„Selbst wenn ich keine Interesse habe, wecken Rezensionen meine Neugier“
– Haruka Hashida
Wie lange braucht man, um zeichnen bzw. malen zu lernen? Diese Frage stellt sich auch Die Hauptfigur, Yatora Yaguchi, aus „Blue Period“. Die erste seiner Zeichnungen ist dabei blau (siehe Slaughtertrips Blue-Period-Museum), was einen ersten Verweis zum Titel dasteht. Jedoch ist das gleichzeitig auch eine Referenz auf den Künstler Pablo Picasso, der in den Jahren 1901 bis 1904 hauptsächlich monochrom gemalt hat – natürlich mit blau bzw. blau-grün! Aber um was geht es in „Blue Period“ jetzt eigentlich? Natürlich, dass es um Kunst geht, hat jetzt jeder mitbekommen. Geht’s auch konkreter?
Yatora Yaguchi ist ein normaler Oberschüler – inklusive der damit kommenden Probleme! Auch wenn er recht gut in der Schule ist; coole Freunde hat, mit denen er abhängen kann und sonst keinen anderen Verpflichtungen nachgehen muss, fühlt er sich innerlich leer. Als Oberschüler im zweiten Jahr, sollte er sich langsam mal entscheiden, was er später machen will. Aber was soll man schon tun, wenn einem alles sinnlos erscheint? Durch das Ölgemälde einer seiner Senpai, Mori-san, findet er schließlich seinen Weg: Das Gemälde inspiriert ihn so sehr, dass er selbst mit der Kunst anfangen will – im Zuge seines Kunstunterricht entsteht also sein blaues ‚Meisterwerk‘.
Als neustes Mitglied im Kunstclub sind die kommenden Tage, Wochen, Monate seiner Schulzeit nun damit geprägt, sich immer weiter zu verbessern – denn: Übung macht den Meister. Nachdem auch die anfängliche „Wie erzähl ich bloß meinen Eltern, dass ich mit Kunst mein Geld machen will?“-Krise abgewendet ist, kann Yatora (endlich) auf eine Vorbereitungsschule gehen, die einen für die Aufnahmeprüfung an der Kunstuniversität rüstet.
Erst dann wird einem wirklich bewusst, wie hart Kunst eigentlich ist. Normalerweise bekommt man immer nur mit, wie schwer Sport- und Technikfächer in der Schule sind – und erfährt im Umkehrschluss, wie leicht Kunst eigentlich ist bzw. sieht wie leicht es ‚abgestempelt‘ wird. Aber nichts da! Kunst ist genauso schwierig und fordernd wie andere Berufswege – insbesondere dann, wenn man mit ihr Karriere machen will. Dass das ‚normale‘ Schulsystem allein sowieso schon ein Stressfaktor ist, hat Corona uns in letzter Zeit ja mehr als nur gezeigt … Warum also noch der Kampf „Was ist schwerer? Wie viel mehr tue ich mir denn an als du?“ …
Aber das ist nicht das einzige psychische Problem (engl. „mental health issue“), auf das „Blue Period“ eingeht. Der Anime hat noch eine Menge zu bieten. Unser Hauptcharakter leidet, sehr offensichtlich, an einem Hochstapler-Syndrom: Die ganze Zeit plagen ihn Selbstzweifel und die Frage, warum er selbst so unfähig und schlecht ist; obwohl seine Kunst doch gar nicht schlecht ist – insbesondere für einen Anfänger. Zusammen mit einer Prise „Gifted Kid“-Syndrom der perfekte Mix!
Auch seine Mitschülerin Yuka Ayukawa, die sich dann als geborener Mann (Ryuuji) entpuppt, hat einige Probleme; allen voran Genderdysphorie und Unentschlossenheit in der sexuellen Orientierung – und damit im Zusammenhang natürlich eine Identitätskrise. Und, viele mögen es nicht denken, aber das kann sehr wehtun. Es ist sehr belastend, insbesondere für die psychische Gesundheit. Nicht zuletzt deswegen wird im Anime vielleicht auch von Suizidgedanken gesprochen. Aber nehmen wir diese tiefgründigen Themen mal beiseite … Was hat der Anime noch zu bieten?
Mit „EVERBLUE“ von Omoinotake definitiv ein sehr gutes Opening! Und ganz kann ich die tiefgründigen Themen auch hier nicht beiseitelassen, denn diese zeichnen sich gut im Opening (übersetzt) ab:
Who do I want to be?
How do I want to live?
I dropped these questions into my palette,
Searching for my color
I don't need ideals or imitations,
That's not where the answer lies
I'm going to paint these emotions that run through my veins
My life will one day be colorful
Like a colorless rain eventually painting a rainbow
My life, what color will the end credits be?
Painting on canvas where even tears are painted over
Besonders die Identitätskrise bzw. auch die Zukunftsängste stechen hier raus: Wer will ich sein? Wie will ich leben?How do I want to live?
I dropped these questions into my palette,
Searching for my color
I don't need ideals or imitations,
That's not where the answer lies
I'm going to paint these emotions that run through my veins
My life will one day be colorful
Like a colorless rain eventually painting a rainbow
My life, what color will the end credits be?
Painting on canvas where even tears are painted over
Interessant finde ich dabei auch die beiden Lehrkräfte von Yatora: Saeki-sensei, seine Kunstlehrerin an der Oberschule, und Ooba-sensei, seine Lehrerin im Ölgemäldekurs an der vorbereitenden Schule. Solche Lehrpersonen bräuchte eigentlich jeder in seinem Leben. Beide Lehrerinnen wollen nur das beste für ihren Schüler, ermutigen ihn und geben ihm Anleitungen und Tipps, wie er sich weiter verbessern kann. Ohne die beiden bedingungslos hilfsbereiten Frauen hätte Yatora es wahrscheinlich eher nicht weit gebracht …
Aber sie sind nicht die einzigen spannenden Charaktere, auch wenn die anderen vielleicht etwas „blass“ wirken mögen.
Slaughtertrip Die restlichen Charaktere wirken etwas blass – wie ein unfertiges Gemälde –, was aber auch am fortlaufenden und bereits zweistelligen Manga liegen könnte.
Maru Mori, Yatoras Senpai, kommt zwar nicht besonders häufig im Anime vor, hinterlässt allerdings einen sehr großen Eindruck bei Yatora. Für ihn war ihre bewegende Kunst der Grund, warum er mit dem Malen angefangen hat und sich auch immer weiter verbessert. Sie ist sozusagen seine Muse und treibende Kraft.
Yotasuke Takahashi ist der typische „Musterschüler“ in Yatoras vorbereitender Schule, der ohne große Anstrengung seine wunderschönen Ölgemälde malt. Er ist unnahbar, ungesellig und gemein, trotzdem nimmt er Yatoras Freundschaft irgendwie an; auch, wenn er ihn eigentlich gar nicht mag, weil sich „Yatura nicht genug Mühe macht“. Es sind zwei verschiedene Welten, die da aufeinanderprallen. Mal sehen, wie sie sich dann als Kommilitonen verhalten … vielleicht Rivalen?
Haruka Hashida, ein weiterer Klassenkamerad aus der vorbereitenden Schule, ist ein merkwürdiger Kauz. Ich würde schon fast behaupten, er sei ein komischer Kunstfetischist. Allerdings bildet auch er auf Yatoras Weg einen wichtigen Bestandteil. Yatoras Selbstportrait wurde wohl von einem seiner Gemälde in der „Büffelschule“ inspiriert.
Maki Kuwana, abermals eine künstlerisch sehr begabte Mitschülerin, die Angst hat, dass sie für immer im Schatten ihrer großen Schwester stehen wird bzw. dass ihre Kunst nicht gut genug sei. Sie erklärt unserem Yatura, dass man seine Gesundheit auch beachten muss, selbst wenn man lernt und übt.
Viel zu sagen bleibt nun nicht mehr übrig, allerdings möchte ich noch auf eine Sache eingehen: Animationen. Ich habe so oft gehört, dass viele den Anime animationstechnisch nicht ansprechend finden. Jetzt wäre meine Frage: Wieso? Ich finde die Animationen solide und auch sehr zur Stimmung passend. Sie wären auf jeden Fall kein Grund, den Anime nicht anzuschauen!
Mein persönliches Fazit: Ich empfehle „Blue Period“ definitiv. Der Anime hat für mich gerade gepasst von den ganzen Thematiken. Er war nicht zu ernst, aber auch nicht zu heiter; spannend, aber irgendwie auch vorhersehbar. Natürlich hat der Anime ein paar Schwächen (z. B. der „Zero-To-Hero-Aspekt“), aber darüber schau ich gerne weg. Das wars auch schon wieder; viel Spaß beim Schauen … und ein herzliches Danke an den Rezensionsobermeister Slaugh, dass ich einige seiner Bilder verwenden „durfte“. <3
Beitrag wurde zuletzt am 17.01.2022 02:45 geändert.
Kommentare
Yaguchi hat gerade mit seinen 4 Freunden eine Nacht durchgemacht, als er eines morgens auf dem Heimweg in Shibuya bemerkt, wie die Stimmung der aufgehenden Sonne in den menschenleeren Straßen ihn in ihren Bann zieht, die ruhige, blaue Morgendämmerung bringt ihn dazu sich mit Ästhetik und mit Kunst näher zu beschäftigen. Der Kunstclub seiner Schule legt den Grundstein für seinen Wunsch Malerei zu studieren, aber dafür muss er die knallharte Aufnahmeprüfung der Uni bestehen.
Auf seinem Weg zum Künstler reift nicht nur sein Malerisches Handwerk (erstaunlich schnell) heran, sondern auch seine Psyche. Dabei werden insbesondere die Motive Identität, präsentierte & wahre Persönlichkeit und natürlich Angst vorm Scheitern bei der Prüfung beleuchtet.
Im Zuge seines künstlerischen Schaffens bemerkt unser Protagonist, dass unsere eigene Identität nicht modular ist, denn nicht was wir uns an Optionen herauspicken, sondern warum ist entscheidend! Sie ist nur auf andere durch Handlungen definiert, wir können zwar Rollen annehmen, die nicht unserer wahren Natur entsprechen aber nicht übernehmen. Er setzt sich mit seinem Inneren auseinander, um zu merken wer er wirklich ist, was er will und warum. Gerade diese Erkenntnisse bringen ihn dazu, seinen Bildern eine Seele einzuhauchen, da er es nun versteht seine eigenen Emotionen zu erkennen und zu vermitteln. Es beginnt ein Wandel vom Ästhetik erfassen hin zum bewussten Einsetzen dieser um eine Botschaft zu vermitteln.
Sollte es sich lohnen diese Seite zu zeigen oder fällt er doch am Ende durch die Aufnahmeprüfung? Mit dem Druck vor Klausuren können sich vermutlich alle Studenten identifizieren. Jahre studieren, Monate lernen und trotzdem wissen, dass teilweise nur 30% bestehen werden. Aber glauben wir an uns, oder an die anderen? Umso größer ist am Ende die Erleichterung, wenn sich alles gelohnt hat, wenn die Ungewissheit einem weiteren Motivationsschub weicht. Doch zurück zu den Charakteren:
Das Gegenpendant zu Yamaguchi ist Ayukuwa, der sich oberflächlich betrachtet nicht konformitätsbedacht, sondern unangepasst und selbstbewusst gibt. Bei einem Ausflug von den beiden kommt es zum Entblößen ihrer Persönlichkeiten ("brr, kalt" - Yamaguchi). Was liegt hinter der Fassade dieser auf den ersten Blick so unterschiedlichen Menschen, inwiefern müssen, inwiefern wollen wir die Erwartungen der anderen mit unseren eigenen Vorstellungen verbinden? Verfolgen wir unsere Ziele wirklich aufgrund von intrinsischer Motivation? Wie viele Malereianspielungen passen in einen Anisearch Kommentar?
Der Psychodrama und Coming of Age Teil wird abgerundet mit gefälligen Nebencharakteren und einem Pinselstrich Humor, was die Serie zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügt. Trotz der grundsätzlich ernsten Thematik ist die Serie insgesamt nicht trocken und düster, sondern weiß auch zu unterhalten. Bei so viel Positivem ist das etwas überhastete Ende besonders schade, ein paar weitere Folgen hätten die Geschichte sicherlich noch gut abgerundet. Darüber hinaus wirkt die Serie etwas glattgebügelt, sie ist zwar eigen, aber ohne Eigenheiten. Bezüglich dem Ende gibt es wohl bereits Gerüchte über eine zweite Staffel.
Wenn ihr ein Faible für Psychologie- und Identitätsfragen habt, euch kreativ betätigt oder gerade selbst im Studium befindet werden euch viele Motive des Anime ansprechen. Sehr empfehlenswert!