SlaughtertripV.I.P.
#1Jeder Millennial, der »Leb deinen Traum« oder »Vertrau mir« von Frank Schindel hört und dabei keine Gänsehaut bekommt, soll doch bitte die Hand in die Luft strecken und ganz laut »Ich!« sagen. Für meine Anime guckende Generation ist es fast unmöglich, bei »Digimon« nicht zumindest ein ganz kleines bisschen Nostalgie zu empfinden. Alte Liebe rostet nicht. In meinem Herzen befindet sich jedoch nur »Digimon Adventure« und »Digimon Adventure 02«. Der Rest wurde dann sogar mir zu doof. Mit »Digimon Adventure tri.« wurde bereits vor ein paar Jahren der Nostalgie-Button der Fans der ersten Stunde gedrückt. Nicht allzu viel später wurde der Button sogar gleich zweimal gedrückt, und zwar mit »Digimon Adventure: Last Evolution Kizuna« und natürlich mit jenem Werk, das hier zur Besprechung steht: »Digimon Advenure: (2020)«.
Dieser Anime ist ein Reboot der ersten Staffel. Das macht natürlich neugierig. Wie wird dieselbe Geschichte mehr als 20 Jahre später neu erzählt? Das Wichtigste zuerst: Das Konzept des Erfolgsanimes aus dem Jahr 1999 wurde nicht über den Haufen geworfen. Im Gegenteil, es wurde versucht, das Feeling aufleben zu lassen, das schon die Kinder von damals fasziniert hat und nun die heutigen Kinder ebenfalls zu nostalgischen Erwachsenen formen soll. Die Erfolgsformel von damals wurde wiederverwendet, nur leider wurde sie verschlimmbessert. Zerkleinern wir diesen 67-Episoden-Brocken mal und sehen uns Steinchen für Steinchen an, was hier geboten wird.
Dem Produktionsteam war wohl bewusst, dass viele alte Fans sich diesen Anime nicht entgehen lassen wollen, weshalb man in den ersten paar Episoden ein wahres Feuerwerk an Digitationen zu sehen bekommen hat, denn: Alte Fans wissen ohnehin, zu welchen Mega-Digitationen Agumon und Co. imstande sind, also warum künstlich Spannung auf vorhersehbare Verwandlungen erzeugen? Insofern kamen die Ereignisse in den ersten Episoden sehr überraschend … positiv überraschend, denn dem Zuseher, der sich fühlt wie ein mit Süßigkeiten überhäuftes Kind, wird’s gefallen.
Nach diesem Mega-Event fängt die Geschichte jedoch erst richtig an. Das Tempo wird wieder gedrosselt (noch schneller geht’s auch kaum) und man bekommt die ersten Abenteuer der Digiritter und ihrer Digimon in der Digiwelt zu sehen. (Der Präfix »Digi« ist hier sehr prominent!) Die erste Geschichte, die man zu sehen bekommt, ist der Reboot des Devimon-Arcs. Dieser schwarze Teufel, welcher der erste Digimon-Antagonist überhaupt ist, gehört auch jetzt noch zu meinen Favoriten. Und es macht auch nichts, dass er bei fast allen seiner Auftritte gleich aussieht, denn er sieht megastark aus (und das als Champion-Level-Digimon)! Statt jedoch die Story der ersten Staffel zu wiederholen und nur ein bisschen abzuändern, erzählt man eine völlig neue Geschichte, die mit Ausnahme von ein paar Kleinigkeiten in der ersten Staffel ebenfalls funktioniert hätte. Man bekommt also etwas Neues zu sehen, ohne den Kern der Geschichte zu verfremden, wodurch man in seine bekannte und wohlig-kuschlige Komfortzone zurückkehrt und dabei dennoch gespannt sein kann, was einem als nächstes erwartet. Im Gegensatz zum Original nehmen hier die Heiligen Digimon eine viel höhere Stellung ein. Das heilige Licht, das sie ausstrahlen, und die Digimon selbst haben ein so derbe mächtiges Power-Up bekommen, dass man meinen könnte, dass Apocalymon von Patamon geoneshottet werden könnte. Angemon kann man quasi als Gegenstück zu Devimon bezeichnen – dieser Vergleich kam mir bereits bei der ersten Staffel in den Sinn –, weshalb der Fokus auf die heiligen Digimon in diesem Arc sehr passend ist.
Doch dann …
Ich liebe es, bei meinen Rezensionen Spannung aufzubauen.
Ich hatte erwartet, dass es mit dem Etemon-Arc weitergeht. Stattdessen wurde mit Millenniumon ein völlig neuer Gegner vorgestellt. Vorgestellt? Vielleicht sollte ich besser »erwähnt« sagen, denn wirklich zu sehen bekommt man ihn erst am Ende dieses Arcs. Mit so etwas kann ich gut leben … solange die Qualität passt. Laut dem gleichnamigen Film kann man das, was nicht passt, passend machen. Aber ab hier passt so wenig, dass es nicht ausgereicht hätte, nur an ein paar Schrauben zu drehen. Das ganze Grundgerüst hätte man um- und die Drehbücher verwerfen sollen. Denn ab dem Millenniumon-Arc, der bei Episode 25 beginnt und mit Episode 50 endet, wird der Aufbau episodisch – was an sich nicht schlimm ist – und leider auch vorhersehbar und repetitiv. Und das Schlimmste: Diese Herangehensweise wird beim nächsten Arc – dem »Great Catastrophe«-Arc – weitergeführt. Ab und an ein paar Episoden, in denen jeweils ein Digiritter und sein Digimon im Mittelpunkt stehen, hat es bereits beim Original gegeben. Dabei kam es immer zur nächsten Digitation des Digimon-Partners, was auch damals schon vorhersehbar war. Doch hier hat man es deutlich übertrieben. Der Aufbau ist fast immer derselbe: Der Digiritter und sein Digimon erleben ein Abenteuer, und weil Tai und Agumon die unschlagbare Macht der Protagonisten besitzen, sind sie auch immer dabei – selbst wenn sie in der vorherigen Episode in die entgegengesetzte Richtung gegangen sind. Die Kinder unter den Zusehern werden das nicht infrage stellen. Es taucht ein Digimon auf, das mal mehr, mal weniger böse ist, das es aber immer zu bezwingen gilt. Sollte es dabei zu neuen Digitationen kommen, nehmen der Episodentitel und die Vorschau diese vorweg. Toei ist ohnehin eine Firma, deren Angestellte durch die Bank nicht verstehen, dass viele Zuseher nicht gespoilert werden wollen.
Durch dieses Konzept ist es auch keine Überraschung, dass man auf insgesamt 67 Episoden gekommen ist, von denen bestimmt 20 »für die Fisch« sind. Dabei ist eine hohe Episodenanzahl per se nichts Negatives. »One Piece« und »Meitantei Conan« könnten von mir aus erst dann enden, kurz bevor ich selbst irgendwann mal ins Gras beiße. Das Problem liegt eher darin, dass alle diese Episoden die Story verdrängen, und zwar vollständig. Anstelle eines roten Fadens, den man grundsätzlich auch in Geschichten mit episodischem Aufbau erkennen kann, gibt es hier viele Fäden in unterschiedlicher, jedoch nie in roter Farbe. Der Titel – »Digimon Adventure« – hält nicht, was er verspricht. Anstelle eines großen Abenteuers bekommt man hier viele kleine Abenteuer – und man wartet eigentlich nur darauf, dass am Schluss gegen die personifizierte »Great Catastrophe« gekämpft wird.
Nach diesem enttäuschenden Resümee muss ich mich erst mal wieder aufraffen, um den technischen Aspekten das ihnen gebührenden Lob auszusprechen, denn niedergeschlagen lobt es sich nicht gut. Nein, »Digimon« ist kein Makoto Shinkai, und eine lang laufende und von Toei produzierte »Digimon«-Serie schon gar nicht. Aber ich sehe mit den Augen und höre mit den Ohren eines Kindes, das aufgrund der Nostalgie in mir geweckt wurde. Stilistisch sieht diese Staffel wie eine polierte Version des Originals aus, sodass auch die alten Fans sich wie zu Hause fühlen. Durch ein paar einfache Tricks – funkelnde Striche und Punkte – sieht die Welt nach dem aus, was sie in Wirklichkeit auch ist: digital. Dass ein OST dieselben Emotionen auslösen kann wie damals, als man noch ein kleiner Hosenfratz war, ist praktisch unmöglich. Dennoch gibt es auch hier musikalische Momente, die in 10, 15, 20 Jahren dasselbe Gefühl von Nostalgie wecken könnten, wie es die Musik der Originalserie bei mir und meinen Millennial-Artgenossen nun macht.
Wie gesagt: Für Fans der ersten Stunde ist es fast unmöglich, »Digimon« nicht mit zumindest einer Prise Nostalgie zu sehen. Das heißt aber nicht, dass man jedes Produkt, das diesen Namen ziert, mit einer rosaroten Brille tragend abfeiern muss.
Dieser Anime ist ein Reboot der ersten Staffel. Das macht natürlich neugierig. Wie wird dieselbe Geschichte mehr als 20 Jahre später neu erzählt? Das Wichtigste zuerst: Das Konzept des Erfolgsanimes aus dem Jahr 1999 wurde nicht über den Haufen geworfen. Im Gegenteil, es wurde versucht, das Feeling aufleben zu lassen, das schon die Kinder von damals fasziniert hat und nun die heutigen Kinder ebenfalls zu nostalgischen Erwachsenen formen soll. Die Erfolgsformel von damals wurde wiederverwendet, nur leider wurde sie verschlimmbessert. Zerkleinern wir diesen 67-Episoden-Brocken mal und sehen uns Steinchen für Steinchen an, was hier geboten wird.
Dem Produktionsteam war wohl bewusst, dass viele alte Fans sich diesen Anime nicht entgehen lassen wollen, weshalb man in den ersten paar Episoden ein wahres Feuerwerk an Digitationen zu sehen bekommen hat, denn: Alte Fans wissen ohnehin, zu welchen Mega-Digitationen Agumon und Co. imstande sind, also warum künstlich Spannung auf vorhersehbare Verwandlungen erzeugen? Insofern kamen die Ereignisse in den ersten Episoden sehr überraschend … positiv überraschend, denn dem Zuseher, der sich fühlt wie ein mit Süßigkeiten überhäuftes Kind, wird’s gefallen.
Nach diesem Mega-Event fängt die Geschichte jedoch erst richtig an. Das Tempo wird wieder gedrosselt (noch schneller geht’s auch kaum) und man bekommt die ersten Abenteuer der Digiritter und ihrer Digimon in der Digiwelt zu sehen. (Der Präfix »Digi« ist hier sehr prominent!) Die erste Geschichte, die man zu sehen bekommt, ist der Reboot des Devimon-Arcs. Dieser schwarze Teufel, welcher der erste Digimon-Antagonist überhaupt ist, gehört auch jetzt noch zu meinen Favoriten. Und es macht auch nichts, dass er bei fast allen seiner Auftritte gleich aussieht, denn er sieht megastark aus (und das als Champion-Level-Digimon)! Statt jedoch die Story der ersten Staffel zu wiederholen und nur ein bisschen abzuändern, erzählt man eine völlig neue Geschichte, die mit Ausnahme von ein paar Kleinigkeiten in der ersten Staffel ebenfalls funktioniert hätte. Man bekommt also etwas Neues zu sehen, ohne den Kern der Geschichte zu verfremden, wodurch man in seine bekannte und wohlig-kuschlige Komfortzone zurückkehrt und dabei dennoch gespannt sein kann, was einem als nächstes erwartet. Im Gegensatz zum Original nehmen hier die Heiligen Digimon eine viel höhere Stellung ein. Das heilige Licht, das sie ausstrahlen, und die Digimon selbst haben ein so derbe mächtiges Power-Up bekommen, dass man meinen könnte, dass Apocalymon von Patamon geoneshottet werden könnte. Angemon kann man quasi als Gegenstück zu Devimon bezeichnen – dieser Vergleich kam mir bereits bei der ersten Staffel in den Sinn –, weshalb der Fokus auf die heiligen Digimon in diesem Arc sehr passend ist.
Doch dann …
Ich liebe es, bei meinen Rezensionen Spannung aufzubauen.
Ich hatte erwartet, dass es mit dem Etemon-Arc weitergeht. Stattdessen wurde mit Millenniumon ein völlig neuer Gegner vorgestellt. Vorgestellt? Vielleicht sollte ich besser »erwähnt« sagen, denn wirklich zu sehen bekommt man ihn erst am Ende dieses Arcs. Mit so etwas kann ich gut leben … solange die Qualität passt. Laut dem gleichnamigen Film kann man das, was nicht passt, passend machen. Aber ab hier passt so wenig, dass es nicht ausgereicht hätte, nur an ein paar Schrauben zu drehen. Das ganze Grundgerüst hätte man um- und die Drehbücher verwerfen sollen. Denn ab dem Millenniumon-Arc, der bei Episode 25 beginnt und mit Episode 50 endet, wird der Aufbau episodisch – was an sich nicht schlimm ist – und leider auch vorhersehbar und repetitiv. Und das Schlimmste: Diese Herangehensweise wird beim nächsten Arc – dem »Great Catastrophe«-Arc – weitergeführt. Ab und an ein paar Episoden, in denen jeweils ein Digiritter und sein Digimon im Mittelpunkt stehen, hat es bereits beim Original gegeben. Dabei kam es immer zur nächsten Digitation des Digimon-Partners, was auch damals schon vorhersehbar war. Doch hier hat man es deutlich übertrieben. Der Aufbau ist fast immer derselbe: Der Digiritter und sein Digimon erleben ein Abenteuer, und weil Tai und Agumon die unschlagbare Macht der Protagonisten besitzen, sind sie auch immer dabei – selbst wenn sie in der vorherigen Episode in die entgegengesetzte Richtung gegangen sind. Die Kinder unter den Zusehern werden das nicht infrage stellen. Es taucht ein Digimon auf, das mal mehr, mal weniger böse ist, das es aber immer zu bezwingen gilt. Sollte es dabei zu neuen Digitationen kommen, nehmen der Episodentitel und die Vorschau diese vorweg. Toei ist ohnehin eine Firma, deren Angestellte durch die Bank nicht verstehen, dass viele Zuseher nicht gespoilert werden wollen.
Durch dieses Konzept ist es auch keine Überraschung, dass man auf insgesamt 67 Episoden gekommen ist, von denen bestimmt 20 »für die Fisch« sind. Dabei ist eine hohe Episodenanzahl per se nichts Negatives. »One Piece« und »Meitantei Conan« könnten von mir aus erst dann enden, kurz bevor ich selbst irgendwann mal ins Gras beiße. Das Problem liegt eher darin, dass alle diese Episoden die Story verdrängen, und zwar vollständig. Anstelle eines roten Fadens, den man grundsätzlich auch in Geschichten mit episodischem Aufbau erkennen kann, gibt es hier viele Fäden in unterschiedlicher, jedoch nie in roter Farbe. Der Titel – »Digimon Adventure« – hält nicht, was er verspricht. Anstelle eines großen Abenteuers bekommt man hier viele kleine Abenteuer – und man wartet eigentlich nur darauf, dass am Schluss gegen die personifizierte »Great Catastrophe« gekämpft wird.
Nach diesem enttäuschenden Resümee muss ich mich erst mal wieder aufraffen, um den technischen Aspekten das ihnen gebührenden Lob auszusprechen, denn niedergeschlagen lobt es sich nicht gut. Nein, »Digimon« ist kein Makoto Shinkai, und eine lang laufende und von Toei produzierte »Digimon«-Serie schon gar nicht. Aber ich sehe mit den Augen und höre mit den Ohren eines Kindes, das aufgrund der Nostalgie in mir geweckt wurde. Stilistisch sieht diese Staffel wie eine polierte Version des Originals aus, sodass auch die alten Fans sich wie zu Hause fühlen. Durch ein paar einfache Tricks – funkelnde Striche und Punkte – sieht die Welt nach dem aus, was sie in Wirklichkeit auch ist: digital. Dass ein OST dieselben Emotionen auslösen kann wie damals, als man noch ein kleiner Hosenfratz war, ist praktisch unmöglich. Dennoch gibt es auch hier musikalische Momente, die in 10, 15, 20 Jahren dasselbe Gefühl von Nostalgie wecken könnten, wie es die Musik der Originalserie bei mir und meinen Millennial-Artgenossen nun macht.
Wie gesagt: Für Fans der ersten Stunde ist es fast unmöglich, »Digimon« nicht mit zumindest einer Prise Nostalgie zu sehen. Das heißt aber nicht, dass man jedes Produkt, das diesen Namen ziert, mit einer rosaroten Brille tragend abfeiern muss.
Beitrag wurde zuletzt am 28.09.2021 04:51 geändert.
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