm beeindruckend. Ich musste weinen)
- こういう曲をみんな聴けばイイと思う (Ich denke, jeder sollte sich das anhören)
- 何度見ても泣いてしまう (so oft ich es anschaue, ich muss immer weinen)
- i love this song !! from france !
- Omg i started to bust out tears!! I am still crying after like ten minutes
Anhand des unangenehm didaktischen Impetus, den der Song auf voller Länge verströmt, bereitet man einem aufgeschlossenen, achtsamkeitsaffinen Publikum das warme Gefühl, auf der richtigen Seite der Menschheit zu stehen und für die vom Leben Benachteiligten, für die Opfer der Gesellschaft, für die Gerechtigkeit überhaupt stellvertretend kämpfen zu müssen, egal, ob die das wollen, egal, ob es was nützt.
Ja klar, muss man Rücksicht nehmen, Anstand wahren und Höflichkeit leben zum Wohle aller. Das sind alles Binsenweisheiten. Aber bitte doch nicht auf solch schmalspurige, tränendrückerische Art. Der hier ins Bild gesetzte Loser-kun hat mir gegenüber immerhin zwei dicke Vorteile: er hat eine nette, fürsorgliche Frau sowie eine Tochter, die auch mal auf den Tisch haut, wenn's nötig scheint.
Nicht nur einmal verfährt man auf Seiten der ausdrucksstarken Symbolik so, daß furchtbar schlimme Bilder ("Verbrecherin! Verrecke!") von Bildern einer rosigen, hoffnungsfrohen Zukunft abgelöst werden (Libelle), aber da dem Clip ansonsten nichts weiter einfällt, als immer nur auf die Betroffenheitsschiene zu setzen, verfängt dieser Kniff schon bald nicht mehr und man ist recht bald genervt von diesem ostentativen Appell an das Gutmenschentum.
Bleibt zuletzt die bange Frage: Ist das jetzt am Ende noch eine Rezension? Ich fürchte, nein …
Beitrag wurde zuletzt am 01.01.2022 23:25 geändert.
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