ANALYTISCHE BETRACHTUNG HIER ^-^)/
Shôjo Kakumei Utena ist trotz seiner Probleme wahrscheinlich einer der unterbewertetsten Anime aller Zeiten, was nicht ganz unselbstverschuldet ist, denn die ersten Episoden des Animes stiften mehr Verwirrung als sie Spannung aufbauen auf kaum ein Charakter in dieser Serie ist Sympathisch.
Was diesen Anime aber absolut herausragend macht ist nicht nur sein Umgang mit Metaphern, Symbolen und Surrealismus auf eine Weise die klar macht, dass die Namenhaften Macher dieses Animes sich jeder Zeit überlegt haben was sie alles machen können um das Medium "Anime" zu nutzen um ihre Botschaft(en) auszudrücken, sondern vor allem die Genialität mit der diese Metaphern eingesetzt werden um diese Botschaft zu erzählen.
Story:Die Story in diesem Anime ist teilweise ein Problem, da sie an manchen stellen doch zu sehr mit Symbolen überflutet wird, so dass man gerade in der 2. Arch hin und wieder nicht wirklich versteht was los ist und einige Szenen zwei mal gucken muss um nicht davon überflutet zu werden. Ich persönlich mag so etwas, kann aber nachvollziehen wenn andere Leute nicht die Geduld dafür haben und diese Folgen daher als langweilig empfinden.
Ein weiteres Problem ist wie gesagt der langsame Anfang. Wenn man 5 Charaktere hat, die alle ein fragwürdiges oder problematisches Frauenbild pflegen und alle 5 ihre eigene Episode brauchen um charakterisiert zu werden und der Hauptcharakter natürlich auch charakterisiert werden muss, dann geht viel Zeit dadurch verloren. Ich kann mich daran erinnern den Anime nach 5 Episoden fast abgebrochen zu haben bis mir dann aufgefallen ist "der muss ja noch irgendwo hinführen, wenn das die ganze Zeit so weiter gehen würde wie jetzt, dann wäre ja nach 10 Folgen ende..".
Mit der Zeit wird die episodische Erzählung auch tatsächlich aufgelockert und ein immer konsistenterer Plot zieht sich während der 2. Arch durch, der es mehrfach schafft einen "Villain of the Day" Plot interessant zu machen.
In der 3. und letzten Arch fallen dann praktisch alle Probleme die die Story hatte komplett von ihr ab, sie wird genau so eindrucksvoll wie der Rest des Animes und es entsteht ein sich durchgehend steigernder Spannungsbogen und nicht das große auf und Absteigen in der Spannung, was die Story zuvor ausmachte.
Animation:Die Animation ist für die 90er Jahre ok bis gut meistens bewegt sich nicht viel, aber die Animation ist immer flüssig und wird Sinnvoll eingesetzt. Sie wirkt teilweise ein wenig eingespart, aber das würde ich wahrscheinlich Hideaki Annos Beteiligung an diesem Anime zu schreiben. Gerade gegen Ende kommen einige komplett unanimierte Standbilder vor, die er ja auch schon in Evangelion eingebaut hat (wenn auch nicht ansatzweise in der selben Länge wie in Evangelion).
Was dem Anime dabei natürlich hilft, ist dass die meisten wirklich gut animierten Szenen in fast jeder Folge vorkommen und einfach neu verwendet werden können (Bsp. Utenas Gang in die Arena, der sich nur einmal dauerhaft verändert und von da an auch wieder immer in der neuen version wieder holt wird.)
Kämpfe:Die Kämpfe sind sehr schön gestaltet, die verschiedenen Charaktere haben klar erkennbare Kampfstile und da jedes mal eine ganze Episode genutzt wird um auf den Kampf hin zu arbeiten, wissen wir auch immer was für wen auf dem Spiel steht.
Die Koreografi der Kämpfe variiert innerhalb jedes Kampfes sehr stark, was jedoch je nach Geschmack nicht schlecht sein muss. Die Szenen wechseln nämlich im Kampf ständig zwischen Szenen des tatsächlichen geschehens, wo die Schwerter in guter Koreographie mit unterschiedlichen Stilen aufeinander treffen und sehr stilisierten Szenen, wie man sie eher bei Manga und weniger bei Anime erwarten würde, wo die Koreographie der Künstlerischen ebene weicht.
Ist halt Geschmackssache, aber wem die Kämpfe in Sailor Moon gefallen, der wird die Kämpfe hier lieben und für fans von Schwertkampf gibt es auch was zu sehen.
Charaktere:Wie bereits erwähnt sind die wenigsten Charaktere in diesem Anime liebenswert, was an der Botschaft des Animes liegt. Die hätte in einer fröhlichen und zufriedenen Gemeinschaft nicht funktioniert.
Was dem Anime hier allerdings gut anrechnen kann ist Charakter Entwicklung. Es gibt 7 Charaktere die eine merkliche Entwicklung durchmachen, was für 38 Episoden eine ziemlich solide Leistung ist, vor allem wenn man bedenkt, dass die meisten dieser Charaktere eigentlich Nebenrollen sind.
Directing: Das Directing ist eine Glanzleistung. Kunihiko Ikuhara ist ja allgemein keine schlechte Wahl für diesen Job und in diesem speziellen Werk scheinen auch hin und wieder Einflüsse von seinem guten Freund Hideaki Anno durch, der ja so ziemlich der größte Name im Anime-Directing ist. Ich denke viel mehr muss ich hierzu nicht schreiben, ich werde im folgenden eh noch ein wenig darüber fangirlen wie hier von Kunihiko mit Metaphern, Symolen und Surrealismus jongliert wurde; da sich das aber immer nicht gut in Worte fassen lässt, werde ich das eher Oberflächlich tun (außer in meiner noch folgenden Analyse von Episode 27, wo ich die Symbole und Metaphern auch deute um klar zu machen in was für Deutungstiefen dieser Anime sich begibt.)
Analyse und "warum ist dieser Anime so viel mehr als er zu seien scheint und was macht ihn so unterbewertet?":Ich habe eben erwähnt wie Shôjo Kakumei Utena zum Teil selbst an seiner Unterschätztheit schuld ist, doch ein anderes Problem ist, dass Utena mit dem was es erzählen will auf einer viel abstrakteren Ebene umgeht als andere von ihrer Botschaft getriebene Animes wie Bspw.
Shinseiki Evangelion.
Oder ist hier irgendjemandem der sich nicht zufällig mal eingehend mit den Wurzeln der japanischen Mädchenkultur befasst aufgefallen, dass es in kaum einer Folge um ein anderes Thema als die japanische Mädchenkultur und ihre Problematiken dreht?
Ich meine, dass es um Feminismus geht ist kaum zu übersehen, aber ich glaube nicht das viele die Tiefe der Kritik an der japanischen Kultur und Gesellschaft die hier drin liegt wirklich erfasst haben.
Ich könnte jetzt weiter darüber reden wie der Anime es in seinem Verlauf schafft einen wirklich fesselnden Plot aufzubauen trotz seines holprigen Startes oder wie unfassbar schön dieser Anime designed ist oder was für ein Fan ich von den ganzen surrealen Kulissen bin oder dass dieser Anime wohl den epischsten Soundtrack aller Zeiten hat oder wie er es meisterhaft schafft zur selben Zeit unglaublich ernst zu sein und sich trotzdem zwischendurch immer mal wieder scheinbar nicht ernst zu nehmen... bla bla bla, aber gehen wir doch lieber mal am Beispiel meiner Lieblingsepisode in die Tiefe um zu Zeigen, dass ich hier nicht einfach nur Stuss rede und das ganze Gedönts überinterpretiere oder mir Sachen rein denke die nicht da sind.
Über den Rest rede ich dann hinterher.
Reden wir über Folge 27:
Folge 27 ist eine
Nanami Episode. Wer den Anime schon kennt wird sich eventuell fragen "Sind die Nanami Episoden nicht quasi Filler?" -Nein, denn Nanami ist eine andere Perspektive auf das Problem.
Utena ist ein Mensch der sich gegen das Shôjo Modell stellt, nicht weil sie es von Anfang an grundsätzlich ablehnen würde, sondern einfach, weil es nicht zu ihr passt. Nanami auf der anderen Hand ist Shôjo mit fast allen positiven und negativen Clichés: Sie ist stark selbstfokussiert, sie ist materialistisch, ihre Liebe für ihren Bruder ist wenn auch aus dem Cliché an sich rausfallend, frei von sexuellen Gedanken wie sich später heraus stellt (Schlagwort "Reinheit"/"Unschuldigkeit"), sie hat kein Problem damit sich das Leben auf kosten anderer zu leichter zu machen, sie ist treuherzig, sie ist wunderschön, sie ist zwar nicht dumm aber auch nicht unbedingt intelligent, ect., ect..
Nanami ist Shôjo und liebt es Shôjo zu sein und sie zieht daraus eine Art besonderes Selbstwertgefühl.
Während Utena Episoden uns einen kritischen Blick von außen auf das Konzept Shôjo geben, geben Nanami Episoden und einen kritischen Blick auf das Konzept von innen heraus und in Folge 27 z.B. sehen wir unter anderem wie Nanamis Shôjo Ideal das erste mal mit der Realität, der Außenwelt und ihren eigenen Idealen zusammenstößt.
Die Folge beginnt damit wie Nanami aufwacht und feststellt, dass sie ein Ei gelegt hat (habe ich erwähnt wie genial der Anime dabei ist seine eigene Logik zu missachten um Metaphern und Symbole einzubringen?).
Sie schiebt zuerst Panik und weiß nicht was zu tun ist. Sie nimmt das Ei mit zur Schule und fragt sich die ganze Zeit über, ob etwas mit ihr nicht stimmt und was zur Hölle es zu bedeuten hat, dass sie jetzt Eier legt und sie hat tierische Angst davor, andere merken zu lassen, dass sie da scheinbar anders ist als andere Mädchen.
(Ich stelle die Deutung einfach mal jetzt schon: Nanami hatte zum ersten mal ihre Regelblutung und ist jetzt verwirrt darüber und hat angst deswegen gesellschaftlich schlecht dar zu stehen. (Unwissen über Sexualität und allem was damit zu tun hat gehört auch zum Shôjo-Ideal der japanischen Gesellschaft.) Die Symbolik wird gleich noch deutlicher werden.)
Nanami geht zu einem Freund und fragt mal gaaaanz hypothetisch nach ob Frauen Eier legen können (Das ein Junge ihr das jetzt erklärt, deute ich hier mal nicht.).
Er erklärt ihr, dass es für manche Tiere normal ist Eier zu legen und sogar für einige Säugetiere, dass er aber noch nie von einem Mädchen gehört hat das Eier legt. Den letzten Teil hört Nanami nicht mehr, da sie schon erleichtert rausgerannt und nun der Überzeugung ist, dass Mädchen halt hin und wieder Eier legen (Bzw. weiß, dass es normal ist ihre Periode zu bekommen.).
Als ihr Mädchengefolge vorbei kommt möchte sie eigentlich fröhlich ansprechen, dass sie heute ihr erstes Ei gelegt hat, lässt es aber sein, da sie Angst bekommt ihre Freunde könnten sie dafür auslachen, dass sie erst jetzt anfängt Eier zu legen (bzw. Sie hat Angst spät dran zu sein mit ihrer ersten Periode und somit öffentlich, gesellschaftlich ihre Weiblichkeit in Frage gestellt werden könnte.).
Spulen wir ein wenig vor zu dem Punkt, wo sich die Bedeutung des Eies verändert.
Nanami will das Ei nun ausbrühten und fokussiert sich komplett auf ihr Ei. Sie singt ihm vor, sie geht mit ihm Baden und kann es kaum erwarten, dass es schlüpft. Ich denke, dass es ab hier um das Thema "Schwangerschaft" geht, muss ich nicht erwähnen, ABER... erinnert sich noch jemand wie ich vorhin erwähnt habe, dass "Reinheit" und "sexuelle Unerfahrenheit" japanische Shôjo Ideale sind? (Funfact: Shôjo heißt Mädchen, aber Shojo heißt Jungfrau.)
Nachdem Nanami dem Ei nun eine gefühlte Ewigkeit vorgesungen hat, sitzt sie glücklich am Tisch und fragt ihren Bruder enthusiastisch, was er von Mädchen hält die Eier legen und er entgegnet ernst: "Nanami, was glaubst du weshalb wir all die Jahre so gut miteinander ausgekommen sind? Es ist weil du die Art von Mädchen bist, das keine Eier legt!"
Ihr Bruder
Touga ist in dieser Rolle super Platziert, da Nanami wie bereits erwähnt in ihn verliebt ist. Die Szene zeigt also nicht nur eine Familie die ihre Tochter verstößt sondern Touga nimmt auch die Rolle des Vaters des ungeborenen Kindes ein, der seiner jungen Freundin klar macht, dass er nichts mit ihr zu tun haben will, wenn sie ein Kind bekommt.
Ein bestreben einer Shôjo in der japanischen Kultur soll es sein später mal eine gute Hausfrau zu werden. Dazu gehört es unter anderem auch Kinder zu kriegen und zu bekommen, ein weiteres Ideal, dem Nanami offensichtlich nach geht. Aber die Umsetzung des Kinderwunsches darf eben nicht als Shôjo (Mädchen) sondern erst als Onna (Frau) (Traditionell wird man in Japan mit der Hochzeit zur Frau, auch wenn sich dieses Modell seid einigen Jahren
leicht auflockert).
In anderen Worten: Ein Mädchen / eine junge Frau hat Kinder zu wollen, es ist ihr aber verboten welche zu bekommen.
Eine Einstellung die bis heute in der japanischen Gesellschaft stark vertreten ist und ein ziemlich offensichtlicher Wiederspruch mit dem sich Nanami nun konfrontiert sieht.
Nanami steht nun in dem inneren Konflikt zwischen ihrer Treuherzigkeit und Liebe gegenüber dem Kind und ihrer Treuherzigkeit und Liebe gegenüber Touga (der wie gesagt, für den BoyFriend und die Familie steht).
Nanami setzt das Ei nun Nachts im Wald aus und wird anschließend von Trauer und Schuldgefühlen geplagt (wenn man mir bis hier gefolgt ist in meiner interpretation, ist klar, dass es ab hier um das Thema Abtreibung geht, ein extrem wichtiges Thema in japan, über das kaum gesprochen wird. Guckt euch mal Statistiken in Japan zu Abtreibung an, wenn ihr mit dem Hintergrundwissen, dass Abtreibung in Japan ein riesen Geschäft für Ätzte und Buddhistische Tempel ist kotzen wollt.)
Die folge beschäftigt sich noch ein wenig mehr damit, aber ich springe jetzt mal zu dem letzten Auftritt von Nanami in der folge, wo sie ihr Ei wieder gefunden hat, sich damit ins Bett gelegt hat wie immer und am nächsten Tag ist das Ei kaputt.
Die Deutung dieser Szene ist ein wenig weniger einfach, da man sich einen Satz in den Kopf rufen muss, der zu Anfang des Animes zwar sehr of gesagt wird, aber im späteren Verlauf immer weniger: "Wenn es seine Schale nicht zerbrechen kann, wird ein Küken sterben ohne geboren zu werden. Wir sind das Küken. Die Welt ist unsere Schale. [...] Zerschlage die Schale der Welt!".
Mit diesem Spruch weißt der Schülerrat (dem Nanami zu besagtem Zeitpunkt auch angehört) immer wieder darauf hin, dass sie der Welt revolution bringen müssen um Erfüllung zu finden. Die Lehre des Schülerrates am Ende der Serie ist die, dass sie vielleicht nicht gleich versuchen müssen die Welt zu verändern, sondern damit anfangen könnten sich nicht mehr von der Welt einschränken zu lassen. (Das werde ich jetzt nicht erläutern, seht euch Folge 37 an und deutet das Batminton Match und was die Charaktere dabei sagen einmal in Bezug darauf was für ein Mensch Utena in Bezug auf gesellschaftliche Zwänge ist.)
In Bezug auf das zerbrochene Ei Nanamis wäre die Bedeutung für Nanami somit, dass sie ihre Schuldgefühle jetzt nicht hätte, hätte sie sich den gesellschaftlichen Zwängen widersetzt.
Und dieser Tiefgang ist in lustigen Metaphern in einer auf den ersten Blick komplett banal wirkenden Folge versteckt, die nichts zum Plot der Serie beiträgt.
Die anderen Folgen, gerade der späteren Serie, wo Folge 27 ja auch dazu gehört, sind voll mit tiefen Botschaften die man nicht unbedingt auf den ersten Blick bemerkt. Botschaften die auf eine absolut geniale Weise in der Symbolik, der Metaphorik, dem Surrealismus und dem Humor der Serie versteckt sind und dieser, wenn man darüber nachdenkt, viel mehr Tiefsinn geben als die Serie auf den ersten Blick vielleicht hat.
Und das macht diesen Anime so unterbewertet. Beitrag wurde zuletzt am 01.06.2019 02:26 geändert.