AsaneRedakteur
#1Nie wieder Krieg!
Eine Botschaft von beachtlicher Originalität. Aber so wie's aussieht, ist das eher ein Film für Kinder, vielleicht Kinder im selben Alter wie Tomoko, die hier in Hiroshima die Atombombenkuppel im Friedenspark und das Friedensmuseum, eine Architektur von bemerkenswerter Scheußlichkeit, besucht. Also sollte man da wohl zu gewissen Konzessionen bereit sein, was das dramaturgische Konzept angeht.
Während dieser kleinen Reise und der Konfrontation mit den Exponaten wird dem Zuschauer einiges über Tomokos Persönlichkeit vermittelt, eher wenig subtil, aber immerhin kindgerecht. Sehr früh also offenbart sich ein Wesenzug, den man mit dem durch inflationären Gebrauch inhaltslos gewordenen Modewort "sensibel" belegen könnte. Tomoko hat die außerordentliche Gabe zur Imagination – in einem Maße, als sei sie von Visionen heimgesucht. Sie hat das Sensorium dafür, sich in die Lebensumstände anderer einzufühlen und ihre Schicksalsschläge mitzuerleben. Diese Indifferenz zwischen Realität und Phantasie prägt auch den Film und er nutzt dieses dramaturgische Mittel, um sein Publikum an das, was mittlerweile Geschichte ist, heranzuführen.
Diese Phantasie und Imagination wird Realität, als sie im Park vor der Friedesstatue steht und zu der Figur eines Mädchens, Sadako Sasaki, aufblickt. Sadako nimmt lebendige Gestalt an, und bald stellt sich heraus, daß die beiden viel gemeinsam haben, nicht nur das Alter, und so freunden sich die beiden an, rennen um die Wette (daß man als Statue da einen gewissen Nachholbedarf an körperlicher Bewegung hat, liegt auf der Hand), und Sadako erzählt ihrer neu gewonnenen Freundin viel über ihr früheres Leben, über ihre Familie und über ihr Schicksal.
Tomoko kommt also der Part der Ahnungslosen (und somit der zu Belehrenden) zu, während Sadako für sie und vor allem den Zuschauer Geschichtslehrer und Fremdenführer in einem spielt – was das japanische Publikum sicher nicht nötig hat, denn die Legende um Sadako ist da recht präsent. Auch das ein Indiz, daß man sich mit diesem kleinen Film vor allem an Kinder wenden will.
So wird Tomoko in die Realität gewordene Unmittelbarkeit ihrer Phantasie geworfen und darf stellvertretend für uns alle einige Schlüsselmomente jener Katastrophe nacherleben. Das Skript des Films zeigt immer wieder unangenehme Züge von schulmäßiger Didaktik; was ich ihm aber trotzdem sehr zugute halten muss, ist der Umstand, daß er sich einen Dreck schert um äußerlich ansprechende Charaktere, erst recht um so Kategorien wie "kawaii". Diese Energie hat man dafür in anständige Animation gesteckt. Künstlerisch kann man das natürlich nicht mit einem Ghibli vergleichen, aber das Artwork ist wirklich sehr ordentlich. Relativ einfach gehalten, aber echt und ausdrucksvoll in seiner Unmittelbarkeit. Bei der Musik, die teilweise etwas zu sentimental geraten ist, fällt auf, daß die lichten Momente von der Solo-Violine dominiert werden, während die melancholischen Momente dem Solo-Cello vorbehalten sind.
»Tsuru ni notte« ist natürlich kein Film der westlich-korrekten Betroffenheitskultur, vielleicht gar kein Antikriegsfilm, denn es geht ihm, abseits von seiner zu offensichtlichen Botschaft, eher um etwas anderes. Etwas, was in ähnlichen Titeln wie »Ushiro no Shoumen dare« und »Glass no Usagi« auch zur Sprache kommt.
Es geht um Ereignisse, die die Vorstellungskraft eines Kindes übersteigen, die in seine geordnete Welt einbrechen, Entsetzen und Fassungslosigkeit hinterlassen, was dann in so hilflosen Begriffen wie Tragik und Schicksal mündet, die doch zu dünn sind, um die ganze innere Katastrophe auch nur annähernd zu erfassen. Daher ist die weiterführende message eher die, den Kindern dieser Welt eine anständige, lebenswerte Zukunft zu hinterlassen.
Was nichts an ihrer Aktualität eingebüßt hat. Aber leider ist "gut gemeint" nur selten auch "gut gemacht", und so opfert man die Geschichte um eine phantastische, vielleicht imaginäre Freundschaft der übergeordneten Botschaft – und landet so im seichten, widerstandslosen Gelände friedensbewegten Kitsches.
Fazit:
»Tsuru ni notte« hätte ein guter Film sein können, aber dann hat man sich zum letzten Drittel hin entschlossen, das Ende einer in sich stimmigen Geschichte der Moral zu opfern. Um den Zuschauer wirklich zu bewegen, fehlt das Eigenständige, das abseits des hehren Anliegens eine Geschichte zu tragen vermag. Aber vielleicht kann man auch nicht mehr verlangen von einem Film, der keine halbe Stunde lang ist.
Eine Botschaft von beachtlicher Originalität. Aber so wie's aussieht, ist das eher ein Film für Kinder, vielleicht Kinder im selben Alter wie Tomoko, die hier in Hiroshima die Atombombenkuppel im Friedenspark und das Friedensmuseum, eine Architektur von bemerkenswerter Scheußlichkeit, besucht. Also sollte man da wohl zu gewissen Konzessionen bereit sein, was das dramaturgische Konzept angeht.
Während dieser kleinen Reise und der Konfrontation mit den Exponaten wird dem Zuschauer einiges über Tomokos Persönlichkeit vermittelt, eher wenig subtil, aber immerhin kindgerecht. Sehr früh also offenbart sich ein Wesenzug, den man mit dem durch inflationären Gebrauch inhaltslos gewordenen Modewort "sensibel" belegen könnte. Tomoko hat die außerordentliche Gabe zur Imagination – in einem Maße, als sei sie von Visionen heimgesucht. Sie hat das Sensorium dafür, sich in die Lebensumstände anderer einzufühlen und ihre Schicksalsschläge mitzuerleben. Diese Indifferenz zwischen Realität und Phantasie prägt auch den Film und er nutzt dieses dramaturgische Mittel, um sein Publikum an das, was mittlerweile Geschichte ist, heranzuführen.
Diese Phantasie und Imagination wird Realität, als sie im Park vor der Friedesstatue steht und zu der Figur eines Mädchens, Sadako Sasaki, aufblickt. Sadako nimmt lebendige Gestalt an, und bald stellt sich heraus, daß die beiden viel gemeinsam haben, nicht nur das Alter, und so freunden sich die beiden an, rennen um die Wette (daß man als Statue da einen gewissen Nachholbedarf an körperlicher Bewegung hat, liegt auf der Hand), und Sadako erzählt ihrer neu gewonnenen Freundin viel über ihr früheres Leben, über ihre Familie und über ihr Schicksal.
Tomoko kommt also der Part der Ahnungslosen (und somit der zu Belehrenden) zu, während Sadako für sie und vor allem den Zuschauer Geschichtslehrer und Fremdenführer in einem spielt – was das japanische Publikum sicher nicht nötig hat, denn die Legende um Sadako ist da recht präsent. Auch das ein Indiz, daß man sich mit diesem kleinen Film vor allem an Kinder wenden will.
So wird Tomoko in die Realität gewordene Unmittelbarkeit ihrer Phantasie geworfen und darf stellvertretend für uns alle einige Schlüsselmomente jener Katastrophe nacherleben. Das Skript des Films zeigt immer wieder unangenehme Züge von schulmäßiger Didaktik; was ich ihm aber trotzdem sehr zugute halten muss, ist der Umstand, daß er sich einen Dreck schert um äußerlich ansprechende Charaktere, erst recht um so Kategorien wie "kawaii". Diese Energie hat man dafür in anständige Animation gesteckt. Künstlerisch kann man das natürlich nicht mit einem Ghibli vergleichen, aber das Artwork ist wirklich sehr ordentlich. Relativ einfach gehalten, aber echt und ausdrucksvoll in seiner Unmittelbarkeit. Bei der Musik, die teilweise etwas zu sentimental geraten ist, fällt auf, daß die lichten Momente von der Solo-Violine dominiert werden, während die melancholischen Momente dem Solo-Cello vorbehalten sind.
»Tsuru ni notte« ist natürlich kein Film der westlich-korrekten Betroffenheitskultur, vielleicht gar kein Antikriegsfilm, denn es geht ihm, abseits von seiner zu offensichtlichen Botschaft, eher um etwas anderes. Etwas, was in ähnlichen Titeln wie »Ushiro no Shoumen dare« und »Glass no Usagi« auch zur Sprache kommt.
Es geht um Ereignisse, die die Vorstellungskraft eines Kindes übersteigen, die in seine geordnete Welt einbrechen, Entsetzen und Fassungslosigkeit hinterlassen, was dann in so hilflosen Begriffen wie Tragik und Schicksal mündet, die doch zu dünn sind, um die ganze innere Katastrophe auch nur annähernd zu erfassen. Daher ist die weiterführende message eher die, den Kindern dieser Welt eine anständige, lebenswerte Zukunft zu hinterlassen.
Was nichts an ihrer Aktualität eingebüßt hat. Aber leider ist "gut gemeint" nur selten auch "gut gemacht", und so opfert man die Geschichte um eine phantastische, vielleicht imaginäre Freundschaft der übergeordneten Botschaft – und landet so im seichten, widerstandslosen Gelände friedensbewegten Kitsches.
Fazit:
»Tsuru ni notte« hätte ein guter Film sein können, aber dann hat man sich zum letzten Drittel hin entschlossen, das Ende einer in sich stimmigen Geschichte der Moral zu opfern. Um den Zuschauer wirklich zu bewegen, fehlt das Eigenständige, das abseits des hehren Anliegens eine Geschichte zu tragen vermag. Aber vielleicht kann man auch nicht mehr verlangen von einem Film, der keine halbe Stunde lang ist.
Beitrag wurde zuletzt am 16.01.2023 20:59 geändert.
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