SlaughtertripV.I.P.
#1Es ist keine Schande, bei einem Anime zu weinen. »Ranking of Kings« reiht sich zwar nicht nahtlos in sentimentale Dramen wie »Clannad« oder »Kanon« ein, schafft es aber dennoch, große Emotionen zu wecken, und das ganz ohne Szenen, die bewusst und offensichtlich darauf abzielen. Dieser Anime ist mein persönlicher AOTY, und selbst jahresübergreifend sollte das Königsranking vermutlich nicht vom Thron gestoßen werden.
Was kann man eigentlich von einem Manga, der so aussieht, erwarten? Und was kann man von einem Anime, der auf diesem Manga basiert und so aussieht, erwarten? Mehr als man glaubt … Der größte Fehler, den man machen kann, ist, Vorurteile zu haben und diesem Anime nur deshalb keine Chance zu geben, weil der Zeichenstil so untypisch und etwas minimalistisch ist. So entgeht beispielsweise meinem Schüler, Nova Lunaris, ein Meisterwerk, das ihm sicherlich gefallen würde. Aber man kann ja niemandem zu seinem Glück zwingen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, weshalb man sich diesen Anime bereits nach kürzester Zeit gar nicht mehr mit einem anderen Zeichenstil vorstellen kann und will. Ich muss zugeben, der Manga schaut auch für mich zu scheußlich aus, aber die Zeichnungen werden dort immer besser: zu Beginn noch so, aktuell so. Man hält es aufgrund des Zeichenstils vielleicht nicht für möglich, doch die Animationen sind sehr, sehr gut. Vielleicht ist es sogar diesem minimalistischen Zeichenstil zu verdanken, dass man Animationen auf höchstem Niveau erstellen konnte. Ich könnte jetzt lang und breit erklären, was an den Animationen so toll ist. Doch für was gibt es Youtube? Diese Szene stammt aus Episode 21. Mit Spoilern ist also zu rechnen.
Es ist nicht nur dieser einzigartige Zeichenstil, weshalb der Anime gar nicht wie ein Anime wirkt. Die gesamte Inszenierung wirkt sogar eher westlich. Dies mag auch auf das völlige und absolute Nichtvorhandensein von Tropen zurückzuführen sein. So ist dieser Anime nicht nur angenehm originell, sondern man erspart sich zudem auch peinliche Pantsuuu~, Onii-chan, Tsundere, Onsen, Ecchi, Baka und alles, was auf tvtropes zu finden ist. Nimmt man sich vor, ähnliche Animes zu suchen, wird man nicht fündig. Man stellt jedoch erfreulicherweise fest, dass es gar keine abstrusen und nur wenige Minuten oder Sekunden langen Kunstfilme braucht, um etwas Neues, Interessantes und Gehaltvolles zu erschaffen. Es genügt, seiner eigenen Vision zu folgen, ohne sich von Trends oder dem Üblichen, das man jahrelang konsumiert hat, beeinflussen zu lassen.
Die Geschichte ist sehr clever geschrieben und sorgt immer wieder für Überraschungen. Wie aus dem Nichts kommen manche Szenen, die vermutlich auch der erfahrenste Zuseher nicht erwartet. Doch egal, wie ungewöhnlich manche dieser Szenen auch erscheinen, sie sind immer schlüssig und zudem die logische Konsequenz aus vorherigen Ereignissen. Nichts geschieht ohne Grund, auch wenn es manchmal vielleicht so wirken mag. Man stellt oft erst später Bezug zu bereits passierten Geschehnissen her. Obwohl der Manga noch ongoing ist, erhält man im 23 Episoden umfassenden Anime ausreichend Antworten, auch auf Fragen, die man sich gar nicht gestellt hat.
Man erwartet vielleicht eine typische mittelalterliche Schild- und Schwertgeschichte, wird jedoch überrascht, wenn man erkennt, dass diese so rein gar nichts zu tun hat mit den üblichen Isekai und Alternative-Welt-Animes, auf deren Cover der schwarz- oder braunhaarige Held im Teenageralter mitsamt seinem weiblichen Anhang erstrahlen. Die grundlegende Prämisse, bei der es darum geht, dass die Könige einer jeden Nation bewertet werden und den ihnen zustehenden Platz in einer Rangliste erhalten, wäre passender Nährboden für eine übliche Shounen-Geschichte, vielleicht sogar mit Tendenzen in Richtung Ganbatte. Doch auch wenn es das Ziel von so manchen Charakteren ist, im Ranking gut platziert zu sein oder einfach nur eine würdige Nachfolge anzutreten, ist es nicht das Ziel des Animes, das Ranking selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Es geht vielmehr um die Story selbst als um ein bestimmtes Ziel, auf das die Charaktere ihren Tunnelblick richten. Es wird eine fantastische Geschichte mit vielen Geheimnissen und Wendungen erzählt, die man sich auch gut und gerne als Roman vorstellen kann. Diese Geschichte, die eine einzige Entdeckungsreise für den auf der Couch sitzenden Zuseher ist, nimmt teilweise epische Züge an, bleibt aber immer bodenständig, was auch an den sympathischen Charakteren liegt, allen voran am kleinen Riesen Bojji.
Bojji ist schon ein seltsames Kerlchen. Man kann ihn einfach nicht nicht mögen. Für den Zuseher ist das natürlich ein Pluspunkt, aber auch die Charaktere im Anime selbst können sich seinem Charme nicht entziehen, wenn auch nicht immer sofort. Einem König, in den man nicht sein vollstes Vertrauen legen kann, folgt man auch nicht. Zu Beginn scheint noch relativ klar zu sein, wer Bojji loyal ist und wer nicht. Wer ihm schlussendlich dann wirklich folgt, das ist dann eine andere Geschichte. Obwohl Bojji viel Leid erdulden muss und weint und heult und plärrt und rehrt, ist er keine Heulsuse. Wie gesagt, es ist keine Schande zu weinen, und Bojji muss sich auch nicht dafür schämen, wenn ihm in gewissen, für den Zuseher nachvollziehbaren Situationen Tränen über die Wangen laufen. Oder wird hier einfach nur der Beschützerinstinkt ausgelöst?
Jedes Wort über die einzelnen Charaktere wäre vermutlich ein Wort zu viel, denn man lässt sich am besten selbst über ihre Entwicklung überraschen. Es sei aber so viel gesagt, dass zwischen den Charakteren viele Querverbindungen, die anfangs gar nicht so leicht zu erkennen sind, bestehen. Das sorgt für eine dynamische, abwechslungsreiche und nie zu lineare oder vorhersehbare Entwicklung in Bezug auf die Story und die Charaktere. So ziemlich jeder Nebencharakter würde eine Erwähnung verdienen, doch ist es gerade Kage, der aufgrund mehrerer Faktoren wesentlich heraussticht. Dieses »Schattenwesen« ist der ständige Begleiter von Bojji. Aktiv spielt er vielleicht nicht eine so große Rolle wie andere Charaktere, doch er ist wichtig für die Kommunikation, da Bojji taubstumm ist. Akira Toriyama, der Mangaka von »Dragon Ball«, lässt seine Charaktere gerne in Pärchen auftreten. Er ist nämlich der Meinung, dass die Interaktion zweier Charaktere dabei helfen würde, die Geschichte durch Taten (»Show, don‘t tell«) voranzubringen und die Charaktere besser kennenzulernen. Auf ähnliche Weise könnte man die Beziehung zwischen Bojji und Kage deuten.
Die Charaktere handeln teils undurchschaubar, teils wankelmütig, teils unerfahren. Manche von ihnen sind noch am Reifen, machen Fehler und lernen hoffentlich daraus. Andere wiederum stehen mit beiden Beinen fest im Leben, sind erfolgreich, machen jedoch auch Fehler, denn davor ist man nie gefeit. Sie verhalten sich also wie Menschen. Menschen, die etwas verheimlichen, die etwas bereuen, die unaussprechliche Wünsche haben, die sich für neue Wege entscheiden und deren Persönlichkeiten nicht mit zwei oder drei Begriffen zu erklären sind. In diesem Anime gibt es kein Schwarz und kein Weiß und auch keine richtigen Bösewichte. Es gibt nur schwere Schicksalsschläge, aus denen falsche Entscheidungen resultieren, und folgenschwere Missverständnisse aufgrund von wahrer, aber blinder Liebe.
Etwas Einmaliges erwartet einen hier. Der einzige Grund, diesen Anime nicht anzusehen, ist, wenn man von Pantsuuu~ noch nicht die Nase voll hat. Das Ranking des Animes (aktuell #117, 21.06.2022) spricht für sich. Ich überreiche ihm hiermit die Krone für den jahresübergreifenden AOTY. »Ranking of Kings« is the King!
Was kann man eigentlich von einem Manga, der so aussieht, erwarten? Und was kann man von einem Anime, der auf diesem Manga basiert und so aussieht, erwarten? Mehr als man glaubt … Der größte Fehler, den man machen kann, ist, Vorurteile zu haben und diesem Anime nur deshalb keine Chance zu geben, weil der Zeichenstil so untypisch und etwas minimalistisch ist. So entgeht beispielsweise meinem Schüler, Nova Lunaris, ein Meisterwerk, das ihm sicherlich gefallen würde. Aber man kann ja niemandem zu seinem Glück zwingen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, weshalb man sich diesen Anime bereits nach kürzester Zeit gar nicht mehr mit einem anderen Zeichenstil vorstellen kann und will. Ich muss zugeben, der Manga schaut auch für mich zu scheußlich aus, aber die Zeichnungen werden dort immer besser: zu Beginn noch so, aktuell so. Man hält es aufgrund des Zeichenstils vielleicht nicht für möglich, doch die Animationen sind sehr, sehr gut. Vielleicht ist es sogar diesem minimalistischen Zeichenstil zu verdanken, dass man Animationen auf höchstem Niveau erstellen konnte. Ich könnte jetzt lang und breit erklären, was an den Animationen so toll ist. Doch für was gibt es Youtube? Diese Szene stammt aus Episode 21. Mit Spoilern ist also zu rechnen.
Es ist nicht nur dieser einzigartige Zeichenstil, weshalb der Anime gar nicht wie ein Anime wirkt. Die gesamte Inszenierung wirkt sogar eher westlich. Dies mag auch auf das völlige und absolute Nichtvorhandensein von Tropen zurückzuführen sein. So ist dieser Anime nicht nur angenehm originell, sondern man erspart sich zudem auch peinliche Pantsuuu~, Onii-chan, Tsundere, Onsen, Ecchi, Baka und alles, was auf tvtropes zu finden ist. Nimmt man sich vor, ähnliche Animes zu suchen, wird man nicht fündig. Man stellt jedoch erfreulicherweise fest, dass es gar keine abstrusen und nur wenige Minuten oder Sekunden langen Kunstfilme braucht, um etwas Neues, Interessantes und Gehaltvolles zu erschaffen. Es genügt, seiner eigenen Vision zu folgen, ohne sich von Trends oder dem Üblichen, das man jahrelang konsumiert hat, beeinflussen zu lassen.
Die Geschichte ist sehr clever geschrieben und sorgt immer wieder für Überraschungen. Wie aus dem Nichts kommen manche Szenen, die vermutlich auch der erfahrenste Zuseher nicht erwartet. Doch egal, wie ungewöhnlich manche dieser Szenen auch erscheinen, sie sind immer schlüssig und zudem die logische Konsequenz aus vorherigen Ereignissen. Nichts geschieht ohne Grund, auch wenn es manchmal vielleicht so wirken mag. Man stellt oft erst später Bezug zu bereits passierten Geschehnissen her. Obwohl der Manga noch ongoing ist, erhält man im 23 Episoden umfassenden Anime ausreichend Antworten, auch auf Fragen, die man sich gar nicht gestellt hat.
Man erwartet vielleicht eine typische mittelalterliche Schild- und Schwertgeschichte, wird jedoch überrascht, wenn man erkennt, dass diese so rein gar nichts zu tun hat mit den üblichen Isekai und Alternative-Welt-Animes, auf deren Cover der schwarz- oder braunhaarige Held im Teenageralter mitsamt seinem weiblichen Anhang erstrahlen. Die grundlegende Prämisse, bei der es darum geht, dass die Könige einer jeden Nation bewertet werden und den ihnen zustehenden Platz in einer Rangliste erhalten, wäre passender Nährboden für eine übliche Shounen-Geschichte, vielleicht sogar mit Tendenzen in Richtung Ganbatte. Doch auch wenn es das Ziel von so manchen Charakteren ist, im Ranking gut platziert zu sein oder einfach nur eine würdige Nachfolge anzutreten, ist es nicht das Ziel des Animes, das Ranking selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Es geht vielmehr um die Story selbst als um ein bestimmtes Ziel, auf das die Charaktere ihren Tunnelblick richten. Es wird eine fantastische Geschichte mit vielen Geheimnissen und Wendungen erzählt, die man sich auch gut und gerne als Roman vorstellen kann. Diese Geschichte, die eine einzige Entdeckungsreise für den auf der Couch sitzenden Zuseher ist, nimmt teilweise epische Züge an, bleibt aber immer bodenständig, was auch an den sympathischen Charakteren liegt, allen voran am kleinen Riesen Bojji.
Bojji ist schon ein seltsames Kerlchen. Man kann ihn einfach nicht nicht mögen. Für den Zuseher ist das natürlich ein Pluspunkt, aber auch die Charaktere im Anime selbst können sich seinem Charme nicht entziehen, wenn auch nicht immer sofort. Einem König, in den man nicht sein vollstes Vertrauen legen kann, folgt man auch nicht. Zu Beginn scheint noch relativ klar zu sein, wer Bojji loyal ist und wer nicht. Wer ihm schlussendlich dann wirklich folgt, das ist dann eine andere Geschichte. Obwohl Bojji viel Leid erdulden muss und weint und heult und plärrt und rehrt, ist er keine Heulsuse. Wie gesagt, es ist keine Schande zu weinen, und Bojji muss sich auch nicht dafür schämen, wenn ihm in gewissen, für den Zuseher nachvollziehbaren Situationen Tränen über die Wangen laufen. Oder wird hier einfach nur der Beschützerinstinkt ausgelöst?
Jedes Wort über die einzelnen Charaktere wäre vermutlich ein Wort zu viel, denn man lässt sich am besten selbst über ihre Entwicklung überraschen. Es sei aber so viel gesagt, dass zwischen den Charakteren viele Querverbindungen, die anfangs gar nicht so leicht zu erkennen sind, bestehen. Das sorgt für eine dynamische, abwechslungsreiche und nie zu lineare oder vorhersehbare Entwicklung in Bezug auf die Story und die Charaktere. So ziemlich jeder Nebencharakter würde eine Erwähnung verdienen, doch ist es gerade Kage, der aufgrund mehrerer Faktoren wesentlich heraussticht. Dieses »Schattenwesen« ist der ständige Begleiter von Bojji. Aktiv spielt er vielleicht nicht eine so große Rolle wie andere Charaktere, doch er ist wichtig für die Kommunikation, da Bojji taubstumm ist. Akira Toriyama, der Mangaka von »Dragon Ball«, lässt seine Charaktere gerne in Pärchen auftreten. Er ist nämlich der Meinung, dass die Interaktion zweier Charaktere dabei helfen würde, die Geschichte durch Taten (»Show, don‘t tell«) voranzubringen und die Charaktere besser kennenzulernen. Auf ähnliche Weise könnte man die Beziehung zwischen Bojji und Kage deuten.
Die Charaktere handeln teils undurchschaubar, teils wankelmütig, teils unerfahren. Manche von ihnen sind noch am Reifen, machen Fehler und lernen hoffentlich daraus. Andere wiederum stehen mit beiden Beinen fest im Leben, sind erfolgreich, machen jedoch auch Fehler, denn davor ist man nie gefeit. Sie verhalten sich also wie Menschen. Menschen, die etwas verheimlichen, die etwas bereuen, die unaussprechliche Wünsche haben, die sich für neue Wege entscheiden und deren Persönlichkeiten nicht mit zwei oder drei Begriffen zu erklären sind. In diesem Anime gibt es kein Schwarz und kein Weiß und auch keine richtigen Bösewichte. Es gibt nur schwere Schicksalsschläge, aus denen falsche Entscheidungen resultieren, und folgenschwere Missverständnisse aufgrund von wahrer, aber blinder Liebe.
Etwas Einmaliges erwartet einen hier. Der einzige Grund, diesen Anime nicht anzusehen, ist, wenn man von Pantsuuu~ noch nicht die Nase voll hat. Das Ranking des Animes (aktuell #117, 21.06.2022) spricht für sich. Ich überreiche ihm hiermit die Krone für den jahresübergreifenden AOTY. »Ranking of Kings« is the King!
Beitrag wurde zuletzt am 21.06.2022 17:21 geändert.
Kommentare
Respekt an Hiling!!
Wie viele Stunden Yoga und Dehnübungen waren wohl nötig um Daida zu empfangen? Bosse ist halt so groß wie ein zweistöckiges Haus, ich konnte mir nicht helfen als das mir grausige Qualen durch den Kopf gingen...
Naja mal Spaß beiseite eine großartige Geschichte, die mich ein wenig an die Ni No Kuni Spielereihe erinnert und wesentlich besser ist als die doch recht mittelmäßige Filmadaption.
Gebt ihm definitiv eine Chance, denn ihr werdet am Ende sehr positiv beeindruckt sein. Für Kinder ist der Anime IMHO gar nicht so sehr geeignet, denn die Story ist sehr komplex und erfordert einiges an Mitdenken (vor allem warum einige Charaktere anfangs sehr unlogisch handeln), es gibt einige blutige Momente und auch stellenweise sehr tragische. Insgesamt ist der Anime sehr facettenreich und bietet eine Vielzahl von gut ausgearbeiteten Charakteren, die man zu Beginn vielleicht hasst, aber am Ende sind sie doch nicht so ein suspektes Ekelpaket, wie man denkt.