Kikis kleiner Lieferservice (1989)

Majo no Takkyuubin / 魔女の宅急便

Episode 1 – Kikis kleiner Lieferservice

Beachte bitte, dass in dem Thema grundsätzlich Spoiler zur aktuellen und vorhergehenden Episoden erlaubt ist. Spoiler zu nachfolgenden Episoden des Anime „Kikis kleiner Lieferservice“ sind untersagt. Beschränke dein Feedback daher bitte primär auf die konkrete ausgewählte Folge und der Handlung die bis dahin geschehen ist.
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Avatar: Asane
Redakteur
#1
Was du ererbt von deinen Vätern hast,
Erwirb es, um es zu besitzen.

[Johann Wolfgang von Goethe]



Lose Betrachtungen zu einem außergewöhnlichen Film [1/2]


Im allgemeinen gelten die Ghibli-Filme – insbesondere diejenigen von Hayao Miyazaki – hierzulande als leichtverdaulich und familienfreundlich, ähnlich denen von der anderen Seite des Globus, die unter dem Label von Disney resp. Pixar erschienen sind. Zumal mit "Majo no Takkyuubin" (aka "Kikis kleiner Lieferservice") Miyazaki ein Werk geschaffen hat, das ein japanisches Kinderbuch als Vorlage hat. Allerdings ist dieses Werk mehr als einfach nur ein Film für Kinder. Oder für die ganze Familie. Weit mehr als bloß ein Versuch, ein weiteres Mal das beliebte Thema "coming of age" auf die Leinwand zu bringen. Unter der harmlos-knuffigen Oberfläche verbergen sich einige Besonderheiten, die über das, was man von derlei Filmen gewohnt ist, deutlich hinausgehen, die auf vielseitige Art Themen und Aspekte aus dem Leben und über das Leben einer angehenden Hexe ansprechen – nie direkt, sondern eher unscheinbar und subtil – und die diesen Film also mühelos in die Gefilde ganz großer Kunst heben.

[Prämisse]
Eine dieser Besonderheiten liegt beispielsweise darin, dass es bei diesem Film um ein Hexenmädchen im wesentlichen gar nicht um Magie geht. Kiki ist die Tochter einer Frau, die man, auf heutige Verhältnisse übertragen, am ehesten als Heilpraktikerin bezeichnen könnte, und sie ist darüber hinaus in diesem Film die einzige Person, die überhaupt von Magie Gebrauch macht. Genauer: von Magie, die nicht nur auf die Fähigkeit, fliegen zu können, beschränkt ist. Gerade das ist Kikis bislang einzige übernatürliche Gabe, die für sie so einfach und so selbstverständlich ist wie für andere Fahrrad fahren.

Sie ist also im Grunde genommen ein ganz normales Mädchen, und da hier Magie nichts damit zu tun hat, mit Zaubersprüchen, Beschwörungen und anderem übernatürlichen Brimborium Probleme wegzuhexen, Feinde zu besiegen und sich das Leben leicht zu machen, sind die Schwierigkeiten, die sich ihr in den Weg stellen und mit denen sie zu kämpfen hat, auch mehr alltäglicher Natur. Wie bei anderen Menschen eben auch.

Viele Menschen haben eine besondere Fähigkeit. Eine Veranlagung, die sie von Beginn an in sich tragen und die, wenn's einigermaßen gut läuft, ihren Lebensweg bestimmt. Manche bringen handwerkliche Fertigkeiten mit (Tombo), andere künstlerische (Ursula) oder überhaupt kreative, und wieder andere haben eine ausgesprochen soziale oder organisatorische Begabung.

Kikis besondere Gabe ist die Magie. Und die Besonderheit dieser Magie liegt darin, dass sie nichts Besonderes ist. Sie wird wie jede andere Befähigung eingesetzt. Zum Nutzen aller wie letztlich auch zum Nutzen der eigenen Person. Und anders als anderswo hat diese Fähigkeit nichts Mysteriöses oder Furchteinflößendes; sie ist kein Werk des Teufels, für das man auf den Scheiterhaufen kommt, und daher nichts, worüber man sich wundern oder weswegen man um sein Leben fürchten oder sonstwie in Panik geraten sollte.

Daher kann Kiki ohne Bedenken im Vorbeiflug den Fischern im Hafen zuwinken, welche fröhlich zurückwinken und sich freuen. So sorgt auch Kikis erstes Auftreten in ihrer Stadt durchaus für einiges Aufsehen, weil unerwartet; größeres Aufhebens davon macht aber keiner der Einwohner, der Türmer nicht, und erst recht nicht die Bäckersfamilie. Man hat schon davon gehört – Zitat Bertha: "Meine Uroma hat mir davon erzählt"; Zitat Tombo: "wie bei meiner Oma" – und kennt das ja …

[Kiki]
Eine angehende Hexe muss im Alter von 13 Jahren die Heimat verlassen und ein Hexenjahr (shugyo - eine Art Praktikumsjahr) in einer Stadt absolvieren, in der noch keine andere Hexe ansässig ist. Anders ausgedrückt: flügge werden und sich ein eigenes Revier suchen. An dieser bedeutsamen Schwelle steht nun auch Kiki. An der Schwelle zum Erwachsenwerden, dem ersten Schritt in die Selbständigkeit. Für heutige Verhältnisse mag man das als unzumutbare Härte, vielleicht als grausam empfinden, aber auch in Europa war es bis vor wenigen Generationen noch üblich, die Kinder in etwa diesem Alter (meist 14) in die Lehre zu geben. Gerne auch auswärts, damit es andere Sitten und Gebräuche kennenlernt. Das Kinderlied "Hänschen klein" erzählt davon.

Dass es eine Stadt sein muss, die noch an keine andere Hexe vergeben ist, mag damit zusammenhängen, dass es nicht zur Bildung einer Clique kommen soll; auch nicht zur Rudelbildung oder einer Konkurrenzsituation, da etwas in dieser Art die Entwicklung von Selbständigkeit und Eigenverantwortung unterlaufen würde. Aus dem gleichen Grund muss sie sich während dieser Zeit mit einem schlichten schwarzen Kleid begnügen. (Also quasi die Schuluniform der Hexenlehrlinge. – Wie man sieht, ist es aber immer noch möglich, dies mit sicherem Gespür und gutem Stilempfinden in einem gewissen Grade etwas aufzupeppen.)

Charakterlich bringt Kiki jedenfalls schon recht gute Voraussetzungen mit. Die ersten Szenen verdeutlichen das sehr plastisch, obwohl sie nicht darauf ausgelegt scheinen, den Zuschauer mit Kikis Naturell und ihrer Gedankenwelt vertraut zu machen. Nun gut, letzten Endes ist das schon auch Sinn und Zweck solcher Szenen. Aber hier werden sie so gestaltet, dass es nicht auffällt; als sei das, was geschieht und vor allem was gesagt wird, einfach nur zufällig und ohne genaues Ziel. Die Schnitte und Kamerawinkel sind so gewählt, dass ein normales Alltagsleben eingefangen wird, ohne inszeniert zu wirken, ohne die typischen Wechsel der Einstellung zwischen den Personen, die gerade reden und deswegen in den Vordergrund gerückt werden.

Solche kurzen Eindrücke genügen vollkommen, um ein Bild von Kiki und ihrem Wesen zu bekommen. Wir erleben sie im Selbstgespräch (oder im Dialog mit Jiji – was aber auf dasselbe hinausläuft), im Verhalten ihren Eltern gegenüber und – vor allem! – gegenüber Außenstehenden wie Dora, der Rheuma-Patientin (auch wenn die eine gute Bekannte des Hauses ist), und jedesmal wechselt das Verhalten von Kiki: von entschlossen und etwas unwirsch über kindliche Herzlichkeit bis zu vorbildlicher Höflichkeit, die aber nichts Erzwungenes oder Erlerntes verrät, sondern sich in spontanen, wohlgewählten Worten äußert und die einfach Teil ihres Naturells zu sein scheint.

Miyazaki dazu:
Vor ihren Eltern verhält sich Kiki wie ein Kind, aber wenn sie alleine ist, hängt sie ernsthaften Gedanken nach. Während sie gleichaltrigen Jungs gegenüber schon mal patzig wird, verhält sie sich respektvoll gegenüber älteren Menschen. Speziell wenn ihnen ihre Bewunderung gilt. Keinesfalls jedoch verhält sie sich berechnend; ihre Reaktionen, ob spontan oder als Ausdruck erlernter guter Manieren, spiegeln die ganze Bandbreite ihrer Persönlichkeit.

Vor allem bei einem Rewatch, wenn man ihre Persönlichkeit und ihre Entwicklung schon kennt, tritt das klar zutage. Aber auch schon zu Beginn ist das zu spüren, wenn man sieht, wie Kiki auf der Wiese liegt, entspannt, scheinbar gedankenverloren, dennoch hochkonzentriert und energisch einen Entschluss fassend. Und es wird auch deutlich, wie enorm erwachsen Kiki hier schon handelt. Denn dazu braucht es schon eine gehörige Portion Selbstbewusstsein, Entschiedenheit und Unabhängigkeit im Denken. Kurz: eine schon weit entwickelte Persönlichkeit.

Noch etwas zu dieser Szene: kaum ein Laut ist zu vernehmen, als Kiki wie geistesabwesend im Gras liegt, nur das Rascheln der Halme im Wind, entferntes Vogelgezwitscher und eine Biene, die sich summend nähert. In diesem Augenblick setzt die Musik ein. Ein leichtes, schwebendes Stück im Dreiertakt (langsamer Walzer), ein Gleichklang im Wiegen der Halme und dem Wiegen der Musik, in welcher Okarina und Mandoline den Ton und die Stimmung vorgeben. So wird nicht nur die stille Serenität der Natur eingefangen, sondern zugleich auch die Ruhe und Ausgeglichenheit von Kiki abgebildet. Wenn sie gewissermaßen ganz "bei sich selbst" ist. An einigen Schlüsselpunkten des Film wird dieses Thema wieder aufscheinen und illustriert dann nicht nur das Geschehen, sondern kommentiert, ja - interpretiert es.

Dennoch muss man sich keine ernstlichen Sorgen um sie machen: ein makelloses Muster an Wohlerzogenheit und Ausbund ekelhafter Strebsamkeit ist Kiki nun auch wieder nicht. Im Grunde nur ein ganz normales Mädchen kurz vor der Pubertät, das recht ähnliche Wünsche und Interessen hat wie andere ihres Alters eben auch. Daher mosert sie auch erst mal rum, als es um das schwarze Kleid geht, hat möglicherweise auch Interesse an altersgemäßem Zeitvertreib, wie das bei der spontan einberufenen Abschiedsparty anklingt, besitzt allerlei Krimskrams, der sich in ihrem Zimmer verteilt, ist sich dabei aber stets im klaren, was in ihrem Leben gerade Priorität hat.

Eine der faszinierenden Seiten des Film liegt darin, auf welche Art all die Situationen, in die Kiki gerät, genutzt werden, um das Bild einer tiefen und sehr vielschichtigen Persönlichkeit zu entwerfen, um einen tiefen Blick in ihr Seelenleben gewähren; und wie es gelingt, dem Zuschauer eine Person vor Augen zu führen, die im Grunde völlig natürlich reagiert und in der der Zuschauer sich wieder erkennt.

In vielen unscheinbaren Momenten geschieht dies. Es geschieht, ohne dahinter eine Absicht erkennen zu lassen, sei's im Wechsel der Kameraperspektive (es lohnt sich, mal darauf zu achten, wann die Kamera Kikis Ich-Perspektive einnimmt), sei's in den ganz natürlichen Dialogen, sei's in den vielen wortlosen Szenen, in denen Gestik und Mimik für sich sprechen. In all solchen Kleinigkeiten spiegelt sich eine Persönlichkeit, mit der der Zuschauer sympathisieren kann, nicht nur weil er selber die Schwierigkeiten kennt, denen sich Kiki ausgesetzt sieht (und die weitaus größer und komplexer sind, als man sich das bei einem "zum ersten Mal auf eigenen Beinen stehen" überhaupt vorstellt), sondern weil dies sich eben an den kleinen Dingen des Lebens manifestiert und dabei nicht das ganz große Drama abzieht; – an Dingen, die man als Zuschauer leicht übersehen kann und die doch das Charakeristische unterstreichen. Recht oft sind das Szenen, die absolut nichts zur Entwicklung der Handlung beitragen. Wortlose Szenen, die für sich selbst stehen und die sich selbst erklären.

Was Kiki allemal zugute kommt, ist das, was Eltern ihren Kindern oft unter großen Mühen einzuimpfen suchen: Anstand und gutes Benehmen. Zunächst sichtlich unsicher und etwas formelhaft, agiert sie späterhin in der Fremde merklich selbstbewusster und innerlich gelöster. Und dort in der Fremde hilft ihr dieses Gespür für gutes Benehmen für den Anfang über einige schwierige Situationen hinweg. Dies so darzustellen, ohne aufdringlich die pädagogisch wertvolle Message gleich mit im Boot zu haben – das gehört zu den ganz großen Stärken des Films.

Was sich also in all diesen Kleinigkeiten zeigt, ist vor allem eines: das Menschliche.

Und so nebenbei: ein geringes Maß an Verschlagenheit macht sie allemal sympathischer. Sei's in der Gewitterszene ("wir dürfen uns nur nicht erwischen lassen") oder als sie – gerade erst in der Stadt angekommen und ungebührlich für Aufsehen sorgend – sich bei erstbester Gelegenheit aus der Verantwortung stiehlt, um nicht weiter vom Polizisten zur Rede gestellt zu werden, der sie wegen "Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr" drankriegen will. Wie auch in der kurzen Szene, als sie beim Wiegen des Pakets ein klein wenig nachhilft.

[Nachtflug]
Nach dem nächtlichen Abflug vor versammelter Mannschaft erleben wir Kiki zum ersten Mal so richtig in Aktion. Dies gibt der Regie Gelegenheit, einige Facetten ihres Charakters, die bisher nur zart angedeutet worden sind, etwas plastischer auszugestalten. Was ihre technischen Fertigkeiten betrifft, wird hier die eingangs angesprochene Parallele von Besen fliegen und Fahrrad fahren erstmals so richtig sichtbar. Einem grenzwertig desaströsen Start, bei dem es einige Zeit dauert, bis sie ihr Gleichgewicht gefunden hat, folgt eine ruhige und unspektakuläre Geradeausfahrt – zu ruhig für Kikis Geschmack, und so fängt sie an auszutesten, ob das auch freihändig geht.

Aber auch einige andere kleine Details bei der Begegnung mit einer Senpai sprechen Bände, wie etwa das leichte, unkontrollierte Absacken, als sie gerade ihr Radio ausschaltet. Gerade diese Begegnung ist reich an beredten Einzelheiten. Die freundliche Offenheit und Neugierde Kikis trifft auf eine selbstbewusste und etwas distinguierte Person, die auf den ersten Blick ein wenig blasiert und überheblich wirken mag. Dabei ist schwer auszumachen, ob sie sich an Kikis Verhalten einfach nur stört oder ob es sie mehr amüsiert. Unterzieht man diese Szene einem zweiten Blick, ohne ein gut/böse oder sympathsich/unsympathisch im Hinterkopf zu haben, wird man wohl zu dem Schluss gelangen, dass sie Kiki wohl mit einigem Recht kritisch beäugt: nicht nur, dass sie sich durch das Gedudel gestört fühlt, hat sie auch weit eher einen Begriff von Verkehrssicherheit. Denn da, wo sich bei Kiki das Radio befindet, hat sie stattdessen ein Positionslicht installiert. Und als sich im Gespräch herausstellt, wie wenig Kiki eine klare Vorstellung davon hat, was sie erwartet und was sie mit ihren Fähigkeiten anfangen will, steigert das nicht gerade ihr Wohlwollen, ist für sie aber auch noch lange kein Anlass für Häme oder Geringschätzung. So bleibt sie zwar Kiki gegenüber etwas reserviert, ist aber dennoch von aufrichtiger Freundlichkeit und verabschiedet sich mit einem netten "anata mo ganbatte ne" (na dann, alles Gute!).

Auch in dieser Szene zeigt sich Jiji als die innere Stimme von Kiki, da er meist eine Gegenposition wie in einem inneren Monolog vertritt, was späterhin noch einige Male der Fall sein wird. Besonders goldig übrigens, wie sich die ganze Zeit über Jiji und die Katze der angehenden Wahrsagerin unablässig taxieren …

Was aber durchweg in diesen Szenen dominiert, ist der jugendlich unreflektierte und gnadenlose Optimismus, der Kiki zu eigen ist, sowie die kribbelnde Euphorie, die einen befällt, wenn man zum ersten Mal allein auf großer Fahrt ist, wie etwa beim ersten Trip mit nagelneuem Führerschein. Diese kindliche, unverstellte Unbekümmertheit löst teils Befremden, dann aber auch Wohlwollen aus wie eben bei der nächlichen Begegnung. Doch genau das ist es, was Kiki so manche fremde Türen öffnen wird. Daher lässt sie sich gerne vom Gefühl des Augenblicks überwältigen, als sie in aufgeregter Hochstimmung am nächsten Morgen die Nase in den Fahrtwind hält.

[In der Fremde]
Gerade in Kiriko angekommen, eröffnet sich Kiki eine lichte, heitere Welt als Mischung aus mediterraner Leichtigkeit und skandinavischer Luzidität. Was sich vor allem auch in der Musik niederschlägt. Hier bekommen wir die für den Soundtrack so typische breite Palette südländischen Lebensgefühls zu hören, von Fandango über Tarantella bis hin zum Tango.

Der Ort lässt sich beschreiben als eine (im ursprünglichen Wortsinn) ideale Stadt in einer idealen Zeit, Mitte des vorigen Jahrhunderts; einer Zeit, in der kein Weltkrieg stattgefunden hat. Städtebaulich stark beeinflusst von Stockholm und Visby, den Städten, die das Ghibli-Team bereist hat, um die Möglichkeit einer Anime-Umsetzung von "Pippi Langstrumpf" auszuloten. Grob lässt sich das den 40er Jahren zuordnen, mit gewissen Lizenzen und anderen künstlerischen Freiheiten. Die aber durchaus so gewollt sind. So fällt in der kleinen Gesellschaft bei Kikis Abschied das Wort "Disco" (bezeichnenderweise wird nicht von Jungs gesprochen), und einige andere technische Details scheinen eher den 60er Jahren entnommen zu sein. Auf den englischsprachigen Anime-Sites ist darüber hinaus noch von Walkman und Mikrowelle die Rede. Bei der Mikrowelle dürfte es sich um den elekrischen Ofen der alten Dame handeln, der ausgefallen ist; und sollte jemand in diesem Film einen Walkman sichten, so bitte ich um einen Hinweis, wo das denn sein soll.

Auch in anderen Dingen gestattet man sich etliche Freiheiten, die jedoch vor allem dem dramaturgischen Konzept geschuldet sind. Dass daher banale Dinge wie Anmeldung eines Gewerbes und eines Telefonanschlusses großzügig übergangen werden, sei mal ignoriert. Auch dass die Post keine Einwände gegen Kikis Treiben äußert, wie auch Finanz- und Einwohnermeldeämter noch nicht erfunden sind, nimmt man wohlwollend zur Kenntnis und stört sich nicht weiter dran; soviel widerliche Realitätsnähe hätte dem Film auch nicht gut zu Gesicht gestanden. Allein dass Kiki sich von den Ordnungshütern eine Strafpredigt anhören muss, weil sie beinahe einen Unfall verursacht hat, ist schon genug an stellvertretender Realitätsnähe und reicht vollkommen aus als Nachweis eines funktionierenden Gemeinwesens.

Daher zieht sich Kiki erstmal aufs Formelle zurück, als sie in die fremde Stadt kommt, und besinnt sich auf ihre Manieren. Kinder können unglaublich viel, wenn sie wirklich wollen und wenn's drauf ankommt. Das ist bei ihr nicht grundsätzlich anders, abgesehen von dem Umstand, dass sie sich nicht dazu zwingen muss, da es ihr gewissermaßen im Blut liegt. Und doch mündet ihr erster großer Auftritt in einem Debakel.

Was sie an diesem ersten Tag erfährt, ist Stadtleben auf die harte Tour. Und ein erstes Gefühl dafür bekommen, was es bedeutet, in einer fremden Umgebung auf sich allein gestellt zu sein. Dieser völlig neue Kosmos sowie die mangelnde Erfahrung lassen in ihr das Gefühl aufkeimen, diese Stadt sei kalt, die Leute unfreundlich und sie nicht willkommen. Das stimmt natürlich nicht, wie der Zuschauer anhand der Bilder leicht feststellen kann. Jiji (als die Projektion der "anderen Seite" ihres inneren Ichs) bestärkt sie darin und möchte sie zum Weiterreisen überreden, worauf sie den Entschluss fasst, es doch erst mal richtig zu versuchen.

In solchen Szenen findet Miyazaki genau den richtigen Weg zwischen Drama und Comedy, zwischen Heiterkeit und Niedergeschlagenheit. Wie in der Hotelszene, wo der Zuschauer hautnah spüren kann, wie Kiki ihren ganzen Mut zusammennimmt, das noble Gebäude betritt und sich dennoch furchtlos und mit einem gewissen inneren Stolz vor dem Portier aufbaut. Dessen doofes Nachfragen sie, weil der partout nicht verstehen will, mit einem knappen und vielleicht etwas zu schnippischen "kekkou desu!" entgegnet (das Deutsche hat's mit "Vergessen Sie's" ziemlich gut getroffen) und erhobenen Hauptes den Ort ihrer nunmehr zweiten Niederlage hinter sich lässt.
Hier also erfährt der Zuschauer beides: Kikis allgemeinen Gemütszustand samt ihren Selbstzweifeln, gemischt mit dem Gefühl des Fremdseins und der Verlassenheit, und auf der anderen Seite die unaufdringlichen Momente genuin komischer Situationen wie eben dieser: Kiki in ihrem schlichten Gewand samt Besen und Katze in scharfem Kontrast zu dem gediegenen Ambiente eines Stadthotels.

Diesen vermehrten Frust, gepaart mit wachsender Unsicherheit und Mutlosigkeit, zu illustrieren, ist der Stadtpark natürlich genau der richtige Ort. Auch hier erfährt sie, und der Zuschauer vielleicht noch stärker, den harten Kontrast: eine Fremde, die nicht einmal weiß, wo sie die nächste Nacht verbringen soll, unter all den fröhlichen, lebhaften, geschäftigen Menschen, die den Park bevölkern und unter denen Kiki am wenigsten auffällt. In dieser kleinen Szene bekommt man eine Vorstellung davon, wie unsicher und prekär ihre Lage derzeit ist. Diese sehr gemischten und unterschiedlichen Zustände den Zuschauer förmlich miterleben zu lassen, das ist in erster Linie das Werk einer genialen, weil sorgfältigen Regie.

So gibt Kiki ihrem Unbehagen nach, als sie das Polizeiauto hereinfahren sieht, und macht sich auf, weiterhin ohne Ziel durch die Stadt zu wandern. Bis sie auf einem Hügel an einem Mäuerchen neben einer Bäckerei anlangt. – Wann genau hat sie eigentlich das letzte Mal gelächelt?

つづく
Beitrag wurde zuletzt am 15.12.2023 18:56 geändert.
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Avatar: Asane
Redakteur
#2
Lose Betrachtungen zu einem außergewöhnlichen Film [2/2]


[Leben in Koriko]
Die Kunst der Szenenabfolge besteht in diesem Film darin, diese so zu arrangieren, dass sie in sich schlüssig und keineswegs inszeniert wirkt. Generell sind erstaunlich wenig Szenen didaktisch motiviert. So auch hier bei dem Schnullervorfall, der Kiki die Gelegenheit gibt, einerseits helfend einzugreifen und im Zuge dessen – andererseits – mit einer freundlichen Person aus dieser fremden Stadt zwanglos ins Gespräch zu kommen. Daher erweist sich diese Szene letztlich als Türöffner, um in der Bäckerei Unterkunft zu finden. Und allmählichen Anschluss an die Gesellschaft dieser Stadt.

Vielleicht sollte auch das einmal erwähnt sein: anders als heute war es zu jener Zeit schlicht unmöglich, für sich selbst – abgeschottet und anonym in der großen, unpersönlichen Masse – zu überleben. Es gab kaum Supermärkte, wo man alles Lebensnotwendige auf einem Fleck finden konnte, und erst recht gab es keine Möglichkeit, all das online zu organisieren. Also ist sie darauf angewiesen, Kontakte zu knüpfen und Teil des sozialen Lebens zu werden. Denn der Aufbau von Bekanntschaften und Beziehungen ist schlicht lebensnotwendig, gesellschaftlich wie biologisch essentiell, ganz abgesehen von dem Aspekt menschlicher Nähe. Auch ist das Teil ihres Hexenjahres. Und vielleicht sogar der wichtigste.

Noch aber überwiegt eine gewisse innere Anspannung, ein diffuses Gefühl des Fremdseins, das sich in vielen Details ausdrückt. Ein wesentliches jedoch bleibt für den Zuschauer, der der deutschen Version den Vorzug gibt, verborgen: Zu Beginn des Films sieht man Kiki in der Wiese liegen, wie sie Papas Transistorradio neben sich hat und konzentriert dem Wetterbericht lauscht. Diesen hört sie natürlich in der ihr vertrauten japanischen Sprache. Hier in der fernen Stadt allerdings kann sie Nachrichten und andere Sendungen nur noch in englischer Sprache empfangen*.

*So wirklich konsistent ist das allerdings nicht; denn auch hier erlaubt man sich einige Freiheiten. Zum einen hat sie auch das Radio an, während sie zu Hause ihre Sachen packt, und es läuft eine englischsprachige Sendung; zum anderen strahlt das örtliche Fernsehen von Koriko Sendungen in Japanisch aus.

Solche kleinen Momente sind es, oft ohne Worte, die diesen Eindruck der Fremdheit transportieren. Nicht nur "weit weg von zuhause" [E.T.] mit Papas Radio und fremdsprachigen Sendern, es gibt auch viele kleine, für sich sprechende Takes, Perspektivenwechsel und Kamerapositionen, die das unterstreichen. Wie etwa die Szene, als Kiki zum ersten Mal in einem fremden Bett aufwacht. Man übersieht so etwas leicht oder nimmt es nicht bewusst wahr, aber solche scheinbar belanglosen Kleinigkeiten sind ungemein charakteristisch für Miyazakis Stil der leisen Töne, der in solchen Einstellungen tief in das Gemüt einer Person blicken lässt. Tiefer und vor allem eindringlicher, als ein Dialog mit Jiji oder ein Sprecher aus dem Off das vermitteln könnte.

Nachdem nun Kiki die Bäckersfrau von ihrer Geschäftsidee unterrichtet hat und diese sie nach Kräften darin unterstützen will, gewinnt sie alsbald nicht nur erste Kunden, die per Hörensagen von diesem neuen Lieferservice erfahren haben, sondern sie gewinnt damit vor allem Selbstvertrauen und neue Lebensfreude. So stellt sich am Ende heraus: die Leute in dieser Stadt sind gar nicht so unfreundlich, wie es kurze Zeit zuvor noch den Anschein hatte; etwas reserviert vielleicht, aber von herzlicher Gastfreundschaft. Und so kommt es, dass Kiki alsbald von vielen Seiten Unterstützung und Anerkennung erhält, vielleicht sogar ohne dass die Helfer selber sich dessen bewusst sind.

Es liegt in ihrer Natur, in ihrer offenen, unbefangenen Art, auf Menschen zuzugehen und den richtigen Ton zu treffen. Dadurch vermag sie es, die Leute für sich zu gewinnen, wie zum Beispiel die Senpai während des nächtlichen Flugs, die Bäckersfamilie, oder eben jetzt die alte Dame mit ihrem Pastetenproblem (das Japanische bezeichnet diese Pastete als "Hering-Kürbis-Auflauf"). In dieser Szene kann quasi exemplarisch nachverfolgt werden, wie Kiki es angeht, sich Menschen zu nähern, die sie noch nicht kennt. Und dies geschieht, wie eben erwähnt, nicht auf der Ebene großer Worte oder Gesten, sondern in winzigen Einzelheiten der Mimik, des Sprachduktus, der Wortwahl und – wie immer – durch den Blick der Kamera auf die Szene.

So folgt dem Hochgefühl schlagartig die Ernüchterung, als es darum geht, den Auflauf an die Enkelin auszuliefern. Nicht nur der heftige Regen als Widersacher, der partout sich nicht an die Vorhersage halten will (fast schon ein running gag), auch andere widrige Umstände werfen sich Kiki in den Weg. Triefend nass am Haus der Enkelin angekommen, zeigt sich die kleine Geburtstagslady keineswegs so überschwenglich erfreut, wie Kiki sich das wohl ausgemalt hatte. Und sie gibt deutlich zu verstehen, dass sie das Zeug eigentlich nicht mag.

In diesem Zusammenhang von einem klassischen Generationenkonflikt zu reden, wäre sicherlich übertrieben; aber dieses Mädchen hier ist keinesfalls die undankbare, snobistische Zicke, als die sie in manchen Kommentarbeiträgen dargestellt wird. – Im Gegenteil: angesichts des Umstands, dass sie (so wie's aussieht: mehrfach!) kundgetan hat, wie wenig sie von Hering-Kürbis-Auflauf hält und die Oma das offenbar großherzig ignoriert, reagiert sie durchaus moderat, und keineswegs lässt sie ihren Unmut an Kiki aus! Denn dass die an all dem keine Schuld trägt, registriert das Mädel sehr wohl – und Kikis Frust und Ärger resultiert zum Teil auch aus dem Umstand, dass sie hier mit ihrem Charme nichts ausrichten kann. Sie kann nicht beschwichtigend eingreifen, nur resigniert konstatieren.

Sich darüber klar zu sein und sowas nicht persönlich zu nehmen, ist eigentlich eine Grundvoraussetzung im Dienstleistungsgewerbe. Hier zeigt sich die Unerfahrenheit im menschlichen bzw. gesellschaftlichen Umgang auf beiden Seiten: Kiki, die (vermeintlich) Abweisung zu spüren bekommt und sich das zu Herzen gehen lässt (aber doch im Innersten weiß, dass nicht sie persönlich gemeint ist), wie auch die Enkelin, die fälschlicher- bzw. unnötigerweise Kiki ihre Frustration spüren lässt. Auch hier lohnt es sich, die Szene mehrfach anzuschauen, aus der Position eines neutralen Außenstehenden: In jeder Geste und in jedem Satz schimmert durch, dass sie kein gefühlskaltes, hochnäsiges, undankbares Persönchen ist – was sich während der nächsten Tage dann auch bestätigt, wo wir sie im Freundeskreis von Tombo wiederfinden werden. Wie in so vielen Situationen in den Filmen von Miyazaki herrscht auch hier keine Spur jenes Schwarz-Weiß-Denkens, das größere Teile des westlichen Publikums offenbar so dringend braucht, um sich die Welt einzuteilen.

Dennoch ist Kiki natürlich desillusioniert und frustriert, wütend, verärgert und erschöpft, ungewohnt viel auf einmal jedenfalls, erkennt wohl, dass es weder ihr Fehler ist, noch dass es gegen sie persönlich geht, kommt aber nicht dagegen an. Das trägt natürlich nicht zur Verbesserung ihres inneren Befindens bei und führt dann zu diesem desaströsen nächsten Morgen.

Die Party mit Tombo und seiner Gesellschaft fällt damit buchstäblich ins Wasser. Am übernächsten Tag meldet die Nervensäge sich aber zurück. Auf doch originelle Weise, und man darf vermuten, dass Osono da ihre Finger im Spiel hatte und ihm mit ein paar Tipps zur Seite stand. Die Demo-Vorstellung seines Projektes, die übrigens zu dem bemerkenswerten Statement von Kiki führt "ich bin noch nie Fahrrad gefahren" (wozu auch, wenn man fliegen kann?) und die sich zu einem höchst unverantwortlichen Parforceritt auswächst, der hart an der Grenze zur Realität angesiedelt ist und den Gesetzen der Fahrphysik mehrmals zu trotzen scheint, – diese Demo-Vorstellung führt zu der überraschenden Erkenntnis, dass Kikis magische Fähigkeiten wohl nicht nur an Besen gebunden sind.

Dem Absturz samt Crash folgt der Moment des Schocks, einer Katastrophe knapp entkommen zu sein, und trotz (oder vielleicht wegen?) des glimpflichen Ausgangs kann sie nicht mehr an sich halten, und man sieht Kiki aus vollem Halse lachen. Das erst Mal seit langer Zeit. Die Musik bestätigt das: ebenfalls seit langer Zeit erklingt hier wieder das wiegende Dreiertakt-Thema des Anfangs; das erstemal seit langem ist Kiki wieder sie selbst, mit sich und der Welt im Reinen.

Und genau an dieser Stelle erfolgt der Bruch.

[Die Krise]
Oberflächlich betrachtet ist der Kritische Punkt der Einladungsversuch Tombos, wo er sie auch seinen Freunden vorstellen will. Unter ihnen die Enkelin von letztens, die Kiki sehr wohl wiedererkennt. Letztlich ist es nicht ganz einfach, genau die Momente zu fassen zu kriegen, die zu der Ablehnung und dem Gefühlsdurcheinander bei Kiki führen. Es ist auch hier: ungewohnt viel auf einmal. Ihre vergleichsweise schroffe Zurückweisung "ikanai, sayonara" ("Ich komm nicht mit. Auf Wiedersehn!") hat einige äußerliche Gründe: da ist die Gruppe der Freunde, die sie (nicht ganz zu unrecht) als vielleicht nett, aber auch als oberflächlich wahrnimmt. Die scheinbar nichts anderes im Sinn haben, als miteinander rumzuhängen die Zeit totzuschlagen. Dass sie an eine gewisse Person nicht die besten Erinnerungen hat, macht die Sache nicht eben besser. Obwohl (doch das kann Kiki nicht hören) auch sie sich freundlich, sogar anerkennend über sie äußert und ihr mit keinerlei Häme oder Abneigung begegnet.

Natürlich ist Kiki im Grunde auch nichts anderes als ein normales Mädchen, das normale Interessen hat, wie es ihrem Alter entspricht; doch sie bringt andere Voraussetzungen mit, und im vorausgegangenen Gespräch mit Tombo fällt der bezeichnende Satz über das Fliegen: "das ist nicht einfach nur Spaß, für mich ist das Arbeit" – unausgesprochen dabei: nicht nur Spaß, wie bei dir. Im Widerstreit der Gefühle – Freunde finden zu wollen, aber keiner oberflächlichen Spaßgesellschaft anzuhängen; bei einer gut eingespielten Truppe, die einen womöglich nicht für voll nimmt; dem ersten vernünftigen Gespräch mit Tombo, das dieser unterbricht, um den Kumpels seine neue Freundin vorzustellen; die Eifersucht und die Wut auf ihn, wie er sich zwanglos gibt, zusammen mit der Verärgerung über seine Taktlosigkeit** – kulminiert all das in diesem einen Augenblick und führt zu einem tiefsitzenden Unbehagen, einer Verletzung, die sie zur geordneten Flucht treibt. Es ist nicht nur einfacher "Stolz" (wie Miyazaki äußert), es sind emotionale Welten, die aufeinanderprallen und die zu einem inneren Kuddelmuddel führen, dem sie nicht mehr gewachsen ist. Hier versagt ihre Souveränität, hier sieht man den Übergang vom Kindsein zum Erwachsenwerden förmlich vor Augen. Wie sie so dasitzt neben Tombo macht sie den Eindruck eines kleinen, glücklichen Mädchens, aber sie bringt noch nicht die emotionale Übersicht und Stärke auf, hier richtig und angemessen zu reagieren. Ihre Ablehnung geschieht nicht mit gespielter Hochnäsigkeit oder diesem gewissen Trotz, wie das in den Skizzen noch zu sehen ist, sondern instinktiv, aus einer tiefen, undeutlich empfunden Ablehnung gegen alles Mögliche – und letzten Endes auch gegen sich selbst. Mit einem Wort: Pubertät.

**Einfühlungsvermögen ist nicht direkt seine Stärke. Sein Handeln scheint bisweilen überlagert von Geltungstrieb und einem gewissen Hang zu egoistischem Verhalten. Gleich bei seiner ersten Begegnung mit ihr durfte er sich anhören: "Es ist unhöflich, ein Mädchen anzusprechen, ohne sich erstmal anständig vorgestellt zu haben".

"Auch das gehört zum Erwachsenwerden", schreibt Miyazaki. Und an dem Erreichen dieser Grenze endet ihre Kindheit. Jiji, der sich unablässig mit seiner neuen Freundin Lily herumtreibt, bekommt das als erster zu spüren. In bester Manier einer genervten Mutter unterrichtet sie ihn über ihre erzieherischen Prinzipien: "shokuji no jikan wa mamotte hoshii wa" (ich hätte gern, dass du pünklich zum Essen kommst!) – gefolgt von: "nani yo neko mitai na koe dashite..." (was maunzt du so wie eine Katze?) Es dauert einen Augenblick, bis dann der Groschen fällt: Kiki kann Jiji nicht mehr verstehen. In einem Anfall von Panik testet sie aus, ob ihre Hexenkräfte noch da sind, aber jeder Versuch fällt jämmerlicher aus als der vorige, bis dann am Ende auch Mutters Besen zu Bruch geht.

Da kommt Ursula genau zur rechten Zeit. Sie macht gerade ihren Großeinkauf und schleppt Kiki kurzerhand mit zu sich in ihre Waldhütte. Und Ursula ist auch genau die Person, die sie jetzt braucht. (Hier setzt in der Musik auch wieder das Kiki-Thema ein, angestimmt von der Okarina mit begleitender Harfe). Trost und Zuspruch mag sie vielleicht auch von anderen erhalten – aber Ursula ist die einzige, die sie wirklich verstehen kann, denn wie sich im Verlauf des Gesprächs herausstellt, haben Kunst und Magie einiges gemeinsam. Beides ist eine Gabe, die ihnen in die Wiege gelegt wurde und die Teil ihrer Persönlichkeit ist, und beides zu beherrschen ist nicht so selbstverständlich, wie es scheint. Schaffenskrisen, wie Kiki sie momentan erfährt, hat Ursula selbst schon gehabt. Die Krise, die Kiki gerade durchlebt, dürfte also einen ganz ähnlichen Ursprung haben.

Solch eine künstlerische Gabe lässt sich nicht auf die gleiche Weise kontrollieren, wie das beispielsweise bei einem rein handwerklichen Beruf der Fall ist. Man hat darüber keine vollkommene Macht. Es gibt Tage, da gelingt die Umsetzung des Talents in Werke, und Tage, da ist nichts zu machen. Daher bedarf es einer bewussten, reflektierten Auseinandersetzung mit ihren Fähigkeiten, wenn Kiki diese Gabe zur Grundlage eines Berufs machen will. Talent und Enthusiasmus alleine reichen nicht aus; man braucht auch ein gewisses Maß an Routine, um darin zu bestehen. Einfach nur unbefangen und unbedarft mit dieser Fähigkeit rumzuspielen, wie Kinder das tun, reicht nicht hin, das ist Kiki klar und das sagt sie auch im Gespräch mit Tombo. Nun sieht sie sich in einer Situation, in der sie, auf sich selbst zurückgeworfen, ihre Fähigkeiten sich von Grund auf neu aneigenen muss. Bisher hat sie unreflektiert und kindlich-naiv über diese Macht verfügt, jetzt muss sie lernen, ihre Fähigkeit bewusst einzusetzen. Das ist ein schmerzhafter Prozess. Und das ist der Beginn ihres Weges ins Leben als Erwachsene.

Ein Rewatch verdeutlicht, dass sich diese Situation abgezeichnet hat. Das findet Ausdruck in der diffusen wie instinktiven Ablehnung, mit Tombo und seinen Freunden zusammen Spaß zu haben. Sie ist frustriert und in ihrem Selbstverständnis erschüttert. Und in dieser Lage ist sie nicht fähig, Hilfe oder auch nur Zuspruch "von außen" anzunehmen. Ursula gelingt es, sie da rauszuholen. Denn Ursula ist zwar direkt, offenherzig und schert sich einen Dreck darum, was andere Leute von ihr denken, aber sie hat einen feinen Sinn für Kikis Probleme und tut instinktiv das Richtige. Vor allem, da sie selbst im gleichen Alter sich für ihren Lebensweg entschieden hat, kann sie sich nun bestens in Kiki hineinversetzen, und da die beiden sich auch menschlich sehr nahe sind, scheint Ursula mehr große Schwester denn beste Freundin zu sein. Im Grunde ist Ursula der Typus Mensch, der Kiki in wenigen Jahren sein wird. Gewissermaßen ihr alter ego der Zukunft. Nicht von ungefähr haben Kiki und Ursula dieselbe Seiyuu.

Ihrem anderen "alter ego" Jiji konnte sie bislang immer mitteilen, was ihr gerade durch den Kopf geht, so wie beispielsweise ein Kind seine Probleme dem Teddybär auseinandersetzt. Das geht nun nicht mehr. Und so bleibt Jiji für sie nichts weiter als eine normale Katze, deren Sprache sie nicht mehr versteht. Und genau in solch einer Situation verliert sie ihre spielerische Leichtigkeit mit dem angeborenen Talent "fliegen". Um diese Fähigkeit wieder zu erlangen, braucht es mehr als nur bloßes Training. Erst als es ihr angesichts der Gefahr gelingt, zu sich selbst zu finden, forciert durch einen Gewaltakt der Konzentration, das unbedingte Müssen, kehren ihr die angeborenen Kräfte wieder zurück. Indem sie sich deren bewusst wird, sie sich neu aneignet, anstatt wie bisher sich spielerisch auf diese Gabe zu verlassen, erringt sie Selbstsicherheit durch eigenes Zutun und sie kann dann auch den Verlust von Jiji als sprechenden Freund akzeptieren.

Was du ererbt von deinen Vätern hast,
Erwirb es, um es zu besitzen.

Das Zitat aus Goethes Faust könnte als Motto über dem Film stehen. Und wohlgemerkt: die Betonung liegt hier nicht auf "besitzen", sie liegt auf "erwerben".

Diese Szene mit dem Dialog der beiden "Künstlerinnen" zeigt im übrigen nicht nur, wie Ursula Kiki Mut zuzusprechen vermag; Kiki selbst verhilft ihrer Freundin (unbewusst) dazu, aus ihrer eigenen kleinen künstlerischen Krise zu finden, indem sie zwar etwas sachunkundig, aber menschlich qualifiziert sich zu dem Gemälde äußert. Beidemale also braucht es den kritischen Blick von außen, da man sich selbst nicht von außen beurteilen kann. – Und natürlich tut es gut, sich auch mal einen schönen Tag zu gönnen, um den Kopf frei zu bekommen.

Eines aber geht aus der Unterhaltung mit Ursula klar und deutlich hervor: all dies ist das Zeichen einer Entwicklung, nicht eines Versagens.

[Epilog]
Wie schon mehrmals erwähnt, spielt sich vieles in diesem Film am Rande ab. Es wird wenig geredet und viel gezeigt, und obwohl gerade in der zentralen Dialogszene mit Ursula ungewohnt viel geredet wird, transportiert der Film auch hier sehr viel durch sehr sorgfältigen Einsatz von Gestik und Mimik. Allein schon der Wechsel der Ich-Perspektive zwischen Ursula und Kiki schafft eine Intensität, die nur so zu erreichen ist.

Kiki ist noch lang nicht erwachsen geworden, aber sie hat in diesen Szenen einen großen Schritt in diese Richtung gemacht. Das unterstreicht der Epilog, der in verschiedensten Takes bezeugt, wie gut Kiki sich eingelebt hat und Teil dieser städtischen Gemeinschaft geworden ist, die sie anfangs als so abweisend empfand. Selbst der Polizist, der sie anlässlich ihres ersten Auftritts so geschimpft hat, grüßt sie durch die Scheiben der Bäckerei. Und mit wem sie da am Tresen so entspannt plauscht, ist nicht schwer herauszufinden.

Die Welt von »Majo no Takkyuubin« hat, wie eingangs erwähnt, eigentlich wenig Magisches. Schon gar nicht in der Art, dass Kiki die Probleme, die sich ihr in den Weg stellen, einfach wegzaubern könnte. Es gibt keine Action, kein Magiegewitter oder was man sonst so mit solch einem Setting assoziieren könnte. Und doch gibt es etwas, was für Magie (und Märchen) einfach zum guten Ton gehört: die magische Dreiheit. Drei Wünsche gewährt die gute Fee; drei Prüfungen muss man durchlaufen; dreimal krähete der Hahn; die Liebe zu den drei Orangen; dreimal das Passwort falsch eingeben. Als Kiki sich in die große weite Welt aufmacht, führt sie drei Items mit sich, die sie in der Ferne begleiten, beschützen und trösten sollen:

Von ihrer Mutter den Besen.
Er ist gut eingeflogen und wird sicher weniger Schwierigkeiten bereiten wie der neue, den sich Kiki selbst gebastelt hat.

Von ihrem Vater das Radio.
Für Trost und – mit etwas Glück – auch Orientierung in der Fremde. Er wird es verschmerzen, hat es Kiki sich doch schon recht oft ungefragt ausgeliehen.

Und für sich selbst die Katze.
Die sie laut Buchvorlage zwar schon seit ihrer Geburt begleitet, die aber immer noch in der Gegend herumspringt wie am ersten Tag und keinerlei Alterungserscheinungen zeigt – wie die Bilder des Nachwuchses nachdrücklich belegen.

Gemeinsam ist allen dreien, dass sie im Verlauf der Geschichte überflüssig werden und ihre ursprüngliche Aufgabe verlieren. Das Radio benötigt sie irgendwann nicht mehr (auch optisch ist es nicht mehr präsent), der Besen geht zu Bruch (der neugeschnitzte Stiel kommt während des Films nicht zum Einsatz) und Jiji bleibt eine gewöhnliche Katze, deren Sprache sie nicht mehr versteht (zudem gründet Jiji eine eigene Familie und macht sich auf diese Weise selbständig).

Und vielleicht gehören die drei Tritte, mit denen Kiki sich hin und wieder nach einem missglückten Abflug von einem Hindernis abstößt, ja auch in diese Kategorie der magischen Dreiheit. Denn dass ihr das Fliegen nicht ganz so in den Schoß gefallen ist, bzw. sie's gern auch mal etwas übertreibt, bezeugt der Satz des Nachbarn beim nächtlichen Abschied: "diese Glöckchen werden wir wohl lange nicht mehr hören". Damit sind die Glöckchen gemeint, die in den umliegenden Bäumen hängen und die dazu bestimmt sind, Alarm zu schlagen, wenn beim Landeanflug mal wieder was schiefgegangen ist und man daher wenigstens gleich weiß, aus welcher Baumkrone man sie diesmal fischen muss***. Das ist übrigens auch ziemlich genial, wie hier ein komplexer Zusammenhang in einem einzigen, beiläufigen Satz ausgedrückt wird.

***bei 13:37 sieht man, dass diese Gefahr noch immer real ist, als sie beim Abflug vom Zug vollrohr in den nächsten Baum rauscht.

Anlässlich ihres Aufbruchs in die Ferne touchiert sie bei ihrem take off auch in diesem Fall und für jeden gut hörbar drei Mal die umliegenden Wipfel; und parallel zu dieser Stelle steht der Kavalierstart auf dem geliehenen Straßenbesen am abschließenden Höhepunkt des Films, wo sie mit dem Besen, der eine solche Behandlung nicht gewohnt ist, drei Mal gegen die Häuserfronten knallt und sich drei Mal mit einem souveränen wie routinierten Tritt gegen die Außenwand rettet.

Der Epilog, insbesondere der Brief an die Eltern, lässt erahnen, dass Kiki sich nun wohl abgenabelt hat und ihre weitere Zukunft in dieser Stadt sieht. Diese Glöckchen wird man wohl tatsächlich sehr lange nicht mehr hören.



Das Gespräch mit Ursula im Wortlaut

Weil es die entscheidende und wohl wichtigste Szene in diesem Film ist, folgt hier der Dialog mit Ursula im Wortlaut.

[Nach dem deutschen Dub; Ergänzungen oder Abweichungen vom Japanischen im Klammern]

1:26:00
Ursula versteht es, Kiki in ein Gespräch zu verwickeln und portraitiert sie nebenbei – und ja, nicht nackt!

U: Zauberei und Malerei sind sich sehr ähnlich. An manchen Tagen schaffe [auch] ich überhaupt nichts.
K: Ehrlich? Und was machst du dann? – Bis [eben] gestern konnte ich losfliegen, ohne darüber nachdenken zu müssen. Aber auf einmal weiß ich nicht mehr, wie man fliegt.
U: Ich schätze, dann wirst du dafür kämpfen müssen. [Dann muss man seinen inneren Schweinehund überwinden] Ich zeichne dann so viel wie möglich.
K: Und wenn das nichts nützt?
U: Dann mach ich 'ne Pause. Ich gehe spazieren, [schaue in die Gegend, mache Mittagsschlaf,] oder ich tue gar nichts. Und auf einmal kann ich wieder zeichnen.
K: Ist das dein Ernst?
U: Ja, natürlich!

1:27:00
(Abends vor dem Schlafengehen, in eine Decke gewickelt und was Warmes in der Tasse)

U: [Weißt du,] Ich war ungefähr so alt wie du, als ich beschloss, Malerin zu werden. Ich hab damals so gerne gearbeitet, dass ich nicht einmal schlafen wollte. Eines Tages brachte ich nichts Vernünftiges mehr aufs Blatt [ging das Malen gar nicht mehr]. Ich zeichnete wie eine Wilde, aber mir gefiel nichts mehr. Mir wurde klar, dass alles, was ich gemacht hatte, Kopien waren [nachgemacht war]. Bilder, die ich irgendwo schon mal gesehen hatte. Ich musste meinen eigenen Stil finden. [Man muss seine eigenen Bilder malen.]
K: Was das schwierig? [schmerzlich]
U: Das ist es immer noch. Aber ich glaube, dass ich heute besser male als früher. – Bei deinen magischen Kräften geht's also um mehr als nur Zaubersprüche?
K: Mhm. Sie werden vererbt.
U: Eine geborene Hexe! Das klingt gut. Das gefällt mir. Eine geborene Hexe, eine geborene Malerin, ein geborener Bäcker. Das ist eine Gabe, die wir von Gott oder sonst wem bekamen. Aber ab und zu müssen wir [deswegen] etwas dafür tun.
K: Ich hätte nie gedacht, dass ich für meine Zauberkräfte mal kämpfen muss. Ich glaubte, das Hexenjahr ist nur so ein Brauch. Ich habe mich so gefreut, als du kamst. Wenn ich jetzt alleine wäre, würde ich bestimmt nur Trübsal blasen.
U: In letzter Zeit habe ich oft überlegt, ob ich das Bild nicht zerreißen soll.
K: Es ist doch so schön!
U: Aber als ich heute dein trauriges Gesicht sah, wollte ich dich sofort zeichnen. Ich wollte sofort wieder anfangen!
K: Das ist gemein!
U: Ich hab doch nur 'n Witz gemacht [dann sind wir ja quitt]. Lass uns jetzt schlafen. [Ich mach das Licht aus]
K: Danke, dass ich dein Bett haben darf.
U: Schon gut.
K: Kann ich öfter mal herkommen?
U: Ja, sicher. Ich bin den ganzen Sommer hier. Ich werde dich auch ab und zu besuchen.



Quellen:
"Kikis kleiner Lieferservice", deutsche DVD
"Majo no Takkyuubin", japanische DVD
The Art ob Kiki's Delivery Service
Beitrag wurde zuletzt am 16.12.2023 00:39 geändert.
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Avatar: Asane
Redakteur
#3
Majo no Takkyuubin - ein kleiner Bilderbogen


Als Anhang zu diesen beiden Texten noch ein paar Screenshots mit einigen Gedanken und Bemerkungen dazu, die oben nicht so recht reingepasst haben.

[01:12]


Die schwedische Schärenküste mit den typischen hellen Häusern. Wer schon einmal dort war, wird die charakteristische Landschaft mit dem luziden nordischen Licht wiedererkennen.

[04:11]

Kiki mault. Aber mit Niveau und Sprachwitz: "Kuroneko ni Kurofuku de Makkuro KURO da wa." - Eine schwarze Katze zu einem schwarzen Kleid – alles kohlrabenschwarz.

Die Knöpfe an dem Kleid hinten: macht einen das nicht wahnsinnig?

Weder im Artbook noch sonstwo, wo ich gesucht habe, gibt es eine Erklärung dafür, warum die schwarz sein sollenden Stoffe eher dunkelblau bis sehr dunkelblau ausfallen, gern mit einem leichten Stich ins Dunkelviolette. Die plausibelste Erklärung scheint zu sein, dass man damit optische Probleme umgehen wollte, da ansonsten keine Konturen und dreidimensionalen Eindrücke mehr realisierbar sind. Mit dunkelblau als dominierender Farbe sind immerhin noch Strukturen erkennbar, bei der wirklich pechschwarzen Katze ist das nicht mehr der Fall. Dort allerdings fällt es auch nicht so ins Gewicht. Schön sieht man dieses optische Problem auch bei der Hexen-Senpai.

Kikis Heimatdorf scheint nicht allzu groß zu sein. Die Telefonnummer, die der Vater wählt, ist zweistellig. Danach packt sie ihre Sachen, und das überraschend routiniert und umsichtig. Die Entschlossenheit, die sie dabei an den Tag legt, ist einfach goldig.

[06:01]

"Ob es da wohl auch eine Disco gibt?" – Sind diese Küken hier denn nicht alle ziemlich minderjährig?

[07:17]

"Aikawarazu HETA nee" (Mutter)
Miserabel, wie immer.

Als Starthilfe verpasst sie ihrem Besen noch einen energischen Klaps. Offenbar braucht der das so.

[07:31]

Nachbar (2. v.l.):
"ano Suzu no Ne mo toubun kikenai naa"
Und diese Glöckchen werden wir auch eine ganze Weile nicht mehr hören.

[10:27]

Die Kleinstadt, zu der die Hexen-Senpai hinunterfliegt. Eine beeindruckende Ansammlung schlechten Geschmacks, tendenziell sündhaft und von verruchtem Charme. Von unten ist laute Musik zu hören. Kein Wunder, dass es Senpai während ihres Flugs gern ruhig mag.

(Ihre eigenwillige Haartracht erinnert mich an irgendwen)

[11:09]

"mitsukareba ne"
solange wir nicht entdeckt werden...

Jiji traut der ganzen Sache nicht so recht. Das ist einer dieser Augenblicke, in denen der Eindruck aufkommt, mit Kiki könnte man Pferde stehlen …

Kikis Anflug auf die offene Luke während des Gewitters ist beeindruckend artistisch. Das macht die garantiert nicht zum ersten Mal. Und sogar zu den Kühen ist sie höflich: "anata-tachi". Da der Zug die ganze Nacht durchgefahren ist, muss Kiki schon ein ganz ordentliches Stück von zu Hause weg sein.

[15:47]

Kiki steuert die Magistrale von Koriko an. Das scheint zwar kein alltägliches Ereignis zu sein, doch die Leute sind alles andere als entsetzt. Keine Ahnung, ob gerade Sonntag ist, aber es geht auffällig lebhaft zu in all den Gassen und Straßen. Hat aber vermutlich rein cineastische Gründe.

[15:54]

Es scheint, man hatte die Absicht, der Stadt ein Flair von Jugendlichkeit und Weltoffenheit zu geben.

[15:55]

Und auch Tombo zeigt sich beeindruckt.

[16:27]

Nach all dem Tohuwabohu bemüht sich Kiki um einen etwas dezenteren Touchdown. Aufgefallen ist sie ja schon zur Genüge. Besonders dem Polizisten, der da ein paar Augenblicke später um die Ecke rauscht.

[16:44]

Höflich sein und sich ordentlich vorstellen. Der erste Eindruck ist das Wichtigste. Das hat die Mutter ihr mitgegeben und das hat Kiki eben selbst zu Jiji gesagt. Also versucht sie ihr schönstes Lächeln anzubringen.

Hör mal, Kiki: in einer Stadt wie Koriko kann man einfach nicht alle grüßen! Das geht nicht. Deswegen sind die Leute aber noch lange nicht unfreundlich oder kaltherzig. Und außerdem hat die Fußgängerampel gerade grün.

[18:13]

"asappara kara NANPA ka yo" – In aller Frühe schon Mädchen anbaggern?
Tombos Freunde sind etwas ... eigentümlich. Kein Wunder, dass Kiki Reißaus nimmt.

[23:27]

Etwas schüchtern und befangen sitzt Kiki da bei Osono-san in der Küche. Freundlich, aufmerksam, und von heiterem, einnehmenden Wesen, dreht sie die Tasse mit dem Henkel zur richtigen Seite. Kaffee, übrigens. In der englischen Version bekommt sie nur einen heißen Kakao. Hier in der fremden Stadt ist die Bäckerin Kikis Ersatzmutter und der Bäcker ihr erster Fan.

Was sonst noch auffällt:
  • Die Szene, als sich die beiden zum erstenmal an diesem Mäuerchen treffen, ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Auch hier wird tiefe Niedergeschlagenheit atemberaubend schönen Ansichten gegenübergestellt. Hier bei Kiki die der malerischen Altstadt von Koriko, in »Totoro« oder bei »Chihiro« die einer schier herzzerreißend schönen Abendlandschaft.
  • Jijis bescheidene und eher unbeholfene Versuche, Kiki zu trösten, sind einfach niedlich.
  • Jiji wird anderen Leuten durchgehend als "kuroneko" – schwarze Katze – vorgestellt.
  • Übrigens: Wenn im Hintergrund sich etwas tut, jemand kommt oder etwas zu hören ist, bemerkt Jiji das immer eine Sekunde früher als Kiki.
  • Und die hochschwangere Osono hat doch einen recht unrunden Gang.

[25:24]

Wie sich alsbald herausstellt, ist die schicke Kundin die Nachbarin von schräg gegenüber. Und sie hat eine Katze namens Lily. Die Nachrichten im Fernsehen gibt's auf Japanisch. (ganz im Gegensatz zum Radio)

[26:14]

Der erste Morgen in einer fremden Stadt und in einem fremden Bett. Das ist an sich schon unangenehm genug. Aber alles Rumwälzen und sich auf die andere Seite drehen nützt nichts: wenn man auf Klo muss, muss man eben aufs Klo. Auf ein fremdes Klo dann auch noch …

[27:34]

Schnell weg, bevor der Bäcker wieder zurückkommt. Auch hier sieht man, wie aufmerksam die Regie vorgeht: erst auf dem Pflaster hört man ihre Schritte.

[27:55]

Kiki hat eine Idee: "sou, o-mise hiraku no" – Genau! Ein Geschäft eröffnen!
(Nach welchen Kriterien sie ihr Geld sortiert, bleibt einigermaßen unklar.)

Jiji scheint überrascht, aber nicht wirklich überzeugt.
(Gar zu gerne hätte ich Kiki mal dabei zugeschaut, wie sie ihre Schleife bindet.)

[30:43]

Es ist nicht so, wie es vielleicht aussieht: Kiki ist keineswegs sauer auf die Mädchen. Etwas angefressen aber ist sie schon. Sie hat es einfach noch nicht verwunden, dass sie diese schwarze Zumutung tragen muss, während andere Mädchen ihres Alters in hübschen, modischen Sachen rumlaufen dürfen.

Die in der Mitte sollte man sich als Zuschauer mal merken. Leider erzählt weder der Film noch Meister Miyazaki, weshalb die Kleine ständig Handschuhe trägt. (Ausnahme: in der Menschenmenge, als sie Kikis Rettungsaktion verfolgt)

[30:54]

"Mou chotto SUTEKI na fuku nara yokatta noni ne"
Wenn ich doch nur was Schöneres zum Anziehen hätte …

Nunja, die Bäckerin weiß später die rechte Antwort darauf.
"Suteki" ("herrlich") ist definitiv eines von Kikis Lieblingswörtern.

[31:02]

Das ist sicherlich ihr erster Einkauf in Sachen Haushaltswaren. Eigentlich völlig unspektakulär, und dennoch ist es wunderbar, sie so konzentriert und abwägend Entscheidungen treffen zu sehen, wo dann auch noch Sonderwünsche von Jiji Platz haben. Ganz Mutter und Kind.

Offenbar war es schon damals also Sitte, die Etiketten genau da hinzupappen, wo man sie wirklich nicht haben will. Vor dem Zeitalter der ablösbaren Etiketten (90er Jahre?) hat man das nur unter großem Rubbeln, Putzen und Fluchen wieder wegbekommen.

Da sie auf einem alten gusseisernen Herd über offenem Feuer kocht, wäre das Modell mit dem Holzstiel wohl die bessere Wahl gewesen.

[31:18]

Den Automobilen zufolge befinden wir so in den 40er Jahren. Aber gab's da schon diese durchgehend gläsernen Flügeltüren an den Supermärkten? Die hätte ich auf 20 Jahre später angesetzt.

[34:33]

Orientierungsflug vor der ersten Lieferung. Wieder so ein Moment, in dem man Kikis Sinn fürs Pragmatische sieht. Suchspiel: Die Karte scheint nicht auf dem neuesten Stand zu sein. (Die Ansicht ist bisweilen inkonsistent. Mal verläuft die Brücke, die ganz rechts zu sehen ist, quer, mal nicht, mal existiert eine Eisenbahnbrücke samt Bahnhof rechts unter ihrer Handwurzel, mal nicht.)

[35:41]

Wenn die Wildgänse (laut Aussage von Jiji) vor einer Windböe warnen und sagen, dass sie höher fliegen sollen – warum halten sie sich dann selber nicht dran und lassen sich über den Haufen blasen?

[42:18]

"KURASU-tachi no shiwaza ne"
Das waren wohl die Krähen.

Diese "kurasu" sind eigentlich Elsterdohlen. Blöderweise kommen die nur in Ostasien vor und nicht in Europa.
Immerhin ist das Dach angemessen vollgeschissen.

[45:12]

Jiji zeigt auf den Hund:
"Ano HITO ga tasukete kureta n'da yo"
Diese Person da hat mich gerettet!

Es kommt in diesem Film einigemale vor, dass Tiere mit 'Person' referenziert werden.



Kurz danach – bei 46:12 – kommt übrigens die berüchtigte Stelle mit der fetten Zensur (nur im Deutschen):

Japanisch

Kiki: そうだ ヌイグルミを見つけてくれた人がね 私をモデルに絵を描きたいって
souda, nuigurumi o mitsukete kureta hito ga ne atashi o moderu ni e o kakitai tte
Ach ja, die Person, die die Puppe gefunden hat, möchte, dass ich ihr beim Malen Modell stehe!

Jiji: ヌード?
nuudo?
Nackt?

Kiki: バカ
BAKA
Blödmann!

Im deutschen Dub wird daraus:

K: Das Mädchen, das die Katze gefunden hat, will ein Bild von mir malen.
J: Von dir?
K: Klar, warum nicht?

Die Erklärung für diesen Entschärfungsversuch liegt möglicherweise in der Jugendfreigabe: FSK 0

[46:29]

Der Bäcker, der während des gesamten Films nur etwa drei Laute über die Lippen bringt (Laute, nicht Wörter!), wartet hochnervös auf Kikis Rückkehr. Im Verlauf des Tages hat er ihr sogar ein Firmenschild gebacken:
"todokemono itashimasu – Kiki"
Wir liefern aus! – Kiki

[46:47]

Dies ist eine dieser speziellen wortlosen Szenen, wo nur die ausklingende Musik zu hören ist. Die Inszenierung steht in Kontrast zum Geschehen und entfaltet gerade deswegen eine ungemein intensive Wirkung.

Die Japaner teilen mit den Amerikanern offenbar die Vorliebe für massenhaft Heavy-Metal-Umlauts. Selbstverständlich in Kombination mit Frakturschrift. "gütiokipänyä" schreibt sich der Laden, und gesprochen wird er グウチョキパン店 – "guuchoki pan'ya" (pan'ya = Bäckerei).

Für die Gestaltung des Verkaufsraums soll angeblich eine Bäckerei auf Tasmanien Pate gestanden haben – was ich nur bedingt nachvollziehen kann …

[47:03]

Kann mir mal jemand verraten, was zum Teufel der Junge da ganz rechts im Bild unterm Arm trägt?

[47:53]

"hima nee"

Kiki passt auf den Laden auf und langweilt sich tödlich. Aber das allein ist es ja nicht. Es geht ihr vehement gegen den Strich, einfach nur tatenlos rumzuhängen und sich nicht nützlich machen zu können bei den Leuten, die sie netterweise für umsonst aufgenommen haben. Außerdem ist heute der erste Tag ihres (offiziell) neu eröffneten Geschäftsbetriebs. Neben Langeweile mag da auch Frust und die Sorge um den Erfolg ihres Unternehmens mitschwingen.
Ganz davon abgesehen, dass es mit ihrem Benimm auch nicht immer so weit her ist, wenn sie sich unbeobachtet fühlt. Welchen Grund hätte die Kamera sonst, von der Vorderansicht nach hinten zu wechseln, wo man sieht, wie sie auf dem Hocker rumlümmelt?

[48:49]

Das Telefon meines Großvaters! Genau das Modell in genau der Farbe. (Nunja, es gab nur eine Farbe...)

[49:48]

Wie schon bei der Geburtstagskarte für Ketto (der Kleine mit der Stoffkatze), auch hier eine Aufschrift in Englisch. Das könnte möglicherweise erklären, wieso auch die Radiosendungen auf Englisch ausgestrahlt werden: Koriko als Ort des gelebten Internationalismus in einem idealen Europa. Allerdings sendet das Fernsehen auf Japanisch.

[50:27]

Kiki bescheißt schamlos und hilft noch etwas nach.

[50:44]

Für Musikinteressierte: Im Fernseh gibt's Johann Sebastian Bach, Violinkonzert E-Dur, letzter Satz.

[51:00]

"sore wa totemo ii yo" – Ist doch völlig in Ordnung! – heißt es im Satz davor.
Und: "Schwarz steht einer Frau doch ganz ausgezeichnet!"

Das mag ich an Osono. Erstmal dieser etwas verschlagene Blick, und das ewige Genöle von Kiki wegen ihres hässlichen Kleids geht sie ganz offensiv an mit genau den richtigen Worten.

[52:40]

Die Haushaltshilfe der alten Dame öffnet.
Ich kann mir nicht helfen, sie erinnert mich an Dora aus Tenkuu no Shiro Laputa.

[53:27]

Ein Besen … eine schwarze Katze …

[53:38]

wirklich genau so, wie meine Uroma immer erzählt hat.

Die magischen Kräfte einer Hexe werden in weiblicher Linie vererbt. Das ist der Grund dafür, dass die Haushälterin sich etwas später versucht sieht, kurz mal anzutesten, ob sie das auch kann. Nimmt man noch Tombos Aussage hinzu ("wie bei meiner Großmutter"), könnte man daraus schließen, dass die Stadt seit zwei Generationen keine Hexe mehr gesehen hat.

[54:08]

Das ist das Gerät, in dem einige User englischsprachiger Anime-Sites eine Mikrowelle erkennen wollen. Sieht aber eher wie ein elektrischer Ofen aus. Und die Art (samt der Geräusche) wie die Besitzerin an den Schaltern herumdreht, geht auch in diese Richtung.

Damit soll ein ニシンとカボチャの包み焼き gebacken werden. Also ein Hering-Kürbis-Auflauf*. Nun gut, ich kann die mäßige Begeisterung der Enkelin da schon verstehen …

*Die deutsche Version hat sich für "Pastete" entschieden.

[55:27]

Generell ist das eine vergleichsweise moderne Küche.

Ich mag diesen Ausdruck in Kikis Gesicht, wie sie da entschlossen und mit konzentriertem Blick zu Werke geht. Man beachte auch die Wäscheklammern an den Ärmeln.

[55:36]

Kiki weiß also, wie man Feuer macht. Sehr gut! Da hat sie so manchen Jungs etwas voraus.

[59:28]

Das Geburtstagskind.

Angesichts der triefendnassen Kiki scheint sie freundlich und vorurteilsfrei. Natürlich, sie hätte sie reinbitten und ihr was zum Trocknen anbieten können. Aber welches Mädchen in ihrem Alter (schätzungsweise so 15 oder 16) denkt da schon dran? Außerdem hat sie Partygäste.

Der Pettycoat gehört aber mehr in die späten 50er Jahre.

[59:40]

Ich hab' ihr doch gesagt, dass ich das nicht will!

So extrem abweisend und unfreundlich, wie es oft dargestellt wird, ist das nun auch wieder nicht. Sie ist genervt, frustriert, weil die Oma es partout nicht lassen kann. Und die Oma denkt, das gute Kind hat das doch früher auch immer gemocht. Irgendwas in der Art. Scheiße gelaufen.

[60:30]

Tombo hat sich fein gemacht, um sie zur Party abzuholen. Der Bäcker schaut besorgt nach dem Wetter und nach Kiki. Keiner sagt ein Wort. Typisch Mann!

[66:20]

Kiki ist nach ihrer fiebrigen Erkältung wieder vollauf genesen und trägt wieder aus. "Das ist ganz in der Nähe, das mach ich zu Fuß", meint sie sinngemäß. Erstaunlich, wie gut sie sich nach nur wenigen Tagen in der Stadt schon auskennt.

Hier erreicht sie eine Plattform mit schönem Ausblick auf Stadt und Meer: "SUTEKI!" – herrlich!
Wirklich eines ihrer Lieblingswörter.

[69:55]

私 自転車初めてなの
"Das ist das erste Mal, dass ich auf einem Fahrrad sitze!" meint Kiki kurz zuvor.

Was Tombo da abzieht, ist Grober Unfug. Freundlich und wohlwollend ausgedrückt. Hart an der Grenze zum Selbstmordversuch. Nur gut, dass Kikis Flugkünste offenbar auf Fahrräder anwendbar sind.
Was haben sich die Zeichner da wohl bei dem Nummernschild gedacht?

[71:05]

Die überstandene Bruchlandung löst einen Heiterkeitsanfall aus. Hier setzt dann auch das Kiki-Thema im langsamen Dreiertakt ein, das man sehr lange nicht mehr gehört hat. Kiki ist wieder ganz sie selbst. Das ist der Augenblick, in dem sie Anschluss gefunden hat, weil sie das will. Dann kommt aber alles ganz anders …

[72:18]

Einer der wichtigeren Sätze, während der kurzen Unterhaltung mit Tombo:

私のは仕事だもん – Atashi no wa shigoto da mon
Für mich ist das halt Arbeit …

[72:19]

楽しいことばかりじゃないわ。 – tanoshii koto bakari ja nai wa.
… und nicht einfach bloß Spaß.

[72:25]

私 ちょっと自信をなくしてたの – atashi, chotto jishin o nakushiteta no
Und etwas mehr Selbstvertrauen [als früher] hab ich jetzt auch …

Miyazaki behauptet zwar, Kiki würde Tombo wohl nur als guten Freund betrachten und nichts weiter, aber die Ähnlichkeit der Physiognomie zu ihrem Vater lässt in dieser Hinsicht Schlimmes befürchten.

[73:07]

Tombo, mit dem sie eben noch unbeschwert und kindlich ("da mon") geplaudert hatte, hat nichts besseres zu tun, als sie quasi auf Zuruf sitzen zu lassen und zu seinen Kumpels zu eilen.

Eifersucht, Stolz, Enttäuschung, Trotz – alles mögliche braut sich da gerade in Kiki zusammen und spiegelt sich in diesem Gesichtsausdruck. Als ginge ein Riss durch ihr Inneres.

[73:12]

Das ist die Bande. Wie immer in diesem furchtbar übertrieben schrottigen Wagen, der in seinem Leben noch nie einen TÜV gesehen hat. Die Kleine in der etwas gedeckten Gelb-Rot-Kombination (was mich immer etwas an Nan erinnert), wird später ihre Freundin. Mit von der Partie: die Enkelin auf dem Beifahrersitz …

[73:27]

… die sich überraschend angetan zeigt von der Leistung Kikis:
あの子 知ってる 宅急便やってる子よ
ano ko shitteru. takkyuubin yatteru ko yo.
Das Mädchen kenne ich. Das ist die, die einen Lieferservice betreibt.

Und alle äußern sich anerkennend und verwundert, dass sie in diesem Alter schon arbeitet – oder arbeiten muss.

[73:36]

Aber da ist bei Kiki schon der Ofen aus: "da geh ich nicht mit. Tschüss!"
Sie weiß, dass das falsch ist, und sie weiß, dass die anderen nichts dafür können. Aber gegen ihr tiefes Unbehagen ist da nichts zu machen.

[76:30]

"Ich möchte, dass du pünktlich zum Essen da bist!"

Daheim lässt sie es an Jiji aus, ganz im Stil einer genervten Mutter und im unangenehm pädagogischen Tonfall einer Erwachsenen. Jedes Kind hasst sowas. Was geschieht da gerade in ihr?

[76:35]

"Was miaust du hier rum wie eine Katze?"

Allein der Gesichtsausdruck:
Wenn sie sich derart blasiert aufführt, dann war's das wohl mit ihrer unschuldigen Kindheit. Das Band zwischen ihr und Jiji ist gerissen. Das ist zugleich der Augenblick, wo Jiji sich daran macht, seine eigenen Wege zu gehen und eine eigene Familie zu gründen.

Duplizität der Ereignisse: Genau in dem Augenblick, als Kiki nicht mehr fliegen kann, sieht man Tombo auf seinem ersten Flug im Luftschiff. Sein eigensinniger und etwas unbedachter Telefonanruf treibt Kiki noch ein klein wenig weiter Richting Depression.

[84:37]

Das ist der Moment, als Kiki Ursulas neues Gemälde sieht. Dieser Moment, wo ein Sinneseindruck direkt ins Herz trifft. Dazu diese absolut magische Musik mit hohen Flötenregistern einer Orgel (wenn ich recht gehört habe) und begleitender Harfe, mit den mystischen Quartparallelen im Mittelteil.

Wie sagt die Künstlerin noch gleich bei Minute 87? – "Mir wurde klar, dass alles, was ich bisher gemacht hatte, Kopien waren. Bilder, die ich irgendwo schon mal gesehen hatte. Ich musste meinen eigenen Stil finden."
Und dann steht da also eine Chagall-Stilkopie auf der Staffelei? Das muss ein ganz besonderer Humor sein …

Ursula wird übrigens an keiner Stelle des Film mit Namen erwähnt. (Dabei hält Kiki doch so sehr auf anständige Umgangsformen, zumindest gegenüber Tombo. – Herrlich inkonsequent.)

[86:08]

"mahou mo e mo niteru n'da ne"
Magie und Malen sind sich wohl recht ähnlich.

Nicht nur das. Auch Kiki und Ursula sind sich recht ähnlich, wenngleich von recht verschiedenem Temperament. Ursula ist ein Mensch, der die Probleme eher frontal angeht und überhaupt ein ziemlich robustes Selbstvertrauen besitzt, das keine Furcht vor dem Urteil anderer und ihren Anstandsregeln zulässt.

[86:20]

"Atashi, mae wa nanimo kangaenakute mo tobeta no."
Bis vor kurzem konnte ich noch fliegen, ohne darüber nachdenken zu müssen

Kiki lässt sich porträtieren. Die aufrechte Haltung, die sie dabei einnimmt, scheint die Nerven zu beruhigen und die Konzentration zu fördern. Also ganz ähnlich wie bei der Couch des Psychologen.

[86:23]

"demo ima wa dou yatte tobeta no ka"
Aber auf einmal weiß ich nicht mehr, was ich dafür tun muss.

Überall stehen Flaschen rum mit seltsamem Zeug drin, wo nicht ganz klar ist, ob das zum Trinken ist oder zum Malen. Das Brot, das da auf dem Tisch liegt und ein Messer im Rücken hat, sieht auch nicht direkt frisch aus.

[94:58]

Kiki kämpft um ihre magischen Kräfte. Natürlich ist das eine Parallele zum Abflug von Zuhause, ein paar Tage vorher.

Zu dieser Szene verstummt jegliche Musik und jegliches Geräusch. Bis zu dem Moment, als sie wieder die Macht über ihre Magie verspürt. Dieser Einfall geht garantiert auf das Konto von Takahata, der dieses dramaturgische Mittel in seinen eigenen Filmen auch einige Male so einsetzt.

[96:59]

Der Polizist, der die arme Kiki so geschimpft hat, hatte auf seinem Dienstgradabzeichen den schönen Schriftzug "Police". Hier jedoch …

[97:00]

… das scheint also eine sehr polyglotte Stadt zu sein.

[97:52]

"tori ... chigaimasu, shoujo da!"
Ein Vogel ... nein, ein Mädchen!

Eine parodistische Anspielung auf Superman.

[98:31]

GANBARE, GANBARE!

Suchspiel: hier sind einige Personen versammelt, die man einige Zeit vorher schon sehen konnte.
Übrigens: Auch Studio Ghibli macht Szenen-Recycling.

[101:45]

Kiki ist nun ein stadtbekanntes aidoru. Da steckt man nicht drin, das muss sie sich einfach gefallen lassen.
Der Abspann zeigt übrigens auch, dass sie den Straßenbesen nicht zurückgegeben hat. (Vielleicht auch eine freundliche Dauerleihgabe.)

[102:04]

Dieses Mädchen, mit dem Kiki da so entspannt plauscht, hat man im Grunde den ganzen Film über immer mal wieder gesehen. Meist relativ unauffällig in irgendeinem Grüppchen. Die Ich-Perspektive, die die virtuelle Kamera da einnimmt, ist die des eben angesprochenen Polizisten, der gerade am Schaufenster vorbeigeht.

[102:35]

Der versprochene Brief an die Eltern.

Vater, Mutter,
wie geht es euch? Mir und Jiji geht es prima. Auch mit der Arbeit läuft es immer besser und ich bin da sehr zuversichtlich. Es läuft zwar nicht immer alles so gut, aber trotzdem gefällt es mir hier. Die Menschen sind alle sehr freundlich zu mir. Außerdem habe ich wunderbare Freunde … Die Pause neulich …

Was gäbe ich dafür, wenn ich auch so anständig Japanisch schreiben könnte ...!
Beitrag wurde zuletzt am 15.12.2023 16:11 geändert.
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