SabriSonneRedakteur
#1Es gab 3 Gründe, weshalb ich mir „Rookie Historian Goo Hae-Ryung“ ausgesucht habe:
- ich wollte einfach eine entspannte Serie ohne viel Denken
- ich liebe Sageuk und es ist lange her, dass ich einen gesehen hab
- ich wollte unbedingt wissen, ob Cha Eun-Woo (Prinz Dowon) tatsächlich so schlecht schauspielert, wie das Internet sagt
Zur Handlung
Zum Ersten war ich wahnsinnig überrascht, wie viel in der Geschichte tatsächlich passiert und wie dramatisch es werden kann.
Ich hatte typisch Ganbatte eigentlich eine Serie wie „Goddess of Fire Jung-yi“ erwartet, die zwar auch an vielen Punkten sehr dramatisch war, aber dabei stets auf persönlicher, charakterlicher Ebene geblieben ist.
Um so überraschter war ich, als „Rookie Historian Goo Hae-Ryung“ so ziemlich alle Themen bedient, die man in einen Sageuk inhaltlich packen kann: begonnen mit Titelheldin Hae-Ryung, die sich als erste Frau in einer Männerdomäne durchsetzen muss, über die aufkommende Romanze zu einem eingesperrten Prinzen bis hin zu den dramatischen Ereignissen einer Pocken-Epidemie und der fetten Palastintrige. Ganz ehrlich, mir hat nur noch ein Krieg gefehlt, und wir hätten alle Punkte, die in einem Sageuk überhaupt möglich wären, zu Gesicht bekommen.
Was anderen Serien irgendwann an Idee fehlt, wird hier um ehrlich zu sein dann fast zu viel. Klar, die Serie hat 4 Folgen mehr als das typische Standard-KDrama, aber in welchem wahnwitzigen Tempo hier teilweise Storylines abgehandelt werden, die in anderen Serien die zentrale Hauptgeschichte sind, ist echt Wahnsinn. Ganbatte, Romanze, ein einsamer Prinz, Politik, Palastintrige, Pocken-Epidemie, Mordkomplott, die Entdeckung des Schießpulvers, Christenverfolgung, illegale Immigranten – das ist schon viel! Und wenn man das auf die Serie verteilt, dann hat jedes Element gute 2 – 3 Folgen (oder bis 6x35min) Zeit, um überhaupt wirken zu können. Das ist schon ein rasantes Tempo und ganz ehrlich, die Christen und den Einwanderer hätte man echt nicht gebraucht.
Besonders unclever war es dann jedoch auch, dass sich nach den jeweiligen Geschichten so ziemlich niemand mehr dafür zu interessieren scheint. Da kämpft man noch folgenlang mit einer Pocken-Epidemie, mit vielen emotionalen Szenen, und 1 Folge später haben alle vergessen, dass es die Krankheit „Pocken“ überhaupt gibt. So hat man leider bis zu Letzt oft das Gefühl, die Handlung rennt mehr durch seine einzelnen Abschnitte, ohne dass auch nur versucht wird, alle Elemente miteinander gut zu verweben. Versteht mich nicht falsch, die Abschnitte sind gut bis sehr gut, aber es fehlt einfach das Gefühl des „Großen Ganzen“.
Dennoch funktioniert lustigerweise die Geschichte wahnsinnig gut!
Zum einen schafft es „Rookie Historian Goo Hae-Ryung“ gekonnt, eine sehr passende Mischung aus Happy-Go-Lucky und der typischen Schwere eines politik- und intrigenlastigen Sageuk zu kreieren. Am Anfang denkt man nämlich noch, dass man die Serie in irgendeiner Form schon gesehen hat, denn die Einleitung „Hauptcharaktere treffen sich ohne zu wissen, wer der jeweils andere ist, weil beide in Verkleidung unterwegs sind“ ist jetzt nicht unbedingt innovativ und sorgt am Anfang für viele Szenen, auf die man als Zuschauer förmlich warten muss. Dementsprechend holprig sind die ersten Folgen, weil man als Zuschauer wieder viel mehr weiß als alle beteiligten Figuren, aber einfach darauf warten muss, dass die Figuren selbst dahinter kommen. Die typisch kitschigen Szenen machen das auch nicht einfacher.
Ab dann nimmt die Geschichte aber deutlich Fahrt auf und beginnt wirklich Spaß zu machen. Die Comedy zündet insgesamt wirklich gut, weil der Cast einfach grandios ist und sich zu Tode spielt, ebenso scheint die Chemie zwischen den Schauspielern zu stimmen, was die Interaktionen gelockert und ungezwungen macht.
Doch auch die Emotion, die zeitlich meist wirklich sehr gut gesetzt ist, ist jedes Mal on point. Das liegt sicherlich daran, dass die Situationen real und echt wirken und wenig auf Melo-Drama aufbaut. Stattdessen hat man typische Alltagssituationen, die so jeden Tag im historischen Joseon passiert sein könnten und damit den emotionalen Zugang besonders leicht machen. Man hat es einfach immer im Hinterkopf, dass das genauso hätte passieren können bzw. vermutlich auch passiert ist, und das gibt dem Ganzen noch einmal eine ganz andere emotionale Tragweite.
Die tragende Romanze zwischen Hae-Ryung und Prinz Dowon empfand ich als sehr gelungen, auch wenn die Handlungselemente genau in der Reihenfolge kamen, in der man sie kennt und erwartet. Es sind die klassischen Hindernisse, die von den beiden überwunden werden müssen, die, die man aus jedem anderen historischen Titel kennt. Doch der Weg, bis beide überhaupt romantische Gefühle zueinander entwickeln, ist unglaublich niedlich. Schön fand ich v.a. , dass sich die Serie dafür Zeit lässt. Während es bei Dowon beinahe Liebe auf den ersten Blick war, fand Hae-Ryung ihn zum Davonrennen. Dementsprechend hätte es einfach wenig Sinn gemacht, die beiden nach 4 Folgen als das Traumpaar darzustellen. Stattdessen nimmt sich die Serie viel Zeit, die beiden erst als Freunde zu etablieren und zeigt damit viele typisch romantische Szenen in einem freundschaftlichen Kontext, was ich zur Abwechslung mal wirklich schön fand. Und erst dann geht die Serie in Richtung der offensichtlicheren Romanze, ohne dabei zu idealistisch und träumerisch zu werden. Hae-Ryung weiß, dass beide von ihren sozialen Ständen her nicht zusammen sein dürfen und dementsprechend realistisch verläuft die Grenze zwischen Freundschaft und Liebe.
Im Hintergrund mischt sich neben dem ganzen Drama und Ganbatte auch eine mysteriöse Story hinein, die den Krimi-Fans wie mir sicherlich sehr in die Karten spielen wird. Insgesamt fand hier aber das Writing eher schlecht, weil man im Verlauf der Gesamthandlung zu wenige Informationen bekommt, als dass die Geschichte motivierend als „das große Rätsel der Handlung“ laufen könnte. So sitzt man manchmal vor dem Bildschirm mit diesem Gefühl von „Ach ja, da war ja noch was!“, nichts desto trotz ist aber die Auflösung spitze, wenn auch nicht unerwartet.
Aber auch hier fällt wieder das Abschnitt-Gefühl auf, dass ich vorhin schon erwähnt habe: es war die Auflösung eines Abschnitts, der einem als Serienfinale verkauft wird, und nicht eine Auflösung des „Großen Ganzen“. Und hier fällt dann auch auf, wie wenig man die anderen Elemente schlussletztendlich gebraucht hätte. Klar, sie sind wichtig für die Figuren, ihre Interaktionen und ihre Positionierung in der Geschichte, aber das hätte man auch mit deutlichen kleineren, überschaubareren Plotpoints abdecken können. Und so werden einfach riesige Storyelemente zu besseren „Mittel-zum-Zweck“-Punkten, die man hier fast als verheizt bezeichnen könnte. So versucht man sich mit den Problemen einer arrangierten Ehe im Kontrast zur Liebesehe, aber nach 30 min war der Punkt so schnell wieder weg, als hätte es ihn nie gegeben. Dazu sage ich: lieber gescheit machen oder gar nicht, bevor man so ein halbherziges „wir haben das auch in der Serie - abhaken“ hat!
Und final litt genau deswegen meiner Meinung nach eine der besten Stories, die aufgrund der Fülle an ausladenden Elementen, die im Endeffekt aber nur Mittel zum Zweck waren, am meisten, weil einfach keine Zeit mehr übrig war: die emotionale Geschichte von Prinz Dowon. Nur ein einziges Mal nimmt sich die Serie kurz dafür Zeit, wie einsam der Prinz hinter der lustigen Fassade tatsächlich doch ist. Die Szene war schön, keine Frage, und mir hat es das Herz zerrissen, als Hae-Ryung während ihrer Arbeit beim Prinzen zu Weinen begann, und er das Zimmer mit den Worten verlässt „Du kannst hier Weinen so viel du willst, hier interessiert das keinen – es hört und sieht eh niemand.“ – wow! Aber das war das einzige Mal, wo man mal diesen Anflug an Metaebene bekommt. Und das ist Schade, man hätte so viel daraus machen können. Und damit wären auch andere Szenen zwischen Dowon und der königlichen Familie deutlich besser zum Tragen gekommen.
Zu den Charakteren
Grandios! Sowohl charakterlich, als auch der Cast sind die Figuren hervorragend! Serien stehen und fallen einfach damit, ob die Stimmung zwischen Schauspielern passt, nicht nur, ob das Pärchen auf Kamera gut aussieht. Und ich muss tatsächlich sagen, das Casting der Serie hat hier allerbeste Arbeit geleistet.
Hae-Ryung ist eine weibliche Hauptfigur mit Rückgrat und auch dementsprechend idealistisch und rebellisch, dennoch scheint sie auch in gewissen Maßen ihre Grenzen zu kennen. Ich sage bewusst „in gewissen Maßen“, denn es gab für mich dann doch eindeutig zu viele Szenen, wo ich mir wirklich dachte „Mädchen, was nimmst du dir da gerade eigentlich raus?! Das ist der König!“
Dementsprechend oft hatte ich das Gefühl, dass die Figur nach dem Motto „Ich bin die Hauptfigur, also darf ich das machen“ funktioniert, der Sympathie tat das dennoch keinen Abbruch. Das lag sicherlich auch an der schauspielerischen Leistung von Shin Se-Kyung, die ich sehr stark und absolut passend erlebt habe.
Cha Eun-Woo als Prinz Dowon… ja…
Zum ersten, ja, optisch wirklich schön anzusehen, wobei ich mich trotz des „One of a Time Handsome“ Slogans sofort an den japanischen Schauspieler Ryo Yoshizawa („Seiten wo Tsuke“, „Marmalade Boy“, „Kingdom“) erinnert gefühlt habe, der optisch locker als älterer Bruder von Eun-Woo durchgehen könnte – von wegen „One of a Time“! Und auch mit dem Thai-Star Saint („Love by Chance", „Let's fight Ghost") besteht Ähnlichkeit...^^
Aber schauspielerisch ist Eun-Woo wirklich fies! Wow, ich fand ihn sogar noch schlechter als das Internet und mir ist bis heute ein Rätsel, wie der einen Abschluss in Schauspiel haben kann. Aber lustigerweise passt es mega zur Figur von Dowon, der einfach nur zuckersüß ist und genau dieses schusslig übertriebene Schauspiel vertragen kann. Die Handlung steht zwar gerade bei seinem Charakter gerne selbst am Nähesten, wenn ihn praktischerweise andere Charaktere in Verkleidung nicht mehr erkennen, die sich in der Folge vorher noch mit ihm unterhalten haben, aber da rollt man dann kurz die Augen, und es passt wieder.
Aber an dem Punkt ganz deutlich von mir: Eun-Woo, bleib bei „ASTRO“ (YT), sing und tanz dich dort zu Tode und lass anderen Idol-Actors den Vortritt!
Mein persönlicher Platz 1 der besten Figuren geht aber für mich nicht an unsere beiden Hauptcharaktere, sondern an den besten Support-Charakter der Serie, den man einfach nur lieb haben kann: Prinz Yi Jin, der Kronprinz, gespielt von Park Ki-Woong.
Charakterlich ein absolutes Highlight, tolle Rolle, tolle Geschichte. Sehr interessant zu beobachten, wie Yi Jin zwischen Politik, Familienfehde und dem kleinen Bruder hin- und hergerissen wird, und auch der charakterliche Unterschied, mit dem er den verschiedenen Personen begegnet, ist sehr spannend. So wechselt er von einer Szene auf die nächste vom knallharten, aber idealistischen Politiker zum zuckersüßen großen Bruder, mit dem man Pferde stehlen könnte. So kann man sich nur in die Figur verlieben, und größtes Lob an Park Ki-Woong, der die Rolle bis zum letzten Zucken der Augenbraue voll ausspielt und sich auch in Sachen Stimmmodulation und Aussprache mehr als reinhängt. Da sieht man gute Technik!
Die anderen Charaktere sind ebenfalls sehr gut besetzt und funktionieren deswegen sehr gut. Zwar typische Figuren, dennoch hat auch jeder noch so unwichtig erscheinende Nebencharakter einen doppelten Boden und kann im richtigen Moment ganz groß glänzen. Ein schönes Beispiel ist einer der Vorgesetzten von Hae-Ryung, der eher zynisch und schnippisch auftritt, im wichtigen Moment aber seinen vollen Mann steht, um seine Schäfchen zu verteidigen. Ebenso positiv möchte ich noch schnell Lee Ji-Hoon in seiner Rolle als Min Woo-Won, einem zweiten Vorgesetzen von Hae-Ryung sowie Sung Ji-Ru als der Eunuch von Prinz Dowon hervorheben, die mir sicherlich lange im Gedächtnis bleiben werden. Bei Woo-Won dachte ich mir zwar an einem Punkt „Warum der jetzt auch noch?! Die Handlung ist doch schon voll genug!" und wenn ihr die Serie anschaut, werden ihr wissen, wann ich das gedacht habe, aber die Figur bleibt trotzdem klasse.
Fazit
Wow, lang geworden!
Um meine drei Gründe von der Einleitung wieder aufzugreifen:
- ich wollte einfach eine entspannte Serie ohne viel Denken
- ganz im Gegenteil: ich wurde mit einer spannenden, ausladenden Geschichte überrascht, die sicherlich lange im Gedächtnis bleiben wird - ich liebe Sageuk und es ist lange her, dass ich einen gesehen hab
- ich liebe immer noch Sageuk und „Rookie Historian Goo Hae-Ryung“ würde ich allen Einsteigern sofort empfehlen! Eine tolle Mischung aus dem typisch schwermütigen Sageuk, einer leichten Romanze und einem emotionalem Drama - ich wollte unbedingt wissen, ob Cha Eun-Woo (Prinz Dowon) tatsächlich so schlecht schauspielert, wie das Internet sagt
- er war schlechter!^^
Alles in einem Allem eine wirklich hervorragende Serie, die Sageuk-Freunden wie mir mehr als Spaß machen wird, und aus allen anderen sicherlich Sageuk-Freunde machen wird!
Beitrag wurde zuletzt am 11.11.2021 20:32 geändert.
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