Danke Gintama! Danke, dass es dich gibt.
Über 30 Episoden habe ich gebraucht, bis ich endlich anfing, mit Gintama warm zu werden. Ich gehörte nämlich nicht zu den Glücklichen, die Gintama von der ersten Minute an geliebt haben. Umso schöner war dann das Gefühl, das sich entwickelte, während ich langsam aber sicher auf die fünfzigste Episode zuging. Und spätestens nach dieser legendären Episode war mir klar: "Nun bist auch du ein Gintama-Fan!"
Für mich brauchte Gintama seine Zeit. Die schrägen Charaktere werden alle erstmal der Reihe nach eingeführt, und als ich ihre abgedrehten Eigenschaften und Ticks nicht gleich zum Brüllen fand, befürchtete ich schon, dass auch dieser Anime (wie so vieles) einfach nicht meinen Humor treffen würde. Idiotisch - wie es sich im nachhinein herausstellte. Erst später merkte ich, wie die Charaktere mit jedem Auftreten so viel lustiger wurden und wie ihre unfassbare, sympathische Einzigartigkeit weiter und weiter gesteigert wurde, sodass ich irgendwann schon grundlos zu Lachen anfing als beispielsweise Kondou nur den Bildschirm betrat. Gleiches gilt für Zura (..*"Zura janei - Katsura da!!") und Elisabeth. Ich dachte mir: Super, die ist ein Pinguin und der sagt einfach jeden fünften Satz die gleiche Catchphrase. Oh, wie naiv von mir! Gintama belehrt mich eines Besseren und baut Katsura Episode für Episode zu einem meiner absoluten Lieblingscharaktere aus. Habt ihr schon mal das Bedürfnis gehabt, euch unbedingt mit einem Anime-Charakter treffen zu wollen? Ich schon. Es lässt sich nicht in Worte fassen, wie gerne ich mal mit Katsura und Gintoki einen Sake trinken gehen würde. Dieser unglaublich wohltuende Humor, der etwa von Katsuras ständiger Einfältigkeit oder Gintokis Faulenzerei ausgeht, wird jeden früher oder später in eine andere Welt ziehen, die so herrlich anders, so herrlich frisch, so herrlich belebend ist, dass man sie nicht mehr verlassen möchte. So entpuppten sich all die Charaktere, die auf mich zu Anfang wie billige Gag-Lieferanten wirkten, mit der Zeit mehr und mehr zu absoluten Sympathieträgern und Spaßgaranten. Ob es nun die Hauptcharaktere, die Shinsengumi oder wer auch immer ist. Irgendwann will man einfach nur noch beobachten, wie sie auf die verschiedensten Situationen reagieren, um den Zuschauer wieder und wieder aufs Neue zu überraschen.
Doch was genau passiert überhaupt in Gintama? Nun, die meiste Zeit wird man von einem Setting in das nächste geschmissen, eines abgedrehter und bescheuerter als das andere. Und hört sich die Vorschau für die nächste Episode noch so langweilig an (Frisörbesuch? Zahnarzt? Käfer Fangen?), Gintama schafft es mit einem grenzenlosen Ideenreichtum und einer an Irrsinn grenzenden Kreativität, aus jedem noch so uninteressanten Geschehen etwas zu machen, was man so noch nie gesehen hat. Wobei natürlich neben relativ alltäglich wirkenden Settings auch ein ganzer Haufen an Storys dabei ist, die sowieso schon von Grund auf total schräg sind. Gintamas Hauptaugenmerk liegt also erstmal darauf, eine Komödie zu sein, die auf einer riesigen Vielfalt von verschiedenen Ansätzen aufgebaut ist. Besonders gefielen mir Episoden, wo sich über maßlose Übertreibungen und Überzeichnungen in einen Sachverhalt reingesteigert wird (z.B. Episode 25) oder längere Parodien (z.B. Episode 50). Doch neben allem Humor, bringt Gintama auch oft ernsthaftere Parts ein, wie die eine oder andere waschechte Fighting-Shounen-Arc (z.B "Yoshiwara in Flames" (Episoden 139-146)), in denen der Anime all den Vorlagen, die er am laufenden Band parodiert, in wenig nachsteht und in denen Gintoki dann mal den furchtlosen Helden geben kann, wie man es von Naruto, Luffy oder Ichigo gewohnt ist.
Auch traurige Phasen gibt es ab und an. Fast aus jeder Episode wird noch irgendwie eine Moral oder ein paar rührende Momente geschaffen, wobei da die Emotionalität in den Comedy-Episoden doch meistens relativ begrenzt ist. Allerdings existieren auch Episoden, in denen die Comedy nur in geringem Maß vorhanden ist, wie etwa die "Okita Mitsuba"-Arc (Episoden 86-87), die tatsächlich ein sehr trauriges Drama erzählt, welches mich berühren konnte. Diese große Abwechslung durch die ernsteren Passagen macht Gintama erst zu dem, was es ist. Denn eben dadurch, schafft es der Anime auch, die Liebenswürdigkeit seiner Charaktere noch um ein Vielfaches zu steigern. Immer wieder erfährt man Stück für Stück mal wieder etwas mehr über ihre Vergangenheit, was dann mitunter wirklich rührende Geschichten sind, sodass man sie noch mehr ins Herz schließt, als es schon rein über die Comedy geschieht. Ebenso kommt es in seltenen Fällen vor, dass mal etwas verraten wird, was etwa später nochmal von Relevanz sein könnte. Bösewichte werden vorgestellt oder Gintokis Hintergründe behandelt, und dadurch der eine oder andere interessante Ansatzpunkt für eine übergreifende Handlung geschaffen. Der Fokus liegt bei Gintama zwar klar wo anders, aber auch diese Ungewissheit über so manche mögliche Entwicklungen, ist eine große Bereicherung für das Gesamtwerk.
Was die Animationen angeht, ist Gintama schon ein lustiger Kandidat. Zum Teil scheinen Episoden wirklich mit einem absoluten Minimum an Aufwand animiert worden zu sein. Allerdings ist das für die Comedy in diesen Episoden dann nie auch nur im geringsten hinderlich, sondern fast schon förderlich, wenn es in Gags eingewoben ist. So unterhalten sich die Charaktere gerne mal darüber, wie die Macher doch Geld sparen müssen und wie schwer es doch sei, einen so lange laufenden Anime aufrecht zu erhalten. Ja, richtig gehört: Die Charaktere unterhalten sich über den Anime, in dem sie sich befinden - das ist bei Gintama schon fast normal. In Episode 50 wird sich zum Beispiel über Möglichkeiten unterhalten, wie man den Anime in der nächsten Season verbessern könnte. Und auch solchen Schabernack, wie seine Charaktere scherzhaft einen Film ankündigen zu lassen, der später tatsächlich in die Kinos kommt, macht Gintama. Genauso, wie man mal irgendwann angeblich die finale Arc gestartet hat, der Anime aber natürlich noch weit vom Ende entfernt ist. Später sagen dann die Charaktere so etwas wie: "Die Leute glauben uns doch sowieso nichts mehr, so oft wie wir sie schon angelogen haben."
Aber ich drifte ab. Ja: Manchmal sind die Animationen billig. Aber genau dann, wenn gute Animationskunst gefordert ist, scheint man plötzlich doch mehr als genug Budget zu haben und kann mit (für einen Anime von der Länge) sehr beachtlicher Action auftrumpfen. Die Musik ist dazu eine glatte 10/10, ohne jegliche Abstriche. Neben den für alle Situationen perfekt gewählten, stimmungsvollen Osts, haben mir vor allem die
Openings und
Endings so verdammt gut gefallen, dass ich sie mir nicht nur jedes einzelne mal mit angehört habe, sondern mir die Songs auch einfach so noch oft angehört habe (und anhören werde). Die Tracks machen ausnahmslos richtig Laune und sind praktisch garantierte Ohrwürmer.
Um mal der (fast überflüssigen) Frage nachzugehen, wem ich Gintama denn nun empfehlen würde: Jedem, einfach jedem. Und am liebsten will ich jeden dazu zwingen, dass er bloß nicht auf die Idee kommt, vorzeitig abzubrechen. Denn wie gesagt: Bei mir hat es auch seine Zeit gebraucht und ich fand die ersten Episoden mal so gar nicht lustig. Deswegen kann ich euch nur ans Herz legen, bis zu Folge 50 durchzuhalten. Wenn dann nicht der Groschen gefallen ist, weiß ich auch nicht. Was allerdings gesagt sei: Gintama ist weniger etwas für Anime-Anfänger, sondern eher eine Serie für mehr oder minder erfahrene Anime-Fans. Denn all die Parodien, die der Anime enthält, sind natürlich lustiger, wenn man die Vorlagen kennt. Besonders gut ist es, wenn man die typischen Fighting-Shounen wie "Dragon Ball", "Bleach", "Naruto", "One Piece" oder "Hunter x Hunter" gesehen hat. Dann wird man nämlich den einen oder anderen Gag mehr zu lachen haben.
Nun gilt es nur noch eins zu klären: Warum mache ich trotz all der Lobpreisungen noch Abstriche und bewerte Gintama nicht mit "Meisterwerk"? Das liegt ganz einfach daran, dass es trotz aller Genialität und Vielfalt für mich auch immer mal wieder Episoden gab, die mich nicht so recht begeistern konnten - auch nach den zähen Einstiegsepisoden. Jedoch trübte das meinen Spaß nur sehr geringfügig und ich freue mich auf alles weitere, was es noch von Gintama zu schauen gibt. Staffeln 2 und 3 werde ich nicht lange warten lassen und für den Frühling ist ja schon die nächste (und hoffentlich immer noch nicht letzte) Staffel angekündigt... da kommt also noch viel auf mich zu.
Möge Gintama uns Anime-Fans in diesem Sinne noch lange vergönnt sein!