Diese Adaption eines bekannten Märchenstoffes scheint für ein Publikum gestrickt, das noch kein zweistelliges Alter erreicht hat. Man müht sich nach Kräften, wirklich absolut gar nichts zu bringen, was die Kleinen auch nur im Ansatz erschrecken könnte. Dafür nimmt man eklatante Schwächen beim Storytelling sowie große, bröckelige Fundamente in Kauf, die von riesenhaften Logiklöchern ausgehöhlt sind.
Eigentlich ist dies eine typisch westliche Vorgehensweise, was schlussendlich soweit auch wieder passt, da der Film ebenfalls ein sehr westliches Gepräge hat. Denn zur Zeit der Entstehung hat der japanische Anime noch keine eigene Sprache entwickelt und orientiert sich also an westlichen Vorbildern wie den Disney-Filmen dieser Zeit. Das heißt: es muss durchweg
lustig zugehen, alles hat comedyhafte Züge am Rande der Karikatur, viele vereinzelte Gags und sketchartige Szenen prägen das ganze, das immens darauf aus ist, die kindlichen Zuschauer keine Sekunde zu langweilen. Das geht natürlich auf Kosten des Erzählens.
Des weiteren dominiert hier ein sehr rundes und knubbeliges Design und ein nicht ganz so runder, aber ebenfalls knubbeliger Humor. Erinnert die ganze Vorstellung an die zeittypischen Disney-Produktionen, so geraten die lustigen Actioneinlagen mehr so nach »Tom und Jerry«, besonders gegen Ende hin.
Rundweg alles in diesem Anime ist auf
Comic gebürstet, die vermenschlichten Tiergestalten, die Physik sowieso, aber auch potentiell ernsthafte, schmerzhafte Ereignisse taugen stets als Lachnummer (etwa wenn Jack Prügel bezieht) und nehmen dem Geschehen jeglichen dramatischen
Impact.
Das ist in diesem Stadium aber eh schon egal, denn man hat sich dazu entschlossen, ebenfalls Disney-mäßig
Insert-Songs einzubauen – nicht zwei, nicht drei, sondern gleich so etwa zwei Dutzend. Irgendwann hab' ich aufgehört zu zählen, denn es vergehen in diesem Film keine 5 Minuten am Stück, ohne daß irgendwer singt.
Das ist überhaupt ein Punkt, der gleich am Anfang ins Auge bzw. ins Ohr fällt: Die Musik schöpft durchweg aus dem Vollen, bringt fetten, Bigband-orientierten Schlager höheren Niveaus, gerne jazzig angehaucht, aber auch Blues kommt vor. Dabei sind diese Stücke, die gewissermaßen Opening und Ending darstellen, wie auch die Chorus-lastigen Musical-Songs durchweg von hoher Qualität, gehen auch gut ins Ohr, denn man hat sich dafür entschieden,
Melodien zu bringen (damals durfte man das noch!) und musikalische Substanz. Denn etliche dieser Songs sind thematisch miteinander verbunden und liefern so einen Roten Faden, der den der eigentlichen Story sinnfällig verstärkt. Nötig hat sie's auf jeden Fall.
Aber aus dramaturgischer Sicht ist das natürlich Müll. Es zerreißt die Story, kappt die Dramaturgie, filetiert das erzählte Geschehen in Häppchen und verhindert das Verfolgen einer durchgängigen erzählerischen Linie.
Dieses Erzählen kann man wie angedeutet sehr schnell nicht mehr so recht ernst nehmen. Insofern ist das kein wirklicher Verlust. Die wesentlichen Pfeiler des Plots hat die Kurzbeschreibung sehr launig auf den Punkt gebracht:
aktueller Beschreibungstext:
Entsetzen im Feen-Reich! Die böse Zauberin verwandelt den gesamten Hofstaat in Mäuse - und will ihren gemeinen Sohn mit der Prinzessin verheiraten. Nur gut, daß gerade jetzt die Geschichte mit Toms Wunderbohnen passiert. Der Junge kann es selbst kaum glauben. Aus den Bohnen wächst einen riesige Ranke bis hinauf bis über die Wolken. Auf der grünen Himmelsleiter gelangen er und sein kluger Hund Crosby ins Land der unglücklichen Feen. Pech für die böse Hexe.
Dazu sei ergänzend angemerkt: Jack soll eine Kuh verkaufen und kommt dabei an einem netten Musiker vorbei, der mitten auf dem Acker sein Fantasy-Orchestrion spielt und ihm im Austausch gegen eine Handvoll Wunderbohnen die Kuh abschwatzt. Die Mama ist über diesen Deal eher wenig erfreut, wirft die Bohnen aus dem Fenster und schickt Jack ins Bett.
Nachdem über Nacht die Samen Turbosprösslinge getrieben haben, die bis in den Himmel reichen, macht Jack das, was alle Jungs seines Alters machen: er klettert da hoch. Und sein Hund Grosby macht ebenfalls das, was alle Hunde machen: er klettert mit. Ein WTF-Moment jagt den nächsten, und als er durch einen freischwebenden Kamin oben ankommt, steht er mitten im Schlosshof einer Dame gegenüber, die sich als Prinzessin Margaret vorstellt.
Es ist ja nicht so, daß früher alles besser war. Klischeehaftes Erzählen und inkonsistentes Verhalten hat man schon vor einem halben Jahrhundert beherrscht. Zuerst muss man signalisieren, daß dies ein gefährlicher Ort ist. Man installiert also das übliche finstere Schloss, sehr finster und sehr spitzbogig. Mit hallenden Gängen und finsteren Gewölben.
Alsdann kümmert man sich um die Guten und die Bösen. Das Mäuslein, das die beiden hochgelotst hat, ist dermaßen knuffig, es kann nur zu den Guten gehören. Desweiteren erwartet uns eine spindeldürre Hexe, die schon aufgrund ihrer Hexenhaftigkeit zu den Bösen gehören muss (als Gegenpart zu gemütlicher mütterlicher Fülle).
Sehr klischeehaft auch der Makel des Schönheitsflecks (in aller Regel unter dem linken Auge, oder, so wie hier, unterm linken Mundwinkel), der wie immer nicht nur ein Makel der Schönheit des Körpers und der Reinheit der Seele ist, sondern auch auf eine gewisse Verschlagenheit, Unaufrichtigkeit und evtl. innere Zerrissenheit hinweist.
So spart man sich immerhin einiges an erzählerischem Aufwand, wenn es darum geht, die Welt im Aschenputtelstil zu sortieren. Die Musik leistet dies ebenfalls, aber wenn rein durch die BGM signalisiert werden muss, daß die Schwiegermama in spe böööse ist, dann ist das ein Armutszeugnis für die Dramaturgie. Auch bei der Zielgruppe Kinder. Stringentes Erzählen sollte nicht einer auf den Augenblick fixierten Regie geopfert werden.
Das sind so etwa die Kröten, die man als Zuschauer mit zweistelligem Alter zu schlucken hat. Wirklich schlecht ist das alles beileibe nicht, wenn man flexibel genug ist, sich diesem Niveau anzupassen. Aber selbst Kindern dürfte auffallen, daß etwas nicht stimmt, wenn der Rübezahl-Prinz in der Lage ist, den Geruch von Menschen zu wittern, die 10 Meter entfernt im angrenzenden Zimmer sind, nicht aber, wenn sie sich unter dem Tisch verstecken, auf den er sich gerade setzt.
Fazit:
Im großen und ganzen ist das ein durchaus guter Film mit kleineren Schwächen im Storytelling und etwas größeren bei so manchen Details. Zeichnerisch ist das (wider Erwarten) ziemlich gut gelungen, ist aber natürlich nicht full-animated wie bei Disney. So gut die Songs auch sind, sie stören irgendwann und hacken die erzählte Geschichte zu Kleinholz. Und womit ich gar nicht gerechnet habe: So manche Seiyuu sind ziemlich mittelmäßig. Die Tonspur hat sich, gemessen am Alter, recht gut gehalten, aber gerade Jack wirkt, als hätte der den Stimmbruch längst hinter sich und als sei sein Seiyuu zu dieser Rolle verdonnert worden. Als Ausgleich dafür gibt es Grosby, den Hund von Jack, der zu aller Überraschung irgendwann anfängt, Enka zu singen!
Man kann also durchaus seinen Spaß mit dem Film haben, sollte allerdings die Logik schlafen schicken, bevor man ihn sich anschaut.
Beitrag wurde zuletzt am 27.06.2021 22:32 geändert.
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