Der Philosoph Paul Watzlawick hat einmal ein Buch geschrieben, dessen Titel perfekt zu diesem Anime passen würde: „Die Situation ist hoffnungslos, aber nicht ernst“. „Welcome to the N.H.K.“ ist eine erstklassige Tragikkomödie, die uns auf ebenso bittere wie unterhaltsame Weise das Leben jener Verlierer unserer übersättigten Wohlstandsgesellschaft zeigt, die aufgrund von Sozialphobien, Depressionen oder Minderwertigkeitskomplexen aus der Bahn geworfen wurden.
In der Kategorie slice-of-life ist WttNHK neben
Koi Kaze mit Sicherheit der beste Anime, und auch sonst rundum ein Meisterwerk. Welcome to the Reality...
Inhalt:
Wir verfolgen den Studienabbrecher Satou in seiner Existenz als Hikikomori, was man hierzulande etwa mit Sozialphobiker übersetzen könnte und dadurch zum Ausdruck kommt, dass sich Satou aus Angst vor dem Scheitern in sozialen Situationen schlicht zuhause einschließt. Dieses Zuhause ist ein Einzimmer-Appartment, das, so unglaublich vermüllt es durch Satous Lebensstil ist, immerhin den Vorteil hat, neben einem alten Bekannten aus Schulzeiten zu liegen. Yamazaki ist allerdings nur wenig besser dran als Satou, da es sich bei ihm um einen Otaku handelt, eine Art maßlosen Manga-Anime-Games-Freak. Rettung kann Satou aus dieser Richtung also kaum erwarten, dann schon eher von Misaki, einem melancholischen jungen Mädchen, welches Satou allabendlich im Park trifft, um ihn von seiner Hikikomori-Existenz zu kurieren. Allerdings haben ihre Therapieversuche wenig Erfolg, da sich Satou allzu leicht von einer ehemaligen Schulkameradin Hitomi ablenken lässt, einer von Verschwörungstheorien besessenen depressiven Schönheit. In 24 Episoden folgt man Satou und seinen Freunden in ihrem tristen Alltag voll von bittersüßem Humor und den hilflosen Versuchen, etwas aus ihrem Leben zu machen oder zumindest sich vor der eigenen Einsamkeit zu verstecken.
Stärken:
WttNHK zeichnet sich vor allem durch ein ungewöhnliches Konzept aus, das man so nicht oft zu sehen bekommt: Auf der einen Seite wird man in eine zutiefst bewegende Erzählung über die Angst und Mutlosigkeit von Menschen, die aus der rasanten modernen Gesellschaft herausgefallen sind oder von ihr überrumpelt wurden, geworfen, deren Tristesse stellenweise an Filme wie
Breaking the Waves von Lars von Trier erinnert. Paradoxerweise ist der Anime aber ebenso eine herrliche Komödie, indem er selbst im düstersten Alltag der Figuren komische Momente zu entdecken vermag. Während viele Tragikkomödien diesen Spagat durch ein Wechselspiel melodramatischer und humorvoller Momente versuchen, ist WttNHK so konstruiert, dass beide Stränge parallel zueinander verlaufen, so dass man bei vielen Szenen gar nicht weiß, ob man jetzt eigentlich lachen oder weinen soll.
Eine weitere Stärke von WttNHK liegt in der Kompromisslosigkeit der Alltagsdarstellung: Zwar ist es zum Beginn erst einmal eher unrealistisch bzw. „typisch Anime-like“, dass sich jemand wie Misaki an Satou heranwagt, um ihn aus seiner Misere herauszuhieven. Von diesem Startpunkt abgesehen ist der Handlungsverlauf aber extrem – man könnte auch sagen vernichtend - realistisch gehalten: So bleiben nicht nur wundersame Verwandlungen der vom Leben geplagten Protagonisten in Helden der modernen Welt aus, und selbst die Romanze zwischen Misaki und Satou wird mit jeder Folge eher aussichtsloser als dass sie auf ein happy end zusteuert. Es ist fast, als hätte man die Möglichkeit einer Liebe zwischen den beiden zu Beginn nur deshalb angedeutet, um im Verlauf des Animes nur noch mehr an heiler Anime-Welt zerstören zu können.
Diese Art ist gewissermaßen symptomatisch für diesen Anti-Anime und für das, was seine Besonderheit ausmacht: Hinter jedem Funken Hoffnung, hinter jeder Anwandlung von Enthusiasmus und jeder noch so kleinen Freude Satous und seiner Freunde steckt letztlich – für die Figuren zunächst unsichtbar, für den Zuschauer aber dafür umso deutlicher - nur noch tiefere Enttäuschung. Es ist so unfassbar bitter und gleichzeitig aber eben auch urkomisch, wie Satou und Yamazaki ihrem Nerd-Dasein ein Ende bereiten wollen, indem sie ein nerdiges Hentai-Game produzieren, oder wie beide zusammen mit Misaki dem Schneeball-Marketing-Betrug zu entrinnen glauben, während sie gerade noch viel tiefer reinschlittern. Den Vogel schießt der Anime ab, wenn Satou schonungslos seine eigene Sozialphobie diagnostiziert, um im nächsten Augenblick die Schuld dafür bei einer hahnebüchenden Verschwörung zu suchen. Beide Daumen nach oben für dieses wunderbare wenn auch schmerzhafte Konzept!
Eine weitere Verneigung verdient sich WttNHK über seine Rolle als Parodie der häufig unerträglich kitschigen und kommerzialisierten Welt der Mangas, Animes und Games. Dabei haben die Macher nicht einmal davor zurückgeschreckt, sich selbst auf die Schippe zu nehmen, indem sie mit Misaki (zunächst) genau eine derjenigen klischeehaften Rollen einführen, die als solche durch Yamazaki im Zuge der Erschaffung des Hentai-Games entlarvt wird - nämlich den Stereotyp des Mädchens, welches ohne jeglichen ersichtlichen Grund auf den mausgrauen Protagonisten anspringt. Hätte ich einen dritten Daumen, wäre dieser jetzt auch noch steil nach oben gerichtet.
Last but not least noch ein weiterer Pluspunkt: Die Musik besonders innerhalb der Folgen ist erste Sahne und optimal auf den Inhalt abgestimmt; auch Intro und Outro sind nicht von schlechten Eltern.
Schwächen: NHK ist ein bisschen sehr auf ein männliches Publikum zugeschnitten, was zwar den Unterhaltungswert bei der entsprechenden Zielgruppe durchaus erhöht, aber trotzdem einen faden Beigeschmack hinterlässt. In meinen Augen hätte es nicht geschadet, das ganze etwas neutraler aufzuziehen. So wie es ist würde ich nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, ob die bessere Hälfte der Menschheit ebenso sehr Gefallen an diesem Anime findet wie der durchschnittliche Seinen.
Fazit: Nachdem ich WttNHK inzwischen schon diverse Male gesehen habe, kann ich ohne Zögern festhalten, dass es sich hierbei zweifellos um einen der besten Animes überhaupt handelt. Die Charaktere sind ebenso einzigartig und tiefgründig wie die Storyline, die Dialoge können in jeder Situation überzeugen, die Animation ist gelungen, der Soundtrack ist aufwändig, abwechslungsreich und passt zum Anime wie die Faust auf's Auge. Ich kann natürlich nicht garantieren, dass das jeder so sieht, aber wenn man wie ich ein Fable für die Schattenseiten des menschlichen Daseins hat, wird man meine Begeisterung sicherlich verstehen können. Selten habe ich beklemmende Emotionen so eindrucksvoll umgesetzt gesehen - die Darstellung der Einsamkeit Satous in einer der letzten Folgen ist zb. einfach der Hammer und kriecht einem wie eine kalte Hand über den Rücken.
Für alle die sich auch regelmäßig fragen, warum das Leben ein nicht enden wollender Weg voller Mühsal, Ungewissheit und häufig auch Einsamkeit ist, hält WttNHK zwar nicht die perfekte Antwort oder Lösung parat, ist aber trotzdem ein Muss. Er schafft es, diese Schattenseiten des modernen Lebens eindringlich zu skizzieren und, anstatt sie mit rosarotem Kommerzmüll zu übertünchen, ihre eigenen unterhaltsamen, manchmal sogar amüsanten Seiten zu entdecken.
(rewatch-Faktor: sehr hoch)
Kommentare
So verrückt. Einfach ein unglaublich verrückter Anime mit sehr sehr viel Witz und Ideenreichtum. Abgesehen von den ersten 5 Minuten, ist der Anime schon relativ Realitätsnah gehalten, etwas das mir sehr gefällt. Man erfährt einiges über Japan und seine Nerds, was die wirklich verrückte Handlung definitiv ziemlich glaubwürdig macht!
Vermutlich habe ich bei keinem Anime so gelacht, wie bei diesem. Aber nicht falsch verstehen: Er hat auch ziemliche Tiefe. Leben, Soziales Umfeld, Freunde, alleine sein wollen, Träume, Arbeit, Versagen. Themen die einfach jeden betreffen. NHK lässt einen das alles irgendwie humorvoll betrachten, jedoch mit dem nötigen respekt, denn die im Anime angesprochene Thematik ist ein wirkliches Problem in Japan (Hikikomori) und die faulheit wohl Weltweit.
Wer sich auf eine Talfahrt von Bauchschmerzen vor Lachen und leicht feuchten Augen machen will, sollte definitiv mal reinschauen (und sich nicht von den ersten 5 Minuten abschrecken lassen!)
Es ist einer der wenigen Anime von denen ich mich in den Bann habe ziehen lassen. Dies ist vor allem auf die Realitätsnähe und damit einhergehenden Nachvollziehbarkeit zurückzuführen. Sogar die psychischen Probleme werden je nach Situation in die man sich hineinversetzt ein wenig deutlich und fast schon verständlich. Deswegen finde ich hat der Anime vor allem an dieser Stelle einen sehr guten Job geleistet.
Neben der guten Ausführung wartet NHK noch mit einer durchdachter Geschichte, individuellen Charakteren und einigen Situationen auf, die dem Betrachter die Augen öffnet und dafür sorgt sich Gedanken zu machen.
Ich würde den Anime am meißten den Leuten empfehlen denen es an Motivation mangelt beziehungsweise denen die einen Energieschub brauchen. Zumindest kann ich von mir behaupten, dass ich nachdem ich NHK nun gesehen habe voller Energie bin und gedenke Änderungen anzugehen die schon ein wenig zurück liegen.
Obwohl ich mir vorstellen kann, dass man sich in den Charakter des Protagonisten richtig hineinversetzen können muss um diesen Anime wirklich genießen zu können.
Da ich Schizoid bin und muss ich sagen das dieser Anime mir in allen Aspekten sehr zugesagt hat.