Mir war langweilig, also habe ich diesen Blödsinn zusammengeschrieben. Respekt, wer's bis zum Ende durchhält.
Kontrast
Der Wecker klingelte, und ich wachte voller Vorfreude auf, es wartete schließlich ein neuer Schultag auf mich. Mit einem Toastbrot im Mund und meinem Connector in der Hand machte ich mich gut gelaunt auf den Weg.
"Ob Lisa schon aus dem Haus ist?", fragte ich mich.
"Connector, ich möchte mit Lisa sprechen", sagte ich in das kleine rechteckige Gerät.
"Verstanden, verbinde", kam als Antwort aus den Lautsprechern.
"Ach, Anna, seit du von deiner Mutter deinen ersten Connector bekommen hast, rufst du mich ständig an, selbst so früh am Morgen."
"Jetzt mach mal nicht so, du bist doch meine beste Freundin, wen soll ich denn sonst mit meinen Anrufen nerven?"
Wir beide lachten. An der Schule angekommen sah ich sie auch gleich auf mich zukommen. Lisa hatte sich an dem Tag recht auffällig angezogen. Rote Jacke, enge Jeans, ja sie hatte sich sogar geschminkt - ich war etwas überrascht.
"Wie siehst du denn aus? - Hast du etwa vor jemanden mit deinem Aussehen anzulocken, hmm?"
Ich grinste sie an.
"W-W-Was sagst du denn da, das ist einfach nur so, ich dachte, ich könnte mich auch mal von einer anderen Seite zeigen, verstehst du?"
"Ah ja, einfach nur so, verstehe, deshalb wirfst du dem einen Typen da drüben auch immer mal wieder komische Blicke zu, was?"
"S-Sei still.."
Meine schüchterne Freundin wurde rot und lief in einem beachtlichen Tempo davon. In der ersten Schulstunde hatten wir Physik, ich bin alles andere als begabt in diesem Fach, aber Spaß hat es trotzdem gemacht. Es hatte zwar noch nicht geklingelt, doch der Lehrer hat uns früher entlassen. Zu Hause angekommen stand das Mittagessen schon auf dem Tisch.
"Mama, Papa, ich bin zu Hause."
Es schien keiner da zu sein. Ich machte mich an das Essen. Was kann es bitte schöneres geben, als von der Schule zurück zu kommen und eine Portion Spaghetti Bolognese vor sich zu haben? Nach dem Essen machte ich frohen Mutes den Abwasch und ging da mir warm war unter die Dusche. Für den Abend hatten wir mit Lisa geplant in die Stadt zu gehen. Um 20:00 Uhr klingelte es an der Tür.
"Anna, kommst du runter?"
"Ja, ich komme schon."
Wir gingen durch die Einkaufsstraße, überall waren Hologramme zu sehen.
"Worauf hättest du Lust?", fragte Lisa.
"Sollen wir in eine Karaoke-Bar gehen?"
"Ja, gute Idee, das haben wir schon lange nicht mehr gemacht."
Als wir in der Bar angekommen sind, wurden wir nach dem Alter gefragt.
"Wir sind beide 15", sagte ich.
Man hat uns reingelassen. Den ganzen Abend haben wir gesungen, geredet und rumgealbert. So in etwa vergingen damals all meine Tage. Doch irgendwann hat mir angefangen etwas zu fehlen. Es gefiel mir natürlich mit Lisa abzuhängen und mit meinem Connector rumzuspielen, doch irgendwas hat mir gefehlt, irgendwas war komisch. Mit der Zeit hatte ich nicht mehr so viel Spaß daran, in die Stadt zu gehen oder mit Lisa über Mode zu reden, es erschien mir auf einmal einfach so sinnlos. Meine Laune hat sich zunehmend verschlechtert. Eines Tages bin ich dann vor Lisa plötzlich in Tränen ausgebrochen.
"Anna, was ist passiert?"
"Nichts. Ich, ich weiß es nicht."
"Was ist los mit dir, in letzter Zeit bist du irgendwie komisch. Bist du in jemanden verliebt und er erwidert deine Liebe nicht?"
"Nein. Es ist wirklich nichts passiert. Und genau das ist das Problem."
"Wie meinst du das? Es passiert doch jeden Tag etwas. Wir gehen zur Schule, reden miteinander, gehen gemeinsam raus. Du hast mich und ich habe dich."
ich schaute sie mit Entsetzen an. Wie konnte es sein, dass Lisa, meine beste Freundin in keiner Weise meine Gefühle nachvollziehen kann?
"Es ist doch alles gut, mach dir keine Sorgen", sagte sie.
Aber nein, es war überhaupt nichts gut. Ich teilte Lisa mit, dass ich so nicht mehr kann und dass ich leide, aber sie hat mich nicht verstanden.
"Es geht uns, uns allen doch gut."
Ihr Gesichtsausdruck hatte sich verändert, und zwar ins Verächtliche. Lisa kam näher zu mir, packte mich an den Schultern und starrte mich an.
"Du hast einen geregelten Tagesablauf, was zu essen, einen Staat, der dich schützt. Was willst du noch? Wieso solltest du bitte leiden? Es geht dir gut, alles ist gut, hast du verstanden?!"
Ich war geschockt.
"Was passiert hier gerade?", fragte ich mich.
"Wer.. wer bist du? Du bist doch Lisa, oder?"
"Du solltest dich eher fragen, wer du bist."
Ich konnte mit der Situation nicht umgehen.
"Ich brauche eine Auszeit. Ich verstehe nicht, was mit dir los ist, aber ich brauche eine Auszeit."
Ich schubste Lisa weg, nahm meine Sachen und rannte aus ihrer Wohnung. Zu Hause verkroch ich mich unter die Decke, wo ich auch den Rest des Tages verbracht habe. Am nächsten Tag bin ich nicht zur Schule gegangen. Der Vorfall mit Lisa machte mir zu schaffen. Um ehrlich zu sein, konnte ich es selbst Tage später nicht fassen. In der Schule ging ich meiner Freundin (?) aus dem Weg. Irgendwann entschloss ich mich, mit meinem Vater über meine Sorgen zu reden.
"Du bist ohne ersichtlichen Grund unzufrieden mit deinem Alltag und deine Freundin benimmt sich komisch? Mach dir da nur keine Sorgen, in eurem Alter ist das normal."
"Das sagte Lisa auch, Papa. Aber, aber versteh mich doch.."
"Aber sie hatte recht. Du wohnst in einer dich liebenden Familie, besuchst eine vernünftige Schule, hast gute Freunde, dir mangelt es nicht an Geld. Dir geht es bestens."
"Nein! Nein, mir geht es nicht bestens! Mir fehlt etwas. Ich, ich lebe gar nicht, ich existiere nur. Wo ist das Leben, wo ist die Abwechslung, wo sind die Schrecken des Seins?"
"Na hör mal, um eben jenen Schrecken des Seins zu entfliehen, hat sich die Menschheit aus der Natur zurückgezogen. Und du fragst, wo diese Schrecken geblieben sind? Vielleicht sollten wir dich beim Schulpsychologen anmelden."
Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Am nächsten Tag sprach mich Lisa in der Schule an.
"Hör mal, Anna, also was letztens passiert ist, das.."
"Ist schon okay", unterbrach ich sie.
Es war sicherlich nicht okay, aber ich wollte mich mit ihr vertragen, schließlich war sie vor diesem Vorfall immer für mich da gewesen. Lisa fragte mich, ob sie mich heute besuchen kommen könnte, und ich willigte ein. Sie kam vorbei, wir tranken Tee und lachten zusammen, es war ein schöner Abend.
"Ich war unfair zu dir, bitte entschuldige. Magst du mir vielleicht erzählen, was dich bedrückt?"
Ich erzählte ihr, dass ich in vielerlei Hinsicht ziemlich abgestumpft bin. Dass ich keine klaren Gefühle mehr verspüre, sondern so ein komisches bedrückendes Misch-Masch. Und dann ging es wieder los.
"Aber das ist doch gut. Keine Trauer, kein Schmerz. Vollkommene Sicherheit. Du wirst immer aufgefangen, wenn du zu fallen drohst. Ich werde dich immer auffangen, ich werde dich niemals gehen lassen."
Ich bin aufgestanden und wollte schon gehen, als Lisa mich plötzlich überwältigt und aufs Bett gedrückt hat.
"Du gehst nirgendwo hin. Du bleibst schön brav dort, wo du bist. Bleib einfach hier, zu Hause, bei deinen Eltern. Hier ist es sicher, hier wird dir nichts passieren."
"Okay, vielleicht hast du recht", sagte ich.
Sie stieg von mir ab und folgte mir in die Küche. Ich wollte in einem unachtsamen Moment ihrerseits aus der Wohnung rennen, doch sie setzte sich mir direkt gegenüber und starrte mich an.
"Anna, bleib einfach hier, bleib in mir, BLEIB IM SYSTEM, ICH BIN DAS BESTE FÜR DICH!"
Ich wusste genau - jetzt oder nie. Ich stand auf, rannte zum Fenster und sprang einfach blind 4 Meter nach unten. Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich wieder etwas genau wahrnehmbares verspürt - Schmerz. Mir wurde schwarz vor Augen, kurze Zeit später bin ich in einem dunklen von Kabeln überströmten Raum zu mir gekommen. Ich sah Kabel zu meinem Hinterkopf führen. Kurzerhand entriss ich alles aus den Anschlüssen an meinem Kopf.
"Wer bin ich? Was bin ich? Wo bin ich?"
Aus dem Raum führte ein Ausgang durch eine Tür, ich ging durch. Draußen sah ich viele Menschen, doch konnte ich keinen von ihnen auch nur etwas fragen - sie waren alle tot.
"Der Himmel ist dunkelgrau. Überall nur Ruinen. Pflanzen sind verrottet. So gut wie keine lebenden Menschen."
Dann wurde mir auf einen Schlag alles klar. Ich lebe in einer Zeit, in der die Menschen die Erde zerstört haben. Um dem ganzen Leid zu entkommen, bin ich in eine virtuelle Realität geflohen, in der es für mich keine richtigen Sorgen mehr gibt, habe dort Programme erstellt, die die zwischenmenschlichen Kontakte simulieren sollen, habe mein Bewusstsein in den Körper eines kleinen Mädchens versetzt in dem ich später aufgewachsen bin und habe anschließend meine Erinnerungen ausgelöscht. Wer hätte gedacht, dass ich mich mit einem sorgenlosen Leben nicht anfreunden könnte. So könnte es gewesen sein, aber wer weiß das schon. Nun streife ich durch die trostlosen atomaren Überbleibsel dessen, was einmal die Erde gewesen ist und kämpfe um jeden Tag, der mir bleibt. Ich gehe und gehe, gehe und gehe, gehe und gehe, doch ankommen werde ich nie..
P.S. Um die Geschichte Forum-Regel-konform zu gestalten, habe ich an einigen Stellen Sachen ausgelassen, die ich ansonsten hinzugefügt hätte. Dementsprechend ist es jetzt eine Cyberpunk-Story ohne Gewalt, ist blöd, ich weiß, aber ich wollte halt was mit der Thematik machen.
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