SabriSonneRedakteur
#1„Die männliche Hauptfigur und die weibliche Hauptfigur sind zusammen in der Stadt. Dort kauft er ihr ein neues Kleid. Sie ist wenig angetan, zeigt eine eher burschikose Reaktion, doch er besteht darauf, dass sie das neue Kleid probieren soll.
Es folgt die typische „Black Swan“-Szene, viel Licht, epische Kameraführung von Unten, als die weibliche Hauptfigur mit dem neuen Kleid das Zimmer betritt. Die Reaktion der männlichen Hauptfigur soll uns deutlich machen, wie schön die junge Dame nun aussieht…“
Meine Reaktion: Das ist das gleiche Kleid! Nur ist es nicht mehr hellblau, sondern türkis!
Und diese Szene fasst meine Wahrnehmung von „Who rules the World“ einfach nur perfekt zusammen!
zur Handlung
Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, die Welt sieht eine ganz andere Serie als ich. Im Internet teilweise Bewertungen von 8,7 (MDL), und ich breche aus lauter Wahnwitz und Langeweile die Serie bei der Hälfte ab!
Kann ich die Bewertung nachvollziehen? Bedingt - nein, eigentlich nicht!
„Who rules the World“ ist sicherlich eines der am meisten erwartende Drama dieses Jahr: Yang Yang und Zhao Ru Si in den beiden Hauptrollen. Und auch ich hatte mich schon gefreut und startete am gleichen Abend mit den ersten Folgen der Serie.
Ich kann mich erinnern, dass ich von meiner eigenen Reaktion enttäuscht war. Vielleicht waren die Erwartungen zu hoch, oder der Wunsch zu stark, eine bombastische Serie präsentiert zu bekommen, aber meine Reaktion war eher verhalten. Ich fand die Serie ab der ersten Folge „nur okay“, obwohl die Grundprämissen eigentlich gut waren.
Die ersten 10 Folgen sind im Grunde storytechnisch nicht weltbewegend gut, aber gut genug, um die Serie starten zu wollen. Positiv fällt auf, dass die Serie nicht stundenlang braucht, um in Fahrt zu kommen oder World-Building zu betreiben. Die Serie startet einfach, macht aber dennoch den Zugang leicht.
„Who rules the World“ orientiert sich bei seiner Story sehr stark am eigenen Titel. Dabei präsentiert es die Titelfrage in 3 unterschiedlichen Motiven, was mir sehr gut gefallen hat:
- Das kaiserliche Siegel, das verschwunden ist, und dessen Finder zum neuen Kaiser aufsteigen wird
- Die Machtkämpfe zwischen den Clans der Martial-Arts-World
- Der Brüder-Kampf um die Macht im Teilkönigreich, in den auch unsere männliche Hauptfigur verwickelt wird (ja, kein Spoiler, weil dies bereits nach 10s Opening aufgelöst wird!)
Zentraler Schwerpunkt wird hier Motiv 3, das gefühlt 75% der Zeit in Anspruch nimmt. So ergibt sich zwar zwangsläufig das Problem, dass sich hier nur ein normales Politdrama als Wuxia ausgeben möchte (was auch zu großen Furoren bei Genre-Fans gesorgt hat!), dafür empfand ich die Charakterkonstellation zum ersten Mal wieder erfrischend und neu.
Normalerweise haben wir hier die typischen Kronprinzen, die um den Thron streiten, und auch hier bleibt die Grundstory unverändert, doch es sind die Positionen der Kronprinzen selbst, die diese Handlung irgendwie interessant machen. Man hat nämlich wirklich kein Gefühl, wer nun das größte Recht auf den Thron hat:
- Feng Chang ist zwar der Älteste, der König ist aber nicht sein biologischer Vater, da seine Mutter erst Mätresse wurde, als er schon knapp 10 Jahre alt war
- Lan Xi ist als mittlerer Bruder der erstgeborene Sohn des Königs, aber der kleine Bruder von Feng Chang
- Feng Ju ist der jüngste Bruder, aber gleichzeitig der Sohn der aktuellen Königin, die als zweite Ehefrau nach dem Tod der ersten Frau und Mutter der anderen regiert.
Und allein diese Konstellation macht die Thematik irgendwie wieder interessant, egal wie oft man sie schon gesehen hat. Doch im Endeffekt verrennt sich auch hier wieder die Geschichte in Standards, ohne das innovative Setting überhaupt auszunutzen. Die normalen Intrigen, jeder rammt sich gegenseitig fleißig die Messer in den Rücken und aus Brüdern werden schnell Feinde.
Dennoch bekommt das Thema über seine Auslegung über 3 Motive eine Tiefe und man hat das Gefühl, die Story würde in eine Art Meta-Ebene gehen, doch weit gefehlt! Es scheitert tatsächlich am Wahnwitz des Storytellings!
Zum ersten schafft es „Who rules the World“ nicht, seine 3 Motive parallel zu erzählen. Ich muss euch sagen, ich habe die ersten 18 Folgen 2x angesehen, weil ich dachte, ich hätte etwas verpasst, aber es war tatsächlich so: Folgenlang wird die Geschichte mit der Soultaker-Guilde aufgebaut und darin ermittelt, und dann kommt unser männlicher Hauptcharakter einfach mit dem Satz „Ich glaube nicht, dass sie uns noch einmal angreifen werden.“ – und damit war die Geschichte vorbei! Find ich toll, wenn ein Hauptcharakter in der Lage ist, mit einer Mutmaßung eine Storyline zu beenden. Und wie blöd die Gegner auch sind, sich an diese Aussage zu halten: „Oh, die Hauptfigur hat gesagt, wir werden nicht mehr angreifen – Rückzug!!“
Und sowas passiert leider viel zu oft!
Wir brauchen einen Liebesrivalen, damit es unsere weibliche Hauptfigur nicht ganz so einfach hat, aber unser männlicher Charakter ist schon so in-love mit ihr, dass die Konkurrenz überhaupt keine Chance hat. „In anderen Serien nicht anders“, war mein Gedanke, aber die Produzenten dachten sich hier offensichtlich: „Warum 1x diese Storyline scheitern lassen, wenn man sie auch 2x scheitern lassen kann!“
Kurzum: zur Hälfte taucht die nächste Prinzessin auf, die sich an den männlichen Hauptcharakter ran wirft, um wieder eine Abfuhr zu bekommen.
Und ich könnte diese Liste ewig so weiter führen…!
- kleiner Junge überlebt als einziger das Massaker seines Clans, braucht aber nur 10 Sekunden Heulen, um das schlimmste Trauma seines Lebens zu überwinden
- Nebencharaktere rennen vollkommen weltfremd umher, um eine bis dahin vollkommen unrelevante Quest im Gebirge lösen zu wollen
- Weibliche Hauptfigur nimmt ebenfalls an dieser Quest teil, hat aber genauso wenig einen Beweggrund, wird dann von männlicher Hauptfigur unterstützt, auch ohne Beweggrund, beide lösen ein Rätsel, das nur sie mit ihrem Vorwissen lösen können, treffen einen alten weisen Mann, der sie fragt, ob sie die finale Prüfung machen wollen, um die besonderen Fähigkeiten zu erhalten, die er seit langem hütet – Hauptfiguren: „Naja, eigentlich sind wir einfach nur da, weil wir da sind…“
- 4 superstarke Gegner greifen schön brav nach einander an, damit unsere männliche Hauptfigur ja nicht in Schwierigkeiten kommt
- man kann hier offensichtlich mit der Hand kopieren…? (was so ganz nebenbei die lächerlichste Auflösung einer mehrere Folgen lang dauernden Storyline war, die ich jemals gesehen habe! Aber wenn man sich halt in eine Sackgasse schreibt...!)
- unsere Hauptfiguren sind künstlerisch hochbegabt und bringen bessere Werke als Vollprofis hervor
- Das Tuch, mit dem unsere weibliche Hauptfigur kämpft, bewegt sich entgegen jeder Physik
- …
Hinzu kommt, dass die Serie ganz schnell die Martial-Arts-Geschichte dropped, sodass man nicht groß auf Wuxia-Elemente warten braucht, und auch die Geschichte mit dem königlichen Siegel ist so mini, dass ich im ersten Moment schon dachte, dass ich mit meiner Beschreibung hier auf aS schon voll daneben lag und sie umschreiben muss.
Und wer jetzt auf Romance oder Palastintrige hofft, auch der wird höchstwahrscheinlich enttäuscht!
Die Palastgeschichte rund um Lan Xi ist so dermaßen random, dass es selbst der Story egal ist, mit welchen Informationen er um die Ecke kommt – interessiert eh keinen! So löst er z.B. einen Fall von Betrug bei einer Beamtenprüfung, was geschlagene 3 Folgen dauert, und im Endeffekt vergisst es die Story schon 1 Folge später wieder, dass es dieses Element überhaupt gab.
Alle Aufgaben, die er vom König bekommt, haben im Endeffekt kaum Effekt auf die Story, sodass es schnell zäh wird.
Und auch die Romance überzeugt nur wenig, da beide einfach kaum romantische Chemie miteinander haben. Chemie ja, aber eher auf rivalisierender Ebene: zwei Charaktere, die sich gerne gegenseitig das Leben schwer machen, aber selbst wissen, dass sie als Duo am geilsten sind. Aber die Schwäche liegt sicher auch an…
zu den Charakteren
Auf dem Papier ganz nett: zwei konträre Figuren, der eine „Hei (Schwarz)“, die andere „Bai (Weiß)“, die als Duo aber perfekt sind. Mir persönlich macht die Serie aus dieser gegenteiligen Prämisse charakterlich zu wenig, aber das ist persönlicher Geschmack.
Was dann aber kein persönlicher Geschmack mehr ist: wieso gibt man einem Tänzer wie Yang Yang nicht eine einzige ordentliche Kampf-Choreo!?
Ich hatte so hohe Erwartungen! Yang Yang kann sich toll bewegen, kann einen Spagat und hätte wirklich alle Voraussetzungen für tolle Kämpfe gehabt – die Produzenten: alles macht der Stuntman und Yang Yang setzen wir am Ende mit einer „Strike-a-Pose“-Szene gut ins rechte Licht! Puuuu!
Überhaupt fand ich Yang Yang eine Vollkatastrophe in der Rolle, gerade als Prinz! Dass er ja immer einen Stock im A*sch hat, ist ja mittlerweile bekannt, aber hier scheint er einen Stahlträger verschluckt zu haben! Und das macht seine ganze Performance so holzig, weil sie einfach viel zu kontrolliert ist. So bewegt sich kein normalsterblicher Mensch! Jede Fingerbewegung ist durchdacht und das macht die Figur einfach nur unauthentisch und leblos. Interessanterweise funktioniert er jedoch als Martial Artist Hei Feng Xi, deutlich besser, weil er hier einfach entspannter wirkt. Da kommt dann auch mal ein verschmitzes Grinsen, sodass die Figur deutlich besser funktioniert als der Prinz. Aber leider sieht man ihn 90% der Zeit als Prinz, und dort funktioniert er für mich gar nicht.
Zhao Ru Si war hingegen gewohnt stark, doch ich empfand ihre Figur irgendwie als „zu wichtig“ und „zu zentral“. Und das ist interessant, weil die Serie ihre Figur am Anfang überhaupt nicht zu brauchen scheint! Sie kommt über das Motiv der Clan-Kämpfe in die Geschichte, aber da diese schnell zu den Akten gelegt wird, macht ihre Rolle nach den ersten Folgen eigentlich keinen Sinn mehr. Dementsprechend random fand ich viele Szenen, in denen sie „einfach nur da“ ist. Dennoch war die Figur der Bai Feng Xi charakterlich gut geschrieben und auch schauspielerisch gut umgesetzt. Dennoch störte mich, dass sie trotz sehr charakterstarker Auslegung viel zu oft freiwillig zur "Damsel in Distress" wird, obwohl sie die Situation locker selbst hätte lösen können. Aber unserer männlicher Hauptcharakter muss ja auch gut aussehen!
Die anderen Rollen, gerade das Königshaus, hinterlassen da einen deutlich nachhaltigeren Eindruck. Dennoch wird man schnell von der Menge an Figuren erschlagen und weggeschwemmt. Die Gegner sind langweilig und wenig kreativ, ebenso wenig clever und bieten somit kaum spannenden Gegenwind für unsere Hauptcharaktere.
Fazit
Für mich ein einziger Wahnwitz, der sich schnell zog und bei dem ich manchmal wirklich laut auflachen musste, weil es gar so verblödend war!
Gute Prämisse mit den 3 Motiven rund um die zentrale Frage „Who rules the World“, aber hier fehlt es offensichtlich an handwerklichem Können. Somit stark unter den Möglichkeiten!
Manchmal frage ich mich wirklich, ob ich eine andere Version von Serien anschaue, wie der Rest der Welt…!
Beitrag wurde zuletzt am 22.05.2022 09:42 geändert.
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