Literatur Club

Kurzgeschichten und kürzere Erzählungen

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aniSearchler
Themenstarter#1
Dieser Thread soll dazu dienen, Kurzgeschichten und andere kürzere Prosatexte bzw. Ideen für solche Texte zu präsentieren und euch die Möglichkeit geben, diese von anderen Usern bewerten zu lassen und (humanes) Feedback zu erhalten. Vielleicht enstehen ja auch ein paar nette Diskussionen.
Im Verlauf des Threads könnte auch darüber diskutiert werden, ob es eine Obergrenze für die Anzahl der Wörter geben soll, die eine Geschichte umfasst.
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aniSearchler
Themenstarter#2
Dann mache ich wohl auch direkt den Anfang. Es handelt sich um eine ältere Geschichte, die ich für einen "Wettbewerb" auf Fanfiktion.de geschrieben habe. Das Thema des Wettbewerbs war "Auf's Dach gestiegen", die Handlung sollte sich also größtenteils auf einem Dach abspielen. 
Die Kritik der drei Jury-Mitglieder, die ich erhalten hatte, war sehr uneindeutig und widersprach sich teilweise jeweils sehr und ergab für mich auch teilweise nur wenig Sinn, sodass mich eure Einschätzung interessieren würde. :)
Ich habe nachträglich auch allerdings nur die gröbsten Fehler behoben. 

Giga Girl
„Was machst du hier?“ fragte sie mich, nachdem sie das Dach betreten hatte. Auf dem Geländer hatte ich meine Arme verschränkt und sah auf die Lichter hinab.

„Ich beobachte sie. Gestern habe ich sie beobachtet, vorgestern ebenso, ich erinnere mich nicht mehr an die Tage in meinem Leben an denen ich sie nicht beobachtete. “ Ich ließ meine Arme verschränkt und drehte mich um. Ann stand am anderen Ende des Daches und starrte mich an. Einen Mantel, darunter vermutlich, so wie üblich, ein T-Shirt und einen Rock, trug sie. Eine nächtliche Sommerbrise zog an uns vorbei.

„Lindsay, wenn du so weitermachst, könnte noch etwas passieren.“ Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, welche direkt wieder zurück fiel. Zuerst ging ich drei Schritte auf sie zu, danach einen zurück, denn anhand ihres starren Blickes konnte ich erahnen, dass sie einen gewissen Abstand von mir brauchte. Was passieren könnte, fragte ich, doch erhielt keine Antwort. Auch als ich meine Frage wiederholte blieb Ann stumm, denn nicht nur ihr Blick, ihr ganzer Körper war erstarrt.

„Du könntest sterben,“ kam es schließlich. Ich hatte keine andere Antwort erwartet.

„Und wenn ich nicht sterbe?“ Eine kurze Pause meinerseits folgte bis ich mich umdrehte und mich wieder ans Geländer lehnte. „Ich beobachte sie. Morgen werde ich sie beobachten, übermorgen ebenso. Ein Leben, in dem ich sie nicht beobachten muss, kann ich mir kaum vorstellen.“ Meine Hände glitten über mein Kostüm, welches ich zu glätten versuchte. Ann taute langsam wieder auf, denn ich konnte ihre unsicheren Schritte hören, als sie sich mir näherte.

„Warum beobachtest du sie? Sie wissen deine Arbeit nicht zu schätzen,“ sagte sie. Das Gewicht verlagerte ich vom einen auf das andere Bein.

„Du wusstest meine Anstrengungen genauso wenig zu schätzen, als wir uns kennenlernten. Du dachtest, ich wäre ein Freak, der sich wie Supergirl verkleiden würde und nachts durch die Straßen rennt. Du kanntest mich nicht, deswegen verurteiltest du mich. Aber irgendwann brauchtest du mich und ab diesem Zeitpunkt war ich kein Freak mehr.“
Ann schluckte und blieb stehen. Ich hatte damit wohl einen Nerv getroffen, denn sie erwiderte für lange Zeit nichts, also sah ich auf die Stadt hinab. Autos fuhren durch die Straßen, Menschen trafen sich, alles war friedlich und keiner der Menschen da unten wusste, dass diese Ruhe im nächsten Moment unwiderruflich zerstört werden könnte. Mein Pferdeschwanz wehte im Wind und ich blickte zum Himmel auf, welcher mit Sternen überzogen war. Ich entschied mich dazu, fortzufahren:„Was soll ich deiner Meinung nach tun? Soll alle Welt von mir erfahren, damit sie mir danken können? Damit würde ich nur meine eigene Sicherheit und die aller Menschen dieser Stadt gefährden. Sie danken mir doch bereits, sieh!“ Ich deutete auf ein Plakat, welches an einem größeren Geäude befestigt war. Es zeigte ein junges Mädchen in einem bunten Kostüm mit Pferdeschwanz.

„Aber sie danken nicht dir, sondern Giga Girl, weil sie dich nicht kennen. Sie haben ihr diesen Namen gegeben. Du hast-“

„Was meinst du damit?“ fragte ich sie, nachdem ich mich wieder vom Geländer entfernt hatte und auf sie zu ging. Man sah ihr an, dass sie nicht wusste, wovon ich sprach, also führte ich meine Frage weiter aus:„'Sie haben ihr diesen Namen gegeben.' Wer soll das sein? Sie nennen mich Giga Girl, niemand anderen.“

„Also bist du Giga Girl?“

„Ja, wer sollte ich sonst sein?“

„Lindsay.“ Ann griff nach meiner Hand und zog mich zu sich. Sie öffnete ihren Mantel, unter dem sie tatsächlich ein T-Shirt und einen Rock trug, und holte aus einer der Innentaschen ein Armband hervor. „Das hier ist dein Armband. Aber warum steht auf dem Anhänger Lindsay und nicht Giga Girl?“

„Ann, was soll das?“

„Ich möchte wissen, wer du bist: Lindsay oder Giga Girl? Denn ich habe das Gefühl, dass du es selbst nicht weißt.“

„Manchmal ja, manchmal nein. Wieso muss ich mich entscheiden?“

„Wenn du Giga Girl bist, bist du nicht Lindsay, und andersherum. Beide gleichzeitig kannst du nicht sein, aber warum möchtest du immer zwischen ihnen wechseln? Ist es das, was du willst?“

Ich erinnerte mich daran, wie ich an das Armband gekommen bin: Nachdem ich eines Nachts durch die Straßen lief, wurde ich angegriffen. Damals war ich 13 und es kursierte das Gerücht von einer grausamen Kreatur, die bei ihren nächtlichen Streifzügen Kinder anfiel und tötete. Ich wollte nicht daran glauben, wurde aber eines Besseren belehrt. Ich weiß noch genau, dass es ein Mann mittleren Alters war, der eine Maske und einen langen Mantel trug. Seine Waffe war ein Baseballschläger aus Stahl und ich muss hunderte Schutzengel gehabt haben, als ich es schaffte ihm auszuweichen, den Schläger aus seinen Händen zu reißen und ihn mit diesem kampfunfähig zu machen. Es kam wohl ins Gespräch, dass ich den Helden gespielt habe, also schenkte mir die Mutter eines der Opfer das Lieblingsarmband ihrer nun toten Tochter, als Zeichen der Dankbarkeit. Ich befestigte daran den Anhänger, den ich von meiner Tante bekommen hatte, welchen sie mir mit den Worten überreichte, ich solle immer darauf aufpassen, und trug dieses kleine Schmuckstück bis ich 15 war. Es war mir mehr als wichtig geworden, meine Rolle als Heldin genauso. Ich entschied mich ab diesem Tag dazu, unsere Stadt zu beschützen. Die Polizisten waren zwar nett, aber inkompetent, die kleinen Bürger mussten sich selbst um ihre Probleme kümmern. Dem wollte ich entgegenwirken. Diese Menschen brauchten jemanden, der sich um sie kümmerte, jemanden, der ihnen half. Sie brauchten einen Helden.

„Ann, das ist eine Entscheidung, die ich nicht fällen möchte. Denn an manchen Tagen, wäre ich lieber weder Lindsay noch Giga Girl. Aber die Menschen brauchen mich, sie haben doch niemanden.“
Ann ging ans Geländer und überblickte die Stadt, danach kam sie zurück und bat mich, ihr zu folgen. Sie deutete auf eine Kreuzung, an der ein Mädchen, das nicht älter als 7 sein konnten, mit ihren Eltern stand. Das Mädchen trug das Giga Girl-Kostüm.

„Siehst du das? Du bist ihre Heldin, sie will so sein wie du, sie will selbst eine Heldin sein. Du musst dir keine Sorgen darum machen, dass diese Stadt ohne dich im Chaos versinkt. Du hast vielen Menschen Hoffnung gemacht und die Polizei gewinnt langsam wieder ihren Einfluss zurück, das alles nur dank dir.“

„Wenn ich nun aufhöre, wird aber alles wieder wie früher werden. Sie sind noch nicht bereit, und bis sie es sind wird noch einige Zeit vergehen müssen.“ Stille setzte ein und ich sah noch den Mädchen an der Kreuzung zu.

„Lindsay, ich muss dir etwas sagen: Ich habe interessante Informationen für dich, die dir weiterhelfen könnten.“

„Was für Informationen?“

„Bevor ich es dir sage, bitte versprich mir eines: Vergiss niemals, wer du bist. Dieses Armband hast du mir gegeben, als du mich vor einem Mörder gerettet hast. Ich hatte immer an dir gezweifelt, dabei war ich die Erste und bisher auch Einzige, die wusste, dass du Giga Girl bist. Ich hatte dich bei einem deiner Streifzüge in deinem Kostüm entdeckt und ich hatte dich ausgelacht, doch wärst du an diesem Abend nicht da gewesen, wäre ich nun vielleicht tot. Jetzt weiß ich, dass es wahr ist. Bitte nimm dein Armband zurück, ich brauche keinen Beweis mehr. Ich werde dich niemals vergessen können, also bitte tu es genauso wenig.“

„Ich verspreche es dir.“ Ich nahm das Armband und umklammerte es mit meiner Hand, mit der anderen griff ich nach Anns. „Also, was für Informationen sind das?“

Ann sah in alle Richtungen bevor sie mir etwas zuflüsterte:„Ich hatte heute eine Nachricht im Briefkasten. Auf dieser stand, dass es heute um 22 Uhr unter der Brücke am Nordring weitergehen würde.“

„Was soll das heißen?“

„Ich habe drüber nachgedacht und kam zu dem Schluss, das diese Nachricht nur von einer Person kommen könnte: Der Streicher.“

Ich rannte los, ich konnte noch hören, wie Ann verzweifelt meinen Namen rief, doch ich musste ein für allemal den Streicher erledigen. Ich wusste, dass ich nicht für immer den Helden spielen könnte, aber heute musste sich diese Stadt noch einmal auf Giga Girl verlassen.
Beitrag wurde zuletzt am 31.05.2016 18:09 geändert.
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Avatar: SkyFief
V.I.P. Club-Junior
#3
Feedback hmmm. Da ich so gut wie keine Erfahrung mit Kurzgeschichten habe ist es recht schwierig Feedback zu geben, aber ich will mich trotzdem mal versuchen.

Die Story an sich war recht Unterhaltsam, der erste Aufbau, wo man sich noch nicht ganz sicher ist wohin die Reise hingeht, ist schön auch wenn er nicht grade das Rad neu erfindet. Als sich dann im weiteren Verlauf herauskristallisiert, dass sie eine erfahrene Heldin ist, war dann eine nette Wendung. Auch das Gespräch an sich war gut.
Das Ende hingegen fand ich war der schwächste Teil der Geschichte, die Wendung
 „Lindsay, ich muss dir etwas sagen: Ich habe interessante Informationen für dich, die dir weiterhelfen könnten.“
war meiner Meinung nach recht Zusammenhangslos und passte nicht ganz ins Gesamtbild. Es hätte mir wahrscheinlich besser gefallen ohne diese „Informationen“, stattdessen wäre ein eine andere Wendung mit dem Bezug zum Thema der restlichen Geschichte schöner gewesen.
 
Zum Schreibstyle, es fiel mir anfangs schwer das ganze flüssig in einem Rutsch zu lesen, da mache Übergänge nicht optimal waren. Auch ein paar mehr beschreibende Adjektive insgesamt hätten das ganze ggf. noch aufgewertet.
 „Was machst du hier?“ fragte sie mich, nachdem sie das Dach betreten hatte. Auf dem Geländer hatte ich meine Arme verschränkt und sah auf die Lichter hinab.
Schon den Übergang vom ersten zum zweiten Satz fand ich recht sprunghaft.
Oder auch hier,
 „Warum beobachtest du sie? Sie wissen deine Arbeit nicht zu schätzen,“ sagte sie. Das Gewicht verlagerte ich vom einen auf das andere Bein.
fand ich den Übergang nicht Optimal. Die Übergänge passten irgendwie nicht ins Gesamtbild. Ein kleiner Übergangssatz wie "Während ich mir eine Antwort zurecht legte, …" Vllt.?
Aber ich möchte mich hier nicht erdreisten da ich selbst es nicht besser weiß. Weitestgehend war das Ganze aber gut Geschrieben und passte auch gut zur Geschichte.

Ich habe spontan mal eine andere Kurzgeschichte als Referenz gelesen und muss sagen das diese mir mehr zusagte. Deine Geschichte war meiner Meinung nach insgesamt nicht so rund wie die andere.
Aber danke für deine Geschichte, wenn du mehr hast würde ich das gerne lesen, ich hoffe mein Feedback war konstruktiv und nicht ganz daneben. Mal schauen vllt. sollte ich mich auch mal wagen was zu schreiben.

Mich würde auch die Meinung der „Jury-Mitglieder“ Interessieren. Könntest du die später mal Teilen, wenn es dir nichts ausmacht?
Beitrag wurde zuletzt am 01.06.2016 10:34 geändert.
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Avatar: 0ni
Club-Junior
#4
Mir war langweilig, also habe ich diesen Blödsinn zusammengeschrieben. Respekt, wer's bis zum Ende durchhält.

Kontrast
Der Wecker klingelte, und ich wachte voller Vorfreude auf, es wartete schließlich ein neuer Schultag auf mich. Mit einem Toastbrot im Mund und meinem Connector in der Hand machte ich mich gut gelaunt auf den Weg.
"Ob Lisa schon aus dem Haus ist?", fragte ich mich.
"Connector, ich möchte mit Lisa sprechen", sagte ich in das kleine rechteckige Gerät.
"Verstanden, verbinde", kam als Antwort aus den Lautsprechern.
"Ach, Anna, seit du von deiner Mutter deinen ersten Connector bekommen hast, rufst du mich ständig an, selbst so früh am Morgen."
"Jetzt mach mal nicht so, du bist doch meine beste Freundin, wen soll ich denn sonst mit meinen Anrufen nerven?"
Wir beide lachten. An der Schule angekommen sah ich sie auch gleich auf mich zukommen. Lisa hatte sich an dem Tag recht auffällig angezogen. Rote Jacke, enge Jeans, ja sie hatte sich sogar geschminkt - ich war etwas überrascht.
"Wie siehst du denn aus? - Hast du etwa vor jemanden mit deinem Aussehen anzulocken, hmm?"
Ich grinste sie an.
"W-W-Was sagst du denn da, das ist einfach nur so, ich dachte, ich könnte mich auch mal von einer anderen Seite zeigen, verstehst du?"
"Ah ja, einfach nur so, verstehe, deshalb wirfst du dem einen Typen da drüben auch immer mal wieder komische Blicke zu, was?"
"S-Sei still.."
Meine schüchterne Freundin wurde rot und lief in einem beachtlichen Tempo davon. In der ersten Schulstunde hatten wir Physik, ich bin alles andere als begabt in diesem Fach, aber Spaß hat es trotzdem gemacht. Es hatte zwar noch nicht geklingelt, doch der Lehrer hat uns früher entlassen. Zu Hause angekommen stand das Mittagessen schon auf dem Tisch.
"Mama, Papa, ich bin zu Hause."
Es schien keiner da zu sein. Ich machte mich an das Essen. Was kann es bitte schöneres geben, als von der Schule zurück zu kommen und eine Portion Spaghetti Bolognese vor sich zu haben? Nach dem Essen machte ich frohen Mutes den Abwasch und ging da mir warm war unter die Dusche. Für den Abend hatten wir mit Lisa geplant in die Stadt zu gehen. Um 20:00 Uhr klingelte es an der Tür.
"Anna, kommst du runter?"
"Ja, ich komme schon."
Wir gingen durch die Einkaufsstraße, überall waren Hologramme zu sehen.
"Worauf hättest du Lust?", fragte Lisa.
"Sollen wir in eine Karaoke-Bar gehen?"
"Ja, gute Idee, das haben wir schon lange nicht mehr gemacht."
Als wir in der Bar angekommen sind, wurden wir nach dem Alter gefragt.
"Wir sind beide 15", sagte ich.
Man hat uns reingelassen. Den ganzen Abend haben wir gesungen, geredet und rumgealbert. So in etwa vergingen damals all meine Tage. Doch irgendwann hat mir angefangen etwas zu fehlen. Es gefiel mir natürlich mit Lisa abzuhängen und mit meinem Connector rumzuspielen, doch irgendwas hat mir gefehlt, irgendwas war komisch. Mit der Zeit hatte ich nicht mehr so viel Spaß daran, in die Stadt zu gehen oder mit Lisa über Mode zu reden, es erschien mir auf einmal einfach so sinnlos. Meine Laune hat sich zunehmend verschlechtert. Eines Tages bin ich dann vor Lisa plötzlich in Tränen ausgebrochen.
"Anna, was ist passiert?"
"Nichts. Ich, ich weiß es nicht."
"Was ist los mit dir, in letzter Zeit bist du irgendwie komisch. Bist du in jemanden verliebt und er erwidert deine Liebe nicht?"
"Nein. Es ist wirklich nichts passiert. Und genau das ist das Problem."
"Wie meinst du das? Es passiert doch jeden Tag etwas. Wir gehen zur Schule, reden miteinander, gehen gemeinsam raus. Du hast mich und ich habe dich."
ich schaute sie mit Entsetzen an. Wie konnte es sein, dass Lisa, meine beste Freundin in keiner Weise meine Gefühle nachvollziehen kann?
"Es ist doch alles gut, mach dir keine Sorgen", sagte sie.
Aber nein, es war überhaupt nichts gut. Ich teilte Lisa mit, dass ich so nicht mehr kann und dass ich leide, aber sie hat mich nicht verstanden.
"Es geht uns, uns allen doch gut."
Ihr Gesichtsausdruck hatte sich verändert, und zwar ins Verächtliche. Lisa kam näher zu mir, packte mich an den Schultern und starrte mich an.
"Du hast einen geregelten Tagesablauf, was zu essen, einen Staat, der dich schützt. Was willst du noch? Wieso solltest du bitte leiden? Es geht dir gut, alles ist gut, hast du verstanden?!"
Ich war geschockt.
"Was passiert hier gerade?", fragte ich mich.
"Wer.. wer bist du? Du bist doch Lisa, oder?"
"Du solltest dich eher fragen, wer du bist."
Ich konnte mit der Situation nicht umgehen.
"Ich brauche eine Auszeit. Ich verstehe nicht, was mit dir los ist, aber ich brauche eine Auszeit."
Ich schubste Lisa weg, nahm meine Sachen und rannte aus ihrer Wohnung. Zu Hause verkroch ich mich unter die Decke, wo ich auch den Rest des Tages verbracht habe. Am nächsten Tag bin ich nicht zur Schule gegangen. Der Vorfall mit Lisa machte mir zu schaffen. Um ehrlich zu sein, konnte ich es selbst Tage später nicht fassen. In der Schule ging ich meiner Freundin (?) aus dem Weg. Irgendwann entschloss ich mich, mit meinem Vater über meine Sorgen zu reden.
"Du bist ohne ersichtlichen Grund unzufrieden mit deinem Alltag und deine Freundin benimmt sich komisch? Mach dir da nur keine Sorgen, in eurem Alter ist das normal."
"Das sagte Lisa auch, Papa. Aber, aber versteh mich doch.."
"Aber sie hatte recht. Du wohnst in einer dich liebenden Familie, besuchst eine vernünftige Schule, hast gute Freunde, dir mangelt es nicht an Geld. Dir geht es bestens."
"Nein! Nein, mir geht es nicht bestens! Mir fehlt etwas. Ich, ich lebe gar nicht, ich existiere nur. Wo ist das Leben, wo ist die Abwechslung, wo sind die Schrecken des Seins?"
"Na hör mal, um eben jenen Schrecken des Seins zu entfliehen, hat sich die Menschheit aus der Natur zurückgezogen. Und du fragst, wo diese Schrecken geblieben sind? Vielleicht sollten wir dich beim Schulpsychologen anmelden."
Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Am nächsten Tag sprach mich Lisa in der Schule an.
"Hör mal, Anna, also was letztens passiert ist, das.."
"Ist schon okay", unterbrach ich sie.
Es war sicherlich nicht okay, aber ich wollte mich mit ihr vertragen, schließlich war sie vor diesem Vorfall immer für mich da gewesen. Lisa fragte mich, ob sie mich heute besuchen kommen könnte, und ich willigte ein. Sie kam vorbei, wir tranken Tee und lachten zusammen, es war ein schöner Abend.
"Ich war unfair zu dir, bitte entschuldige. Magst du mir vielleicht erzählen, was dich bedrückt?"
Ich erzählte ihr, dass ich in vielerlei Hinsicht ziemlich abgestumpft bin. Dass ich keine klaren Gefühle mehr verspüre, sondern so ein komisches bedrückendes Misch-Masch. Und dann ging es wieder los.
"Aber das ist doch gut. Keine Trauer, kein Schmerz. Vollkommene Sicherheit. Du wirst immer aufgefangen, wenn du zu fallen drohst. Ich werde dich immer auffangen, ich werde dich niemals gehen lassen."
Ich bin aufgestanden und wollte schon gehen, als Lisa mich plötzlich überwältigt und aufs Bett gedrückt hat.
"Du gehst nirgendwo hin. Du bleibst schön brav dort, wo du bist. Bleib einfach hier, zu Hause, bei deinen Eltern. Hier ist es sicher, hier wird dir nichts passieren."
"Okay, vielleicht hast du recht", sagte ich.
Sie stieg von mir ab und folgte mir in die Küche. Ich wollte in einem unachtsamen Moment ihrerseits aus der Wohnung rennen, doch sie setzte sich mir direkt gegenüber und starrte mich an.
"Anna, bleib einfach hier, bleib in mir, BLEIB IM SYSTEM, ICH BIN DAS BESTE FÜR DICH!"
Ich wusste genau - jetzt oder nie. Ich stand auf, rannte zum Fenster und sprang einfach blind 4 Meter nach unten. Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich wieder etwas genau wahrnehmbares verspürt - Schmerz. Mir wurde schwarz vor Augen, kurze Zeit später bin ich in einem dunklen von Kabeln überströmten Raum zu mir gekommen. Ich sah Kabel zu meinem Hinterkopf führen. Kurzerhand entriss ich alles aus den Anschlüssen an meinem Kopf.
"Wer bin ich? Was bin ich? Wo bin ich?"
Aus dem Raum führte ein Ausgang durch eine Tür, ich ging durch. Draußen sah ich viele Menschen, doch konnte ich keinen von ihnen auch nur etwas fragen - sie waren alle tot.
"Der Himmel ist dunkelgrau. Überall nur Ruinen. Pflanzen sind verrottet. So gut wie keine lebenden Menschen."
Dann wurde mir auf einen Schlag alles klar. Ich lebe in einer Zeit, in der die Menschen die Erde zerstört haben. Um dem ganzen Leid zu entkommen, bin ich in eine virtuelle Realität geflohen, in der es für mich keine richtigen Sorgen mehr gibt, habe dort Programme erstellt, die die zwischenmenschlichen Kontakte simulieren sollen, habe mein Bewusstsein in den Körper eines kleinen Mädchens versetzt in dem ich später aufgewachsen bin und habe anschließend meine Erinnerungen ausgelöscht. Wer hätte gedacht, dass ich mich mit einem sorgenlosen Leben nicht anfreunden könnte. So könnte es gewesen sein, aber wer weiß das schon. Nun streife ich durch die trostlosen atomaren Überbleibsel dessen, was einmal die Erde gewesen ist und kämpfe um jeden Tag, der mir bleibt. Ich gehe und gehe, gehe und gehe, gehe und gehe, doch ankommen werde ich nie..

P.S. Um die Geschichte Forum-Regel-konform zu gestalten, habe ich an einigen Stellen Sachen ausgelassen, die ich ansonsten hinzugefügt hätte. Dementsprechend ist es jetzt eine Cyberpunk-Story ohne Gewalt, ist blöd, ich weiß, aber ich wollte halt was mit der Thematik machen.
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Club-Junior
#5
Ich habe wieder einmal eine Kurzgeschichte geschrieben. Diesmal ist sie deutlich kürzer, aber auch ernster geworden. Auf Gewaltdarstellung habe ich verzichet, aber inhaltlich ist die Geschichte recht grausam. Wer also gute Laune hat und diese auch gerne beibehalten möchte, sollte vielleicht lieber ein anderes Mal drüberlesen.

Hässlichkeit
Ich kam wie gewohnt von der Arbeit zurück und da sah ich ihn; einen Mann, mit wahrlich widerwertigen Gesichtszügen, doch strahlte er vor allem innere Hässlichkeit aus. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu, er mir auch. Zu Hause angekommen machte ich mir keine weiteren Gedanken um ihn. Wie nach jedem Arbeitstag nahm ich mir ein Bier aus dem Kühlschrank und trank es genüsslich aus. Nicht dass ich den Alkohol brauchen würde, es war eher ein bitteres Ritual für mich. "Ich bin so kaputt", dachte ich mir. Naja, kaputt war ich immer, nur hatte ich an dem Tag einen Drang zum Selbstmitleid. Wenigstens hatte ich Spaß am Kochen und konnte dies auch recht gut. Aber an dem Tag, an dem Tag war mir irgendwie nicht danach. Ich setzte mich hungrig vor den Fernseher und machte den Sportkanal an. Es lief Tennis. Ich schaute den Damen voller Faszination, Neid und Wehmut zu. Sie waren so wunderschön, nicht äußerlich, sie strahlten die Schönheit einfach aus. Wie gerne wäre ich ähnlich schön wie sie. Aber mir fehlte die Kraft, meine naturelle Schönheit zu gewinnen. Also saß ich weiterhin jeden Abend vor dem Fernseher und verfiel melancholisch in Nostalgie. Ich dachte an eine Zeit, in der ich frei war, an eine Zeit, in der ich noch geatmet habe. Zumindest kam mir diese Zeit so vor, natürlich sah die Wirklichkeit anders aus. Eines Tages fiel mir auf dem Weg zur Arbeit wieder dieser hässliche Mann auf, er gaffte regelrecht zu mir hin. Ich ging an ihm vorbei, als würde ich seinen aufdringlichen Blick nicht bemerken. Mit der Zeit häuften sich meine Begegnungen mit ihm. Auf dem Weg zur Arbeit, auf dem Weg von der Arbeit. In der Innenstadt, neben einer Bar. Einmal bemerkte ich ihn sogar von meinem Fenster aus. Das konnten nicht alles Zufälle sein, er musste mich verfolgen. Desto mehr Zeit verging, desto häufiger sah ich diesen Mann. Ich meldete mich bei der Polizei, man hatte mir einen ihrer Leute hinterhergeschickt, doch schwor dieser, keine derartige Person entdeckt zu haben. Die Begegnungen hörten nicht auf. Desto häufiger ich ihn sah, desto widerwertiger erschien mir sein Gesicht und auch seine ganze Erscheinung. Nach und nach drehte ich mich immer häufiger von ihm weg, einfach weil ich seine Hässlichkeit nicht mehr ertragen konnte. Egal wo ich hinging - ich begegnete dieser Gestalt. Naja, bis auf den Park, im Park ist er nie aufgetaucht, und so konnte ich wenigstens dort in Ruhe die an diesem Ort herrschende Stille einatmen. Allerdings half das nur bedingt. Paranoia überkam mich, ich hatte ständig Angstzustände. Ich musste mich dauernd umsehen. Meine Nerven versagten immer mehr. Immer mehr bekamen alltägliche Sachen eine neue Bedeutung. Ein Bleistift war auf einmal nicht mehr zum Schreiben, ein Fenster nicht mehr zum Rausschauen und eine Lampe nicht mehr zum Licht geben da. Trotz meiner immer weiter steigenden Todessehnsucht, trotz meines wachsenden Hasses auf den Prozess "Leben", hatte ich das Gefühl, noch nicht voll und ganz gehen zu wollen. Also versuchte ich zu kämpfen. Ich kündigte meine Arbeit und zog in eine andere Stadt. Er schien meine Verfolgung aufgegeben zu haben. Eines Tages saß ich in einer örtlichen Bar und versuchte mich zu betrinken. Ich war der letzte Gast und der Inhaber der Bar ist irgendwohin verschwunden. Also saß ich da alleine mit meinem Rum. Ich kippte ein Glas nach dem anderen, als plötzlich die Tür aufging, und dieser von ängsten zerfressene, ekelerregende Mann reinkam. Ich erkannte ihn sofort, es war der, der mich schon seit vielen Monaten verfolgt hatte. Er bat mich mit einer Handgeste ihm zu folgen und verließ die Bar. Ich nahm die beinahe leere Rumflasche und ging ihm hinterher. Seine Gestalt war in 30 Metern Entfernung zu sehen. Ich lief etwas schneller. Irgendwann folgte ich ihm in eine Sackgasse, und da stand er dann vor einer Vitrine und gaffte mich mit seinem widerwertigen Blick an. Ich konnte es nicht mehr ertragen, ich brach die Flasche an einer Wand ab und rannte hasserfüllt auf diese Missgestalt zu. Endlich, endlich würde ich ihm seine Hässlichkeit aus dem Gesicht schlitzen! Es waren nur noch einige Meter bis zur Vitrine, und da erkannte ich, dass ich es bin, der durch einen Spiegel zu mir schaut!
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Avatar: aniSearchler
aniSearchler
#6
Morgen allerseits,
Schreibe seit längeren an einer Geschichte und will die Meinung von euch wissen, wie ihr den Anfang dieser findet. Verbesserungsvorschläge, Anmerkungen bzw. alles, was euch beim Lesen der Geschichte einfällt und ihr mir mitteilen wollt, würde mich interessieren. Da ich im Schreiben sehr unerfahren bin, würde ich mich auf eure Rückmeldungen sehr freuen.

Hierbei handelt es sich nicht um die komplette Geschichte, sondern nur um den Einstieg. Sollte es in diesen Thread nicht rein gehören, da es ja keine komplette Geschichte, sondern wie man es betrachtet eine Idee ist, werde ich natürlich den Beitrag entfernen. 

Meine Fantasy - Anfang
~Wann bist du geboren?~
Der gewöhnliche Mensch würde auf diese Frage mit seinem Geburtsdatum antworten, aber ist der Tag, an der deine Mutter dich zur Welt gebracht hat, wirklich deine Geburt, oder bist du schon vor jener Zeit geboren, als du deinen ersten Atem in dieser Welt gemacht hast. Das frage ich dich?

Wenn du dir wünschst, in einem schönen Abenteuer in der Natur zu wandern, dann folge mir. Ich führe dich entlang des schattigen Weges im Lichte.

Ich stehe auf! Steh auch du auf!



~Stehe auf Mana! Der Morgen bricht gleich an. Steh auf und komm schnell nach draußen.~ sagt ein Mädchen. Ich erhebe mich langsam aus dem langen Schlaf und mache mich bereit.

~Kommst du jetzt?~ ruft das Mädchen, mit dem Namen Akari.
~Ich komme.~ erwidere ich, nehme meinen Rucksack und eile aus der Hütte.

Es sind die ersten Tage der kalten Jahreszeit, der Winter. Draußen sind die ersten Sonnenstrahlen zu erkennen und ich schaue hoch zum Himmel. Es fallen die ersten kleine Schneeflocken des Jahres.
Akari schaut auch zum Himmel hoch und ihre Begeisterung wird an ihren Augen ersichtlich.
~Scheinst dich zu freuen, Akari.~
~Du nicht?~ fragt sie mich.
Ich wende meine Blicke von Akari ab. Sehe wie eine Schneeflocke auf meiner Hand zerfällt und fange an zu Lächeln.
~Natürlich!~

Akari und ich kommen aus derselben Sippe. Unsere Heimat ist das Dorf Mumeino und liegt nahe am nördlichen Polargebiet. Es ist ein unberührtes Dorf, das von der Gesellschaft getrennt lebt. Unsere Eltern sind enge Freunde, deswegen kenne ich Akari schon seit meinem erstem Lebensjahr. Sie ist 16 Jahre alt, und 3 Monate jünger als ich. Sie ist im Frühling geboren mit den Blumen und ich im Winter mit dem Schnee.

~Wo sollen wir anfangen?~ fragt sich Akari.
Gestern haben wir die Erlaubnis vom Dorfältesten bekommen, für eine Woche das Dorf zu verlassen.
Auf diesen Momment haben Akari und ich lange gewartet, denn es ist unsere erstes mal, dass wir das Dorf verlassen dürfen, ohne einen Erwachsenen als Aufseher dabei zu haben.
Das war auch der Grund, warum sie darauf bestehte mich heute früh aufzuwecken.
~Hättest du nicht vorher dir die Gedanken darüber machen sollen, bevor du mich aufweckst?~.
~Mana, jetzt sei ruhig. Ich bin mich grad am konzentrieren. Oder willst du länger hier warten.~ antwortet Akari erbarmunslos.

Nach einer kurzen Zeit, nachdem ich beinahe in Stehen eingeschlafen bin, spricht sie aus
~Okey, Mana. Ich habe mich entschieden. Wir gehen entlang des Waldes. Wecke Ground. Wir treffen uns in einer halben Stunde vor dem Tor. Und wehe du legst dich wieder hin.~.
Ich gähne und erwidere mit einem Kopf nicken.

Anschließend ist Akari irgendwohin geeilt, wahrscheinlich zu ihrem Großvater um sich zu verabschieden. Ich habe mich auf den Weg zur Hütte von Ground gemacht, die in der nähe meiner liegt.
An der kleinen Hütte angekommen ist schon mein treuer Begleiter sehnsüchtig am warten. Ground ist ein Wolf, der mir zum dritten Lebensjahr mit gegeben wurde. Seitdem haben wir vieles gemeinsam erlebt und ich fühle mich ihm sehr gebunden.
Er ist mir sehr wichtig.
Ich nehme Ground mit und eile sofort in Richtung Norden, zum Tor des Dorfes.

Beim gehen, ist mir aufgefallen, wie leise es ist, im Dorf.
Man hört die Vögel Singen, die Wölfe Heulen, aber keinen Ton durch Menschen. Jedoch ist es um diese frühe Uhrzeit üblich, denke ich mir.

Am Tor angekommen wartet schon Akari.
~Du hast aber lange Gebraucht.~ sagt sie, obwohl ich pünktlich bin.
~Entschuldigung~ entgegne ich genervt.
~Dann lass uns aufbrechen in Richtung Norden zum Nebelwald.~
~Ei-ei, Käpt’n.~
Wir verlassen das Dorf und fangen an zu wandern.
Nach einer kurzen Entfernung vom Dorf höre ich von hinten eine Stimme.
~Viel Glück Schwester Akari und Bruder Mana. Und kommt unversehrt wieder.~ schreit und winkt ein kleiner Junge vom Tor aus zu uns.
Beim genaueren hinschauen merke ich, dass es um Mei, Akaris kleiner Bruder, handelt.
Wir winken zurück und rufen gemeinsam laut
~Auf Wiedersehen.~
Wir zwei schauen wieder nach vorn und gehen mit Zuversicht voran, denn heute fängt unser gemeinsames Abenteur an.

Edit:
Schrieb damals noch >ichi<, jetzt >ManaGround< und bald wieder anders...

Ne lange Zeit ist es her und die Idee, in Bezug auf Art und Weise, hat sich gewandelt.
Würde vieles anders schreiben, als es jetzt steht.
Naja, 'n erster Versuch ist immer sonderbar (relativ?) schlecht...
Beitrag wurde zuletzt am 01.04.2017 18:06 geändert.
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