AsaneRedakteur
#1Die künstlerische Hand von Yasuji Murata erkennt man schnell an den mit einfachen und doch ausdrucksvollen Strichen realisierten Charakteristika, speziell Mimik und Körperhaltung. Und natürlich an der sehr präzisen Wiedergabe von allerlei technischem Gerät. Wie zum Beispiel in Kisha no Hattatsu.
Dieser frühe Film von Murata erzählt eine veritable Kindergeschichte, gewissermaßen eine Weihnachtsgeschichte mit phantastischen Elementen. Sehr rund und ausgeklügelt und ohne irgendwelche unmotiverten Sprünge, die den Gang der Dramaturgie beschädigen. Eingeleitet wird das Werk von einer Live-Action-Sequenz mit Kindern, die "Eisenbahn" spielen. Stilecht gibt es erstmal ein O-Bentou, begleitet von einem vermutlich recht hohen Klebe-Koeffizienten, vor allem an den Händen und um den Mund. Derweil freut sich der Zuschauer, Bekanntes zu entdecken wie etwa im Hintergrund das Bahnhofsgebäude im typischen Baustil des Deutschen Reiches, inklusive originalem Jägerzaun.
Der seriös gekleidete Mann im Vordergrund ist der Vater, und er hat Geschenke für alle mitgebracht, die nun natürlich kamerawirksam ausgepackt und ausgebreitet werden. Passend zur Sendung, ist für den kleinen Tarou auch eine Spielzeugeisenbahn dabei (scheint elektrisch zu sein), über die er sich jetzt sehr freut. Die Peripherie ist aber recht überschaubar und schlicht gehalten.
Über die Sinnhaftigkeit der ganzen Konstellation sollte man sich nicht allzu viele Gedanken machen, weder über den Zoo an Spielzeugtieren, die hier bunt gemischt und in aller Eintracht beieinanderstehen, noch über die Funktion eines Haltesignals. All diese dekorativen Viecher, denen ansonsten die Aufgabe zukommt, pittoresk die Strecke zu säumen, werden nun, am Ende eines langen Abends, von oben durch das Dach der Waggons reingeschmissen, entsprechend gestaltet sich auch das Ergebnis. Intererssant zu beobachten ist übrigens auch, wie sich im Hause des Vaters westliche Stilrichtungen mit traditioneller Mode vereinen. Natürlich kann ein kleiner Junge wie Tarou auch nach dem Zubettgehen nicht die Finger davon lassen und muss erst nochmal nachschauen, ob denn wirklich alles in Ordnung ist. Dann also schläft er endlich ein, und die Dinge beginnen ein Eigenleben zu entwickeln.
Und an dieser Stelle beginnt die eigentliche Geschichte.
Was die nun folgende Animation zu leisten vermag, ist schlicht beeindruckend. Man bedient sich ausdrucksstarker cinematographischer Stilmittel wie die aus unterschiedlichen Blickwinkeln gefilmte Lokomotive, gerne aus dramatischer Froschperspektive. Derweil intoniert die Begleitmusik etwas, was Anleihen nimmt an "Horch, was kommt von draußen rein?". Wenn auch von Jouichi Yuasa nachträglich hinzugefügt, gelingt es dieser Musik, zusätzlich zum visuellen Eindruck, den Zuschauer auch akustisch in Anspruch zu nehmen. – Überhaupt gibt sich die Musik, ganz dem Sujet entsprechend, sehr kindgerecht wie man es von klassisch-romantischen Stücken kennt, die Kindheit thematisieren. Schumann etwa oder Bizet. Mit überschaubarem Instrumentarium, meist aber Piano-lastig.
Tarou-san (ganz in schwarz gekleidet) obliegt nun die verantwortungsvolle Aufgabe, als Schaffner (sowas gab's damals noch) für Ordnung zu sorgen und gleichzeitig ganz im Dienst des Kunden zu stehen. So stellt er sich grüßend nicht nur den Bahnreisenden, sondern auch seinem Publikum vor.
Die nun folgenden Szenen geben ein anschauliches Kaleidoskop über die Ereignisse, die einem während einer Bahnfahrt widerfahren können. Hierbei beeindruckt vor allem das gestische Spiel, das so gut gelungen ist, daß das Geschehen für sich selbst spricht und man minutenlang auf jeglichen Text verzichten konnte. Szenen aus einem Abteil, wie sie schon Ludwig Thoma thematisiert hat ("In der Elekrischen") und die generell nicht allzu sehr aus der Luft gegriffen sein dürften; auch aus unseren Breiten gibt es reichlich Erzählungen, wie sich das damalige bäuerische Volk, moderner Technik gegenüber eher skeptisch eingestellt, in der Eisenbahn verhalten hat. Solange die zuständige Person alles im Griff hat, ist aber auch das kein Problem, und etwaige Differenzen können friedlich, wenn auch nicht unbedingt einvernehmlich, gelöst werden. So klein Tarou auch sein mag, gilt er allen doch als Respektsperson. Dennoch scheint es so, als hätte sich in den vergangenen 100 Jahren nicht gar so viel geändert.
Abgesehen von den Tiergestalten (die Tarou-kun am Abend noch in den Waggon geschmissen hat) verhält sich alles hier sehr bodenständig und realitätsnah. Angesichts der Verfolgungsjagd am Ende schießen die phantastischen Ereignisse mehr und mehr über die Grenze zur Realität hinaus – und der kleine Tarou erwacht.
Der Film mag nur eine Viertelstunde dauern, aber es kommt einem deutlich länger vor. Hier hat man sehr viele Dinge richtig gemacht, und es gibt nur Weniges, was Anlass zum Stirnrunzeln gäbe. Erstaunlich ist vor allem, auf wieviele winzige Details hier geachtet wurde. Seien's die am Abteilfenster vorbeifliegenden Landschaften, seien's die präzisen, ausdrucksstarken Bilder und Animationen. Und das Wichtigste: man gibt den Szenen Zeit, sich zu entwickeln und zu entfalten.
Fazit:
Ein Meisterwerk.
Dieser frühe Film von Murata erzählt eine veritable Kindergeschichte, gewissermaßen eine Weihnachtsgeschichte mit phantastischen Elementen. Sehr rund und ausgeklügelt und ohne irgendwelche unmotiverten Sprünge, die den Gang der Dramaturgie beschädigen. Eingeleitet wird das Werk von einer Live-Action-Sequenz mit Kindern, die "Eisenbahn" spielen. Stilecht gibt es erstmal ein O-Bentou, begleitet von einem vermutlich recht hohen Klebe-Koeffizienten, vor allem an den Händen und um den Mund. Derweil freut sich der Zuschauer, Bekanntes zu entdecken wie etwa im Hintergrund das Bahnhofsgebäude im typischen Baustil des Deutschen Reiches, inklusive originalem Jägerzaun.
Der seriös gekleidete Mann im Vordergrund ist der Vater, und er hat Geschenke für alle mitgebracht, die nun natürlich kamerawirksam ausgepackt und ausgebreitet werden. Passend zur Sendung, ist für den kleinen Tarou auch eine Spielzeugeisenbahn dabei (scheint elektrisch zu sein), über die er sich jetzt sehr freut. Die Peripherie ist aber recht überschaubar und schlicht gehalten.
Über die Sinnhaftigkeit der ganzen Konstellation sollte man sich nicht allzu viele Gedanken machen, weder über den Zoo an Spielzeugtieren, die hier bunt gemischt und in aller Eintracht beieinanderstehen, noch über die Funktion eines Haltesignals. All diese dekorativen Viecher, denen ansonsten die Aufgabe zukommt, pittoresk die Strecke zu säumen, werden nun, am Ende eines langen Abends, von oben durch das Dach der Waggons reingeschmissen, entsprechend gestaltet sich auch das Ergebnis. Intererssant zu beobachten ist übrigens auch, wie sich im Hause des Vaters westliche Stilrichtungen mit traditioneller Mode vereinen. Natürlich kann ein kleiner Junge wie Tarou auch nach dem Zubettgehen nicht die Finger davon lassen und muss erst nochmal nachschauen, ob denn wirklich alles in Ordnung ist. Dann also schläft er endlich ein, und die Dinge beginnen ein Eigenleben zu entwickeln.
Und an dieser Stelle beginnt die eigentliche Geschichte.
Was die nun folgende Animation zu leisten vermag, ist schlicht beeindruckend. Man bedient sich ausdrucksstarker cinematographischer Stilmittel wie die aus unterschiedlichen Blickwinkeln gefilmte Lokomotive, gerne aus dramatischer Froschperspektive. Derweil intoniert die Begleitmusik etwas, was Anleihen nimmt an "Horch, was kommt von draußen rein?". Wenn auch von Jouichi Yuasa nachträglich hinzugefügt, gelingt es dieser Musik, zusätzlich zum visuellen Eindruck, den Zuschauer auch akustisch in Anspruch zu nehmen. – Überhaupt gibt sich die Musik, ganz dem Sujet entsprechend, sehr kindgerecht wie man es von klassisch-romantischen Stücken kennt, die Kindheit thematisieren. Schumann etwa oder Bizet. Mit überschaubarem Instrumentarium, meist aber Piano-lastig.
Tarou-san (ganz in schwarz gekleidet) obliegt nun die verantwortungsvolle Aufgabe, als Schaffner (sowas gab's damals noch) für Ordnung zu sorgen und gleichzeitig ganz im Dienst des Kunden zu stehen. So stellt er sich grüßend nicht nur den Bahnreisenden, sondern auch seinem Publikum vor.
Die nun folgenden Szenen geben ein anschauliches Kaleidoskop über die Ereignisse, die einem während einer Bahnfahrt widerfahren können. Hierbei beeindruckt vor allem das gestische Spiel, das so gut gelungen ist, daß das Geschehen für sich selbst spricht und man minutenlang auf jeglichen Text verzichten konnte. Szenen aus einem Abteil, wie sie schon Ludwig Thoma thematisiert hat ("In der Elekrischen") und die generell nicht allzu sehr aus der Luft gegriffen sein dürften; auch aus unseren Breiten gibt es reichlich Erzählungen, wie sich das damalige bäuerische Volk, moderner Technik gegenüber eher skeptisch eingestellt, in der Eisenbahn verhalten hat. Solange die zuständige Person alles im Griff hat, ist aber auch das kein Problem, und etwaige Differenzen können friedlich, wenn auch nicht unbedingt einvernehmlich, gelöst werden. So klein Tarou auch sein mag, gilt er allen doch als Respektsperson. Dennoch scheint es so, als hätte sich in den vergangenen 100 Jahren nicht gar so viel geändert.
Abgesehen von den Tiergestalten (die Tarou-kun am Abend noch in den Waggon geschmissen hat) verhält sich alles hier sehr bodenständig und realitätsnah. Angesichts der Verfolgungsjagd am Ende schießen die phantastischen Ereignisse mehr und mehr über die Grenze zur Realität hinaus – und der kleine Tarou erwacht.
Der Film mag nur eine Viertelstunde dauern, aber es kommt einem deutlich länger vor. Hier hat man sehr viele Dinge richtig gemacht, und es gibt nur Weniges, was Anlass zum Stirnrunzeln gäbe. Erstaunlich ist vor allem, auf wieviele winzige Details hier geachtet wurde. Seien's die am Abteilfenster vorbeifliegenden Landschaften, seien's die präzisen, ausdrucksstarken Bilder und Animationen. Und das Wichtigste: man gibt den Szenen Zeit, sich zu entwickeln und zu entfalten.
Fazit:
Ein Meisterwerk.
Beitrag wurde zuletzt am 12.10.2023 15:38 geändert.
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