SlaughtertripV.I.P.
#1Zeitreisen? Ächz … damit verbunden sind immer die ganzen Paradoxa, insbesondere das bekannte Großvaterparadoxon. Die Überlegung, ob das hier Gezeigte Sinn macht, kann einem den ganzen Anime vermiesen. Frech, wie ich bin, ignoriere ich diesen Punkt deshalb gekonnt und sehe »Tokyo Revengers« als das, was es im Grunde genommen auch ist: als ein Werk der Unterhaltungsindustrie. Und wie mich dieser Anime unterhalten hat!
Der erste Eindruck war nicht besonders gut, aber erste Eindrücke können bekanntlich täuschen. Die Nasen fand ich hässlich. Gut … zwar nicht so hässlich wie die von den Charakteren aus »The God of High School«, aber dennoch hässlich. Der Anime wirkte dadurch etwas billig, vor allem weil die Nasen in der nächsten Szene Pinocchio-like wieder zusammenschrumpften. Und auch sonst kam mir der Zeichenstil etwas flach und steril sowie wenig detailliert vor. Nachdem ich mich von meinen Oberflächlichkeiten befreit hatte und zu einem besseren Mensch geworden bin, erkannte ich die Qualitäten dieses Animes, und so wurde er zu einer der positiven Überraschungen der übergreifenden Frühlings- und Sommersaison 2021. Die Qualität der Zeichnungen finde ich zwar immer noch nicht überragend, aber dafür hat man bei den Animationen nicht gefaulenzt, was sich besonders bei den Actionszenen bemerkbar macht, die schön flüssig sind und überraschend wenig Standbilder aufweisen, was man leider nicht über jeden Anime sagen kann.
Die Handlung wirkt im ersten Moment sehr banal, doch auf die Umsetzung kommt’s natürlich an. Takemichi Hanagaki hat nichts aus seinem Leben gemacht. Er ist die Art von Person, der man ein aus Daumen und Zeigefinger geformtes und an die Stirn gehaltenes »L« zeigt. Und dann versetzen ihm auch noch äußere Umstände, auf die er keinen Einfluss hat, einen weiteren Dämpfer: Bei einem von der Tokyo Manji Gang, kurz »Toman«, verursachten Vorfall stirbt Hinata Tachibana, seine erste und einzige Liebe. Ähnlich wie bei »Gantz« wird Takemichi vor einen herannahenden Zug gestoßen, wodurch ein übernatürliches Phämonen ausgelöst wird: Er wird 12 Jahre in die Vergangenheit zurückgeschickt. Indem er die Ereignisse aus der Vergangenheit verändert, möchte er den Tod seiner geliebten Hinata verhindern. Was für ein Glück, dass Takemichi vor 12 Jahren selbst in einer kleinen Gang war und er so schon einige Kontakte hat! Auf manche Kontakte könnte er aber getrost verzichten, denn von diesen wird er zusammengeschlagen. Mehrmals. Takemichi war damals und auch heute kein typischer Shounen-Held, sondern ein Weichei. Aber dass er Angst zeigt, macht ihn menschlich. Man erkennt zwar eine Entwicklung vom Weichei zum hartgekochten Ei, aber als steinharter Kerl ist er nie zu sehen, was durchaus realistisch ist. Trotz allem besitzt er die Eier, alles Mögliche zu versuchen, um Hinata zu retten. Sein Ziel: der Anführer von Toman werden, damit auch ja nix schiefgehen kann! Der Anime spielt sich zwar hauptsächlich in der Vergangenheit ab, aber weil Takemichi immer wieder in die Gegenwart zurückversetzt wird, sieht man die Konsequenzen seiner Handlungen, die mal mehr, mal weniger erfreulich sind.
Vor allem zu Beginn wird man mit einer Reihe von Ass Pulls konfrontiert, um die fantastischen Geschehnisse rund um die Zeitreisen zu rechtfertigen und die Handlung voranzutreiben. Wie kommt es, dass Takemichi beim Sturz vor einen herannahenden Zug in die Vergangenheit zurückversetzt wird? Ist es realistisch, dass Naoto Tachibana, Hinatas kleiner Bruder, seine ganze Karriereplanung über den Tisch geworfen hat und zu einem Polizisten geworden ist, weil Takemichi ihm bei seiner ersten Reise in die Vergangenheit vom baldigen Tod Hinatas erzählt hat? Ist es absolut sinnig, dass die Zeitreisen durch einen Handschlag zwischen Takemichi und Naoto ausgelöst werden? Nein, das ist alles Schmarrn, aber man stellt sich diese Fragen nur ganz zu Beginn, und danach lautet die Devise, den Anime zu genießen.
Wenig überraschend sind es die Fragen, auf welche Weise Takemichi in vergangene Geschehnisse eingreift und welche positiven und negativen Konsequenzen daraus resultieren, die für Spannung sorgen sollen. Es sind aber auch die internen Vorgänge, die Veränderungen in der Hierarchie und die Machtspiele der hier auftretenden Gangs, die den Anime so aufregend machen. Neben Toman sind auch noch Moebius und Valhalla sehr präsent. Intrigen aller Art stehen hier natürlich auf dem Tagesplan. Dabei ist der Main Villain das personifizierte Murphys Gesetz. »Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.« Und jedes Mal, wenn irgendwas schiefgeht, steckt Tetta Kisaki als großer Drahtzieher und Puppenspieler dahinter. Schon zu Beginn hatte ich mich gefragt, ob er es schafft, über 24 Episoden ein glaubhafter, ernst zu nehmender und spannender Gegenspieler zu sein. Vermutlich hätte er es über die doppelte Laufzeit auch geschafft, denn Tetta zeigt hervorragend, wie wichtig eine Balance aus überzeugenden Protagonisten und Antagonisten ist.
Ohne die tollen Charaktere würde das Ganze nicht so gut funktionieren. Dabei muss sich Protagonist Takemichi nicht nur in der Gang-Hierarchie von Toman hintanstellen, sondern auch in meiner persönlichen Liste der Lieblingscharaktere dieses Animes, denn Manjirou »Mikey« Sano und Ken »Draken« Ryuuguji stehlen ihm ganz schön die Show. So sehr sie sich auch prügeln, sie werden von Mal zu Mal immer sympathischer, und nach ein paar Episoden, welche die Vergangenheit der Charaktere behandelt, wird klar, dass Toman zu Beginn einfach nur eine kleine, von Freunden gegründete Gang war, die immer größer wurde und an irgendeinem Punkt vom richtigen Weg abgekommen ist.
Unvermeidlich sind Streitereien zwischen den Gangs, die am Höhepunkt der Spannungen zu einem Bandenkrieg ausarten können. Ich halte es dem Anime zugute, dass die Kämpfe und Bewegungen im Großen und Ganzen sehr realistisch dargestellt wurden. Nur Mikey fällt hier aus der Reihe, der wohl der stärkste 15-jährige auf der Welt ist und vermutlich beide Klitschko-Brüder gleichzeitig ins Koma kickboxen könnte. Der Anime konnte sich der Tatsache nicht entziehen, dass er ein Shounen ist, und in irgendeiner Form musste wohl eines der Charakteristika dieses Genres auftauchen. Hier: Overpoweredness!
Bei »Tokyo Revengers« wird gefightet bis aufs Blut, und das sehen Shounen-Fans gerne. Doch das ist nur die Kirsche auf der Sahnetorte. Was passiert mit einer Kirsche, wenn man sie auf die Torte setzen möchte, diese aber nicht existiert? Sie plumpst auf den Boden – vielleicht sogar auf irgendwas Ekliges –, andere Leute treten drauf und man will sie nicht mehr essen. Die Torte steht hier metaphorisch für das Fundament … für die sympathischen Charaktere und die spannende, jedoch nie verworrene Handlung, die diesen Anime zu einem Topkandidaten auf den Titel des AOTS – des Anime of the Season* – macht.
*Es heißt zwar »Season«, aber der Anime wurde über zwei Seasons ausgestrahlt. Wie paradox …
Der erste Eindruck war nicht besonders gut, aber erste Eindrücke können bekanntlich täuschen. Die Nasen fand ich hässlich. Gut … zwar nicht so hässlich wie die von den Charakteren aus »The God of High School«, aber dennoch hässlich. Der Anime wirkte dadurch etwas billig, vor allem weil die Nasen in der nächsten Szene Pinocchio-like wieder zusammenschrumpften. Und auch sonst kam mir der Zeichenstil etwas flach und steril sowie wenig detailliert vor. Nachdem ich mich von meinen Oberflächlichkeiten befreit hatte und zu einem besseren Mensch geworden bin, erkannte ich die Qualitäten dieses Animes, und so wurde er zu einer der positiven Überraschungen der übergreifenden Frühlings- und Sommersaison 2021. Die Qualität der Zeichnungen finde ich zwar immer noch nicht überragend, aber dafür hat man bei den Animationen nicht gefaulenzt, was sich besonders bei den Actionszenen bemerkbar macht, die schön flüssig sind und überraschend wenig Standbilder aufweisen, was man leider nicht über jeden Anime sagen kann.
Die Handlung wirkt im ersten Moment sehr banal, doch auf die Umsetzung kommt’s natürlich an. Takemichi Hanagaki hat nichts aus seinem Leben gemacht. Er ist die Art von Person, der man ein aus Daumen und Zeigefinger geformtes und an die Stirn gehaltenes »L« zeigt. Und dann versetzen ihm auch noch äußere Umstände, auf die er keinen Einfluss hat, einen weiteren Dämpfer: Bei einem von der Tokyo Manji Gang, kurz »Toman«, verursachten Vorfall stirbt Hinata Tachibana, seine erste und einzige Liebe. Ähnlich wie bei »Gantz« wird Takemichi vor einen herannahenden Zug gestoßen, wodurch ein übernatürliches Phämonen ausgelöst wird: Er wird 12 Jahre in die Vergangenheit zurückgeschickt. Indem er die Ereignisse aus der Vergangenheit verändert, möchte er den Tod seiner geliebten Hinata verhindern. Was für ein Glück, dass Takemichi vor 12 Jahren selbst in einer kleinen Gang war und er so schon einige Kontakte hat! Auf manche Kontakte könnte er aber getrost verzichten, denn von diesen wird er zusammengeschlagen. Mehrmals. Takemichi war damals und auch heute kein typischer Shounen-Held, sondern ein Weichei. Aber dass er Angst zeigt, macht ihn menschlich. Man erkennt zwar eine Entwicklung vom Weichei zum hartgekochten Ei, aber als steinharter Kerl ist er nie zu sehen, was durchaus realistisch ist. Trotz allem besitzt er die Eier, alles Mögliche zu versuchen, um Hinata zu retten. Sein Ziel: der Anführer von Toman werden, damit auch ja nix schiefgehen kann! Der Anime spielt sich zwar hauptsächlich in der Vergangenheit ab, aber weil Takemichi immer wieder in die Gegenwart zurückversetzt wird, sieht man die Konsequenzen seiner Handlungen, die mal mehr, mal weniger erfreulich sind.
Vor allem zu Beginn wird man mit einer Reihe von Ass Pulls konfrontiert, um die fantastischen Geschehnisse rund um die Zeitreisen zu rechtfertigen und die Handlung voranzutreiben. Wie kommt es, dass Takemichi beim Sturz vor einen herannahenden Zug in die Vergangenheit zurückversetzt wird? Ist es realistisch, dass Naoto Tachibana, Hinatas kleiner Bruder, seine ganze Karriereplanung über den Tisch geworfen hat und zu einem Polizisten geworden ist, weil Takemichi ihm bei seiner ersten Reise in die Vergangenheit vom baldigen Tod Hinatas erzählt hat? Ist es absolut sinnig, dass die Zeitreisen durch einen Handschlag zwischen Takemichi und Naoto ausgelöst werden? Nein, das ist alles Schmarrn, aber man stellt sich diese Fragen nur ganz zu Beginn, und danach lautet die Devise, den Anime zu genießen.
Wenig überraschend sind es die Fragen, auf welche Weise Takemichi in vergangene Geschehnisse eingreift und welche positiven und negativen Konsequenzen daraus resultieren, die für Spannung sorgen sollen. Es sind aber auch die internen Vorgänge, die Veränderungen in der Hierarchie und die Machtspiele der hier auftretenden Gangs, die den Anime so aufregend machen. Neben Toman sind auch noch Moebius und Valhalla sehr präsent. Intrigen aller Art stehen hier natürlich auf dem Tagesplan. Dabei ist der Main Villain das personifizierte Murphys Gesetz. »Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.« Und jedes Mal, wenn irgendwas schiefgeht, steckt Tetta Kisaki als großer Drahtzieher und Puppenspieler dahinter. Schon zu Beginn hatte ich mich gefragt, ob er es schafft, über 24 Episoden ein glaubhafter, ernst zu nehmender und spannender Gegenspieler zu sein. Vermutlich hätte er es über die doppelte Laufzeit auch geschafft, denn Tetta zeigt hervorragend, wie wichtig eine Balance aus überzeugenden Protagonisten und Antagonisten ist.
Ohne die tollen Charaktere würde das Ganze nicht so gut funktionieren. Dabei muss sich Protagonist Takemichi nicht nur in der Gang-Hierarchie von Toman hintanstellen, sondern auch in meiner persönlichen Liste der Lieblingscharaktere dieses Animes, denn Manjirou »Mikey« Sano und Ken »Draken« Ryuuguji stehlen ihm ganz schön die Show. So sehr sie sich auch prügeln, sie werden von Mal zu Mal immer sympathischer, und nach ein paar Episoden, welche die Vergangenheit der Charaktere behandelt, wird klar, dass Toman zu Beginn einfach nur eine kleine, von Freunden gegründete Gang war, die immer größer wurde und an irgendeinem Punkt vom richtigen Weg abgekommen ist.
Unvermeidlich sind Streitereien zwischen den Gangs, die am Höhepunkt der Spannungen zu einem Bandenkrieg ausarten können. Ich halte es dem Anime zugute, dass die Kämpfe und Bewegungen im Großen und Ganzen sehr realistisch dargestellt wurden. Nur Mikey fällt hier aus der Reihe, der wohl der stärkste 15-jährige auf der Welt ist und vermutlich beide Klitschko-Brüder gleichzeitig ins Koma kickboxen könnte. Der Anime konnte sich der Tatsache nicht entziehen, dass er ein Shounen ist, und in irgendeiner Form musste wohl eines der Charakteristika dieses Genres auftauchen. Hier: Overpoweredness!
Bei »Tokyo Revengers« wird gefightet bis aufs Blut, und das sehen Shounen-Fans gerne. Doch das ist nur die Kirsche auf der Sahnetorte. Was passiert mit einer Kirsche, wenn man sie auf die Torte setzen möchte, diese aber nicht existiert? Sie plumpst auf den Boden – vielleicht sogar auf irgendwas Ekliges –, andere Leute treten drauf und man will sie nicht mehr essen. Die Torte steht hier metaphorisch für das Fundament … für die sympathischen Charaktere und die spannende, jedoch nie verworrene Handlung, die diesen Anime zu einem Topkandidaten auf den Titel des AOTS – des Anime of the Season* – macht.
*Es heißt zwar »Season«, aber der Anime wurde über zwei Seasons ausgestrahlt. Wie paradox …
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