Das kommt also davon, wenn man ungefragt und ungebeten ins Haus und hoch
ins Zimmer des Sandkastenfreundes schleicht, nur weil eben nicht abgeschlossen ist und keiner sich meldet, wenn man klingelt. Ziemlich unplausibel, das Ganze. Es sei denn, er legt's mit aller Gewalt drauf an, ertappt zu werden. Allerdings ist das, was
sie sich da leistet, auch jenseits von Gut & Böse. Naiv sowieso.
Das ist eine dieser typischen Situationen, wo die Logik dem Zweck untergeordnet wird. Fragen stellen sich, wie: Wenn er gerade so
intensiv die neue BD testet, wieso ist dann nicht abgeschlossen? Wieso läuft in seinem Zimmer laute Musik – damit er nicht hören kann, wenn jemand hochkommt? Warum steht die Tür einen Spalt offen – damit unangeklopft jeder gleich reinlinsen kann und über die Lage im klaren ist?
Die Welt der wilden Mädchen von »
Araburu Kisetsu no Otome« erweist sich nicht weniger hormongetrieben wie die der Jungs. Jedoch mit dem einen, speziellen Unterschied, daß die Frage der eigenen Identität und der erwachenden Sexualität auf eine Gruppe junger Mädchen trifft, die dieses sensible Thema aufgrund ihres literarischen Hobbys etwas differenzierter angehen.
Diese Mädchen (und nicht nur sie) decken wie selbstverständlich die verschiedensten Charaktertypen ab, sind jedoch nicht ganz so scharfkantig stereotyp ausgeprägt wie sonst so. Dazu trägt auch die
optische Präsentation bei, die typisch ist für leichtes, heiteres Slice of Life – welches auch die
Aquarelloptik suggeriert, die alles weich und zart zeichnet, wenn's geht in Pastellfarben; und nur selten bemerkt man, daß ein entsprechender Filter drüber gelegt wurde, zum Beispiel bei
dunklen Flächen, wenn sich die Struktur nicht mitbewegt.
All das schreit laut nach
Shoujo, ebenso wie die Musik. Das Opening bewegt sich in angenehm melodischen Bahnen durch die bekannten Harmoniestufen, ohne die Stimme zu brechen. Schöner, eingängiger Song, den ich nur selten geskippt habe, und mit dem Ending verhält es sich recht ähnlich: Das ist Shoujo at its best.
Als sehr angenehm und wohltuend für die Realitätsnähe empfindet man den Umstand, daß viele der üblichen Zutaten und Standards ausgelassen werden. Einerseits meidet man viele der bekannten peinlichen Albernheiten, anderseits scheut man nicht, sie durch andere zu ersetzen. Siehe die eingangs geschilderte Szene.
Zu den Peinlichkeiten gehört das Reden über Sex. Bzw. die eigene Meinung dazu zu formulieren. Schon das Wort an sich erweist sich als grenzwertig toxisch, also werden andere Wörter für "Sex" gesucht. Mit dem hübschen Resultat: "She is turning into a presentation on dirty puns".
Der Anime scheut sich auch nicht, auf die Ausdrucksvielfalt von
Mangas zurückzugreifen, besonders in
komischen Szenen. Auf der anderen Seite trägt zu der luftig-leichten Atmosphäre bei, wie die Szenenübergänge gestaltet sind (oft leicht sich überlappend) und wie mit kleinen Details gespielt wird, mit metaphorischen Einsprengseln und überhaupt einer immer mal wieder über sich hinausweisenden Bildsprache.
Die Gespräche über das Thema "du weißt schon" nehmen ganz allmählich immer groteskere Formen an, bzw. entfernen sich soweit von der Wirklichkeit, daß der Eindruck dominiert, diese Szenen seien nur darauf angelegt, komische Situationen zu generieren, anstatt den Zuschauer in eine reell anmutende Gefühlswelt leicht verunsicherter Teenager mitzunehmen.
Plötzlich ist die Welt angefüllt mit Sexsymbolen, längst nicht nur phallischer Natur. Aber das eigentlich Erstaunliche ist, daß die Kamera in dieser Serie keine
Pantsu und keine
Oppai kennt; aber viele eindringliche Shots auf ausdrucksvolle Augen und lange Blicke. Oft stehen zwei Mädchen bildschirmfüllend im Mittelpunkt (Kamera leicht von unten) und unterhalten sich gesten- und ausdrucksreich über knifflige Liebesthemen. Dieser Blick der Kamera gilt in der Tat der Person und
nicht ihrer Pantsu. Nicht von ungefähr trägt man hier als Teil der Schuluniform knielange Röcke. Viel wird zwar angedeutet, aber kaum etwas visuell in Szene gesetzt. Und wenn man tasächlich mal was sieht (wie im gemeinsamen Mädchenbad), dann geschieht dies nicht zu voyeuristischen Zwecken. All das macht diese Show, trotz aller Inkonsistenzen, zu einem angenehmen Erlebnis. Und wer sich jetzt vielleicht fragt:
Gibt es bei all dem Kuddelmuddel denn auch Anflüge von Yuri? – dem sei gesagt:
Doch, durchaus.
Drama gibt es natürlich auch. Vor allem hinsichtlich der unterkühlten und leicht mysteriösen
Niina, bei der man nie so recht weiß, woran man mit ihr ist, die dunkle Andeutungen in den Raum wirft (von ihr kommt auch der spontane Ausruf "Sex", auf die Frage, was man unbedingt gemacht haben sollte, bevor man stirbt), und die kaum verheilte innere Narben davongetragen hat durch die Begegnung mit dem
der sie zur Grundschulzeit unterrichtet hat. Charakterlich wird er mittels Fusselbart, randloser Brille und schwarzem Rollkragenpullover angemessen zur Kenntlichkeit typisiert; – fehlt eigentlich nur noch die Breitcordhose, eine filterlose Gauloise sowie der standesgemäße Espresso, um ihn als zeitgenössisch progressiven Kulturschaffenden zu disqualifizieren. So viel Konsequenz hätte schon sein dürfen!
Das Ende der Serie ist wohl dadurch geprägt, daß man irgendwie den Anime zum Abschluss bringen musste
(der Manga umfasst immerhin 8 Bände), was ordentlich missglückt ist. Die große Szene in der nächtlichen Schule fährt derart unlogische Situationen auf, daß es den bisherigen Bemühungen um Glaubwürdigkeit ernsthaft entgegenläuft.
Also hält man sich als Zuschauer an die bisherigen 10 Folgen und konstatiert wie unsere Heldin
Kazusa so trocken wie belustigt "
haitta!" ("geht doch rein!"), wo die den Zug in den Tunnel einfahren sieht. Als ob wirklich nur Männer ständig an "das Eine" denken würden …
Beitrag wurde zuletzt am 24.05.2022 01:06 geändert.
Kommentare