Es scheint in Japan recht viele gottgleiche Wesen zu geben, die offenbar mit ihren Möglichkeiten nichts besseres zu tun haben als ein paar arme Zivilisten mitten in Tokyo in ein komplexes Spiel um Leben und Tod zu verwickeln. Man könnte mit so einer Macht vermutlich auch den Weltfrieden herbeiführen oder die Klimakatastrophe aufhalten, aber hey, die Geschmäcker sind verschieden 😛. BTW, neulich lief auf Netflix erst "Alice in Borderland" - auch mit Handlungsschwerpunkt Shibuya ...
Aber blenden wir mal das "Warum" und das "Wie passt denn das zur Realität" aus. Ich fand die Staffel recht unterhaltsam. Wobei auffällt, dass die Macher lange in der Findungsphase waren, was sie eigentlich wollen ... Etchi oder doch Romantik? Gutmenschen oder Killer? Action oder Love Story? EIn paar Beispiele (Spoileralarm):
- Anfangs ist der Held (Kaname) ein verwirrter Schüler mit pazifistischen Zügen. Im Verlauf der Story wird aber immer wieder eingeblendet, dass er offenbar in Krisensituationen unterbewusst zum Killer wird. Am Ende der Staffel wird er wieder zum Gutmenschen, indem er mit seinem Clan die Gegend um Shibuya zur No-Fight-Zone erklärt. Leider muss er dazu immer wieder Leute umbringen, die sich nicht daran halten ... erinnert ein bisschen an Realpolitik :-).
- In seinem zweiten Kampf besiegt er gleich die "A-Klasse" Spielerin Shuka, die als liebes Mädchen dargestellt wird. Frage: wie wird man eigentlich A-Klasse? Vermutlich, indem man bereits unzählige Mitspieler umgebracht hat. Trotzdem scheint sie bei Kaname irgendwie nicht so aggressiv zu reagieren ...
- Im Gegenteil: nach dem Kampf (den Kaname gewinnt, aber dann ohnmächtig wird), wacht er im Himmelbett von Shuka auf, die komplett unbekleidet neben ihm liegt. Sie "möchte nicht, dass ihr Kleid Falten bekommt". Hmmm. Ist das jetzt der Einstieg in eine Etchi-Story? Zu Glück nicht, das bleibt in der Staffel die einzige solche Szene.
- Zwischendrin taucht eine Spielerin auf, die noch viel stärker als Shuka ist. Kaname, Shuka und der Clan kämpfen mit ihr, siegen irgendwie, auch wenn es mehr nach Unentschieden aussieht, schliessen Waffenstillstand, und ... das wars. Die Spielerin verschwindet bis zum Ende der Staffel aus der Story. Häh?
- Kaname (wie gesagt: Gutmensch) will seinen Freund retten, der von der "8er-Gang" entführt wurde. Leider schafft er das nicht, der Freund wird umgebracht. Daraufhin stellt er seine Ideale mal eben hintenan und bringt die ganze 8er-Gang um. Ich habe nicht mitgezählt, aber es werden schon so 20, 30 Personen gewesen sein. Diese Folge ist im Vergleich zu den anderen ungewöhnlich brutal.
Insgesamt sieht es so aus, als hätte in jeder Folge jemand anders aus der Redaktion sein Konzept ausprobieren können: Liebe, Etchi, Philantrop, Massenmörder, geheimnisvolle Schöne, etc.
Oder die Story ist so geschickt angelegt, dass man bereits für mehrere weitere Staffeln vorgeplant hat. Genug offene Enden gibt es ja; in der letzten Szene schon nach dem Abspann steht Kaname plötzlich in einem Wald und flucht auf den Game Master. Wie mag das weitergehen?
Vielleicht genau deswegen - weil man nicht so richtig vorhersehen kann, wie es weitergeht - finde ich die Staffel interessanter als vergleichbare Serien. Nichts tiefgründiges, aber als leichte Kost zwischendurch zu empfehlen.