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Im Nachhinein ist man immer klüger, sagen die Leute doch. Bloß, was bringt es einem im Nachhinein klüger zu sein, wenn man seine Taten nicht ungeschehen machen kann. Wieder eine dieser nutzlosen Weisheiten. Aber genug davon, ihr wolltet schließlich wissen, warum ich dieses Kostüm trage.
Alles begann, als ich mich für das Projekt »Gibiate« meldete. Dieses Projekt sollte meine einmalige Chance werden. Meine Chance auf ein besseres Leben. Zuerst wollte ich ablehnen, aber meine Freundin überredete mich letztendlich dazu. So fand ich mich also in einem großen Konferenzraum wieder, wo man über das neue Großprojekt »Gibiate« lamentierte. So weit ich es damals verstand, ging es um die Story des Animes, diese sollte in der Gegenwart spielen. Allerdings eine postapokalyptische Gegenwart besiedelt mit Monstern und allerlei anderem Gekröse. Es sollte vorrangig darum gehen ein Heilmittel für diese Monsterkrankheit zu finden. Soweit kam ich mit, als dann jedoch die Worte Samurai und Zeitreise fielen, verlor ich den Faden. Wenn ich jetzt so daran denke, hätte ich wissen müssen, dass dies die letzte Möglichkeit war, um auszusteigen. Natürlich lagen mir die Worte meiner Freundin in den Ohren, wenn du das nicht tust, wirst du es vielleicht bereuen. Also zog ich es durch. Falls ihr euch jetzt fragt, was ich da machte, ich begann ein Praktikum in einem Animationsstudio.
Im ersten Teil des Praktikums sollte ich den Charakterdesignern über die Schulter schauen. Was soll ich sagen, ihre Arbeit war in Ordnung, aber auch nicht besonders herausragend. Leider waren die Charaktere ebenso langweilig wie ihr Konzept. Zu diesem Zeitpunkt habe ich doch wirklich noch geglaubt, dass alles gut werden würde. Dann geschah es, ich wurde zu den Monsterdesignern geschickt. Rückblickend fing dort mein Martyrium an. Denn dort begegnete ich dem, was die Produzenten stolz Gibia nannten. Das erste Gibia, das das Licht der Welt erblickte, war eine schändliche Vereinigung aus einem unschuldigen Gecko, einer verstorbenen Ameise und einem überfahrenen Skorpion. Ich weiß, dass klingt wie der Anfang eines schlechten Witzes, aber leider Gottes ist es keiner. Also ich dieses Geschöpf sah, wurde mit sofort klar, das es an seiner puren Existenz litt. Das schien die Designer allerdings nicht im geringsten zu stören. Ganz im Gegenteil sie erschufen eine Missgeburt nach der anderen. Mir stiegen die Tränen in die Augen, als ich mit ansehen musste, wie diese armen gequälten Wesen ihre ersten ungelenken Schritte machen mussten. Sie verfolgten mich sogar bis in meine Träume, wo sie mich anflehten, ihrer Existenz ein Ende zu machen. Aber ich tat nichts. Stattdessen fasste ich den Entschluss, das nur eine Sache half dieses Praktikum mit heilem Verstand zu überstehen. Ihr könnt es euch vielleicht denken. Alkohol! Von diesem Tage an hatte ich immer eine Thermosflasche Vodka-O bei mir. Tatsächlich half es mir, was ich aber nicht wusste, war die Tatsache, dass der Alkohol am Ende alles nur schlimmer machte. Natürlich ich ertrug es mühelos, wie die Kämpfe aus einer Reihe von Standbildern mit Speedlines zusammengeschustert wurden. Ich ertrug es auch, wie sich die Verantwortlichen auf die Schulter klopften, weil sie die teuren Actionszenen kostengünstig fertigbekommen haben. Ich ertrug es nicht nur, ich fing sogar an es zu genießen. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich meine alten Bobby-Cars aus dem Keller meiner Mutter holte. Warum fragt ihr euch? Damit wollten wir eine Verfolgungsjagd zwischen einem Bus und einem Kleintranporter nachstellen. Könnt ihr euch vorstellen, wie sich zwei Erwachsene auf einem Bobby-Car durch die Gegend schleppten. Klingt lustig nicht wahr? Das war es damals auch. Damals als die Welt noch in Ordnung war. Als Nächstes entsinne ich mich, wie wir im Soundstudio, die passenden Laute für die Gibia erstellten. Um die Wahrheit zu sagen, das ist keine besonders glorreiche Geschichte. Die Töne für die Gibia entstanden eher zufällig, als ich mich in einen Mülleimer übergab. Selbstverständlich hatte jemand das aufgenommen. Ein paar Tonfilter später voilà das perfekte Geräusch für die Gibiahorden. Mal abgesehen von der Sache mit dem Mülleimer, verstand ich mich blendend mit dem Tonmeister. Vielleicht lag es daran, dass er ebenfalls Alkohol bei sich hatte und ihm regelmäßig huldigte. Ich weiß noch, wie wir ein episches Orgelsolo in eine Szene eingebaut haben, bei der es überhaupt nicht passte. Auf die Genialität haben wir natürlich erst einmal Einen gekippt.
Dann erinnere ich mich an den Tag, als die Produzenten eine interessante Idee für einen Plottwist suchten. Es war bereits später Nachmittag, dementsprechend war meine Flasche ziemlich leer und ich ziemlich voll. Jedenfalls diskutierten die Herren hitzig über ein mögliches Thema für eine spannende Wendung. Gelangweilt ließ ich den Blick schweifen und entdeckte auf dem Schreibtisch eines Mitarbeiters die komplette Reihe von Alien. Was ich anschließend tat, werde ich wohl für mein restliches Leben zu tiefst bereuen. Ich murmelte beschwippst das Wort Alien, als ich versuchte den Titel der Filme zu lesen. Wie vom Donner gerührt drehte sich einer der Produzenten um und sah mich an als hätte er vor sich einen neugeborenen Messias. Falls euch nicht klar ist, was das bedeutete, dann sage ich es so. Zu der bunten Mischung aus Themen, wie Samurai, Apokalypse und Krankheit, gesellten sich nun auch noch Aliens. Und es war verflucht noch mal meine Schuld. Klar ich könnte das auf den Alkohol abschieben, aber sein wir mal ehrlich, das wäre ziemlich lahm.
Schließlich trat das ein, was unweigerlich irgendwann eintreten musste. Ich war nüchtern und das an dem Tag als der Anime seine Premiere hatte. Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr gleichzeitig weinen und schreien wollt, aber ihr weder schreien noch weinen könnt, weil euch die Realität so dermaßen einen auf die Fresse haut, dass ihr einfach nur noch fassungslos da steht. Dieses Gefühl und noch viele andere überkamen mich, als mir bewusst wurde, was ich getan hatte. Ich hatte dem schlechtesten Anime aller Zeiten geholfen auf die Welt zu kommen. Ich hatte diesem Machwerk aus schlechter Story, schlechten Charakteren und Kreaturen, die so schlecht animiert wurden, dass das Wort schlecht dem gar nicht mehr gerecht wird, geholfen zu entstehen. Aber am schlimmsten war es, als im Abspann die Worte: »Besonderen Dank gilt unserem Praktikanten, der uns immer mit seinen kreativen Ideen überraschte!«, über den Bildschirm flackerten. Falls ihr glaubt, das war schon alles, dann kann ich euch nur sagen, wie naiv seid ihr eigentlich. Meine Familie verstieß mich, weil es ihr meine Beteiligung an diesem Werk peinlich war. Meine Freunde verließen mich aus demselben Grund. Und schließlich ging auch meine Freundin, weil sie es nicht mehr ertragen konnte. Erinnert ihr euch noch, was sie einmal gesagt hatte, wenn du das nicht tust, wirst du es vielleicht bereuen. Da wurde es mir klar, das Wort nicht, hatte ich mir in diesem Ratschlag nur eingebildet. In Wahrheit hieß es, du wirst es bereuen, wenn du das tust!
Jetzt fragt ihr euch wahrscheinlich, was es damit zu tun hat, dass ich in einem juckenden Gecko-Kostüm auf dem Dach eines Hochhauses stehe? Ich tu das, um für meine Taten zu büßen. Das Kostüm trage ich, damit ich niemals vergesse, dass ich das arme Gibia nicht von seinen Leiden erlöst habe. Und auf dem Hochhausdach stehe ich, weil vor mir das Studio ist, das Gibiate produziert hat. Wie ihr euch vielleicht denken könnt, habe ich noch eine Rechnung mit denen offen. Es wird niemals wieder einen derart schlechten Anime produzieren. Es wird niemals wieder überhaupt etwas produzieren, dafür werde ich sorgen!
Dies sei eine Warnung an alle Animationsstudios!
Wann immer die Idee eines schlechten Animes in dem Gehirn eines Produzenten rumgeistert, werde ich da sein! Wann immer ein unschuldiges Monster aus schlechten Animationen erwächst, werde ich da sein! Wann immer die Dynamik durch sich in Speedlines badende Standbilder ersetzt wird, werde ich da sein!
Denn ich bin der Gecko der Vergeltung!
Ich bin Gibia-Man!
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