Quelle Let justice be done, though the heavens fall.
Sicherlich kennt ihr das Gefühl wenn ihr einen Film, respektive eine Serie schaut, bzw. gerade abgeschlossen habt und ihr sofort eine Wertung zum Gesehenen im Kopf habt. Meistens bis in den kleinsten Faktor durchkalkuliert oder in das mühselig erarbeitete mehrstufige Wertungschema eingebettet. Und manchmal gibt es Fälle, die vollkommen gegen den Strich ziehen, sich jeglicher Rationalität verweigern und einfach so entstehen. Aus dem Bauch oder dem Herzen heraus. Und sich nicht in das Gerüst einpassen wollen, sondern schlicht
drum herum existieren. So erging es mir heute mit der ersten Staffel des Mecha-Anime
Aldnoah.Zero, dessen letzte sieben Episoden ich in der Nacht verschlungen habe. [...]
Quelle “Water and air there in such vast quantities that they can bend light. That’s amazing!”
–
Princess Asseylum Vers Allusia
Die SerieUnd was für ein Glück! Die Serie ist alles andere als makellos – während der ersten Folge konnte ich aufgrund lächerlicher Dialoge mein Lachen nicht zurückhalten(!) – aber egal. Manchmal sind einige wenige Punkte anderen völlig überlegen. Die Mängel verschwinden zwar nicht, treten aber in den Hintergrund. Nur wie das in diesem Anime passieren konnte, das weiß ich jetzt auch noch nicht.
Aber was ist an der ersten Staffel von
Aldnoah.Zero überhaupt zu bemängeln? Wenn man es genau nimmt… alles. Wirklich alles. Es sind 12 Folgen, die es nicht schaffen, ein konsistentes Storytelling aufrechtzuerhalten. Das Worldbuilding der Versianer wird allenfalls angeschnitten, während auf der Erde auch nur partiell Veränderungen auftreten. Aber gut, es herrscht Krieg, da lässt sich eine Erzählung durchaus auf Figurenmotivationen und deren Entwicklungen beschränken. Aber auch hier krankt die Serie massiv: Mit drei Protagonisten ausgestattet, schafft sie es zu keiner Zeit eine nachvollziehbare Motivik ohne störende Kehrtwenden durchzuhalten. Während der junge Knabe Inaho von Anfang an fast durchgehend seiner unterkühlten und teilnahmslosen Art frönt, sieht sich die Prinzessin bald hin- und hergerissen zwischen den Menschen auf der Erde, die den kriegerischen Handlungen weitestgehend unschuldig zum Opfer fallen und ihrem Volk, von dem man gar nichts sieht/hört oder überhaupt mitbekommt. Das „Volk“ könnte alles Mögliche sein, einzig ein paar kleine Randnotizen schleichen sich über die Dialoge ein und zeichnen ein tristes Bild der Kultur ab. Zugegeben, hier wird auf keinen Innovationspreis hingearbeitet, aber das sind noch die geradlinigsten Figuren. Anders als der dritte Protagonist Slaine Troynard, ein „richtiger“ Erdling unter den Versianern. Bei ihm wusste wohl keiner so recht, wohin seine Reise führen sollte. Eingeführt als Liebling der Prinzessin wird er schnell von ihr getrennt, muss sich zusehends selbst unter den kriegstreibenden versianischen Ritterclans aufs Überleben konzentrieren und pendelt ohne nachvollziehbare Gründe von der einen Seite auf die andere und wieder zurück.
Es wird problematisch, wenn man als einzige Handlung der Serie eine Invasion präsentiert bekommt, bei der so vieles auf der Strecke bleibt. Das inkonsistente Storytelling lässt (plot)holes offen, dreht und wendet sich und beschränkt sich auf eine schnöde Invasion ausgehend von einer Intrige innerhalb der höchsten Kreise. Höchst generisches Material, das von so vielen spannenden Möglichkeiten die denkbar schwächste wählt. So viel Potenzial wird angerissen, so viel bleibt auf der Strecke. Am Ende bleibt nicht mehr als ein Showcase der handwerklichen Kunst. Nichtsdestotrotz habe ich zu Beginn angesprochen, dass es zu irrationalen Ausfällen kommen kann, die nach Erklärungen verlangen.
Der Kritik zu trotz Also: Was macht diese Serienstaffel so gut, wenn doch im Prinzip alles schlecht ist? Vielleicht ist es die emotionale Komponente, die mich zum Ende hin förmlich erschlagen hat.
Während es zu Beginn völlig irrelevant und unwesentlich war, dass einer der Schulfreunde beim Angriff der Versianer ums Leben kommt – eine Situation die den Weg Inahos triggert – steigert sich die Empathie unaufhörlich. Womöglich war es gerade die gelangweilt wirkende und stets in sich gekehrte Art Inahos, die in mir wiederum einen Schalter umgelegt und die Empathie geweckt hat. Manchmal wirken solche kontrastierenden Eigenschaften verstärkend, hier könnte es tatsächlich der Fall gewesen sein, dass ich von einem recht unpopulären Protagonisten zum mitfiebern gezwungen wurde. Das gleiche gilt für Slaine, der mit seinem ständigen unbegründeten Meinungswechsel eigentlich sämtliche Sympathien verspielt haben müsste. Dennoch schafft auch er es irgendwie, dass dieser Fall trotz schwächelnder Charakterisierung seinerseits nicht eintritt. Er ist der leidende Charakter und allem voran wie Inaho und der Rest noch ein Kind, der als Mensch zwischen den Welten schwebt, der, der von seinem „Meister“ Graf Crutheo – ein furchtbarer Idealist und Sturkopf – gehasst wird und doch als Untergebener akzeptiert wird. Anders als bei Inaho dominiert hier der innere Konflikt, der nur von seiner Zuneigung zur Prinzessin überlagert werden kann. So schafft es Slaine, dass man sich trotz so mancher unmotivierter Kehrtwende seiner Ansichten doch auch ein Stück weit auf seine Seite schlägt, ehe die Handlung dann wieder alles auseinander reißt. Selten habe ich es jedoch erlebt, dass mir diese unausgegorenen Figuren so sehr ans Herz wachsen, sodass es zu inneren Stichen kam, wenn ihnen Leid zugefügt wurde. Es hat mich stellenweise doch hart betroffen gemacht, wie weit Menschen gehen können, um nur nicht ihren idealistischen Standpunkt zu verraten. Trotz der angesprochenen narrativen Inkonsistenz kam es immer wieder zu solchen Szenen, die schwer schlucken ließen.
Quelle “What will we say to them, when they all start dying because of our lies?”
–
Lt. Kouichirou Marito
[...]Quelle “You’re young, it’s unfair. But now you are warriors, and it’s your job to safeguard the peace and safety of Earth.”
–
Cpt. Darzana Magbaredge
Handwerkliches (Über-)Geschick?Denn wie man es dreht und wendet, die erste Staffel von
Aldnoah.Zero kommt von ihren Makeln nicht weg. Auch handwerklich lässt sich manches bestreiten, anderes wiederum loben. Denn es ist mitnichten alles schlecht.
Zum einen die Optik und der Sound. Die Einteilung in das Mecha-Genre macht die Erwähnung von CGI heutzutage überflüssig. Die gigantischen Kampfmaschinen sind zum Großteil 3D gerendert, nur in den Schlüsselszenen erscheinen sie wie gewohnt gezeichnet und animiert. Macht aber nichts, denn was die Studiokollaboration zwischen A-1 Pictures und TROYCA an Mühen reingesteckt haben, wird durch flüssige Bewegungsabläufe und stellenweise wie gezeichnet anmutende 3D-Modelle direkt deutlich. Dadurch dass die Mechas eine leicht schraffierte Oberflächenstruktur aufweisen, fügen sie sich gerade bei widrigen Witterungsverhältnissen ausgesprochen gut in das Gesamtbild ein. Die sonst so hartnäckig gehaltene Behauptung (die nebenbei auch gerne von mir angeführt wird) verliert dadurch deutlich an Brisanz und verleiht dem genutzten 3D etwas versöhnliches. Auch die restlichen Animationen machen etwas her. Tatsächlich hatte ich sogar das Gefühl, es mit zwei unterschiedlichen Arten der Animation zu tun bekommen zu haben. Oder zumindest zwei unterschiedlicher Handschriften. Während die Menschen auf der Erde und zum Teil auch die Clanritter Vers‘ in gewöhnlichem Stil auftraten, so stachen zumindest zwischenzeitlich Slaine und die Prinzessin vom Zeichengrad heraus. Slaine, der mit einer starken, fast schon Bleistiftartigen Kontur versehen scheint, fehlen diese in Szenen auf Vers bei der Prinzessin. Klingt kleinlich, ist es auch, aber hier wird eine schöne Animationsgrenze in der Darstellung eines Volkes gezogen, die zumindest bei den beiden ins Auge sticht und ihnen anders als den Clanrittern etwas besonderes verleiht.
Ansonsten sind die Animationen weitestgehend dynamisch gehalten, sofern sich die Protagonisten nicht in ihren bewegungsunfreundlichen Mechas/Kathaphragten befinden. Die dargestellten Wellen der Zerstörung sind ansehnlich und mitunter spendieren die Animationsstudios schöne Lichtdynamiken, die auch abseits des alles verschlingenden Feuers Verwendung findet.
Doch kommen wir nun zu etwas, das des einen Freud, des andren Leid ist: Der Soundtrack.
Wer sich mit den Werken Hiroyuki Sawanos (
Guilty Crown, Kill la Kill, Attack on Titan) näher beschäftigt, der wird wissen, auf was er sich einzustellen hat: Rockige Klänge, oft versehen mit Synthesizern und ausgeprägten Klavierpartituren dominieren das Klangbild, gespickt mit energetischen Songs, die auch weit über die Diegese hinaus einen pushenden Effekt vermitteln. Wer z.B. bei Aimee Blackschlegers
No differences nicht sofort mit dem Fuß mitwippen muss, während sich die Mecha die Köpfe einschlagen, der hört auch Kuschelrock zum joggen…
Aldnoah.Zero verlangt aufgrund seiner Prämisse des jugendlichen Kampfwillens nach einem fetzigen Soundtrack mit Weltraumkulisse. All das, was Sawano mit seinen Skills locker auf die Bühne bringt. Mal etwas langsamer, meist jedoch unaufhaltsam schnell und elanvoll preschen seine Klangstrukturen auf die Gehörgänge des Zuschauers. Neben einem eindrucksvollen Opening und drei (später nur zwei abwechselnden) grundverschiedenen, in den Feinheiten aber klar Komponist Sawano zuzuordnenden Endings, die einerseits für die ruhigen, emotional schwangeren Momente stehen
(A/Z) und andererseits mit
aLIEz ein synthetisches Konstrukt erklingen lassen, das die Thematik Mecha und inneren Konflikt kaum besser in Melodien und Töne fassen könnte. Von den deutschen, nicht immer stimmigen Einschüben in den Texten lassen wir besser mal die Finger, ein weiteres typisches Markenzeichen eines der aktuell gefragtesten Komponisten Japans. Der Soundtrack, der ungewohnt viele gesungene Passagen bietet, ist eingängig und pflegt größtenteils den erwähnten Effekt, sämtliche Beteiligten zur Aktion aufzufordern; ihnen Energie zu liefern, die sie antreibt.
Jedoch erwähnte ich eingangs, dass man sich bei Hiroyuki Sawano auch immer etwas streiten kann, was seine Kompositionen, oder zumindest den Einsatz seiner Musik in Verbindung mit der visuellen Ebene betrifft. Nicht selten kommt es vor, dass seine Werke in eine Episode eingebunden werden und es einfach nicht so recht passt. Größtenteils schon, dennoch gibt es immer wieder fragwürdige Einsätze seiner Werke, die am eigentlichen Thema vorbei gehen oder nicht gänzlich stimmig mit den dazu gezeigten Bildern umgehen. Das führt die erzeugte Stimmung ad absurdum und raubt dem ganzen das Höchstmaß an gebotener Atmosphäre. Ein weiterer Kritikpunkt den manch einer anbringen
könnte, ist der inflationäre Einsatz seiner Musik. Ich finde den Soundtrack grandios und hätte sogar noch häufiger die Mecha in Aktion zum antreibenden Track
Bre@th//Less, gesungen von
Mika Kobayashi hören können. Nur um ein Beispiel anzuführen… In
Aldnoah.Zero muss dann aber auch jemand wie ich zugeben, dass der Einsatz der Musik ausgesprochen groß ausfällt, was dazu führen
kann, dass der Soundtrack zur dominierenden Speerspitze im Aufbau der Atmosphäre wird und darüber hinaus auch die Funktion bedient, die Emotionen des Zuschauer vorzugeben. Erging mir persönlich jetzt nicht so, aber dennoch denke ich, sollte dies erwähnt werden. Für mich entsteht dadurch eine starke Symbiose, gerade wenn man sowieso etwas mehr für Soundtracks, als beispielsweise die sonstige Machart übrig hat.
Quelle “How can these people not hate you for what you’ve done to us!?”
–
Rayet Areash
FazitLong story short: Die erste Staffel von
Aldnoah.Zero leidet unter erheblichen Mängeln. Sei es innerhalb der Narration, Motivik oder sonstigen Aspekten. Dennoch hat mich dieser Anime zumindest von der zweiten Folge an abgeholt und mich in eine stereotype konfliktgeladene Welt gezogen, aus der ich gar nicht mehr heraus wollte. Aber was ist schon perfekt? (
Außer der Soundtrack natürlich…)Wer auf der Suche nach einem schlichten Mecha-Anime ist, der wert auf gekonnte Animationstechnik legt, der ist hier goldrichtig. Ob die Geschichte jeden überzeugt, darf aufgrund ihrer Einfachheit und dem nicht ganz erfüllenden Worldbuilding bezweifelt werden. Dennoch hat es mir
Aldnoah.Zero irgendwie angetan, und ich hoffe dem ganzen durch diese umfangreichere Review Rechnung tragen zu können. Denn manchmal entscheidet nicht der Kopf, sondern das Herz.
Aufgrund des massiven Umfangs könnt ihr die vollständige Review auf Infernal Cinematic Affairs nachlesen.