AcurosV.I.P.
#1Vinland Saga ist als Anime schon ziemlich ungewöhnlich – die Thematik Wikinger ist noch unverbraucht und der Handlungsverlauf wirkt wesentlich realer als man es sonst so kennt. Allein deswegen ist das Werk eine erfrischende Abwechslung. Frei von Schwächen ist es jedoch nicht.
Mit der Erzählung wäre ich eigentlich völlig zufrieden, aber leider hat die Motivation der Hauptfigur Thorfinn einen Ursprung, der erst nach ein paar Folgen gezeigt wird. Weil man als Zuschauer zwangsläufig gespoilert wird (außer man schaut ganz ahnungslos), sind die ersten Folgen schon allein wegen Thors' Hintergrundgeschichte interessant, büßen aber eben auch an Spannung ein.
Sonst ist die Handlung für meinen Geschmack aber die größte Stärke der Serie. Man bleibt durch den historischen Kontext von einer abstrusen Geschichte verschont, denn der Autor hatte ja schon eine Arbeitsgrundlage und konnte die kreative Energie dafür nutzen, die Geschichte rund um die Wikingertruppe einzuarbeiten.
Zeitlich gesehen spielt die Serie kurz nach dem Ende des 1. Jahrtausend im Rahmen der Eroberung von England durch Dänemark. In diesen Konflikt eingebettet verfolgt man die Erlebnisse des Trupps und der Autor war sich dabei auch nicht zu schade, den Rahmenkonflikt zeitweise in der Hintergrund zu schieben und stattdessen den Fokus auf den Überlebenskampf der Truppe oder die Flucht vor Feinden zu legen. In der zweiten Hälfte spitzen sich dann sowohl manche Charakterbeziehungen als auch die Rahmenhandlung selbst zu – das Finale sei hier besonders lobend erwähnt.
Erzählerisch ist Vinland Saga ein gutes Stück über dem Durchschnitt.
Der rote Faden der Handlung sind die Erlebnisse von Thorfinn. Nun ist dieser Anime aus Sicht des Mangas nur der Auftakt (die letzte Folge heißt bezeichnenderweise "End of the Prologue"), daher reduziert sich Thorfinns Wesen effektiv auf "Rache für Papa". Weder fand ich ihn interessant noch sympathisch noch mitreißend, sein Motiv hatte sich für mich schon vor der Halbzeit abgenutzt. Die Duelle mit Askeladd waren deswegen auch nicht sonderlich aufregend. Ab und zu sieht man, dass da schon noch andere (immer noch kindliche) Züge vorhanden sind, aber das ist meist nur ein Aufblitzen. Erst gegen Ende merkt man, dass sich doch allmählich was in seinem Kopf tut.
Dafür wirkt Askeladd als Anführer der Wikingertruppe mehr wie ein Hauptcharakter. Er ist mindestens genauso gewissenlos wie der Rest seines Haufens, hat aber wesentlich mehr Facetten und eine Hintergrundgeschichte, die im Verlauf der Handlung auch immer relevanter und interessanter wird. Dann gibt es natürlich noch etliche Nebenfiguren im Trupp, von denen Kanute ("Knutoh") zwar erst nach einer Weile auf den Plan tritt, aber dafür die interessanteste und drastischste Entwicklung durchmacht. Er ist auch der einzige, der Thorfinn ab und an (ungewollt) ein bisschen vom ewigen Pfad der Vergeltung ablenkt, wenn auch nie dauerhaft. Man könnte auch noch Leif erwähnen, aber der bekommt zu wenig Zeit, um wirklich Eindruck zu hinterlassen.
Und dann Thorkell, die wandelnde Absurdität: Zweieinhalb Meter groß und wahrscheinlich doppelt so viele Zentner schwer, vermag er es zum Beispiel mit einem Axtwurf über hunderte Meter(!) mehrere Männer(!) in einer Reihe(!) schwer zu verletzen, inklusive Abtrennung von Händen. Ein Leistung, die ich spontan mit einem klassischen Stirngriff würdigen musste. Die Hand blieb gleich dort, weil der gute Herr auch noch Baumstämme wie einen Kampfstab herumwirbelt und anschließend sonst wie weit wirft, um ein Schiff zu versenken. Und es bleibt nicht dabei - der Protagonist z. B. bekommt ein paar mal so schwer was ab, dass er eigentlich mausetot sein müsste. Diese unrealistischen Actionszenen (zum Glück nicht alle) hinterlassen einen fahlen Eindruck, weil die Serie sonst realistischer als viele andere Werke daherkommt – ich muss das schon als Stilbruch bezeichnen.
Thorkell selbst passt irgendwie auch nicht ganz ins Schema. Ich war mir nie sicher, wie viel Naivität echt ist und wie clever er am Ende ist. Sein putziges Verhalten war zumindest unterhaltsam.
Es gibt also es keinen klassischen Sympathieträger; weil die meisten Figuren entweder blutrünstige Wikinger sind oder zum Adel gehören, sollte das auch keinen verwundern. Die klassischen Animen-Tropen wird man jedenfalls nicht sehen, doch bei der Vertonung frage mich, ob man nicht ein kleines bisschen auf Nummer sicher gespielt hat. Vielleicht konnten sich die Synchronsprecher auch einfach nicht weit genug verbiegen – ein bisschen animetypisch klingt's zuweilen eben doch.
Soundtrack und Optik sind aber großartig. Ein passender und detaillierter Zeichenstil gepaart mit ziemlich guten Animationen und passender, aber nicht klischeehafter Musik haben mir das Sehvergnügen durchaus versüßt. Schade, dass etliche Animationen für so manchen Unfug verballert wurden. All die Blutbäder haben mich übrigens erstaunlich kalt gelassen. Vielleicht liegt's daran, dass man hier nicht wie sonst Bezug zu den Figuren aufbaut oder dass die Inszenierung nicht so gelungen ist ... oder daran, dass ich einfach schon zu abgestumpft bin. Für Leute mit schwachem Magen sollte es trotzdem "reichen".
Fazit:
Ein ziemlich guter Anime, der auch großartig hätte sein können, wenn da nicht die noch fade Hauptfigur und der unrealistische Pfeffer im Zusammenhang mit Thorkell wäre.
Mit der Erzählung wäre ich eigentlich völlig zufrieden, aber leider hat die Motivation der Hauptfigur Thorfinn einen Ursprung, der erst nach ein paar Folgen gezeigt wird. Weil man als Zuschauer zwangsläufig gespoilert wird (außer man schaut ganz ahnungslos), sind die ersten Folgen schon allein wegen Thors' Hintergrundgeschichte interessant, büßen aber eben auch an Spannung ein.
Sonst ist die Handlung für meinen Geschmack aber die größte Stärke der Serie. Man bleibt durch den historischen Kontext von einer abstrusen Geschichte verschont, denn der Autor hatte ja schon eine Arbeitsgrundlage und konnte die kreative Energie dafür nutzen, die Geschichte rund um die Wikingertruppe einzuarbeiten.
Zeitlich gesehen spielt die Serie kurz nach dem Ende des 1. Jahrtausend im Rahmen der Eroberung von England durch Dänemark. In diesen Konflikt eingebettet verfolgt man die Erlebnisse des Trupps und der Autor war sich dabei auch nicht zu schade, den Rahmenkonflikt zeitweise in der Hintergrund zu schieben und stattdessen den Fokus auf den Überlebenskampf der Truppe oder die Flucht vor Feinden zu legen. In der zweiten Hälfte spitzen sich dann sowohl manche Charakterbeziehungen als auch die Rahmenhandlung selbst zu – das Finale sei hier besonders lobend erwähnt.
Erzählerisch ist Vinland Saga ein gutes Stück über dem Durchschnitt.
Der rote Faden der Handlung sind die Erlebnisse von Thorfinn. Nun ist dieser Anime aus Sicht des Mangas nur der Auftakt (die letzte Folge heißt bezeichnenderweise "End of the Prologue"), daher reduziert sich Thorfinns Wesen effektiv auf "Rache für Papa". Weder fand ich ihn interessant noch sympathisch noch mitreißend, sein Motiv hatte sich für mich schon vor der Halbzeit abgenutzt. Die Duelle mit Askeladd waren deswegen auch nicht sonderlich aufregend. Ab und zu sieht man, dass da schon noch andere (immer noch kindliche) Züge vorhanden sind, aber das ist meist nur ein Aufblitzen. Erst gegen Ende merkt man, dass sich doch allmählich was in seinem Kopf tut.
Dafür wirkt Askeladd als Anführer der Wikingertruppe mehr wie ein Hauptcharakter. Er ist mindestens genauso gewissenlos wie der Rest seines Haufens, hat aber wesentlich mehr Facetten und eine Hintergrundgeschichte, die im Verlauf der Handlung auch immer relevanter und interessanter wird. Dann gibt es natürlich noch etliche Nebenfiguren im Trupp, von denen Kanute ("Knutoh") zwar erst nach einer Weile auf den Plan tritt, aber dafür die interessanteste und drastischste Entwicklung durchmacht. Er ist auch der einzige, der Thorfinn ab und an (ungewollt) ein bisschen vom ewigen Pfad der Vergeltung ablenkt, wenn auch nie dauerhaft. Man könnte auch noch Leif erwähnen, aber der bekommt zu wenig Zeit, um wirklich Eindruck zu hinterlassen.
Und dann Thorkell, die wandelnde Absurdität: Zweieinhalb Meter groß und wahrscheinlich doppelt so viele Zentner schwer, vermag er es zum Beispiel mit einem Axtwurf über hunderte Meter(!) mehrere Männer(!) in einer Reihe(!) schwer zu verletzen, inklusive Abtrennung von Händen. Ein Leistung, die ich spontan mit einem klassischen Stirngriff würdigen musste. Die Hand blieb gleich dort, weil der gute Herr auch noch Baumstämme wie einen Kampfstab herumwirbelt und anschließend sonst wie weit wirft, um ein Schiff zu versenken. Und es bleibt nicht dabei - der Protagonist z. B. bekommt ein paar mal so schwer was ab, dass er eigentlich mausetot sein müsste. Diese unrealistischen Actionszenen (zum Glück nicht alle) hinterlassen einen fahlen Eindruck, weil die Serie sonst realistischer als viele andere Werke daherkommt – ich muss das schon als Stilbruch bezeichnen.
Thorkell selbst passt irgendwie auch nicht ganz ins Schema. Ich war mir nie sicher, wie viel Naivität echt ist und wie clever er am Ende ist. Sein putziges Verhalten war zumindest unterhaltsam.
Es gibt also es keinen klassischen Sympathieträger; weil die meisten Figuren entweder blutrünstige Wikinger sind oder zum Adel gehören, sollte das auch keinen verwundern. Die klassischen Animen-Tropen wird man jedenfalls nicht sehen, doch bei der Vertonung frage mich, ob man nicht ein kleines bisschen auf Nummer sicher gespielt hat. Vielleicht konnten sich die Synchronsprecher auch einfach nicht weit genug verbiegen – ein bisschen animetypisch klingt's zuweilen eben doch.
Soundtrack und Optik sind aber großartig. Ein passender und detaillierter Zeichenstil gepaart mit ziemlich guten Animationen und passender, aber nicht klischeehafter Musik haben mir das Sehvergnügen durchaus versüßt. Schade, dass etliche Animationen für so manchen Unfug verballert wurden. All die Blutbäder haben mich übrigens erstaunlich kalt gelassen. Vielleicht liegt's daran, dass man hier nicht wie sonst Bezug zu den Figuren aufbaut oder dass die Inszenierung nicht so gelungen ist ... oder daran, dass ich einfach schon zu abgestumpft bin. Für Leute mit schwachem Magen sollte es trotzdem "reichen".
Fazit:
Ein ziemlich guter Anime, der auch großartig hätte sein können, wenn da nicht die noch fade Hauptfigur und der unrealistische Pfeffer im Zusammenhang mit Thorkell wäre.
Update-Historie:
Wenige Minuten nach Veröffentlichung: Einfügen der Charakter-Verlinkung
27.08.2020 "Fazit:" muss fett sein + Fehlerchen und Absatz auftrennen
03.09.2020 Ausbesserung so manch ungelenker Formulierung
12.11.2020 Ausbesserung im Thorfinn-Absatz (»sein Wesen« -> »Thorfinns Wesen«) und an wenigen anderen Stellen.
Wenige Minuten nach Veröffentlichung: Einfügen der Charakter-Verlinkung
27.08.2020 "Fazit:" muss fett sein + Fehlerchen und Absatz auftrennen
03.09.2020 Ausbesserung so manch ungelenker Formulierung
12.11.2020 Ausbesserung im Thorfinn-Absatz (»sein Wesen« -> »Thorfinns Wesen«) und an wenigen anderen Stellen.
Beitrag wurde zuletzt am 12.11.2020 02:33 geändert.
Kommentare
Ab ep 6 wird der anime einfach nur eine shitshow sondersgleichen.