Hermes: Winds of Love (1997)

Hermes: Ai wa Kaze no gotoku / ヘルメス 愛は風の如く

Rezensionen – Hermes: Ai wa Kaze no gotoku

Hier findest Du sowohl kurze als auch umfangreichere Rezensionen zum Anime „Hermes: Winds of Love“. Dies ist kein Diskussionsthema! Jeder Beitrag im Thema muss eine für sich alleinstehende, selbst verfasste Rezension sein und muss inhaltlich mindestens die Kerngebiete Handlung und Charaktere sowie ein persönliches Fazit enthalten. Du kannst zu einer vorhandenen Rezension allerdings gern einen Kommentar hinterlassen.
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Avatar: Asane
Redakteur
#1
Griechische Antike der minoischen Epoche, skrupellose Gewaltherrschaft, episches Heldentum und schöne Frauen – und so nebenbei noch Inselhopping, nette Entführungen und zum heiteren Beschluss natürlich noch das Gute, Wahre und Schöne. Na, wenn das mal nicht der ideale Stoff für das ganz große Kino ist!

Was will man also mehr? »Grundlagen, Watson, Grundlagen!« Und daran hapert es gewaltig. (Was aber nur Leute bemerken, die 1. im Geschichtsunterricht aufgepasst und 2. ihren Schwab gelesen haben, den die Großmama irgendwann mal zum Geburtstag geschenkt hat.)

Am Anfang jedenfalls macht der Film ziemlich viel richtig. So erzählt er eine Heldengeschichte, zum Glück nicht allzu geradlinig, bedient sich symbolischer Darstellungen und Bildmetaphern (Eingeweihte werden die vielfältigen zitathaften Einstreuungen bemerken, speziell die einiger Attribute von Aphrodite wie beispielsweise Schwalben, Delphine, Anemonen und [Hecken-]Rosen) und unterlegt das Ganze mit atmosphärisch stimmiger Musik, irgendwo zwischen Hollywood und Traumschiff. Um die zeitliche Handlungsspanne in den Griff zu bekommen, werden entscheidende Abschnitte etwas ausführlicher behandelt, um dann unversehens mit dem freundlichen Hinweis »26 Jahre später …« zum nächsten zu springen. Kennt man ja alles schon, sei's von den sattsam bekannten Bibelschinken à la Moses oder Sandalenfilmen im Ben-Hur-Format.

Daran scheitert der Film also nicht. Überhaupt sorgt er erstmal für die große Überraschung, denn aufgrund des Entstehungsjahres war der Schreiber dieser Zeilen auf das Schlimmste gefasst. Sicher, es ist kein Ghibli, aber dennoch hat man in vielen Punkten sich sehr viel Mühe gegeben für schöne (und stimmige!) Landschaftsbilder, einigermaßen naturgetreue Bewegungsabläufe – gerade bei Pferden! –, und man lässt sich erfreulicherweise viel Zeit, um auch das Atmosphärische einzufangen, das die Kultur und das Alltagsleben der Bevölkerung prägt, seien's spielende Kinder, seien's abschweifende Blicke auf Pelikane und Mauersegler (die wohl die oben erwähnten Schwalben hätten werden sollen).

Das alles ist im großen und ganzen recht realitätsnah, und dennoch registriert man an einigen Stellen schmerzlich die Ruckeligkeit der half-animated-Passagen. (Von vereinzelten goofs mal abgesehen, wie dem Umstand, diesem Raum, der von einer einzigen funzligen Öllampe erhellt wird, den Anschein zu geben, da stünde in jeder Ecke ein 200W-Strahler. Das ist natürlich Quark. Oder auch etwas später: Durch göttlich auftretenden Wind gelingt bei Sonnenaufgang die Flucht. Die Kamera zeigt, wie sie von Lindos (auf Rhodos!) aus in Richtung der aufgehenden Sonne schippern. Ihr Ziel, Sitia im Osten Kretas, liegt aber in der entgegengesetzten Richtung.)

Bald jedoch stellen sich erste Zweifel darüber ein, was denn hier veranstaltet werden soll. Das eigenartige Charakterdesign nimmt man erstmal wohlwollend hin. Von ferne erinnert es irgendwie an diese enorm idealistisch bebilderten Bibelgeschichten für kleine Kinder. In denen alles so unnatürlich freundlich und kugelrund einem schwer beseelt entgegenlächelt. Man hätte also gewarnt sein können!
Deutlicher kritischer entwickelt dich die Show, als plötzlich und ohne triftigen Grund die Protagonisten anfangen zu singen. Etwa so wie bei Disney. Und mit einem Text, der an Blödsinnigkeit (selbst im japanischen Original!) nur schwer zu toppen ist. Nachdem erste Näherungsversuche an die Burg, in der Aphrodite gefangen gehalten wird, gescheitert sind, steht Hermes also nun unten am Strand von Lindos und besingt seine Angebetete mit einem strunzdoofen Text, unglaublich hölzern, bar jeder Phantasie und lyrischen Talents, mit einer Stimme, die wie ungewaschene Wollsocken klingt, und begleitet sich dabei auf der Lyra – einer siebensaitigen Lyra, der er Akkorde über mehrere Oktaven zu entlocken vermag und auf der sogar chromatisches Spielen mit Leichtigkeit gelingt. Eines der vielen unglaublichen Wunder dieses Films! Von dem Umstand, dass dieser Minnesang beim Zuschauer schiere körperliche Schmerzen verursacht, kann die Annahme abgeleitet werden, daß Hermes offenbar versucht, die Wachen auf diese Art (Troubadix?) außer Gefecht zu setzen.

Die bis dahin erkennbaren Ambitionen für den großen cineastischen Wurf versanden leider im weiteren Verlauf und bleiben Chimäre. Das Acting verfolgt dieses Niveau auch nicht weiter; es verbleibt auf dem Level eindimensionaler Charakterisierungen (siehe oben: Bibelgeschichten) samt den althergebrachten Phrasen, die man amerikanischen Historienschinken im B-Movie-Format abgeschaut hat. Darin unterscheidet er sich nur wenig von japanischen Historienfilmen, was vielleicht einiges erklärt, aber nichts entschuldigt.

Den Sturz von König Minos und den darauffolgenden Kampf mit dem Minotaurus kann man als Wendepunkt betrachten. Nicht so sehr für den Verlauf der Geschichte, sondern als den Einschnitt, ab dem alles rasant den Bach runter geht. Das Mythologische nimmt deutlich überhand, öffnet die Tore für Deus ex Machina im großen Stil und ergeht sich ansonsten in narrativer Beliebigkeit an der Grenze zu esoterischem Geschwurbel.

Der erwähnte Kampf zwischen Theseus und dem Minotauros ist eher das, was man in Animekreisen als meh qualifiziert. Unglaublich einfallslos, langweilig und klischeehaft, im Ablauf wie in der Inszenierung. Von dunkler Finsternis gnädig verschleiert.

Was im folgenden sich abspielt (und vor allem: warum es sich so abspielt), ist dem Rezensenten leider nicht mehr in der wünschenswerten Klarheit präsent, da sein Gehirn sich nachhaltig weigert, diese Informationen herauszugeben. Zum eigenen Schutz, wie ich vermute.
Als unstrittiger Höhepunkt dieser Entwicklung muss sicherlich das singende Korallenriff betrachtet werden, zu dem die beiden göttlichen Knaben, Agape und Eros, den Helden begleiten. Auch der Feenwelt wird ein Besuch abgestattet, wo eine traurige Nixe getröstet werden muss (nein, kein Spin-off als Hentai...) und als Kontrastprogramm steht denn noch ein Abstecher in die Hölle* an, wo ein schon toter König Minos getötet werden muss von einem Helden, dem beschieden wird, daß er selbst als Gott überhaupt nicht getötet werden kann. Was soll das ganze Theater also?** Vermutlich nur actionreiche Illustration der Botschaft: »Vertraue in Gott und du bist unbesiegbar«.

*

In der Tat ist im japanischen Original von Jigoku die Rede, und nicht etwa von Hadesu oder Maikai.

Ja, ernsthaft! Schoten dieser Art werden hier einem am laufenden Band zugemutet, unter weitgehendem Verzicht auf die oben erwähnten künstlerischen Ambitionen. Moralisch überhöht wird diese Veranstaltung zu allem Überfluss durch fette Bibelfilmmusik mit Himmelschören. Dann ist der Film glücklicherweise auch schon zu Ende.

Empfehlung? Nur für moralisch gefestigte Personen mit hoher Leidensbereitschaft und Logiktoleranz. Wer jedoch Spaß an solchen verschrobenen Adaptionen des klassischen Altertums hat, mag sich gerne noch Arion antun. Ganz nach der Devise »schlimmer geht immer!«



**[später Edit:]
Glücklich machen. Indem man dem Menschen den rechten Weg weist.
Zum Beispiel zu "Happy Science", das hinter dem ganzen Zirkus steckt, wenn man den Quellen trauen darf.
Beitrag wurde zuletzt am 30.08.2023 19:17 geändert.
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