Sing “Yesterday” for Me (2020)

Yesterday o Utatte / イエスタデイをうたって

Rezensionen – Sing “Yesterday” for Me

Hier findest Du sowohl kurze als auch umfangreichere Rezensionen zum Anime „Sing “Yesterday” for Me“. Dies ist kein Diskussionsthema! Jeder Beitrag im Thema muss eine für sich alleinstehende, selbst verfasste Rezension sein und muss inhaltlich mindestens die Kerngebiete Handlung und Charaktere sowie ein persönliches Fazit enthalten. Du kannst zu einer vorhandenen Rezension allerdings gern einen Kommentar hinterlassen.
  •  
Avatar: RaestHD#1
„Was soll ich nun tun? Ist das der richtige Weg? Werde ich so glücklich?“. Dies sind zentrale Fragen des Lebens, so alt, wie der Mensch selbst. Ich habe sie mir gestellt, du hast sie dir gestellt und wohl so gut wie jeder Andere; einschließlich meines Nachbarn der regelmäßig Kühen bei der Geburt hilft. Sing "Yesterday" for Me packt diese Fragen mit einer leichten Romanze an, geht nicht mit allzu viel Zug auf einmal an die Sache heran und haucht der alten 90er Jahre Mangavorlage neues Leben ein.

„What the hell?“
„That´s my question.“

Für Rikuo beginnt nach der Uni ein neuer Abschnitt im Leben, der eigentlich mit freudiger Erwartung versehen ist und dem man sich voll hingeben möchte. Nun, wenn man den Anforderungen der Gesellschaft nachkommen will. Da Menschen bekannterweise nicht alle gleich sind, arbeitet Rikuo, welcher keinen Ehrgeiz in eine bestimmte Richtung hat, erst mal im Supermarkt um die Ecke. Dort findet ihn seine alte nicht erfüllte Uni-Liebe, dort begegnet er einem Hyper-Hyper-Teenie mit Raben als Haustier - ohne Goth zu sein - und einem Teenie-Hobbymaler mit Büroklammern statt Ohrringen und vergessenen wir nicht wanna-be-Kurt-Cobain der mit Rikuo hinter dem Tresen steht. Aber hey; der Manga erschien ursprünglich in den 90ern, der dunklen Zeit mit Barbie Girl, No-Speed-Internet und Backstein großen Handys die einen nicht nur mit Strahlung töten können. Das Setting des Anime bleibt zum Glück originalgetreu in den 90ern und zeigt ein bodenständiges Bild vergangener Zeit mit Videotapes, SNES, Schnürtelefonen und Hausbesuchen von Nicht-Facebook-Freunden.

Die Handlung in den ersten Episoden gefiel mir noch am besten. Rikuos alltägliches Leben und seine innere Zerrissenheit über aufgegebene Chancen ist unterhaltsam, da man sich als Zuschauer die Frage stellt „What now, bro?“. Kriegt er die Kurve oder versinkt er in Selbstmitleid? Das nun seine beste Freundin und heimliche Liebe aus der Unizeit wieder aufgetaucht ist, macht es ihm nicht leichter Vergangenes zu bewältigen. Zusammen mit den beiden Teenies entwickelt sich dann ein Beziehungsgeflecht in dem Zwei genau wissen-was-sie-wollen und Zwei nicht-wissen-was-sie-wollen, aber so tun als ob sie wissen-was-sie-wollen, während sie die beiden anderen ignorieren die genau wissen-was-sie-wollen und so alles u-n-n-ö-t-i-g in die Länge ziehen, ohne auf den Punkt zu kommen, der doch offensichtlich ist. Das platte hin und her geht dann doch mit der Zeit auf die Nerven, vor allem da man andere Elemente der Handlung überspielt oder halbgar abschließt. War es im Manga auch so? Nein, den scheinbar hat dieser über 100 Kapitel mit einer sehr abweichenden Handlung. Wäre das Ende weniger platt hätte man sich an die Vorlage gehalten? Vielleicht. Da durchquälen wollte ich mich nicht.

Was mir von Sing "Yesterday" for Me letztlich in Erinnerung bleibt, ist das gut umgesetzte 90er-feeling und Haru als sympathische Rabenflüsterin, welche den lahmen Rest immer versucht aufzuwecken. Nach einem unterhaltsamen Einstieg ist die zweite Hälfte viel zu verworren und oberflächlich zugleich, weshalb viel Potenzial verschenkt wurde. So bleibt die Serie leider nur leicht gehobener Durchschnitt.
Beitrag wurde zuletzt am 29.07.2020 12:37 geändert.
    • ×6
    • ×0
    • ×0
    • ×0
    • ×0
    • ×1
1× Empfehlungen erhalten
Avatar: Asane
Redakteur
#2
»Die Liebe ist eine Himmelsmacht«
[Johann Strauß: Der Zigeunerbaron]


So sieht es wohl auch Shinako. Die Liebe als heiliges Ideal, im platonischen Sinne, das sie sich rein und unberührt erhalten will. Sie kennt Rikuo von der gemeinsamen Uni-Zeit, traut sich aber nicht, mit ihm, der seit Jahren sichtlich in sie verknallt ist, eine Beziehung einzugehen, die mehr ist als bloße Freundschaft. Denn immer steht ihre große erste Liebe Yuu dazwischen, auch wenn dieser Junge schon vor vielen Jahren gestorben ist. Ihre Freundinnen, von denen sie ab und an zu einem Besäufnis abgeschleppt wird, fassen es nicht, daß sie noch nie eine romantische Beziehung hatte und, trotz ihrer Liebe zu Yuu, immer noch Jungfrau ist. Beschämt versucht sie daher jedesmal, das Thema vom Tisch zu bekommen, denn es ist ihr nicht nur peinlich, sondern sie weiß auch, daß die anderen recht haben. Ein Tritt in den Hintern könnte Wunder wirken, sollte man meinen. Aber so einfach ist das nicht. Denn was unausgesprochen zwischen ihnen steht (auch zwischen ihr und Rikuo), ist der Umstand, daß sie von "Ai" () redet, die anderen aber von "Koi" (). Erschwerend kommt hinzu, daß sie die ebenfalls als heilig empfundene Erinnerung an jenen Yuu nicht entwerten will. So kommt es, daß sie im ewigen Gestern (siehe Titel des Animes) gefangen bleibt und nicht nur ein Ideal, sondern zugleich Angst vor der eigenen Courage hat. Sie müsste es schaffen, über ihren eigenen Schatten zu springen, das weiß sie, und dennoch bringt sie nicht die Kraft dafür auf; es gelingt ihr nicht.

Und genau das ist das eigentliche Thema des Animes, das punktuell auch immer mal wieder angesprochen wird, ironischerweise in Bezug auf Rikuo, der sich mit einem typischen Gelegenheitsjob durchs Leben mogelt, unfähig oder unwillig, eine Arbeit anzustreben, auf die sich bauen lässt und aus der sich möglicherweise auch Karriereaussichten ergeben. Es stellt sich also die Frage nach dem Lebensziel. Um etwas erreichen zu können, muss man vom Fleck kommen, den Status quo verlassen und voranschreiten – das steht im Mittelpunkt der Serie. Die Frage nach romantischer Beziehung lenkt den Fokus nur schärfer darauf.

Und deshalb macht sich diese Frage im Anime so breit. Zugespitzt wird diese Frage durch zwei andere Gestalten, die als "Rivale" den beiden Protagonisten in den Weg treten. Das ist zum einen Haru, das Krähenmädel, die an Rikuo einen Narren gefressen hat, seit sie noch zu Schulzeiten etwas von der Straße aufgehoben hat, das der Schussel grade eben hatte fallen lassen. Typisch Anime also. Haru ist mehr der Typ Problemkind, sollte man zumindest meinen, sehr emotional und genki, so daß immer etwas der Verdacht im Raum steht, sie wolle damit irgendwelche Probleme oder Schicksalsschläge überpinseln.

Auf der anderen Seite Rou, der kleine Bruder von Yuu, der gegenüber der sieben Jahre älteren Shinako krankhafte Beschützerinstinkte entwickelt und dem in dieser Serie die Funktion zuteil wird, allerlei arschiges Verhalten mit sich rumzutragen, denn irgendwer muss dafür ja zuständig sein. Trägt Haru immer eine Krähe als Kennzeichen mit sich rum, steckt sich Rou als Attribut eine Sicherheitsnadel ins Ohr. Solcherart macht er einen auf Mini-Revoluzzer bzw. Gesinnungs-Punk und wird schnell pampig, wenn andere, ganz speziell Shinako, seinen stummen Schrei nach Liebe und Anerkennung nicht erhören. Daher agiert er gern mal unsensibel, fordernd und egomanisch und macht dabei einen auf bedauernswert und vernachlässigt. Bald stellt sich die Frage, wer denn hier am wenigsten einen Sprung in der Schüssel hat.



Aber jetzt mal zur Abwechslung zum Anime selber. Positiv fällt auf, daß hier die Beteiligten die Schulzeit schon einige Jahre hinter sich gelassen haben und jetzt voll im Berufsleben stehen – oder wenigstens kurz davor. Daher bleibt dem Zuschauer nicht nur das hormongetriebene Liebesgehampel von Schulanimes erspart, auch das Pacing orientiert sich daran. Der Anime ist voll von ruhigen, gedankenvollen Momenten, lässt sich viel Zeit in der Entwicklung der Charaktere. Vielleicht auch zuviel Zeit. Denn in Folge 11 ist er nicht viel weiter als in Folge 3. Diese ruhige und bedächtige Gangart macht sich auch die Musik zu eigen, die meist nur in stillen Momenten in Erscheinung tritt, und das oft nur punktuell.

Sehr bald fällt auf, daß die Geschichte von einem außergewöhnlich guten Skript geleitet wird. Eine wirkliche Handlung entwickelt sich kaum, vor allem entwickeln sich Einblicke in das Innenleben der Protagonisten, was dazu führt, daß es, von außen betrachtet, über viele Episoden hinweg zu einem ewigen Hin und Her kommt, das von weitem etwas an »Kimi no iru Machi« erinnert. Die Geduld des Zuschauer ist also gefordert. In diesen Dingen bewegt sich der Anime weg von den Standards und Klischees üblicher RomComs und Liebesdramen, fällt aber leider auch immer mal wieder in solche generischen Formulierungen zurück. Das schlägt sich beispielweise darin nieder, wie häufig und furchtbar zufällig sich immer alle über den Weg laufen. Vor allem abends oder nachts, der Melodramatik wegen auch gern im Regen. Stalking scheint ein dezidiert weibliches Hobby zu sein, gerade bei Haru, aber andererseits befinden wir uns auch in der Prä-Händie-Ära.

Über die Optik hab ich mich noch gar nicht geäußert. Das liegt daran, daß die ziemlich perfekt ist. Nicht zu perfekt, sondern sie hält die Waage zwischen fast fotorealistischer Abbildung und warmer Austrahlung. Auch die Charaktere sind etwas weiter vom Standard entfernt als sonst, wobei manche männlichen Personen mich vom Charakterdesign her immer etwas an Ginko aus »Mushishi« erinnert haben. Auch die Übersetzung gehört mit zum besten, was mir in den letzten Jahren zu Ohren gekommen ist. Sie leistet sich immerhin den Luxus, den Unterschied zwischen "begreifen" und "verstehen" zu kennen.

Wie die Zeit vergeht, ist schwer abschätzbar. Um das einzuordnen, sollte man als Zuschauer schon selber immer mal wieder einen Blick auf den Wandkalender werfen, sonst steht man womöglich konsterniert vor einigen Rätseln. Aber genau solche subtilen Details sind es, was ich an dem Anime schätze. Auch wenn die ganze Serie über kein Beatles-Song auftaucht. Wer am Ende mit wem zusammenkommt ist ein Thema für sich, und man mag über die Tragfähigkeit einer solchen Bindung spekulieren. Jedenfalls sollte man sich nicht so sehr auf eine Liebesgeschichte per se gefasst machen, sondern eher auf ein Charakterdrama. Ein Charakterdrama mit präziser Körpersprache.
Beitrag wurde zuletzt am 06.03.2023 02:54 geändert.
    • ×3
    • ×0
    • ×0
    • ×0
    • ×0
    • ×0
  •  
  • Bewerten
  • Lesezeichen
  • Favorisieren

Bewertungen

  • 2
  • 13
  • 112
  • 273
  • 79
Gesamtbewertung
Eigene Bewertung
Klarwert3.65 = 73%Toplist#1349

Mitgliederstatistik

Letzte Bewertungen

Top Eintrager

Neueste Umfragen

Personalisierte Listen

Discord

Teilen


Du hilfst anderen gerne bei der Suche nach einem Anime oder informierst gern über Anime? Dann empfehlen wir, zusätzlich einen Link zum Anime-Eintrag hier auf aniSearch mit anzugeben. Damit erleichterst Du dem Empfänger die Suche nach dem Anime und bietest ihm eine ganze Fülle an Informationen!