Fiktive Charaktere tauchen in der realen Welt auf...das hört sich an, als ob man einfach mal Mecha-Piloten, Magier, Magical Girls und alles, was sonst noch auf den Bildschirmen und Buchseiten vieler japanischer Anime- und Manga-Fans herumschwirrt gegeneinander kämpfen lassen wollte. Das Setting um die vermeintliche Zerstörung der Welt, durch die Störung eines mysteriösen Gleichgewichts, ist zugegeben auch ziemlich schwach, dient aber glücklicherweise nicht nur als Rahmen für Kämpfe (die gibt es auch nur in ein paar Folgen), sondern für ein Drama, das vor allem durch seine interessanten Charaktere und cleveren Dialoge funktioniert.
Der Autor spricht im Verlauf des Animes zahlreiche Themen im Bezug auf Menschen und von ihnen erschaffene Geschichten an z.B. die Bedeutung von Geschichten für Menschen oder die Motivation von Autoren Geschichten zu schreiben. Auch wenn diese Ideen nicht besonders ausgeführt werden, zeigt sich, dass der Autor sich viele Gedanken über die Themen gemacht hat und sich bemühte diese aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Die meisten Konflikte in der Geschichte sind ziemlich glaubwürdig, teilweise fällt das besonders auf, weil es gängige Konflikte sind, die in anderen Geschichten aber oft in der Auflösung entschärft werden (z.B. die angebliche Mitschuld am Tod eines Freundes). Allgemein ist die Geschichte inhaltlich ziemlich unkonventionell, so unkonventionell sogar, dass ich überrascht bin, dass offensichtlich viel Geld und Arbeit in den Anime geflossen ist.
Wobei das zu erahnen war. Wie die beiden anderen Serien von TROYCA ist auch dieser Anime handwerklich absolut spitze. Der Soundtrack ist super und etwas düster, was gut zum Anime passt und der Regisseur schafft es gerade in den ersten Folgen gut den Inhalt der Dialoge auch in Bildern wiederzugeben. Einzig die Action lässt in vielen Folgen etwas zu wünschen übrig.
Der Anime hat relativ viele Charaktere und obwohl diese nicht alle besonders ausführlich vorgestellt werden, kriegt man ein gutes Bild von ihnen. Interessant ist, dass es nicht wirklich einen Hauptcharakter gibt (obwohl Souta als Erzähler schon meist maßgeblich beteiligt ist), sondern viele Charaktere gleichermaßen wichtig für die Geschichte sind – was nicht heißt, dass sie unentbehrlich sind, das ist keine dieser Geschichten, wo die Guten unsterblich sind, weil sie das Richtige tun.
Interessant ist bei den Charakteren vor allen Dingen, dass sie offensichtlich geschrieben wurden; wenn sie in der „Realität“ auftauchen haben sie nur die Charaktereigenschaften, die ihnen ihr Autor gegeben hat. Durch das Aufeinandertreffen mit Menschen und anderen Charakteren sowie unbekannten Situationen ändert sich ihr Charakter und sich passen sich an die neue Welt an. Trotzdem setzen sie die Eigenschaften, die sie aus ihrer Geschichte haben auch in der Welt der Menschen ein z.B. indem sie sich selbst zitieren, dabei aber eine ganz andere Wirkung erzielen, als es ihr Autor konnte, als er ihnen die Worte in den Mund legte. Außerdem sind die Charaktere auch schlichtweg sympathisch, sodass man leicht mit ihnen mitfühlen und trotz all den Strapazen unter denen sie zu leiden haben mit ihnen lachen kann.
Fazit: Ich bin sicher, viele Leute finden Re:Creators richtig schlecht und irgendwo kann ich es verstehen. Es steht praktisch stumpfe Action-Serie drauf, aber eigentlich ist der Anime ein Drama, das zum größten Teil aus fast schon philosophischen Dialogen besteht. Insofern kann ich nur sagen, wer offen für unkonventionelle Geschichten ist und dazu bereit sich selbst Gedanken um das Gesehene zu machen, der hat hier einen kleinen Schatz gefunden, denn trotz des Fokus auf den Inhalt, ist der Anime sehr gut gemacht und das Angucken ein Genuss. Ansonsten würde ich den Anime nicht empfehlen, er ist halt wirklich schon fast ein Nischenprodukt.