Es gibt keinen Gott in dieser schlechten Welt. Dies ist der Beweis. Gäbe es einen, hätte der Himmel uns schon längst eine 2. Staffel zu dieser wundervollen Serie beschert. So bleibt nur trübes Bedauern und die Option, den Manga zu kaufen.
Die ersten etwa 6 Folgen gehören mit zum Besten, was ich je von diesem Genre gesehen habe. Die dramatisch zwingende Farb- und Lichtgestaltung, die düster-suggestive Musik, die Inszenierung der
heroischen Landschaft, die starken, glaubhaften Charaktere, saubere und flüssige Animationen, und mitreißende Action mit dramatischen Kamerafahrten. In Verbindung mit einem Erzählstil, der nicht alles auf einmal zeigt, sondern einige Lücken im dramatischen Ablauf lässt (was man anfangs nicht immer bemerkt) und diese eine oder eine halbe Episode später angeht und ausfüllt.
Immer wieder liest man in Reviews zu solchen Animes Sätze wie "ich wurde gut unterhalten"; und das ist mir zu dürftig. Ich will bei solchen dramatischen Abenteuergeschichten nicht "gut unterhalten" sein. Solch ein Anime muss mich packen, mitreißen, zertrümmern, muss
einen Pfeil tief ins Herz jagen, daß ich die Nacht danach nicht ruhig schlafen kann und am nächsten Morgen verstört und geistesabwesend durch die Gegend laufe wie Falschgeld. Und dabei Bilder
wie diese nicht mehr aus dem Kopf bekomme. Das ist dann Glück.
Solch ein Anime ist »Akatsuki no Yona«. Bzw. hätte es sein können – er hätte das Potential dazu gehabt. Bald aber wird klar, daß man sich nunmehr entschlossen hat, so ungefähr ab Folge 8, die atmosphärisch dichte und fesselnde Dramatik dem Humor zu opfern, erst nur ein wenig, dann immer mehr, mit lustigen, dick umrandeten Chibis, mit Gags aller Art, die zugegebenermaßen nicht wirklich schlecht sind, die aber aufgrund des Timings die Stimmung und den Ablauf der dramatischen Ereignisse und – vor allem! – das empathische Nachhallen beim Zuschauer versauen. Also so ähnlich wie drei Jahre später in »
Mahou Tsukai no Yome« – was jener vielversprechenden Serie dann letztlich das Genick gebrochen hat. Man kann sagen: je mehr Chibi, desto mehr geht's den Bach runter.
Das gilt ganz ähnlich für den Umgang mit Magie und anderen übernatürlichen Erscheinungen. Je größer deren Anteil am Geschehen wird, desto stärker wird die
innere Glaubwürdigkeit beschädigt, weil die zuvor gesetzte dramaturgische Linie verlassen wird. Spätestens jedoch mit dem Auftauchen gewisser Maskottchen muss man enttäuscht zur Kenntnis nehmen, daß das, was man bis dahin aufgebaut hat, gegen die Wand gefahren wird. Ich kann's nicht sauber begründen, aber sowas stört die Balance des Ganzen, nimmt einschneidenden Situation die Wirkung und setzt auch der Glaubwürdigkeit der Personen zu. Nichts gegen den Humor in »Akatsuki« an sich! Aber entscheidend ist eben auch Timing und Dosierung.
Apropos Atmosphäre: Das instrumentale Opening spiegelt das Besondere des Animes perfekt wider. Ganz gegen meine Gewohnheit habe ich es kein einziges Mal geskippt. Es erzählt in weit ausladenden Bögen von der Welt, in die Yona geworfen wird, von ihrer Willenstärke und Unbeirrbarkeit, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Von einer kleinen, verwöhnten Prinzessin, die mehr über die Zustände im Königreich erfährt, als ihr vielleicht lieb sein konnte. Es beschwört – ich wiederhole mich – eine unglaublich dichte, verstörend verführerische Atmosphäre, die vielleicht (musikalisch!) dem gleicht, was man als Opening bei »
Mahou Shoujo Tai Arusu« zu hören bekommt.
Daher wird dieses Opening ab Episode 15 von einem 08/15-Song mit zeitgemäßen synthetischen Klängen abgelöst, die für mein Empfinden absolut Dudelfunk-kompatibel sind und den schleichenden Verfall der Serie sinnfällig unterstreichen. Dafür entschädigt dann das neue Ending, das ausdrucksvoll und eher lyrisch gehalten ist, mit Anklängen an ältere, traditionelle Musik.
Bei aller Liebe zu dieser Serie: Obwohl alles so überwältigend schön inszeniert ist, sollte man es auch hier mit der Physik nicht allzu genau nehmen. Und stattdessen Verständnis dafür aufbringen, daß ein vor Anker liegendes Schiff sich nicht mit der Dünung bewegt, sondern wie festbetoniert im Wasser steht. Was ein wenig eher nervt, sind so Momente, wo man 10 Meilen gegen den Wind riecht, daß hier keine reale Situation, sondern ein plot device installiert wird. Stichwort Heilkraut in der Felsenhöhle. Pi mal Daumen so 50 Meter über dem Meer gelegen – und auf einmal spritzt da eine Welle hoch? Das sind eben so die typischen Übertreibungen, ohne die ein Actiondrama wohl nicht auskommen kann.
Längeres Fazit:
Was mich bei diesem Anime neben dem Atmosphärischen und dem Narrativen am meisten gefallen hat, waren die Charaktere. Gerade die Protagonisten sind alles andere als eindimensional oder stur stereotyp. Das betrifft vor allem Yona, die eben
keine Verwandlung vom sorglosen Prinzesschen zum rachegetriebenen Monster durchmacht. Ihre Willenskraft und ihre Entschlossenheit fallen nicht vom Himmel; das merkt man in den Momenten der Stille und Ruhe, in denen sie sich ihren Gedanken hingibt und ihre Situation reflektiert. Deshalb sind solche "langweiligen" Momente so wichtig. Das merkt man auch in den Momenten, wo die innere Anspannung wieder von ihr abfällt. Sie hat keine andere Wahl, als sich auf ihre Begleiter zu verlassen, aber sie ist auch keine
Amsel in Distress.
Auch daher ist es schade, daß etliche der Nebencharaktere zu clownesk geraten sind und den Trottel vom Dienst spielen müssen. Vor allem der Priester
Ik-Soo, aber auch die Drachenblütigen müssen sich zu oft mit dieser Rolle abquälen, speziell der spät eingeführte
Zeno.
Ob
Soo-won, der einstige Kindheitsfreund von Yona, wirklich der pöse Antagonist ist, möchte ich angesichts mancher Stichwörter und Andeutungen, auf die die Serie später leider nicht mehr eingeht, doch ein wenig bezweifeln. Es gibt Punkte, die das Gegenteil nahelegen, wie das Kampfturnier in Episode 16, wo er spielerisch die Fähigkeiten seiner Gegner auslotet, oder sein Auftritt kurz vor Schluss, als es um Bekämpfung von Korruption und Gewalt geht. Szenen, die allesamt auch zeigen, daß er alles andere als dumm ist.
Die Action bei »Akatsuki no Yona« mag unspektakulär sein, aber sie ist blendend animiert und überhaupt gut in Szene gesetzt. Vor allem das subjektive Empfinden der Zeit, wenn nur wenige verstrichene Sekunden der Echtzeit sich dehnen auf gefühlte Ewigkeiten. Ganz besonders natürlich auf dem Höhepunkt der gesamten Serie, wenn Yona ihren Bogen spannt. Wer sich schon von »
Seirei no Moribito« verzaubern lassen konnte, hat gute Chancen, auch mit dieser Serie glücklich zu werden.
Beitrag wurde zuletzt am 13.01.2024 01:02 geändert.