King of High School
SlaughtertripV.I.P.
#16Wie kann man sich den »King of High School« eigentlich vorstellen? So vielleicht. Das aS-Cover stellt ihn jedoch so dar. Sehr lasziv. Mir geht jetzt schon einer ab. Wenn man die Serie kennt, kann man gewisse Dinge in das Cover hineininterpretieren, z. B. dass der Pssst-Finger auf das Geheimnis, das Lee Min-Seok zu wahren versucht, hindeutet. Oder dass Jung Yoo-A, die fast schon besiegt am Boden zu liegen scheint, nur die zweite Geige spielt, während Jung Soo-Young, die sich auf beinahe gleicher Höhe zu Min-Seok befindet, der wahre Love Interest des Protagonisten ist. Hockeyschläger sowie -helm bedürfen keiner Interpretation, da die Eishockey-Meisterschaft einen kleinen Nebenplot in dieser RomCom darstellt. Übrigens hat mich ein anderes Cover, das man auf so manch anderen Asian-Movie-Seiten findet, zuerst etwas abgeschreckt, sah für mich der Protagonist auf dem ersten Blick doch wie die Krachbummente aus. Oder irgendwas Transformer-mäßiges, nur ohne Megan Fox, als diese noch heiß und vor allem natürlich war.
Der Name der Serie ist etwas irreführend, denn erstens ist Min-Seok nicht der »König der Oberschule«, sondern einfach nur ein guter Hockeyspieler mit schlechten Noten und einer Handvoll Freunden, und zweitens ist die Screentime, die man der Oberschule als Schauplatz widmet, sehr begrenzt. Das Geschehen spielt sich vorrangig im Hauptsitz des Immobilienunternehmens Comfo ab. Dort nimmt Min-Seok die Identität seines älteren Bruders Lee Hyung-Seok an und spielt den Direktor. Das geht nur, weil beide wie eineiige Zwillinge aussehen, obwohl zwischen ihnen um die zehn Jahre liegen. Beinahe zehn Jahre liegen auch zwischen der Veröffentlichung dieser Serie und dem Hier und Jetzt, und thematisch scheint sie ein Überbleibsel mäßig lustiger, halb-moderner Verwechslungskomödien wie »Freaky Friday« oder »King Ralph« zu sein – nur in gut.
Min-Seok steht unter wahnsinnigem Stress. Er muss Schule, Hockey und Fake-Arbeit unter einen Hut bringen. Bei der Arbeit gibt er zwar nur vor, produktiv zu sein (so wie viele andere im Real Life auch), doch sein Problem ist die Anwesenheit. Er kann nicht überall gleichzeitig sein. Zumindest in der Schule wird dieses Problem mithilfe einer lebensgroßen Puppe gelöst, die von Min-Seoks Freunden in eine Schlafposition gebracht wird. Die Lehrer hinterfragen das auch gar nicht, denn anscheinend schläft Min-Seok immer beim Unterricht. Und wenn ein Lehrer doch einmal die Frechheit besitzt, Min-Seok aufwecken zu wollen, platzieren dessen Freunde sich wie ein Schutzschild zwischen der Puppe und dem Lehrer. Hockey ist da schon ein etwas größeres Problem, denn Puppen können nicht Schlittschuh laufen. So sieht Min-Seoks Alltag immer ungefähr so aus: in der Schule die Anwesenheit bestätigen und danach aus dem Fenster springen, zur Arbeit laufen, zum Hockey laufen, nach Hause laufen.
Warum Min-Seok überhaupt in die Rolle seines Bruders schlüpft, ist ganz einfach dadurch zu erklären, dass dieser ihn angerufen und um diesen Gefallen gebeten hat. Was Hyung-Seok, der lange Zeit in Deutschland verbracht hat, davon abhält, seine geplante Heimreise nach Korea anzutreten, erfährt man erst am Ende der Serie. Zumindest klingt das Telefonat sehr ernst, so als sei er ins Fadenkreuz der Mafia und der Yakuza geraten, die sich nun darüber streiten, wer ihn zuerst betonversenken darf.
Damit er nicht durchschaut wird, weiht Min-Seok auf Anordnung seines Bruders den Teamleiter Kim Chang-Soo (der 2. von links) und den Geschäftsführer Han Young-Seok (rechts im Bild) in das Geheimnis ein. Gibt es fachliche Fragen an Min-Seok, antworten die beiden für ihn. Chang-Soo ist ein Hampelmann erster Güte und so nervös, dass man Angst haben muss, er bekommt einen Herzinfarkt, wenn die Wahrheit ans Licht kommen sollte. Er ist weinerlich, nuschelt (so klingt das für mich jedenfalls), wackelt immer rum und ist ein richtiges Mimimimi-Omega-Männchen. Beinahe alle machen sich über ihn lustig, sogar Min-Seoks Oberschulfreunde. Glücklicherweise hat er diese Waschlappen-Trademarks, denn das sorgt für zwei Dinge, die immer gut ankommen: Sympathie und Comedy. Young-Seok auf der anderen Seite ist sehr ernst und bekommt nur wenig Screentime, wodurch das Gleichgewicht dieses Geheimnis-Duos etwas ins Wanken kommt.
Apropos Duo: Auch hier gibt es wieder ein Trottel-Trio* – je nach Konstellation. Min-Seoks beste Freunde sind Jo Deok-Hwan (der 2. von links) und Oh Tae-Seok (der ganz linke), die ebenfalls in sein Geheimnis eingeweiht sind. Die beiden könnte man beinahe mit dem Waschlappen Chang-Soo und dem ernsten Young-Seok vergleichen. Ersterer ist immer sehr witzig, ob er will oder nicht, und Zweiterer, auch wenn er sehr attraktiv ist, verblasst in der Gegenwart seines Freundes. Die Dritte im Bunde ist Jung Yoo-A. Diese rennt Min-Seok dauernd nach und bildet sich ein, mit ihm zusammen zu sein. Und sie nennt ihn aus irgendeinem Grund immer »hubby«. (Ist wohl auch so ein Korea-Ding.) Läuft man im Real Life einer Frau nach und nennt sie »Ehefrau«, ist man plötzlich »creepy«, aber eine junge, niedliche Koreanerin darf so was, und das schimpft sich dann »Gleichberechtigung«, obwohl man nur ganz normal stalken möchte … Yoo-A ist zudem die jüngere Schwester von Soo-Young, was das Liebeskarussell erst so richtig zum Drehen bringt, bis die Reittierchen aus ihren Verankerungen geschleudert werden – es halt zum Weiberfetz kommt.
*Trottel-Trio bei »Sileobgeubyeo Romaenseu« / Trottel-Trio bei »Ingyeogongju«
Trotz Unterstützung seiner zwei Eingeweihten hängt ständig das Schwert des Damokles über Min-Seoks Kopf. Ein kleiner Fehler und die Scharade ist vorbei, und manchmal scheint es so, als tue Min-Seok sein Bestes, möglichst bald aufzufliegen. Die Abfolge der Ereignisse ist leider etwas vorhersehbar. Anfangs tut Min-Seok sich schwer damit, Fachgesprächen zu folgen, und selbst bei einfachen Fragen fehlt ihm jene Kompetenz, die sogar manche Grundschüler mit sich bringen. So entstehen dann Antworten wie: »Kaufen gut … verkaufen gut … (ich Neandertaler) …« Wenn er dann aber ins kalte Wasser geschmissen wird und seine erste Präsentation hält (in Korea nennt man so etwas anscheinend »PT« – englisch ausgesprochen), kann er das Publikum mit seinem jugendlichen Elan auf seine Seite ziehen und steigt in dieser mit steifen Anzugträgern überfüllten Firma zum Sympathieträger auf.
Sehr früh wird mit dem Direktor Yoo Jin-Woo eine Figur eingeführt, die Rival und Love Rival zugleich ist. Zumindest der Rivale zeichnet sich schon sehr früh bei einem irrsinnig peinlichen Gespräch unter vier Augen ab, bei dem Min-Seok sich vehement weigert, mit Intelligenz zu glänzen. Jin-Woo ist schlau, kompetent, scharfsinnig und eiskalt, also genau das Gegenteil des sympathischen Protagonisten. Das mit dem Liebesrivalen ist schon etwas komplizierter, aber das macht ja nichts, denn Love ist bekanntlich complicated. Es sind nämlich mal ausnahmsweise nicht die zwei Jungs, die auf das Mädel scharf sind, sondern das Mädel ist auf den reichen Direktor scharf, wird von diesem jedoch direkt und ohne Feingefühl abgewiesen. Die Beziehung zwischen Min-Seok und Soo-Young entwickelt sich nur langsam, und Jin-Woo steht immer wieder zwischen den beiden. Doch auch Jin-Woo ist unter seinem Anzug nur ein Mensch mit Gefühlen (Szene musikalisch unterlegt mit »Northern Sky« von Nick Drake) und persönlichen Problemen. Bis man das aber erkennt, bleibt er der Unsympathler, und er und Min-Seok werfen sich bis dahin schlagkräftige Gegenargumente an den Kopf. Doch auch Jin-Woo hat ein Geheimnis, das niemand in der Firma wissen darf: Er ist der uneheliche Sohn des wirklich unsympathischen Comfo-Präsidenten. Schmökert man etwas in den Kommentar-Sektionen bekannter Asian-Movie-Seiten, liest man häufig das Wort »handsome«, womit Frauen den Eindruck erwecken wollen, erwachsen, besonnen und verstandgesteuert zu sein, obwohl sie höchstwahrscheinlich wie kleine Fangirls kreischen würden, würde Lee Soo-Hyuk, der Schauspieler von Jin-Woo, vor ihnen stehen. Aber ja, er sieht gut aus. Und er ist 1,85m groß, obwohl Asiaten im Schnitt kleiner sind als Europäer. Generell besitzen viele Schauspieler in dieser Serie eine Körpergröße, die Frauen als sexy bezeichnen würden …
In externen Kommentar-Sektionen zu dieser Serie wird auch ein großer Aufschrei gemacht, weil Soo-Young zehn Jahre älter ist als Min-Seok, so als sei »Ältere Frau, jüngerer Mann« ein Novum in fiktiven Geschichten. (Mal abgesehen davon, dass so eine Konstellation auch im Real Life vorkommen kann. Ich kenne selbst wen, der mit einer zehn Jahre älteren Frau zusammen ist und schon Kinder mit ihr hat. Sinngemäß sein Kommentar dazu: »Solange sie nicht meine Mama sein kann …«) Dabei passen Min-Seok und Soo-Young furchtbar gut zusammen. Der eine ist noch ein unreifes Früchtchen und die andere benimmt sich wie ein unreifes Früchtchen. »dorky« wird Soo-Young in besagten Kommentar-Sektionen genannt, und da gebe ich den Verfassern sogar recht, nur dass das für mich kein negatives Persönlichkeitsmerkmal ist. Auf die Konnotation kommt‘s eben an. Sie zieht sich an wie eine gegen Fashion immune Oma im Körper einer attraktiven jungen Frau. Sie ist die Art von Mensch, die andere Leute unbewusst zum Lachen bringt, und mit der Zeit beginnt sogar Jin-Woo diesen Wesenszug an ihr zu schätzen.
Das Serien-Format kommt der gesamten Geschichte zugute, denn im Laufe dieser 17 Episoden nimmt man viele Abzweigungen, sodass es gar nicht langweilig oder eintönig werden kann. Hinter der Scharade und dem lustigen Hin und Her zwischen Schule, Arbeit und Hockey steckt eine sehr ernste Geschichte, bei der ganz bestimmte Personen aus Spoiler-Gründen nicht erwähnt werden. Auch zu Hause bei Min-Seoks Familie spielen sich so einige interessante Szenen ab. So hat er einen Vater, mit dem er sich augenscheinlich sehr gut versteht, sowie einen Opa, der zwar an Demenz erkrankt, aber sehr lebensfroh ist (und seine Brille immer falsch rum trägt). Bekommt man später auch noch Soo-Youngs Mutter zu Gesicht, kommt man kaum drum rum, zumindest den ernsten Teil dieser Serie als Familiendrama zu begreifen, bei der die Elterngeneration keine unbedeutende Rolle für den Mainplot spielt. Die Message jedenfalls ist immer sehr positiv.
Abgesehen von all dem, was sich um Min-Seok dreht, bekommt sogar ein einfacher Angestellter, der gut zehn Episoden lang fast unsichtbar ist, eine kleine Liebesgeschichte spendiert. Vor allem durch die positive Ausstrahlung von Min-Seok wächst das Retail Team zusammen und es entwickelt sich eine gesunde Dynamik, also etwas, das man sich auch im Real Life wünscht. Im Team befinden sich aber auch die üblichen hinterlistigen Lästerschwestern, die sich den attraktiven neuen Direktor krallen wollen, also etwas, das man sich im Real Life nicht wünscht, außer man ist so ein attraktiver Direktor.
Technisch gibt es bei dieser Special-Effects-armen RomCom nichts auszusetzen. Ganz, ganz selten kommt es vor, das etwas auf den Bildschirm gekritzelt wird, aber das scheint eine Vorliebe der Südkoreaner zu sein, kommt dies doch in gefühlt jeder Serie vor, und dort noch viel häufiger. Die Schauplätze werden oft gewechselt, sodass der Eindruck von Weite entsteht. So nimmt diese Serie einen sogar auf Betriebsausflüge mit – zu Radtouren und anstrengenden Wanderungen. Musikalisch gibt es bis auf das erwähnte Musikstück von Nick Drake (Empfehlung der Redaktion) nicht viel Westliches zu hören. Bei einer romantischen Szene wird »Raindrops Keep Fallin’ on My Head« von B. J. Thomas gespielt, aber ansonsten muss man leider auf Mainstream-Pop aus den letzten 100 Jahren verzichten – oder glücklicherweise, je nach Musikgeschmack.
Sofern man sich durch die Liebe zwischen einem 18-Jährigen und einer 28-Jährigen nicht offended fühlt, möchte ich gerne eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen. Südkoreaner scheinen ein Händchen dafür zu haben, sympathische Produktionen beinahe Tag für Tag aus den Ärmeln zu schütteln. Es ist nicht nur die Comedy, die das Geschehen für the sake of the gag nicht konstruiert erscheinen lässt, sondern die ganz natürlich und plötzlich kommt, so wie amüsante Momente auch im Alltag stattfinden. Und es ist auch nicht nur die Romantik, die erst gar nicht versucht, die Grenzen der Sentimentalität auszuloten, sondern bei der nur die allernötigsten Tränen vergossen werden. Es ist etwas, das vielleicht, aber nur vielleicht … einzig und alleine mit Magie zu erklären ist, und vielleicht, aber nur vielleicht … ist der Zepter, den ich Min-Seok so professionell in die Hand gephotoshoppt habe, in Wahrheit ein Zauberstab, der diese wundervolle Serie möglich gemacht hat …
… oder die Serie ist einfach nur cool.
Der Name der Serie ist etwas irreführend, denn erstens ist Min-Seok nicht der »König der Oberschule«, sondern einfach nur ein guter Hockeyspieler mit schlechten Noten und einer Handvoll Freunden, und zweitens ist die Screentime, die man der Oberschule als Schauplatz widmet, sehr begrenzt. Das Geschehen spielt sich vorrangig im Hauptsitz des Immobilienunternehmens Comfo ab. Dort nimmt Min-Seok die Identität seines älteren Bruders Lee Hyung-Seok an und spielt den Direktor. Das geht nur, weil beide wie eineiige Zwillinge aussehen, obwohl zwischen ihnen um die zehn Jahre liegen. Beinahe zehn Jahre liegen auch zwischen der Veröffentlichung dieser Serie und dem Hier und Jetzt, und thematisch scheint sie ein Überbleibsel mäßig lustiger, halb-moderner Verwechslungskomödien wie »Freaky Friday« oder »King Ralph« zu sein – nur in gut.
Min-Seok steht unter wahnsinnigem Stress. Er muss Schule, Hockey und Fake-Arbeit unter einen Hut bringen. Bei der Arbeit gibt er zwar nur vor, produktiv zu sein (so wie viele andere im Real Life auch), doch sein Problem ist die Anwesenheit. Er kann nicht überall gleichzeitig sein. Zumindest in der Schule wird dieses Problem mithilfe einer lebensgroßen Puppe gelöst, die von Min-Seoks Freunden in eine Schlafposition gebracht wird. Die Lehrer hinterfragen das auch gar nicht, denn anscheinend schläft Min-Seok immer beim Unterricht. Und wenn ein Lehrer doch einmal die Frechheit besitzt, Min-Seok aufwecken zu wollen, platzieren dessen Freunde sich wie ein Schutzschild zwischen der Puppe und dem Lehrer. Hockey ist da schon ein etwas größeres Problem, denn Puppen können nicht Schlittschuh laufen. So sieht Min-Seoks Alltag immer ungefähr so aus: in der Schule die Anwesenheit bestätigen und danach aus dem Fenster springen, zur Arbeit laufen, zum Hockey laufen, nach Hause laufen.
Warum Min-Seok überhaupt in die Rolle seines Bruders schlüpft, ist ganz einfach dadurch zu erklären, dass dieser ihn angerufen und um diesen Gefallen gebeten hat. Was Hyung-Seok, der lange Zeit in Deutschland verbracht hat, davon abhält, seine geplante Heimreise nach Korea anzutreten, erfährt man erst am Ende der Serie. Zumindest klingt das Telefonat sehr ernst, so als sei er ins Fadenkreuz der Mafia und der Yakuza geraten, die sich nun darüber streiten, wer ihn zuerst betonversenken darf.
Damit er nicht durchschaut wird, weiht Min-Seok auf Anordnung seines Bruders den Teamleiter Kim Chang-Soo (der 2. von links) und den Geschäftsführer Han Young-Seok (rechts im Bild) in das Geheimnis ein. Gibt es fachliche Fragen an Min-Seok, antworten die beiden für ihn. Chang-Soo ist ein Hampelmann erster Güte und so nervös, dass man Angst haben muss, er bekommt einen Herzinfarkt, wenn die Wahrheit ans Licht kommen sollte. Er ist weinerlich, nuschelt (so klingt das für mich jedenfalls), wackelt immer rum und ist ein richtiges Mimimimi-Omega-Männchen. Beinahe alle machen sich über ihn lustig, sogar Min-Seoks Oberschulfreunde. Glücklicherweise hat er diese Waschlappen-Trademarks, denn das sorgt für zwei Dinge, die immer gut ankommen: Sympathie und Comedy. Young-Seok auf der anderen Seite ist sehr ernst und bekommt nur wenig Screentime, wodurch das Gleichgewicht dieses Geheimnis-Duos etwas ins Wanken kommt.
Apropos Duo: Auch hier gibt es wieder ein Trottel-Trio* – je nach Konstellation. Min-Seoks beste Freunde sind Jo Deok-Hwan (der 2. von links) und Oh Tae-Seok (der ganz linke), die ebenfalls in sein Geheimnis eingeweiht sind. Die beiden könnte man beinahe mit dem Waschlappen Chang-Soo und dem ernsten Young-Seok vergleichen. Ersterer ist immer sehr witzig, ob er will oder nicht, und Zweiterer, auch wenn er sehr attraktiv ist, verblasst in der Gegenwart seines Freundes. Die Dritte im Bunde ist Jung Yoo-A. Diese rennt Min-Seok dauernd nach und bildet sich ein, mit ihm zusammen zu sein. Und sie nennt ihn aus irgendeinem Grund immer »hubby«. (Ist wohl auch so ein Korea-Ding.) Läuft man im Real Life einer Frau nach und nennt sie »Ehefrau«, ist man plötzlich »creepy«, aber eine junge, niedliche Koreanerin darf so was, und das schimpft sich dann »Gleichberechtigung«, obwohl man nur ganz normal stalken möchte … Yoo-A ist zudem die jüngere Schwester von Soo-Young, was das Liebeskarussell erst so richtig zum Drehen bringt, bis die Reittierchen aus ihren Verankerungen geschleudert werden – es halt zum Weiberfetz kommt.
*Trottel-Trio bei »Sileobgeubyeo Romaenseu« / Trottel-Trio bei »Ingyeogongju«
Trotz Unterstützung seiner zwei Eingeweihten hängt ständig das Schwert des Damokles über Min-Seoks Kopf. Ein kleiner Fehler und die Scharade ist vorbei, und manchmal scheint es so, als tue Min-Seok sein Bestes, möglichst bald aufzufliegen. Die Abfolge der Ereignisse ist leider etwas vorhersehbar. Anfangs tut Min-Seok sich schwer damit, Fachgesprächen zu folgen, und selbst bei einfachen Fragen fehlt ihm jene Kompetenz, die sogar manche Grundschüler mit sich bringen. So entstehen dann Antworten wie: »Kaufen gut … verkaufen gut … (ich Neandertaler) …« Wenn er dann aber ins kalte Wasser geschmissen wird und seine erste Präsentation hält (in Korea nennt man so etwas anscheinend »PT« – englisch ausgesprochen), kann er das Publikum mit seinem jugendlichen Elan auf seine Seite ziehen und steigt in dieser mit steifen Anzugträgern überfüllten Firma zum Sympathieträger auf.
Sehr früh wird mit dem Direktor Yoo Jin-Woo eine Figur eingeführt, die Rival und Love Rival zugleich ist. Zumindest der Rivale zeichnet sich schon sehr früh bei einem irrsinnig peinlichen Gespräch unter vier Augen ab, bei dem Min-Seok sich vehement weigert, mit Intelligenz zu glänzen. Jin-Woo ist schlau, kompetent, scharfsinnig und eiskalt, also genau das Gegenteil des sympathischen Protagonisten. Das mit dem Liebesrivalen ist schon etwas komplizierter, aber das macht ja nichts, denn Love ist bekanntlich complicated. Es sind nämlich mal ausnahmsweise nicht die zwei Jungs, die auf das Mädel scharf sind, sondern das Mädel ist auf den reichen Direktor scharf, wird von diesem jedoch direkt und ohne Feingefühl abgewiesen. Die Beziehung zwischen Min-Seok und Soo-Young entwickelt sich nur langsam, und Jin-Woo steht immer wieder zwischen den beiden. Doch auch Jin-Woo ist unter seinem Anzug nur ein Mensch mit Gefühlen (Szene musikalisch unterlegt mit »Northern Sky« von Nick Drake) und persönlichen Problemen. Bis man das aber erkennt, bleibt er der Unsympathler, und er und Min-Seok werfen sich bis dahin schlagkräftige Gegenargumente an den Kopf. Doch auch Jin-Woo hat ein Geheimnis, das niemand in der Firma wissen darf: Er ist der uneheliche Sohn des wirklich unsympathischen Comfo-Präsidenten. Schmökert man etwas in den Kommentar-Sektionen bekannter Asian-Movie-Seiten, liest man häufig das Wort »handsome«, womit Frauen den Eindruck erwecken wollen, erwachsen, besonnen und verstandgesteuert zu sein, obwohl sie höchstwahrscheinlich wie kleine Fangirls kreischen würden, würde Lee Soo-Hyuk, der Schauspieler von Jin-Woo, vor ihnen stehen. Aber ja, er sieht gut aus. Und er ist 1,85m groß, obwohl Asiaten im Schnitt kleiner sind als Europäer. Generell besitzen viele Schauspieler in dieser Serie eine Körpergröße, die Frauen als sexy bezeichnen würden …
In externen Kommentar-Sektionen zu dieser Serie wird auch ein großer Aufschrei gemacht, weil Soo-Young zehn Jahre älter ist als Min-Seok, so als sei »Ältere Frau, jüngerer Mann« ein Novum in fiktiven Geschichten. (Mal abgesehen davon, dass so eine Konstellation auch im Real Life vorkommen kann. Ich kenne selbst wen, der mit einer zehn Jahre älteren Frau zusammen ist und schon Kinder mit ihr hat. Sinngemäß sein Kommentar dazu: »Solange sie nicht meine Mama sein kann …«) Dabei passen Min-Seok und Soo-Young furchtbar gut zusammen. Der eine ist noch ein unreifes Früchtchen und die andere benimmt sich wie ein unreifes Früchtchen. »dorky« wird Soo-Young in besagten Kommentar-Sektionen genannt, und da gebe ich den Verfassern sogar recht, nur dass das für mich kein negatives Persönlichkeitsmerkmal ist. Auf die Konnotation kommt‘s eben an. Sie zieht sich an wie eine gegen Fashion immune Oma im Körper einer attraktiven jungen Frau. Sie ist die Art von Mensch, die andere Leute unbewusst zum Lachen bringt, und mit der Zeit beginnt sogar Jin-Woo diesen Wesenszug an ihr zu schätzen.
Das Serien-Format kommt der gesamten Geschichte zugute, denn im Laufe dieser 17 Episoden nimmt man viele Abzweigungen, sodass es gar nicht langweilig oder eintönig werden kann. Hinter der Scharade und dem lustigen Hin und Her zwischen Schule, Arbeit und Hockey steckt eine sehr ernste Geschichte, bei der ganz bestimmte Personen aus Spoiler-Gründen nicht erwähnt werden. Auch zu Hause bei Min-Seoks Familie spielen sich so einige interessante Szenen ab. So hat er einen Vater, mit dem er sich augenscheinlich sehr gut versteht, sowie einen Opa, der zwar an Demenz erkrankt, aber sehr lebensfroh ist (und seine Brille immer falsch rum trägt). Bekommt man später auch noch Soo-Youngs Mutter zu Gesicht, kommt man kaum drum rum, zumindest den ernsten Teil dieser Serie als Familiendrama zu begreifen, bei der die Elterngeneration keine unbedeutende Rolle für den Mainplot spielt. Die Message jedenfalls ist immer sehr positiv.
Abgesehen von all dem, was sich um Min-Seok dreht, bekommt sogar ein einfacher Angestellter, der gut zehn Episoden lang fast unsichtbar ist, eine kleine Liebesgeschichte spendiert. Vor allem durch die positive Ausstrahlung von Min-Seok wächst das Retail Team zusammen und es entwickelt sich eine gesunde Dynamik, also etwas, das man sich auch im Real Life wünscht. Im Team befinden sich aber auch die üblichen hinterlistigen Lästerschwestern, die sich den attraktiven neuen Direktor krallen wollen, also etwas, das man sich im Real Life nicht wünscht, außer man ist so ein attraktiver Direktor.
Technisch gibt es bei dieser Special-Effects-armen RomCom nichts auszusetzen. Ganz, ganz selten kommt es vor, das etwas auf den Bildschirm gekritzelt wird, aber das scheint eine Vorliebe der Südkoreaner zu sein, kommt dies doch in gefühlt jeder Serie vor, und dort noch viel häufiger. Die Schauplätze werden oft gewechselt, sodass der Eindruck von Weite entsteht. So nimmt diese Serie einen sogar auf Betriebsausflüge mit – zu Radtouren und anstrengenden Wanderungen. Musikalisch gibt es bis auf das erwähnte Musikstück von Nick Drake (Empfehlung der Redaktion) nicht viel Westliches zu hören. Bei einer romantischen Szene wird »Raindrops Keep Fallin’ on My Head« von B. J. Thomas gespielt, aber ansonsten muss man leider auf Mainstream-Pop aus den letzten 100 Jahren verzichten – oder glücklicherweise, je nach Musikgeschmack.
Sofern man sich durch die Liebe zwischen einem 18-Jährigen und einer 28-Jährigen nicht offended fühlt, möchte ich gerne eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen. Südkoreaner scheinen ein Händchen dafür zu haben, sympathische Produktionen beinahe Tag für Tag aus den Ärmeln zu schütteln. Es ist nicht nur die Comedy, die das Geschehen für the sake of the gag nicht konstruiert erscheinen lässt, sondern die ganz natürlich und plötzlich kommt, so wie amüsante Momente auch im Alltag stattfinden. Und es ist auch nicht nur die Romantik, die erst gar nicht versucht, die Grenzen der Sentimentalität auszuloten, sondern bei der nur die allernötigsten Tränen vergossen werden. Es ist etwas, das vielleicht, aber nur vielleicht … einzig und alleine mit Magie zu erklären ist, und vielleicht, aber nur vielleicht … ist der Zepter, den ich Min-Seok so professionell in die Hand gephotoshoppt habe, in Wahrheit ein Zauberstab, der diese wundervolle Serie möglich gemacht hat …
… oder die Serie ist einfach nur cool.