AsaneRedakteur
#1Irgendwo auf MAL hab ich kürzlich die Einschätzung gelesen, der Film sei eine Kreuzung aus »Kimi no Na wa« und »Toki o Kakeru Shoujo«. Plus »Chihiro«, möchte ich bescheiden hinzufügen. Allerdings garantiert das virtuelle Zusammentreffen solcher Ausnahmefilme noch längst kein sehenswertes Ergebnis mit nachhaltigem Eindruck.
Wie schon so einiges zuvor, hat auch dieses Werk Yoshinobu Sena praktisch im Alleingang geschaffen. Bei solchen Soloprojekten kann durchaus Bemerkenswertes entstehen (siehe »Cencoroll«), aber hier wäre ein künstlerisches Korrektiv durchaus von Vorteil gewesen. Keine Frage, von der ästhetisch-technischen Seite aus gesehen ist dieser Film top. Die Umsetzung des Plots und die Gestaltung der erzählerischen Linie jedoch grenzt an eine Katastrophe. So ist es kein Wunder, daß die meisten der bisherigen Bewertungen und Besprechungen irgendwo zwischen milder Enttäuschung und Totalausfall liegen. Zum Teil liegt das leider auch an den Seiyuu, die nicht immer auf der Höhe des Geschehens agieren, und speziell die Stimme von Arata ist es, die immer wieder für Irritationen sorgt, vorsichtig ausgedrückt.
Optisch ist das Werk auf der Höhe der Zeit, mit nur wenigen Ausreißern nach unten. Nach oben dagegen insofern, als er, anstatt haufenweise computergeneriertes Zeug einzuflicken, gern mal auf bewährte, ja altmodische Techniken setzt, die dem Atmosphärischen guttun und auch ein wenig Nostalgiegefühl aufkommen lassen. Jedenfalls: CGI-Autos wirken von der Seite "gefilmt" um einiges realistischer als in Fahrtrichtung. (Und natürlich darf auch ein weißer Pickup mal wieder nicht fehlen.)
Die Bilder wirken ausdrucksstark und aufgeräumt, ohne diese klinische Sterilität, der computergenerierten Bildern in jüngster Zeit gern zu eigen ist, und auch die Charaktere sind in dieser Hinsicht angenehm und gut gelungen und haben trotz Abdeckung gewisser Stereotypen eine eigene Persönlichkeit. Aber eigentlich fällt das eh nicht so ins Gewicht, denn der Film beschränkt sich im wesentlichen auf grade mal zwei Personen: Mio Miyamasu und ihr Kindheitsfreund Arata Kishimo.
Das Verhältnis der beiden Kindheitsfreunde zueinander ist ziemlich typisch: man weiß nicht so recht, ob man sich bloß aus Gewohnheit gern hat oder ob man schon ineinander verliebt ist. Blöderweise gibt es für das Verliebtsein nicht die richtigen Worte, dafür weibliche Konkurrenz aus den eigenen Reihen (Madoka); alles gerät zu einem emotionalen Durcheinander mit vagen Ausflüchten, seine Annährungsversuche scheitern an ihrem Selbstwertgefühl, und so einiges mehr. Soweit also nichts Neues. Und somit befinden wir uns schon im weiten Reich der landläufigen, generischen Standardsituationen. Es ist immer das übliche: der Typ zerrt panisch das Mädchen hinter sich her, und auf ihre Nachfrage, was das soll, kommt die ausweichende Antwort "nandemonai"; – und dann wundert er sich, daß sie stinkig wird und heimgeht. Auch hier also: nichts Neues aus der Konflikteküche. Leider wird dem Zuschauer aber auch klar, daß dies natürlich keineswegs die normale Reaktion von Arata sein soll. Was ihm da in den Mund gelegt wird ist Teil einer typischen Trope, rein zu zweifelhaften dramaturgischen Zwecken.
Wenn es nur das wäre, könnte ich ja damit leben. Aber so richtig übel wird das nach jenem verhängnisvollem Unfall (nein, nicht Truck-kun), als sie sich in einer vertrauten Welt voller Seltsamkeiten wiederfindet. Tiere spielen da eine wichtige Rolle, vor allem in allegorischer Hinsicht. Fliegende Pinguine und fliegende Wale bevölkern das Geschehen ("es ist alles eine Frage der Perspektive: von unten sehen sie aus, als würden sie fliegen"), der heimische Goldfisch greift rettend ein, und selbst Stofftiere können auf einmal sprechen (so richtig schön mit tiefer Badass-Stimme). Die Fahrt mit der Straßenbahn durch überschwemmtes Gelände wird manchem bekannt vorkommen, genauso wie das Motiv des Verschwindens in einem "Geisterreich", und nun weiß man auch, wo diese Bahn ihre Endstation hat, nämlich in Ikebukuro, wo ebenso wie im berühmten Vorbild schattenhafte Gestalten die Szene bevölkern.
»Kimi wa Kanata« wird eingeleitet von einem Albtraum, den Mio immer wieder hat: von einer Klippe zu fallen und schicksalsergeben in einem tiefen Irgendwo zu versinken. Und auch Arata hat ähnliche Träume vom Absinken ins Bodenlose ohne Gegenwehr. Und spätestens, wenn der Zuschauer dann noch erfährt, wie wertvoll und wichtig Erinnerungen sind, Erinnerungen an etwas, was man noch unbedingt erledigen muss, um dieser jenseitigen Welt zu entkommen, in der Mio offenbar irrtümlich gelandet ist, spätestens da sollte klar werden, wie der Hase läuft.
Und all das mit einer Dramaturgie übelster Sorte. In Verbindung mit viel Familienschicksal und erblichen PSI-Anlagen gipfelt die ganze Chose dann in dem wenig überraschenden Akt der Selbsterkenntnis, daß man bittschön nicht vor seinen Problemen davonrennen, sondern die eigene Angst überwinden soll. Gegen Ende einer epischen Auseinandersetzung mit einer finsteren Macht kommt es noch zu einem kleinen Showdown, den das geliebte Stofftier per vorbildlichem Schulterwurf für sich entscheidet (ein denkwürdiger Stirnpatsch-Moment); aber wofür diese ganz Aktion gut sein sollte, ist eh eine der vielen offenen Fragen.
Insgesamt ist es schon beeindruckend, wie hier furchtbar überkommene Erzählmuster mit absolut fantastischen Momenten abwechseln. Sehr originell und wirklich berührend umgesetzt war die Einflechtung eines Insertsongs in die Handlung, wie ich mir das öfters wünschen würde. Recht unspektakulär, aber wirkungsvoll verhielt sich die sehr bedächtige, durchscheinende BGM, die mit leicht dahingeworfenen Tupfen kammermusikalisch das Geschehen begleitet und sich, wenn nötig, auch zu großer symphonischer Geste aufzuschwingen vermag.
Fazit:
Der Film will einen mit aller Gewalt zum Heulen bringen, aber er versagt an seiner konfusen Logik (Armband), an der Fülle der abgewetzten Filmmotive und am verworrenen Aufbau der Geschichte. Bliebe eigentlich nur noch die Frage zu klären, warum in aller Welt die englische Übersetzung bei der antagonistischen Kraft "mogari" sich für "Requiem" entschieden hat, anstatt das wörtliche "Bambuszaun" zu wählen.
Wie schon so einiges zuvor, hat auch dieses Werk Yoshinobu Sena praktisch im Alleingang geschaffen. Bei solchen Soloprojekten kann durchaus Bemerkenswertes entstehen (siehe »Cencoroll«), aber hier wäre ein künstlerisches Korrektiv durchaus von Vorteil gewesen. Keine Frage, von der ästhetisch-technischen Seite aus gesehen ist dieser Film top. Die Umsetzung des Plots und die Gestaltung der erzählerischen Linie jedoch grenzt an eine Katastrophe. So ist es kein Wunder, daß die meisten der bisherigen Bewertungen und Besprechungen irgendwo zwischen milder Enttäuschung und Totalausfall liegen. Zum Teil liegt das leider auch an den Seiyuu, die nicht immer auf der Höhe des Geschehens agieren, und speziell die Stimme von Arata ist es, die immer wieder für Irritationen sorgt, vorsichtig ausgedrückt.
Optisch ist das Werk auf der Höhe der Zeit, mit nur wenigen Ausreißern nach unten. Nach oben dagegen insofern, als er, anstatt haufenweise computergeneriertes Zeug einzuflicken, gern mal auf bewährte, ja altmodische Techniken setzt, die dem Atmosphärischen guttun und auch ein wenig Nostalgiegefühl aufkommen lassen. Jedenfalls: CGI-Autos wirken von der Seite "gefilmt" um einiges realistischer als in Fahrtrichtung. (Und natürlich darf auch ein weißer Pickup mal wieder nicht fehlen.)
Die Bilder wirken ausdrucksstark und aufgeräumt, ohne diese klinische Sterilität, der computergenerierten Bildern in jüngster Zeit gern zu eigen ist, und auch die Charaktere sind in dieser Hinsicht angenehm und gut gelungen und haben trotz Abdeckung gewisser Stereotypen eine eigene Persönlichkeit. Aber eigentlich fällt das eh nicht so ins Gewicht, denn der Film beschränkt sich im wesentlichen auf grade mal zwei Personen: Mio Miyamasu und ihr Kindheitsfreund Arata Kishimo.
Das Verhältnis der beiden Kindheitsfreunde zueinander ist ziemlich typisch: man weiß nicht so recht, ob man sich bloß aus Gewohnheit gern hat oder ob man schon ineinander verliebt ist. Blöderweise gibt es für das Verliebtsein nicht die richtigen Worte, dafür weibliche Konkurrenz aus den eigenen Reihen (Madoka); alles gerät zu einem emotionalen Durcheinander mit vagen Ausflüchten, seine Annährungsversuche scheitern an ihrem Selbstwertgefühl, und so einiges mehr. Soweit also nichts Neues. Und somit befinden wir uns schon im weiten Reich der landläufigen, generischen Standardsituationen. Es ist immer das übliche: der Typ zerrt panisch das Mädchen hinter sich her, und auf ihre Nachfrage, was das soll, kommt die ausweichende Antwort "nandemonai"; – und dann wundert er sich, daß sie stinkig wird und heimgeht. Auch hier also: nichts Neues aus der Konflikteküche. Leider wird dem Zuschauer aber auch klar, daß dies natürlich keineswegs die normale Reaktion von Arata sein soll. Was ihm da in den Mund gelegt wird ist Teil einer typischen Trope, rein zu zweifelhaften dramaturgischen Zwecken.
Wenn es nur das wäre, könnte ich ja damit leben. Aber so richtig übel wird das nach jenem verhängnisvollem Unfall (nein, nicht Truck-kun), als sie sich in einer vertrauten Welt voller Seltsamkeiten wiederfindet. Tiere spielen da eine wichtige Rolle, vor allem in allegorischer Hinsicht. Fliegende Pinguine und fliegende Wale bevölkern das Geschehen ("es ist alles eine Frage der Perspektive: von unten sehen sie aus, als würden sie fliegen"), der heimische Goldfisch greift rettend ein, und selbst Stofftiere können auf einmal sprechen (so richtig schön mit tiefer Badass-Stimme). Die Fahrt mit der Straßenbahn durch überschwemmtes Gelände wird manchem bekannt vorkommen, genauso wie das Motiv des Verschwindens in einem "Geisterreich", und nun weiß man auch, wo diese Bahn ihre Endstation hat, nämlich in Ikebukuro, wo ebenso wie im berühmten Vorbild schattenhafte Gestalten die Szene bevölkern.
»Kimi wa Kanata« wird eingeleitet von einem Albtraum, den Mio immer wieder hat: von einer Klippe zu fallen und schicksalsergeben in einem tiefen Irgendwo zu versinken. Und auch Arata hat ähnliche Träume vom Absinken ins Bodenlose ohne Gegenwehr. Und spätestens, wenn der Zuschauer dann noch erfährt, wie wertvoll und wichtig Erinnerungen sind, Erinnerungen an etwas, was man noch unbedingt erledigen muss, um dieser jenseitigen Welt zu entkommen, in der Mio offenbar irrtümlich gelandet ist, spätestens da sollte klar werden, wie der Hase läuft.
Und all das mit einer Dramaturgie übelster Sorte. In Verbindung mit viel Familienschicksal und erblichen PSI-Anlagen gipfelt die ganze Chose dann in dem wenig überraschenden Akt der Selbsterkenntnis, daß man bittschön nicht vor seinen Problemen davonrennen, sondern die eigene Angst überwinden soll. Gegen Ende einer epischen Auseinandersetzung mit einer finsteren Macht kommt es noch zu einem kleinen Showdown, den das geliebte Stofftier per vorbildlichem Schulterwurf für sich entscheidet (ein denkwürdiger Stirnpatsch-Moment); aber wofür diese ganz Aktion gut sein sollte, ist eh eine der vielen offenen Fragen.
Insgesamt ist es schon beeindruckend, wie hier furchtbar überkommene Erzählmuster mit absolut fantastischen Momenten abwechseln. Sehr originell und wirklich berührend umgesetzt war die Einflechtung eines Insertsongs in die Handlung, wie ich mir das öfters wünschen würde. Recht unspektakulär, aber wirkungsvoll verhielt sich die sehr bedächtige, durchscheinende BGM, die mit leicht dahingeworfenen Tupfen kammermusikalisch das Geschehen begleitet und sich, wenn nötig, auch zu großer symphonischer Geste aufzuschwingen vermag.
Fazit:
Der Film will einen mit aller Gewalt zum Heulen bringen, aber er versagt an seiner konfusen Logik (Armband), an der Fülle der abgewetzten Filmmotive und am verworrenen Aufbau der Geschichte. Bliebe eigentlich nur noch die Frage zu klären, warum in aller Welt die englische Übersetzung bei der antagonistischen Kraft "mogari" sich für "Requiem" entschieden hat, anstatt das wörtliche "Bambuszaun" zu wählen.
Beitrag wurde zuletzt am 16.03.2024 23:51 geändert.
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