Glass no Kamen basiert auf einer seit über 40 Jahren laufenden
Mangavorlage. Das führte sogar dazu, dass der Umstand zuletzt in
Tensei Shitara Slime Datta Ken satirisch erwähnt wurde. Beim ersten Anschauen im März 2011 litt ich in den ersten 11 Folgen fürchterlich, der Anime war gefühlt dauerabbruchsgefährdet. Kurioserweise war der Bann danach gebrochen und ich suchtete das Werk in einem Rutsch durch.
Glass no Kamen ist ohne Frage ein Ganbatte-Anime: Wir verfolgen den Werdegang eines jungen Mädchens, das in die Welt des Schauspiels hineingezogen wird und sowohl während der diversen Aufführungen als auch abseits davon Erfolge und Misserfolge erlebt. Knackpunkt und Hauptmotivation ist das legendäre Stück "The Crimson Goddess". Das wurde seit langer Zeit nicht mehr aufgeführt, weil die einzige befähigte Schauspielerin verletzt wurde und seitdem inklusive Aufführungsrechte verschwunden war. Natürlich ändert sich das mit Beginn der Serie und sorgt für diverse Spannungspunkte bis hin zu regelrechten Konflikten.
Es ist keine Überraschung, dass die Hauptfigur ein Ausnahmetalent ohnegleichen ist und dass das Werk ihren Aufstieg samt Höhen und Tiefen zeigt. Da die Vorlage sozusagen zur alten Schule gehört, finden sich auch eine kompetente Rivalin, teils geheime Verehrer sowie eine relativ strenge Mentorin.
Nicht so oft habe ich erlebt, dass die Handlung abseits der Aufführungen mehr als nur Mittel zum Zweck ist. Sie trägt entscheidend zur Charakterentwicklung und zur überwiegend fesselnden Wirkung bei. Und da Schauspielerei ja auch kein klassischer Wettbewerbssport ist, könnte der Anime also durchaus als Drama durchgehen. Die Geschichte wird relativ dicht und schnell erzählt, an manchen Stellen schon fast zu schnell. Zwar endet die Umsetzung aufgrund der Vorlage offen, aber der Abschlusspunkt ist gut gewählt, nicht dazu gedichtet und verdirbt auch nicht den Schlussabschnitt, der stimmungsmäßig nochmal heraussticht.
Bereits davor bieten die Schauspiele diverse Höhepunkte. Die Folgen 12, 17, 23 sowie 37+38 (ein Zweiteiler) seien hier besonders erwähnt, aber auch die restlichen Werke müssen sich nicht verstecken. Insbesondere weil sie sich nicht nur geschichtlich, sondern auch in ihrem Schema angenehm unterscheiden und somit eigentlich keine Abnutzungserscheinungen auftreten. Natürlich werden die Stücke nicht in voller Länge gezeigt, vielmehr geht es darum, wie die Protagonisten die damit einhergehenden Herausforderungen bewältigen.
In der Mitte des Werks muss ich einen leichten Hänger attestieren, der aber zum Glück nicht schlimm ist und auch nicht lange dauert.
Bemerkenswert finde ich Maya, die Protagonistin: Zu Beginn noch 13 Jahre alt, schwankend zwischen mangelndem Selbstbewusstsein, kindlicher Naivität und einer brennenden Leidenschaft für alles, was mit Schauspielerei zu tun hat. Doch gerade sie war es, die mir zu Beginn das Anschauen schwer machte. Denn im Gegensatz zu etlichen anderen Ganbatte-Hauptfiguren fiel zumindest mir das Aufbauen von so zwingend nötiger Sympathie eine ganze Weile schwer ... sehr schwer sogar.
Maya ist seltsam unnahbar bzw. schwer begreifbar, und zwar nicht nur für die restlichen Charaktere, sondern auch für mich als Zuschauer. Man möchte schon fast "irritierend" sagen.
Ich war also gezwungen, die Figur erst kennenzulernen. Das ist dem realen Leben mehr abgewonnen als bei etlichen anderen Hauptfiguren, aber eben auch ein gehöriges Risiko.
Das soll nicht heißen, Maya selbst (oder sonst wer) wäre wirklich realistisch dargestellt – allein ihr Schauspieltalent ist fast schon absurd. Sie vollbringt im Laufe der Geschichte ein paar Kunststücke, die eigentlich undenkbar sind, z. B. das improvisierte Aufführen eines Stücks für mehr als ein Dutzend Darsteller im Alleingang. Allerdings rechne ich es dem Werk hoch an, dass dieser Umstand immer wieder relativ geschickt ins Gesamtgeschehen eingebunden wird. Er wirkt somit nicht unpassend und fungiert auch als Triebfeder für andere Figuren.
Die Handlung der Umsetzung umspannt ein paar Jahre, ergo erlebt man auch die Reifung der Hauptfigur. Das macht Glass no Kamen relativ geschickt: Nicht plötzlich bzw. sprunghaft, sondern eher langsam und unauffällig. So etwas würde ich gerne häufiger sehen.
Leider leistet man sich bei der Heldin auch Schnitzer. So manche Reaktion wirkt übertrieben kindlich und ein paar Verhaltensweisen sind schlichtweg irritierend und unglaubwürdig. Das schlimmste Beispiel ist bei einem Wettbewerb, wo vorab alle Gruppen versammelt und genannt werden. Maya quittiert dies mit einem Anwesenheitsruf, der aber überhaupt nicht verlangt war ... meiner Meinung nach eine schlechte und völlig überflüssige Humoreinlage. Glücklicherweise sind solche Eskapaden selten, insbesondere im späteren Verlauf.
Natürlich gibt es aufgrund des Schauspiel-Settings jede Menge Figuren. Viele bleiben unvermeidlich blass, aber zumindest die drei wichtigsten werden schon relativ gut beleuchtet. Die ehrgeizige Rivalin Ayumi ist quasi das Gegenstück zu Maya: Aus prestigereichem Schauspielerhause stammend, weiß sie sehr wohl über ihr Talent Bescheid, hat dafür aber auch immer wieder mit den negativen Seiten zu kämpfen, z. B. dem Schatten ihrer berühmten Mutter, Einsamkeit oder zu hohen, selbst gesetzten Zielen. Na ja, und mit Mayas unbegreiflichem Talent natürlich, denn richtig interessant wird es, wenn beide aufeinander treffen. Egal ob als Rivalen oder gemeinsam auf der Bühne, so ziemlich immer beeinflussen und beeindrucken sie sich gegenseitig. Das führt einerseits zu wachsendem gegenseitigen Respekt, aber auch sukzessive zu Missverständnissen.
Die angesprochene Mentorin, Chigusa Tsukikage, bekommt ebenfalls Hintergrund spendiert, aber trotzdem schwächelt die Figur im Vergleich ein wenig. Ihr gegenwärtige Rolle ist solide umgesetzt, die Hintergrundgeschichte aber eher kitschig.
Und schließlich Masumi Hayami - ein relativ junger, eher kalter und gefühlslos wirkender Geschäftsmann, der die Rechte an "The Crimson Goddess" erlangen will, aber (beidseitig ungewollt) von Maya Stück für Stück (Wortspiel durchaus beabsichtigt) emotional aus der Bahn geworfen wird. Deren Verhältnis war interessant zu verfolgen, auch wenn die etlichen Gedanken-Monologe auf beiden Seiten fast schon kitschig sind. Man möchte meinen, die Schauspielstimmung habe sich auch darauf ausgewirkt. Auch in seinen Hintergrund erhält man Einblicke, aber leider erst recht spät.
Und etwas kürzer zu den technischen Seiten:
- Die
Synchronsprecherin von Maya finde ich großartig, vor allem wie sie allein den ganzen verschiedenen Rollen Leben einhaucht. Das gilt im Großen und Ganzen auch für Ayumis
Sprecherin. Bei Chigusa Tsukikage bin ich zwiegespalten. Denn auch wenn
sie die Figur meist ordentlich rüberbringt, in einem der besten Schauspiele der Serie ist die Leistung im Vergleich zu Maya und Ayumi eher ... "unterwältigend". Beim Rest kann ich mich nicht beklagen, allenfalls Mayas Mutter hat mich nur bedingt überzeugt. Kuriose Randnotiz: Die
Sprecherin von Ayumis Mutter hat in der
Version von vor 21 Jahren Maya ihre Stimme verliehen.
- Der Zeichenstil ist ordentlich für ein Werk von 2005: Die Hintergründe recht schön, über die Zeichnungen kann ich mich auch nicht beschweren. Standbilder gibt es natürlich immer mal wieder, was bei 51 Folgen kein Wunder ist, aber teilweise dienen sie sogar als Stilmittel zum "Vorspulen" eines Stücks.
- Und der Soundtrack? Man hört, dass es hier kein hohes Budget gab. Die einzelnen Stücke unterstützen stimmungsmäßig ganz passabel, würden allein aber nicht wirklich bestehen. Die Aufführungen kommen übrigens mit recht wenig Musikuntermalung aus. Fand ich gut so, es hätte auch irgendwie nicht so gepasst. Titellieder und Abspannlieder sind mir meist egal, aber gesondert will ich mal das zweite Schlusslied erwähnen: Das hat musikalisch einen ziemlich infektiösen Refrain, der textlich aber völliger Stuss ist (das oder die englische Übersetzung davon). Aber nun ja ... bei J-Pop verwundert mich ja fast nichts mehr.
Fazit:Glass no Kamen gehört auch jetzt nicht zu meinen Favoriten (dafür gibt's dann doch ein paar störende Punkte zu viel), nimmt aber seit jeher einen Ausnahmestatus ein. Ich behaupte mal frei heraus, der Serie liegt eine ähnliche Magie inne wie den gezeigten Schauspielstücken. In meinem Fall hat sie jedenfalls gleich zweimal gewirkt.
Was eine Empfehlung angeht ... schwierig. Wie oben beschrieben, kann aller Anfang sehr schwer sein. Der allgemein leicht kitschige Anstrich mag ebenfalls abstoßend sein, aber andererseits lässt man sich hier vielleicht ein seltsam fesselndes Erlebnis entgehen.
Update-Historie:
28.05.2019 Umständliche Formulierungen zusammengerafft
30.04.2020 Fehlerchen und andere kleine Formulierungsausbesserungen
19.08.2020 s. darüber
24.08.2020 Es gibt immer Arbeit ...
08.09.2020 + 09.09.2020 Weitere Fehler und eine Fehlinformation korrigiert
Beitrag wurde zuletzt am 09.09.2020 23:06 geändert.
Kommentare
Die Story: Ein Mädchen möchte ihren Traum Schauspielerin zu werden verwirklichen. Hat hier und dort mal Hinternisse zu bekämpfen und bekommt Unterstützung von einem ach so geheimen Verehrer..
Die Darbietungen und die Umsetzung des Animes ist klasse. Man fiebert regelrecht mit Maya mit. Was ich auch noch toll fand, ist das Opening der Episoden 1-26. Ansonsten fand ich das Ende nicht besonders. Hätte mir ein anderes gewünscht, da der Anime an sich zwischen den Folgen toll ist. Wie erwähnt, bleibt die Spannung immer vorhanden, so dass man sich nicht langweilt..aber das Ende ist meiner Meinung nach einfach so dahin geklatscht worden..Sagen wir es so. Das Ende hat für mich alles kaputt gemacht.