Itou Kaijis Leben lief bisher nicht so, wie er es sich eigentlich erhofft hatte. Er ist arbeitslos und verschuldet, vertreibt sich die Zeit mit Alkohol, Tagelöhnerjobs und Gaunereien und ist auch noch zu allem Übel vernarrt in Glückspiele. Also alles in allem: Ein Taugenichts auf der Verliererstraße.
Eines Tages wird sein nichtsnutziger Alltag jedoch jäh unterbrochen, als er von einem düsteren Gesellen aufgesucht wird, dessen Berufung das Schuldeneintreiben ist. Der Geldeintreiber stattet Kaiji nicht ohne Grund einen Besuch ab. Er fordert die Summe aus einer Kreditvereinbarung von einem von Kaijis Kollegen ein, für welche Kaiji leichtsinnigerweise gebürgt hat. Da er nicht in der Lage ist, für die Schulden sofort aufzukommen, stellt ihn der Schuldeneintreiber vor die Wahl, entweder hart dafür zu arbeiten und die Summe von ca. 4 Millionen Yen (+Zinsen) innerhalb von 10 Jahren auf Raten abzuzahlen, oder an einer Reise auf einem Casinodampfer teilzunehmen, auf der er sich durch Glücksspiel von seinen Schulden befreien kann.
Kaiji ist sich zunächst unsicher, da er weiß, dass er durch die Teilnahme seinen Schuldenberg auch vergrößern könnte, doch schließlich gelingt es dem Mafiosi, ihn von der letzteren Option zu überzeugen und damit beginnt für Kaiji eine Odyssee durch eine Reihe von Glücksspielen, die allesamt psychologischen Druckexperimenten gleichkommen und die Teilnehmer vor allem psychisch an ihre Grenzen treiben.
Denn die Figuren sind schon bald gefangen in einem System, welches ihnen auf den ersten Blick das große Geld verspricht, aber primär darauf ausgerichtet ist, sie weiter an den Rand des Abgrunds zu drängen und ihnen dann schlussendlich den Todesstoß zu versetzten. Die einzige Möglichkeit die bleibt: Das System austricksen!
Hieraus zieht der Anime auch seinen besonderen Reiz, seine enorme Spannung. Und auch wenn die meisten Protagonisten dem Zuschauer nicht weiter näher gebracht werden und auch keine wirkliche Entwicklung durch machen, gelingt es der Serie schnell, den Zuschauer auf die Seite von Kaiji und den sonstigen Underdogs zu bringen, da man sich mit ihnen und ihren Problemen sofort identifizieren kann und einem kaum eine andere Wahl bleibt, als mit ihnen mitzufiebern.
Vor allem für Kaiji selbst entwickelt man schnell Sympathien. Denn hinter dem vermeintlichen Loser versteckt sich ein intelligenter Bursche mit einem gesunden Menschenverstand, den er auch zu gebrauchen weiß. So versucht Kaiji mit seinen gerissenen Tricks und Ideen das System zu überlisten und die Spiele so für sich zu entscheiden, stößt dabei aber nicht nur auf Gegenwehr durch seine Kontrahenten, sondern sieht sich auch noch mit einem scheinbar unbezwingbaren Gegner konfrontiert: Dem Zufall!
Daraus ergeben sich immer wieder dramatische und emotional mitreißende Momente, welche durch die unzähligen Bluffs und die damit verbundenen Wendungen den Betrachter oft ins Staunen versetzen und überraschender nicht sein könnten. Damit erwartet den Zuschauer eine emotionale Gratwanderung zwischen Hoffen und Bangen, welche durch eine Stimme aus dem Off noch weiter auf die Spitze getrieben wird.
Aber einen kleinen Wermutstropfen gibt es dennoch: Vor allem in den letzten Folgen der Serie werden einige Szenen durch innere Monologe und Erklärungen von eigentlich eindeutigen Sachverhalten (durch die Off-Stimme) etwas gestreckt und wirken dementsprechend auch langatmiger. Dies tut zwar der Spannung keinen Abbruch, aber schmälert doch ein wenig den Gesamteindruck.
Ein weiterer interessanter Aspekt der Serie ist das Hinterfragen von gesellschaftlichen Werten und Moralvorstellungen, die für die meisten Menschen oft keine Rolle mehr spielen, wenn das eigene Überleben auf dem Spiel steht. So werden Kaiji und seine Kollegen immer wieder auf die Probe gestellt, müssen sich entscheiden zwischen ihrem Gewissen oder der Chance auf das große Geld und drohen an der dadurch hervorgerufenen psychischen Belastung zugrunde zu gehen. Dieser Faktor steigert nicht nur die Dramatik der spannenden Handlung, sondern bindet gleichzeitig den Zuschauer in das Geschehen mit ein. Der Betrachter macht sich zwangsläufig schon bald selbst Gedanken über seinen eigenen Standpunkt und stellt sich irgendwann die unausweichliche Frage: Was würde ich tun?
Neben der inhaltlichen Finesse ist vor allem der Zeichenstil eine Besonderheit von Kaiji. Dabei ist das gewöhnungsbedürftige Charakterdesign mit seiner scharfen und dicken Linienführung wirklich Geschmackssache. Was aber anfangs als skurril erscheint und ein wenig an die Musikvideos der Gorillaz erinnert, lässt im späteren Verlauf eine besonders drastische Dramatik zu, in der gerade die ausgeprägte Linienführung punktet.
Fazit:
Der Look ist wirklich nicht jedermanns Sache. Eckige, kantige und hässliche Charaktere, die wahrscheinlich die meisten Zuschauer vom Bildschirm vergraulen werden. Anderen dürfte wohl die etwas aufdringliche Erzählstimme und die eine oder andere langatmige Szene nach einiger Zeit sauer aufstoßen. Doch wer das alles in Kauf nimmt (und das habe ich getan), wird mit einem raffinierten und psychologisch ausgefeilten Anime belohnt, der frischen Wind in den Animealltag bringt und sich durch seine Thematik auch angenehm von den sonstigen Action- und Romanceserien abhebt.
Leider behandelt die auf 26 Folgen ausgelegte Geschichte dabei nur die ersten 13 Bände des Mangas von Noboyuki Fukumoto. Das Ende ist demzufolge auch etwas offen ausgelegt und deutet auf eine (hoffentlich bald beschlossene) zweite Staffel hin, welche zumindest für mich Pflichtprogramm wäre.