AsaneRedakteur
#1Wer bei diesem Werk einen typischen japanischen spin-of erwartet, in dem Sinne, daß man eine bekannte Geschichte weiter-spinnt, liegt hier schonmal falsch. Den einzig realen Bezug gibt der Kinofilm "Gullivers Reisen", der gerade im örtlichen Lichtspieltheater zu sehen ist, aus welchem Ted, der Protagonist, gerade mit strenger Hand entfernt wird. Der Name »Gulliver« hat mit dem satirischen Roman von Jonathan Swift [WP] also gar nichts zu tun. Oder nur soweit, als der kleine Held die Romanfigur im Wald trifft, wo Professor* Gulliver abgeschieden von der Welt lebt und seine letzte Reise vorbereitet. Nämlich eine ins Weltall.
*Und auch nicht "Professor", sondern "Doktor", was dem japanischen "Hakase" besser entspricht.
Die Geschichte selber ist nicht wirklich der Rede wert und auch nicht sonderlich interessant. Die Auflösung der verzwickten Situation am Ende gerät auch eher peinlich und lächerlich. Mit seiner selbstgebastelten Rakete machen sich Gulliver und seine Freunde auf zu einem kürzlich entdeckten blauen Planeten und landen schlussendlich in einem bizarren Königreich, das sich im Krieg befindet mit ebenso bizarren Robotern vom Nachbarplaneten.
Die Roboter-Weltall-Kämpfe sind schlicht idiotisch – wie Jahrzehnte später natürlich auch noch – und außerdem Deus ex Machina in Reinkultur. Also besser weiter im Text zu ein paar anderen Aspekten. In den 60er Jahren war der große Traum der Menschheit, ins Weltall und zu anderen Sternen zu fliegen, so nahe wie noch nie. Technische Themen wie die Gemini- und später die Apollo-Flüge beherrschten das Tagesgeschehen, und natürlich auch die böse Atombombe. Beides ist auch hier in »Gullivers Weltraumreise« präsent.
Nicht nur präsent – man kann förmlich in jedem Frame spüren, wie damals der Glaube an eine leuchtende Zukunft durch Wissenschaft und Technik noch ungebrochen war. "Hoffnung" ist das Schlagwort, das alles durchzieht, und es wird auch hier einigemale dick unterstrichen.
Vor diesem Hintergrund der sich gerade entwickelnden Weltraumtechnik ist es interessant zu beobachten, daß solche physikalischen Aspekte wie die Probleme der Schwerelosigkeit recht plastisch und realistisch wiedergegeben werden. Andererseits wird natürlich auch viel kindischer Unfug erzählt – Stichwort: Zeitdilatation [WP] – und auf ziemlich verspielte Weise werden die Sternzeichen vorgestellt. Klassischer Cartoon-Slapstick à la Disney also.
Und damit mal zum Künstlerischen. Ja, das Ganze erinnert in mancher Hinsicht doch stark an das große Vorbild aus Übersee. Nicht nur, was das Edit betrifft, sondern gerade die Figuren selber. Vor großartigen, atmosphärisch recht gelungenen Hintergründen werkeln sehr flächige Charaktere, die sich etwas zu sehr davon abheben. Zum einen, weil auf schwarze Outlines verzichtet wurde, zum anderen, weil Schattierungen fehlen. Die größere Überraschung ist aber, daß sie ganz offensichtlich full animated sind. Und das nach dem damaligen Zeitgeschmack, mit butterweichen Animationen und einer über-grazilen Körpersprache wie bei Disneys »Bambi«.
Die Filmvorführung zu Beginn – nächlicher Sturm und Kentern des Schiffes auf hoher See – ist wirklich sehr eindrucksvoll, weil enorm aufwendig und schwierig zu animieren. Darüber hinaus wählt man das ganz breite Cinemascope-Format, also 1:2,34 – wie praktischerweise auch bei dem gesamten Film hier, in den das Kinospektakel eingebettet ist.
So simpel, cartoonish und bilderbuchmäßig die Figuren auch sein mögen und so beeindruckend die Animationen – der nächste Tiefschlag ist nicht weit entfernt. Die Story hat noch nicht mal eine Richtung entwickelt, da tauchen auch schon die ersten Musical-Nummern mit den bewährten, also kreuzdämlichen Slapstickeinlagen auf. Auch hier folgt man dem Trendsetter Disney, in dessen Fahrwasser man mitschwimmen muss. Vertraut man der eigenen Kunst so wenig?
Musikalisch kriegt man das geboten, was man bei Filmen der 50er und 60er Jahre so erwarten kann: allerlei Bigband-gestützte Unterhaltungsmusik, wie man sie aus den Fernsehshows und Revuen jener Zeit kennt, aber auch fettes, episches Leinwandtheater, das den damals beliebten Sandalenfilmen vom Schlage eines »Ben Hur« alle Ehre macht. Die Filmmusik, die den Ablauf der Geschichte illustrierend begleitet, ist von großem spätromantischen Format und exzellent auskomponiert. Das macht also richtig Spaß.
Allerdings ist auch hier nicht alles Heile Welt. Auch wenn westlicher Slapstick und vermenschlichte Tierwelt den Film dominieren, so werden vereinzelt auch einige sozialkritische Momente skizziert.
Und wer bei den Credits eingangs aufgepasst hat, wird vielleicht auch einen recht bekannten Namen entdeckt haben: Hayao Miyazaki – bei den in-betweens (rechte Spalte, fünfter von oben).
*Und auch nicht "Professor", sondern "Doktor", was dem japanischen "Hakase" besser entspricht.
Die Geschichte selber ist nicht wirklich der Rede wert und auch nicht sonderlich interessant. Die Auflösung der verzwickten Situation am Ende gerät auch eher peinlich und lächerlich. Mit seiner selbstgebastelten Rakete machen sich Gulliver und seine Freunde auf zu einem kürzlich entdeckten blauen Planeten und landen schlussendlich in einem bizarren Königreich, das sich im Krieg befindet mit ebenso bizarren Robotern vom Nachbarplaneten.
Die Roboter-Weltall-Kämpfe sind schlicht idiotisch – wie Jahrzehnte später natürlich auch noch – und außerdem Deus ex Machina in Reinkultur. Also besser weiter im Text zu ein paar anderen Aspekten. In den 60er Jahren war der große Traum der Menschheit, ins Weltall und zu anderen Sternen zu fliegen, so nahe wie noch nie. Technische Themen wie die Gemini- und später die Apollo-Flüge beherrschten das Tagesgeschehen, und natürlich auch die böse Atombombe. Beides ist auch hier in »Gullivers Weltraumreise« präsent.
Nicht nur präsent – man kann förmlich in jedem Frame spüren, wie damals der Glaube an eine leuchtende Zukunft durch Wissenschaft und Technik noch ungebrochen war. "Hoffnung" ist das Schlagwort, das alles durchzieht, und es wird auch hier einigemale dick unterstrichen.
Vor diesem Hintergrund der sich gerade entwickelnden Weltraumtechnik ist es interessant zu beobachten, daß solche physikalischen Aspekte wie die Probleme der Schwerelosigkeit recht plastisch und realistisch wiedergegeben werden. Andererseits wird natürlich auch viel kindischer Unfug erzählt – Stichwort: Zeitdilatation [WP] – und auf ziemlich verspielte Weise werden die Sternzeichen vorgestellt. Klassischer Cartoon-Slapstick à la Disney also.
Und damit mal zum Künstlerischen. Ja, das Ganze erinnert in mancher Hinsicht doch stark an das große Vorbild aus Übersee. Nicht nur, was das Edit betrifft, sondern gerade die Figuren selber. Vor großartigen, atmosphärisch recht gelungenen Hintergründen werkeln sehr flächige Charaktere, die sich etwas zu sehr davon abheben. Zum einen, weil auf schwarze Outlines verzichtet wurde, zum anderen, weil Schattierungen fehlen. Die größere Überraschung ist aber, daß sie ganz offensichtlich full animated sind. Und das nach dem damaligen Zeitgeschmack, mit butterweichen Animationen und einer über-grazilen Körpersprache wie bei Disneys »Bambi«.
Die Filmvorführung zu Beginn – nächlicher Sturm und Kentern des Schiffes auf hoher See – ist wirklich sehr eindrucksvoll, weil enorm aufwendig und schwierig zu animieren. Darüber hinaus wählt man das ganz breite Cinemascope-Format, also 1:2,34 – wie praktischerweise auch bei dem gesamten Film hier, in den das Kinospektakel eingebettet ist.
So simpel, cartoonish und bilderbuchmäßig die Figuren auch sein mögen und so beeindruckend die Animationen – der nächste Tiefschlag ist nicht weit entfernt. Die Story hat noch nicht mal eine Richtung entwickelt, da tauchen auch schon die ersten Musical-Nummern mit den bewährten, also kreuzdämlichen Slapstickeinlagen auf. Auch hier folgt man dem Trendsetter Disney, in dessen Fahrwasser man mitschwimmen muss. Vertraut man der eigenen Kunst so wenig?
Musikalisch kriegt man das geboten, was man bei Filmen der 50er und 60er Jahre so erwarten kann: allerlei Bigband-gestützte Unterhaltungsmusik, wie man sie aus den Fernsehshows und Revuen jener Zeit kennt, aber auch fettes, episches Leinwandtheater, das den damals beliebten Sandalenfilmen vom Schlage eines »Ben Hur« alle Ehre macht. Die Filmmusik, die den Ablauf der Geschichte illustrierend begleitet, ist von großem spätromantischen Format und exzellent auskomponiert. Das macht also richtig Spaß.
Allerdings ist auch hier nicht alles Heile Welt. Auch wenn westlicher Slapstick und vermenschlichte Tierwelt den Film dominieren, so werden vereinzelt auch einige sozialkritische Momente skizziert.
Und wer bei den Credits eingangs aufgepasst hat, wird vielleicht auch einen recht bekannten Namen entdeckt haben: Hayao Miyazaki – bei den in-betweens (rechte Spalte, fünfter von oben).
Beitrag wurde zuletzt am 05.04.2024 04:32 geändert.
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