Da meine Ansichten über den Anime weitgehend denen von Illusionmaker entsprechen, möchte ich hier lediglich ein paar lose Gedanken zu einer Serie beisteuern, die absolut brillant hätte werden können. Es aber am Ende dann doch vergeigt.Die Eröffnung seitens der Mangaka scheint Methode zu haben: gemächlich plätschert die erste Folge so dahin, ohne schon ein Ziel oder einen ungefähren Handlungsfaden zu verfolgen, als ein aufsehenerregender Eklat wie aus dem Nichts einschlägt und den Zuschauer wachrüttelt. Hier ist es
Kouko, die ihrem Liebsten den Blumenstrauß formschön und fachgerecht in aller Öffentlichkeit um die Ohren haut, dort (nämlich in
Toradora, von der gleichen Mangaka) ist es
Taiga, die Ryuuji mit einem vorbildlichen Aufwärtshaken zur Strecke bringt.
Damit erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten aber so ziemlich.
Und mit dieser Aktion steht das verwöhnte Balg, Tochter eines angesehenen Arztes, plötzlich im Mittelpunkt des Animes. Wie auch auf dem
Cover zu sehen. Aufgrund ihrer etwas exzentrischen Persönlichkeit ist sie mühelos in der Lage, ihren (im Hintergrund zu sehenden) neuen Bekanntenkreis aufzumischen und anderen ihren Willen aufzuzwingen. Sozial hochstehend, attraktiv und modebewusst, dazu von selbstsicherem Auftreten - all dies führt dazu, dass sie auf dem Campus als unnahbar empfunden und daher weitgehend gemieden wird.
Dass diese Affektiertheit vor allem Ausdruck von Einsamkeit und daher auch von Verunsicherung ist, erkennt
Banri, der erstaunlich geradlinig agiert und auch sonst kaum Berührungsängste zeigt, intuitiv und spricht sie daher an.
Was sich daraufhin entspinnt, ist einerseits ziemlich animetypisch, andererseits erstaunlich unterhaltsam und sehr schön anzuschauen, vor allem weil die Charaktere recht glaubwürdig geraten sind und in der Darstellung, gerade auch der Comedy, auch nicht so dermaßen übertrieben wird wie man das sonst kennt. Außerdem sind die Charaktere recht angenehm und realitätsnah gezeichnet, nicht so schablonenhaft wie sonst so oft.
Die Beziehung Kouko-Banri ist im Grunde wie Feuer und Wasser, aber mit der Zeit gewöhnen sie sich an einander, wohl auch weil jeder im anderen das findet, was einem selbst zu fehlen scheint. Erfreulicherweise ist Banri nicht nur in der Lage, präzise zu denken und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, sondern auch danach zu handeln. Er erscheint als der typische wischi-waschi-Protagonist, ruhig, freundlich, sympathisch, hat aber dennoch den Mumm zu sagen, was er denkt, und zu tun, was er für richtig hält.
Weniger erfreulich sind die Umstände seiner Amnesie. Ein Thema, das im Lauf der ersten sechs Folgen allmählich in den Mittelpunkt rückt.
Anfangs nimmt man das noch als symbolhafte (oder eventuell sogar allegorische) Darstellung wahr, wenn wie in kurzen Flashbacks Bruchstücke seiner verschollenen Erinnerungen aufblitzen und der dahinterstehende, "zurückgelassene" Banri der Unglückszeit zu sehen ist.
Allerdings wächst sich diese Art der Darstellung bald zur Manie aus, und man vermutet als Zuschauer in entsprechenden Situation der Ratlosigkeit schon, dass bei Wegtreten von Banri II sicherlich Banri I als "Schatten" zum Vorschein kommt. - Als Bild eines Banri, der sich quasi selbst im Weg steht, funktioniert das an sich hervorragend; - aber auf Dauer wird dieses Stilmittel derart oft angewandt, dass es am Ende einfach abgenudelt und mithin tot ist. Das nervt unglaublich.
Als wesentlich nerviger empfinde ich den Umgang mit dem Phänomen
Amnesie an sich. Gut, ich bin kein Neurologe und mein Wissen diesbezüglich befindet sich in der Ecke gleich neben der Küchenpsychologie; aber ich habe ganz erheblich Zweifel daran, dass ein menschliches Bewusstsein nur eine Art Betriebssystem ist, und dass beim Rückspielen eines Backups das alte Bewusstsein ausgelöscht, überschrieben wird. Dies aber ist der Kern des letzten Drittels der Serie, und daher hatte ich zunehmend Bauchschmerzen beim Verfolgen der Ereignisse, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Serie - zurecht - den Anspruch, ernst genommen werden zu wollen. Damit war's nun Essig.
Verschärfend kommt hinzu, dass so etwa ab Folge 16 der Anime versucht, in Comedy zu machen. Und zwar in billiger, übertriebener slapstiklastiger Comedy, die immer wieder das Setting eines "normalen", zurechnungsfähigen Anime untergräbt. Wobei der bis dahin angenehm dominierende Realismus aufgrund der erwähnten schrägen Auffassung des Phänomens "Amnesie" in den letzten sechs Folgen sowieso den Bach runter geht. Damit spielt der Topos "Amnesie" nun in der gleichen Liga wie "Körpertausch" und "Zeitreise" - sprich: netter Gedanke, aber realitätsfern. Und damit Gift für den Anime.
Ach, übrigens: zur Oberstufenzeit war Banri mit Nana "Rinda" Hayashida zusammen. Und seit früher Kindheit hatte sich Kouko ihren Sandkastenfreund Yana als künftigen Ehemann erwählt. Obwohl noch viele Irrungen und Wirrungen dazwischenliegen werden, ahnt man als Zuschauer schon relativ früh, wer am Ende mit wem zusammensein wird.
Und nein: gerade dies ist nicht der Fall.
Noch ein PS:
Das ist doch wohl kein Zufall, dass hier zwei
Nanas auftauchen, oder? Einmal das nette harmlose Mädel, und zum anderen die rotzige Punkerin. Diese Konstellation kommt mir
irgendwie bekannt vor.
Beitrag wurde zuletzt am 27.09.2019 01:14 geändert.
Kommentare (1)
Kontra: Nachdem Banri seine Erinnerung wiedererlangt hat, ist sein Entschluss auf Kouko gefallen, anstatt dem Happy End um Nana Hayashida: Ein alternatives Ende zu ihrem Gunsten hätte den Anime mehr Sympathie eingefahren. Siehe Da Capo If um der liebreizenden Kotori Shirakawa.
Pro: Nebst seiner herausragenden Animation besticht der Anime mit seiner überragenden Audio-Eigenschaft: Die Tonqualität ist in den einzelnen Disziplinen Plastizität, Dynamik, Spartialität, Neutralität, Substanz, Transparenz und Präzision auf den Level einer unerreichten Referenz. Oktaven erklingen über das gesamte Wellenspektrum neutral: Davon profitiert mitunter die Phonetik des Banri; tiefe kernige Stimmlage. Die Hintergrundmusik besticht durch ihre spartiale und dynamische Klangkulisse und zeichnet seidene Töne nuanciert und plastisch.