AsaneRedakteur
#1»Man beißt nicht die Hand, die einen füttert!«
Dieses Sprichwort kann als die Quintessenz dieser Erzählung aufgefasst werden, die sich hier über etwas mehr als eine Viertelstunde ausbreitet. Die Qualität mag zwar nicht heutigen Ansprüchen genügen, aber der kleine Film ist ungewöhnlich originell und durchaus anspruchsvoll umgesetzt. Vor allem für die Verhältnisse Mitte der 20er Jahre. Sauber gezeichnet, gut animiert, wenngleich auch die Bewegungsabläufe ein wenig hakelig sind, dafür aber in realistischem Tempo – vom finalen Krokodil mal abgesehen.
Die Welt, in der die Geschichte vom Fischerssohn und dem Topf spielt, ist eine außerordentlich märchenhafte, denn hier werden unterschiedlichste Tiere nicht nach wissenschaftlichen Kriterien versammelt, sondern nach ideelen, der Story dienlichen, und so kommt es, daß Fuchs und Löwe, Tiger und Krokodil, Ente und Känguru an ein und demselben Küstenstreifen hausen.
Der Film hat sich viel vorgenommen. Selbstbewusst eröffnet er den wilden Reigen mit ein paar establishing shots, bevor er eintaucht in die exotische Welt des Orients. Denn all das Accessoire, angefangen von den Pluderhosen mit den lebhaften Mustern bis zur Ornamentik der Gefäße, atmet den Geist von Tausendundeiner Nacht. Diese Merkmale greifen auch auf das Erzählerische über, da man sich nicht damit begnügt, nur den nackten Plot wiederzugeben, sondern man garniert die Geschichte mit vielen kleinen Details, die Auskunft geben über die Charaktere, ihr Verhalten und ihr Naturell. Das heißt: man gönnt sich die Zeit, gewisse Handlungsmomente und Twists wirken zu lassen, und man gönnt sogar dem Zuschauer die Zeit, die Zwischentitel zu lesen, indem man das Bild kurz anhält. Noch ein nettes Detail: direkte Rede hat man als Sprechblasen realisiert.
Der Held dieser märchenhaften Erzählung ist ein junger Fischer, der aufs Meer hinausfährt und sein Netz auswirft. Ein Sohn , wie man ihn sich als Vater nur wünschen kann: klug, freundlich und pflichtbewusst. Er ist alles andere als schreckhaft und schon gar nicht auf den Kopf gefallen, wie man an seiner Reaktion sieht, als er den aus dem Meer gefischten Topf öffnet und ein Geist daraus emporsteigt. Allerdings kein Dschinn wie zu Sindbads Zeiten, sondern ein ganz schlimmer Bursche, der gleich damit angibt, daß er jederzeit seinen Retter umbringen und fressen könnte. Davon lässt sich der Fischerssohn jedoch nicht beeindrucken. Mit einer bewährten List lockt er ihn zurück in den Topf und erzählt dem nun gefangenen Dämon (vermutlich ein Oni) eine lehrreiche Geschichte. Und hier beginnt ein neuer Abschnitt, eine Fabel im Märchen.
Nämlich die Fabel vom Fuchs und dem Löwen. Der Löwe, gutmütig wie er ist, lässt dem Fuchs immer etwas zum Fressen übrig, doch der Fuchs ist ja bekanntermaßen hinterlistig und verschlagen, daher versucht er den Löwen zu hintergehen, indem er ihn zuerst bestiehlt und, um der Rache zu entgehen, ihn an einen zufällig vorbeikommenden Jäger ausliefert. Wie kaum anders zu erwarten, geht die Geschichte furchtbar nach hinten los, denn der Jäger erlegt den Löwen zwar, doch der Fuchs hat von nun an keinen mehr, der ihn beschützt. Und gerade jetzt wimmelt es vor der Höhle des Löwen nur so von Tigern und Krokodilen.
Die Geschichte geht natürlich nicht gut aus, was den Lehrcharakter nur verstärkt, und der Dämon besinnt sich eines Besseren, da die Drohung des Fischers "Benimm dich, oder ich versenk dich wieder im Meer!" durchaus ernst gemeint ist. So kommt es, daß der Haushalt des Fischers um eine Person reicher ist, und so kommt es auch, daß die in vielen Märchen beliebte Belohnung auch hier nicht ausbleibt. – Nein, keine Prinzessin.
Der Reiz dieses Animes liegt nicht nur in der Erzählstruktur, wo sich Märchen und Fabel mischen, sondern auch in der Wahl der künstlerischen Mittel. Der Mittelteil mit der Fabel wird eingeleitet mit animierten Schattenrissen, und zusammen mit dem etwas ungewohnten Animationsstil wirkt das wie eine Kamishibai-Aufführung, was recht gut zu dem Märchencharakter des ganzen passt. Die nicht zu menschenähnlichen Tiergestalten und die recht detaillierten Urwaldbilder, die wie von Henri Rousseau [WP] gemalt scheinen, verstärken diesen Eindruck noch.
Wer also ein gewisses Faible für solches Erzählen und diesen Animationstil hat und auch nicht davor zurückschreckt, daß es hier absolut still und stumm zugeht, sollte durchaus mal einen Blick auf »Tsubo« werfen.
Dieses Sprichwort kann als die Quintessenz dieser Erzählung aufgefasst werden, die sich hier über etwas mehr als eine Viertelstunde ausbreitet. Die Qualität mag zwar nicht heutigen Ansprüchen genügen, aber der kleine Film ist ungewöhnlich originell und durchaus anspruchsvoll umgesetzt. Vor allem für die Verhältnisse Mitte der 20er Jahre. Sauber gezeichnet, gut animiert, wenngleich auch die Bewegungsabläufe ein wenig hakelig sind, dafür aber in realistischem Tempo – vom finalen Krokodil mal abgesehen.
Die Welt, in der die Geschichte vom Fischerssohn und dem Topf spielt, ist eine außerordentlich märchenhafte, denn hier werden unterschiedlichste Tiere nicht nach wissenschaftlichen Kriterien versammelt, sondern nach ideelen, der Story dienlichen, und so kommt es, daß Fuchs und Löwe, Tiger und Krokodil, Ente und Känguru an ein und demselben Küstenstreifen hausen.
Der Film hat sich viel vorgenommen. Selbstbewusst eröffnet er den wilden Reigen mit ein paar establishing shots, bevor er eintaucht in die exotische Welt des Orients. Denn all das Accessoire, angefangen von den Pluderhosen mit den lebhaften Mustern bis zur Ornamentik der Gefäße, atmet den Geist von Tausendundeiner Nacht. Diese Merkmale greifen auch auf das Erzählerische über, da man sich nicht damit begnügt, nur den nackten Plot wiederzugeben, sondern man garniert die Geschichte mit vielen kleinen Details, die Auskunft geben über die Charaktere, ihr Verhalten und ihr Naturell. Das heißt: man gönnt sich die Zeit, gewisse Handlungsmomente und Twists wirken zu lassen, und man gönnt sogar dem Zuschauer die Zeit, die Zwischentitel zu lesen, indem man das Bild kurz anhält. Noch ein nettes Detail: direkte Rede hat man als Sprechblasen realisiert.
Der Held dieser märchenhaften Erzählung ist ein junger Fischer, der aufs Meer hinausfährt und sein Netz auswirft. Ein Sohn , wie man ihn sich als Vater nur wünschen kann: klug, freundlich und pflichtbewusst. Er ist alles andere als schreckhaft und schon gar nicht auf den Kopf gefallen, wie man an seiner Reaktion sieht, als er den aus dem Meer gefischten Topf öffnet und ein Geist daraus emporsteigt. Allerdings kein Dschinn wie zu Sindbads Zeiten, sondern ein ganz schlimmer Bursche, der gleich damit angibt, daß er jederzeit seinen Retter umbringen und fressen könnte. Davon lässt sich der Fischerssohn jedoch nicht beeindrucken. Mit einer bewährten List lockt er ihn zurück in den Topf und erzählt dem nun gefangenen Dämon (vermutlich ein Oni) eine lehrreiche Geschichte. Und hier beginnt ein neuer Abschnitt, eine Fabel im Märchen.
Nämlich die Fabel vom Fuchs und dem Löwen. Der Löwe, gutmütig wie er ist, lässt dem Fuchs immer etwas zum Fressen übrig, doch der Fuchs ist ja bekanntermaßen hinterlistig und verschlagen, daher versucht er den Löwen zu hintergehen, indem er ihn zuerst bestiehlt und, um der Rache zu entgehen, ihn an einen zufällig vorbeikommenden Jäger ausliefert. Wie kaum anders zu erwarten, geht die Geschichte furchtbar nach hinten los, denn der Jäger erlegt den Löwen zwar, doch der Fuchs hat von nun an keinen mehr, der ihn beschützt. Und gerade jetzt wimmelt es vor der Höhle des Löwen nur so von Tigern und Krokodilen.
Die Geschichte geht natürlich nicht gut aus, was den Lehrcharakter nur verstärkt, und der Dämon besinnt sich eines Besseren, da die Drohung des Fischers "Benimm dich, oder ich versenk dich wieder im Meer!" durchaus ernst gemeint ist. So kommt es, daß der Haushalt des Fischers um eine Person reicher ist, und so kommt es auch, daß die in vielen Märchen beliebte Belohnung auch hier nicht ausbleibt. – Nein, keine Prinzessin.
Der Reiz dieses Animes liegt nicht nur in der Erzählstruktur, wo sich Märchen und Fabel mischen, sondern auch in der Wahl der künstlerischen Mittel. Der Mittelteil mit der Fabel wird eingeleitet mit animierten Schattenrissen, und zusammen mit dem etwas ungewohnten Animationsstil wirkt das wie eine Kamishibai-Aufführung, was recht gut zu dem Märchencharakter des ganzen passt. Die nicht zu menschenähnlichen Tiergestalten und die recht detaillierten Urwaldbilder, die wie von Henri Rousseau [WP] gemalt scheinen, verstärken diesen Eindruck noch.
Wer also ein gewisses Faible für solches Erzählen und diesen Animationstil hat und auch nicht davor zurückschreckt, daß es hier absolut still und stumm zugeht, sollte durchaus mal einen Blick auf »Tsubo« werfen.
Beitrag wurde zuletzt am 05.02.2024 23:42 geändert.
Kommentare
Soll heißen, die Geschichte ist bodenständig erzählt, auch wenn es mit Dämonen und sprechenden Tieren etwas fantastischer zugeht. Einen Abbruch tut das dem Ganzen aber nicht, die Geschichte ist in sich geschlossen und hat eine nette Botschaft. Mehr kann man von einem Film dieses Alters nicht verlangen.