What a Wonderful World! (2003)

Bei Oyasumi Punpun kann man es aktuell sehen, aber schon zuvor kristallisierte sich Inio Asanos Talent zur Begreifung und Darstellung der Probleme, Verzweiflung aber auch Hoffnungen der modernen, jungen Gesellschaft heraus. 19 Kurzgeschichten liefern ein breites Spektrum an Einzelschicksalen, deren zusammenhängender Faktor die oftmalige Ziel- und Ratlosigkeit von Heranwachsenden und jungen Erwachsenen ist, welche sich darin verlieren zu drohen, bevor schließlich oft ein einziges Ereignis ausreicht, um zu erkennen: What a Wonderful World!


Es sind oft nicht die großen Dramen, die es braucht, damit das Leben eines Menschen dunkel und leer oder sogar schon unerträglich wird. Es reicht seinen Platz in der Gesellschaft nicht zu finden, sich nicht mit ihren Zielen identifizieren zu können und es dann aber nicht zu vermögen, für sich selbst andere Ziele zu finden. Asano Inios „Helden“ sind Leute von der Straße, Leute aus der aktuellen Gesellschaft und im Gegensatz zu vielen anderen Manga auch Leute, die es in der Realität zuhauf gibt. Ihr Drama erwächst aus der eigenen Unzulänglichkeit, den alltäglichen Grausamkeiten der Mitmenschen oder durch einzelne Schicksalsschläge, an denen sie nicht selten Mitschuld tragen. Die Botschaft dabei lautet allerdings nicht, dass das Leben einem keine Chance lässt und einem nichts Anderes übrig bleibt, als sich seinem Schicksal zu ergeben und zu leiden. Vielmehr wird unterstrichen, dass es ein Kampf ist, eine immer wiederkehrende Herausforderung, der man sich mit eigener Kraft stellen kann und soll und die man auch zu meistern vermag. Asano ist hier aber wiederum viel zu talentiert, bzw. würde es nicht seinem Stil entsprechen, um den Hoffnungsschimmer in eine kitschige Entwicklung voller Pathos zu verpacken. Es gibt nichts geschenkt und keine selbstlosen Engel steigen vom Himmel herab. Wer sein Leben verbessern will bzw. zumindest die Chance dazu haben will, braucht Mut, Entschlossenheit, die nötige Selbsterkenntnis, aber auch hin und wieder die Einsicht, dass das eigene Leben in Wirklichkeit gar nicht so düster ist, wie man es immer gesehen hat. Als stilistische Eigenheit werden in einzelnen Geschichten surreale Elemente eingebunden, etwa in Form eines sprechenden Raben. Sie sind in der Regel jedoch nur Manifestationen von Wünschen und Problemen der jeweiligen Protagonisten bzw. können als Metaphern gedeutet werden.

Inio Asano ist zweifellos einer der interessantesten und talentiertesten Mangaka der letzten zehn Jahre. Mit dem Gespür für die Probleme der jungen Menschen der heutigen Zeit, samt dem Talent für eine feinsinnige Darstellung, erschafft er Werke, die erfüllt sind von Menschlichkeit in all ihren Facetten. Will man Skeptikern zeigen, dass Manga weit mehr sind als simple Unterhaltung für Kinder und Jugendliche, dann tut man gut daran zu seinen Titeln zu greifen, von denen dieser hier glücklicherweise sogar seinen Weg in den deutschen Sprachraum gefunden hat.

Die zweiteilige Reihe war der erste Manga, den ich von Inio Asano gelesen habe, hatte vorher aber schon viel Gutes über seine Werke gehört und meine Erwartungen waren dementsprechend sehr hoch. Ich wurde nicht im geringsten enttäuscht, meine Erwartungen wurden sogar noch übertroffen und ich werde definitiv mehr von ihm lesen!

Die Kurzgeschichten waren allesamt sehr gesellschaftskritisch und dabei durchweg melancholisch und nüchtern. Nicht selten auch total hoffnungslos, aber auch wenn die Geschichten nicht immer ein gutes Ende nahmen fand ich sie immer schön und berührend.
Inio Asano hat einen sehr düsteren Blick auf das alltägliche Leben, und das kann einen definitiv runterziehen. Ich habe mich nach dem Lesen auch echt schwer und verloren gefühlt. Die Emotionen sind also definitiv übergesprungen.
Ich finde es auch wahnsinnig schön wie tiefgründig die Geschichten sind, obwohl sie alle wirklich sehr kurz sind. Doch jede konnte mich mitreißen und berühren. Okay, zwei der Stories konnten mich nicht ganz abholen, aber das ist trotzdem echt beeindruckend, wenn man bedenkt, dass mich demnach 17 Kurzgeschichten nicht nur überzeugen, sondern total in ihren Bann ziehen konnten. Immerhin hatten auch alle etwas zu sagen.

Den Zeichenstil finde ich auch echt schön, und das Reduzierte passt auch super zum Manga, da es dadurch zwischendurch noch verlorener wirkt.
Dass die Bilder zwischen den Kapiteln eine Story in die nächste überleiten mag ich auch super gerne, dadurch wird nochmal etwas Zusammenhang geschaffen, da man die Charaktere doch immer mal wieder sieht, auch innerhalb der einzelnen Geschichten.

Der Manga ist definitiv besonders und wahnsinnig gut! Also eine absolute Leseempfehlung von mir, wenn man mit der Hoffnungslosigkeit und teilweise heftigen Themen klar kommt.