Lone Wolf & Cub (1970)

Kozure Ookami / 子連れ狼

Rezensionen – Lone Wolf & Cub

Hier findest Du sowohl kurze als auch umfangreichere Rezensionen zum Manga „Lone Wolf & Cub“. Dies ist kein Diskussionsthema! Jeder Beitrag im Thema muss eine für sich alleinstehende, selbst verfasste Rezension sein und muss inhaltlich mindestens die Kerngebiete Handlung und Charaktere sowie ein persönliches Fazit enthalten. Du kannst zu einer vorhandenen Rezension allerdings gern einen Kommentar hinterlassen.
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Avatar: Mr.Columbo#1
Lone Wolf and Cub ist nicht nur einer der Kultmangas überhaupt, sondern auch ein wahrhaftiger Klassiker. Dabei ist die Handlung des Ganzen grundsätzlich recht simpel: ein herrenloser Samurai, dessen Familie bis auf seinen Sohn von Leuten aus der Familie Yagyuu ermordet wurde, weswegen er auf einem Rachefeldzug gegen die Yagyuu ist. Zudem ist der Manga episodisch, was einige Leute abschrecken mag. Wie kann die Struktur der Serie also so kompliziert sein? Wie schafft sie es, mit jeder kurzen Geschichte beeindruckender und beeindruckender zu werden? Das möchte ich an der Stelle mal genauer untersuchen.

Der Manga beginnt mit … ja, womit beginnt er eigentlich? Man könnte jetzt meinen, er fange damit an, den Hauptcharakter, Ogami Itto, zu präsentieren. Aber rückblickend betrachtet stecken schon in den ersten Kapiteln einige Aspekte mehr als die oben beschriebene Handlung. Es werden nämlich viele Komponenten eingeführt, die bis zum Ende immer deutlicher werden, eine wichtige Rolle spielen und sich teilweise auch entwickeln. Welchen Lebensweg gehen Ogami und sein Sohn? Wie ist deren Beziehung zueinander? Mit Leuten welcher Art und Persönlichkeit machen sie Bekanntschaft? Wie ist die Gesellschaft in dieser Zeit aufgebaut? Was sind die Motive und Hindernisse, mit denen alle Figuren zu tun haben? Und ganz wichtig: Inwiefern haben alle genannten Dinge – und noch vieles mehr – aufeinander Einfluss? Das sind Dinge, um die es von Anfang an geht. 

Lone Wolf and Cub ist episodisch, und ich kann nur loben, dass es sich diese Erzählstruktur gewählt hat. Die Serie versucht nicht, mithilfe von Plot Devices alles zu verkomplizieren, dabei ist sie definitiv komplex genug. Man kann sie auch als eine Art Gerüst betrachten, zu dem jede einzelne Geschichte einen Baustein darstellt. Mit jeder wird so viel erreicht: Charaktere entwickeln sich, Botschaften werden rübergebracht, Dinge werden aus verschiedenen Perspektiven gesehen, verschiedene Facetten der Gesellschaft werden gezeigt und und und. Ganz wichtig ist außerdem die Wirkung auf den Leser. Und dieses Gerüst möchte ich nun in seinen Einzelteilen besprechen.

Kommen wir gleich mal zu einer der größten Stärken des Mangas überhaupt: die Präsentation!
Nicht nur, dass er m.M.n. den besten Zeichenstil hat, den ich bisher gesehen habe, sondern beinahe besser als die allermeisten Animes oder Mangas in der Lage ist, seine Geschichte cineastisch (sofern das bei Manga überhaupt geht) und effektiv zu erzählen. Der Zeichner wusste genau, wie man Charakteremotionen darzustellen hat und wie man mit Detail umgehen muss, sodass nicht nur eine unglaublich intensive Atmosphäre entsteht, sondern man sich regelrecht in diese Welt und in die Charaktere versetzt fühlt. Immer wieder kommt der Manga mit tollen Visualisierungsideen auf, die dem Leser alle Gestiken und Mimiken der Figuren, die verschiedenen Stimmungen und die Umgebungen einbrennen. Interessant zu beobachten ist auch, wie viele lange Phasen der Manga hat, in denen kein Text vorkommt. Denn was andere Mangas durch Text ausdrücken, drückt LW&C mit Bildern aus. „Show, don’t tell“ ist hier das Sprichwort. 
Dennoch hat die Serie auch ihre Texte. Sehr gute Texte, die voller Inhalt sind, mit der visuellen Präsentation stark Hand in Hand gehen und voller Gefühle stecken. Oftmals hat man auch, während Szenerien gezeigt werden, kleinere Texte, die die Atmosphäre nochmal untermauern. Man denkt darüber nach, wie sich die Charaktere innerhalb dieser Schauplätze fühlen. Außerdem ist die Atmosphäre dank der episodischen Struktur sehr facettenreich. Es gibt viele verschiedene Schauplätze wie beispielsweise stark bevölkerte Städte voller Trubel, idyllische Seen, ruhige Wälder oder auch verschneite Berge voller Schneestürme. Das alles ergibt mit die beste Präsentation, die ich bisher kenne. 

Die Figuren sind noch um einiges beeindruckender. Dabei ist nicht nur interessant zu beobachten, wie jede für sich steht, sondern auch wie sie miteinander stehen. Allein Ogami Itto ist sehr schwer zu charakterisieren, da es so viele Seiten in seiner Persönlichkeit gibt, die sich mit den einzelnen Geschichten nach und nach zeigen. Ist er ein kalter Mörder? Allein diese Frage ist schon schwer zu beantworten. Einerseits tötet er seine Gegner, ohne zu zögern, und lebt in der so genannten „Meifumado“, einer Hölle, aber dennoch spürt man immer eine gewisse Wärme, die von ihm ausgeht, z.B. weil er bei einem Auftragsmord erst mal alle Details wissen möchte, bevor er sich entscheidet, ob er ihn annimmt. Und in jeder Geschichte, die mit solchen Aufträgen zu tun hat, sieht man mehr von seiner Persönlichkeit. Ein weiteres Highlight ist sein Sohn, Daigoro Ogami. Er spricht nie, sondern seine Mimiken, Gestiken und allgemein Taten sind es, die ihn charakterisieren. Umso beeindruckender ist, wie gut man sich in seine Lage versetzen kann. Man muss sich einmal vorstellen, was ihm alles widerfährt. Unzählige Schlachten und traurige Lebensgeschichten, aber auch schöne Lebensgeschichten und viel Liebe von anderen Figuren. Zudem ist die Beziehung zwischen Vater und Sohn in LW&C die tragischste, entwicklungsreicheste, aber auch schönste und gefühlvollste, die ich bisher gesehen habe. 
Auf der anderen Seite haben wir natürlich den Antagonisten, Retsudo Yagyuu. Er ist hasserfüllt, weil Itto so viele Leute, die Retsudo auch wichtig sind, umbringt, aber auch verzweifelt, weil er es einfach nicht schafft, gegen Ittos Widerstand anzukommen. Das Besondere an ihm ist aber seine Entwicklung, eine der genialsten, die ich je gesehen habe, an der Stelle aber nicht vorwegnehmen möchte, denn zumindest ich hätte sie beim Lesen niemals vermutet. 
Neben den Hauptfiguren gibt es natürlich noch jede Menge Nebenfiguren. Zwar treten die meisten nur für ein Kapitel auf, aber das ändert nichts an ihrer Menschlichkeit und Ausdruckskraft. Alle drei Hauptfiguren machen allerlei verschiedene Bekanntschaften, die sie in jeder Hinsicht beeinflussen. Es gibt Schwertmeister, Bogenschützen, Händler und noch vieles mehr. In jeder einzelnen Geschichte kommt mindestens eine Figur mit anderen Eigenschaften und Sichtweisen vor, was nicht nur die Hauptfiguren beeinflusst, sondern auch dem Leser diese Gesellschaft näher bringt und sie vor allem natürlich wirken lässt! Leider ein Aspekt, den viel zu wenige Animes oder Mangas beachten.
Und auch das Netz der Nebenfiguren kommt zu einem durchdachten, epischen und traurigen Ende. Insgesamt ist das Figurennetz des Mangas so kompliziert und gewaltig, dass ich hier bei weitem nicht alles besprechen kann.

Es fällt mir schwer, die Qualität dieses Werkes in Worte zu fassen. Es ist in seinem Schaffen so perfektioniert wie ein Film von Stanley Kubrick. Alle Positivaspekte funktionieren miteinander. Beispielsweise hätte ich mich bestimmt nicht so gut in die Figuren versetzen können, wenn die Präsentation nicht so genial wäre. Ich hätte kein so deutliches und natürliches Bild von dieser Welt bekommen können, wenn die einzelnen Figuren nicht so menschlich und facettenreich wären. Versteht ihr, was ich meine? Wie schon angedeutet, lässt die Geschichte einen am Ende fassungslos und voller gemischter Gefühle zurück. Es ist nicht leicht, mit dem Manga wirklich warm zu werden, aber wenn man erst mal drin ist, lässt er den Leser, selbst, nachdem er fertiggelesen hat, nicht wieder los. Somit ist Lone Wolf and Cub ein meisterhafter Klassiker, den jeder gelesen haben muss.
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Avatar: Noa
V.I.P.
#2
Überarbeitete Version eines veralteten Kommentars vom Frühjahr 2015 ...

Im großen Pool der Anime- und Mangawelt gibt es einige Klassiker dieser Medien, auf welche bis heute Referenzen gezogen und die unerschütterlich in ihrem Kulturstatus, als Werke der ewigen Klasse angesehen werden. Viele von ihnen sind heutzutage zu Unrecht vergessen worden und viele kennen diese Werke, auch ohne sich überhaupt mit diesen auseinander gesetzt zu haben, da ihr Einfluss auf die japanische Comic-Kultur so gewaltig ist. Man blicke auf Vagabond, Blade of the Immortal oder Rurouni Kenshin, welche es ohne dieses Werk in ihrer Form nie gegeben hätte.

Um aber zu verstehen, weshalb Lone Wolf and Cub selbst den härtesten Kritiker zu Weißglut treibt, muss man erst einmal verstehen, wie genau das Medium Manga an sich funktioniert. Durch die kreative Freiheit alles Mögliche durch Zeichnungen auszudrücken, explodierte das Medium an sich selbst und gewann schnell an Beliebtheit. Es folgten Trends, Vorherrschende Themen und ungeschriebene Normen, die sich in diesem Medium festgesetzt haben. Alles musste schneller, actionreicher werden und auch Gewalt kam bei den Lesern gut an. Nachdem er sich als Teilautor für Golgo 13 einen Ruf erarbeitet hatte, beschloss Kazuo Koike gemeinsam mit dem Zeichner Goseki Kojima einen neuen Manga zu kreieren. In einem Netz von einzelnen episodischen Geschichten auf fast 9,000 Seiten verteilt, entwickelte sich der Manga schon zu seiner Erscheinung zu einem hoch gelobten Werk, welches in kürzester Zeit über 8 Millionen Mal verkauft wurde. Was dieses Werk so ansehnlich macht, ist die Vereinigung vieler Komponenten, die auf meisterliche Art vollendet werden. Sei es der Umfang, die detaillierte, historische Genauigkeit, die spannende und zugleich charmante Erzählstruktur, die nie alt werdenden Zeichnungen voller Details oder die daran verwobene Liebe, die an die Grausamkeit und Schönheit des Lebens erinnert. Lone Wolf and Cub ist einer der wenigen Manga, der es, meines Erachtens nach, verstanden hat, das Medium Manga für sich zu nutzen. Sowohl die detaillierten, als auch schlichten Zeichnungen sind das Tolle am Manga, selbst wenn sie bei manchen Panels oder gar Seiten ohne Text oder Dialog abgebildet sind. Die Bilder sprechen für sich. Die Emotionen sind da. Die Welt ist aufgebaut: klar, warm, kalt, frisch, hell, dunkel, lebendig. Die einzelnen Handlungen nehmen Einfluss auf die Charaktere, ganz gleich, ob es nur eine kurze flüchtige Bekanntschaft ist oder eine langjährige Begleitung. Es passiert etwas in ihnen. Sie denken nach, sie fühlen, sie zögern, wollen den Weg nicht gehen. Ohne es im Text zu formulieren, spricht der Manga über seine Bilder, die Gestik der Charaktere, ihre Mimik. Ihre Körperhaltung beschreibt sie. Eine in Geschichte lebendig gewordene, perfektionierte Kunstform. Und genauso funktioniert ein Manga. Man spricht über Bilder mit den Charakteren, ohne ihm geschwollene Reden in den Mund zu legen. Man redet und erzeugt dabei auch eine Wirkung, denn man spricht nur wenn es auch nötig ist.

Schon zu Beginn wird klar, was der Faden der Handlung ist und welches Ziel Koike verfolgt. Durch eine Intrige des Yagyuu-Clans wird der umherwandernde Samurai und Henker Itto Ogami des Verrat beschuldigt und verliert bei einem Anschlag seine Familie. Einzig und allein sein Sohn Daigoro wird am Leben gelassen. Mit dem Ziel, die Ehre der Familie wieder herzustellen, sinnt er nach Rache und treibt den Keil zwischen sich selbst und der Meifumado auf seiner blinden Odyssee. Dabei verliert er aber nie seine Menschlichkeit und strahlt immer eine Wärme aus. Die Liebe und Beziehung zu seinem Sohn ist so facettenreich, liebevoll und menschlich dargestellt, dass es einem nicht schwer fällt Daigoro, selbst als Kind, welches nie spricht, zu verstehen. So wandert dieser durch Japan mit nur einem Schwert und seinem jungen Baby im Holzwagen umher, mit der Aufschrift Sword for Hire, Son for Hire auf der Suche nach neuen Aufträgen.

Die wirkliche Faszination dieses Werks geht aber von der Moral und der Tiefe, der einzelnen Handlungen aus, in welche Koike sein Appell für das Eingestehen seiner eigenen Taten, sich wie ein roter Faden durch die Welt zieht und es sich stets wie das Licht am Horizont präsentiert. Diese Ethik wird aber facettenreich auseinander gespickt und in so viele unterschiedliche Arten aufbereitet und erzeugt dabei einen Kontrast in sein beiden Stärken, welches es so einzigartig macht. Zum einen ist die Handlung so geschrieben, dass man nie das Gefühl hat, man habe dies schon einmal in einem anderen Kapitel gelesen oder es würde ernüchternd wirken. Bei der Zusammenfügung der Metaphern zeigt sich die Tragik hinter den Treiben, ihre Wechselwirkung und zugleich entsteht eine Reise, die so lebensnah wirkt. Weder kontinuierlich als fiktive Handlung geschrieben, noch gewollt wirr. Die einzelnen Komponenten sind aufeinander abgestimmt, ohne passend zu Recht gelegt worden zu sein. Ein aus dem Guss strömender Blick über die Komik des Lebens, ihrer Paradoxon, Scharfsinnigkeit und eine flüchtige Betrachtung über das Eigene. In seinem Schaffen so konsequent und zugleich anders zusammengefügt, wirkt es rückblickend wie ein Leben, das in Einzelteile gerissen und zu einem Mosaik konstruiert wurde.

In seiner Expansion der umfangreichen Reise bekommt man eine Welt dargestellt, die alles und zugleich nichts ist. Die schwarze, furchtlose Nacht, begleitet von hinterher trabenden Wölfen, gierig nach menschlichem Fleisch und das zermahlen ihrer Knochen bis zu einer idyllischen Landschaft, leere Felder, dessen Erntewuchs vom Regen und Wind genährt wird, Berge voller Stille und das leise Fallen von kristallklaren Schneeflocken, Städte überfüllt mit tratschenden Menschen, die ihrer Arbeit, ihr Leben nachgehen, Dreck, Lärm, unendlich viele Wege, Irrungen. So erzählt es in cineastisch anmutenden Panels Fragmente eines zugleich vertrauten und abwegigen Alltags. Die Bildsprache des Mangas wurde über einhundert Kapitel hinweg perfektioniert. Das demonstriert etwa die grafische Meisterleistung, welche von Minimalismus und Auslassung und im gleichen Zug so lebendig, actionreich und detailliert zu sein scheint.

In jeder Form der Literatur gibt es ein Werk, das für dieses Medium als Ikone steht. Lone Wolf and Cub ist das Referenzwerk des Manga. Im Samurai-Genre als Klassiker gebrandmarkt, in seiner Erzählung der Rache oder gar der Art, Comic zu erzählen, beeinflusste es viele wichtige Werke und Autoren, auch in der westlichen Welt, wie Frank Miller zu Sin City oder Quentin Tarantino zu Kill Bill. Simpel ausgedrückt: So brutal, blutig und grausam wie das Werk auch ist, ist es zugleich so schön, warm, reich an Charaktere und Emotionen, ganz im Kontrast zu seiner Grausamkeit. Ein philosophisches Werk über den Gedanken des Buddhismus in einer symbolischen Art über die innere Hölle, Liebe zum eigenen Kind und der Rache, verflechten all diese Themen das Werk zu einem Meisterwerk der zeichnerischen Erzählung, wie es sie kein weiteres Mal geben kann. Ich empfehle dieses Werk nicht. Ich möchte es auch nicht jemanden ans Herz legen. Ich befehle jedem auch nur ernsten Comic-/Manga-Fan, sich dieses Werk zu Gemüt zu führen. Ein einzigartiges Spektakel.
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