Eines vorweg: Es gibt durchaus Spin-Offs, die man sich unabhängig vom Hauptwerk ansehen kann. Hier trifft das nicht zu, weil es zu viele Referenzen auf die Vorgänger und mehrere Rückblenden wichtiger oder entscheidender Szenen gibt. Wenn man also mit dem Gedanken spielt, sich auch irgendwann die beiden Kaiji-Teile anzusehen, sollte man dies zuerst machen.
Die Handlung ist einfach zu erklären. Tonegawa Yukio - ein späterer Antagonist von Itō Kaiji - steht hier im Mittelpunkt. Es wird sein Arbeitsalltag in der Teiai Group erzählt, bevor er auf Kaiji treffen sollte. Begleitet wird er von einer Horde „Men in Black“, die - manchmal mehr, manchmal weniger - selbst im Mittelpunkt stehen. Sie arbeiten direkt unter Tonegawa und erledigen quasi jeden Auftrag, der ihnen erteilt wird. Tonegawas dominantes Auftreten fängt aber an zu bröckeln, wenn er versucht, bei Hyōdō Kazutaka - dem Chef der Teiai Group - nicht selbst ins Fettnäpfchen zu treten.
Die Interpretation der Charaktere ist eine völlig andere als bei den Vorgängern. Am meisten profitiert Tonegawa davon. Er war mir von Beginn an sympathisch. War er bei Kaiji ein typischer Bösewicht, den es zu besiegen galt, wird er hier als ganz normaler Manager dargestellt - mit all seinen Stärken, Schwächen, Erfolgen und Fehlschlägen. Besonders interessant finde ich, wie anhand seiner inneren Monologe sein Wesen offengelegt wird. Man taucht quasi in die Gedankenwelt eines richtigen Managers im wahren Leben ein. Er macht sich z.B. Gedanken darüber, wie er seine Mitarbeiter am besten motivieren kann. Manchmal hält er es für besser, streng zu sein; ein anderes Mal versucht er es als „Kumpel“, mit dem man nach Feierabend ein Bier trinken kann. Dabei habe ich mich gefragt, ob Zuseher, die eine ähnliche berufliche Position haben und mitunter dieselben Überlegungen anstellen müssen, sich in Tonegawa selbst wiedererkennen und vielleicht sogar selbst schon einmal dieselben Entscheidungen - egal ob richtig oder falsch - getroffen haben wie er.
Der zweite Hauptcharakter - Hyōdō Kazutaka - kommt bei mir nicht so gut weg. Das liegt daran, dass er viel zu oft als Witzfigur dargestellt wird. Aber ich glaube, das ist in gewisser Weise auch nötig, damit die Serie als Komödie funktioniert. Kazutaka spielt hier den Furcht einflößenden Chef, an dem sich Tonegawa die Zähne ausbeißen muss, um ihn zufrieden stellen zu können. Seine weiteren Merkmale: Er sabbert andauernd; ist oft schlecht gelaunt; ihm wird schnell langweilig; und wenn er etwas gefunden hat, das sein Interesse geweckt hat, verliert er dieses innerhalb kürzester Zeit. Und Tonegawa ist meistens der Leidtragende. Aber dadurch, dass er so menschlich dargestellt wird, kann man sich gut in ihn hineinversetzen und empfindet teilweise sogar Mitleid.
Dem im Arbeitslager im Untergrund arbeitenden Ōtsuki wurden ab der Mitte des Anime sogar eine ganze Folge und danach mehrere halbe Folgen als Hauptcharakter spendiert. Man begleitet ihn an seinen freien Tagen in der Außenwelt, die er sich im Untergrund erkaufen muss. Zuerst dachte ich, das könnte eine gute Abwechslung zu Tonegawas Alltag sein, doch seine Parts fand ich dann doch mit am schwächsten. Das liegt wohl zum Großteil daran, dass ich keine Sympathie für ihn empfinden konnte.
Ein weiterer Charakter, den man bereits aus Kaiji kennt, ist Kurosaki Yohishiro. Dieser ist Tonegawas Rivale und steht in der Firmenhierarchie hauchdünn unter ihm. Die Befürchtung, Yohishiro könnte ihm seinen Rang ablaufen, wird dadurch bestärkt, dass er bei Kazutaka viel besser ankommt. Und Tonegawa weiß nicht, woran das liegt. Über die Jahre hat er gelernt, ein Ja-Sager zu werden, um Kazutaka nicht zu erzürnen. Yohishiro hingegen traut sich, „nein“ zu sagen und kommt dabei sogar besser weg als der seinem Chef immer zustimmende Tonegawa.
Von den neuen Charakteren spielen die Männer in schwarz eine große Rolle. Sie bilden ein Team mit Tonegawa und sind in ihrer Gesamtheit quasi ein weiterer Hauptcharakter. Sie kommen zwar auch in den Kaiji-Animes vor, sind dort aber nur die unscheinbaren Handlanger der Teiai Group, deren Aufgabe es ist, eine problemlose Durchführung der Spiele zu gewährleisten. Genauso wie Tonegawa werden diese auch sehr menschlich dargestellt. Sie sind das passende Gegenstück zu ihm. Macht sich Tonegawa Gedanken über den richtigen Umgang mit seinen Mitarbeitern, zerbrechen sich diese ihre Köpfe über das passende Verhalten ihrem Vorgesetzten gegenüber. Die Chemie zwischen beiden Parteien funktioniert wunderbar. Geht in einer Folge so ziemlich alles schief, wird in einer anderen Folge deren Beziehung um eine freundschaftliche Komponente erweitert. Auf die wichtigsten Männer in schwarz geht man gut genug ein, um ein klares Bild über deren verschiedene Charakterzüge zu bekommen, jedoch haben sie nie zu viel Screentime, sodass der Fokus immer auf Tonegawa bleibt.
Ein paar Sachen gibt es aber schon, die meine Nerven überstrapaziert haben. Kennt jemand Michael Buffer? Vielleicht nicht namentlich, aber ich denke, bei den meisten sollte es bei „Let’s get ready to rumble!“ klick machen. Der berühmte Ansager von Boxkämpfen. Der Erzähler in diesem Anime macht ihm in puncto penetranter und übertriebener Aussprache Konkurrenz. Nein, ich würde sogar meinen, er hat Michael Buffer bereits in der ersten Runde K.O. geschlagen.
Was ich gleichermaßen nervig fand, waren die von Frauenstimmen geflüsterten „Zawas“ - auf dem halben Bildschirm zugekleistert übersetzt mit „Psst“ - bei besonders spannenden Stellen. Dieses Stilmittel gab es zwar auch schon bei den Vorgängern, dort wurde es aber wesentlich dezenter eingesetzt.
Es wäre viel angenehmer gewesen, wenn diese beiden Nervtöter nicht in einer so hohen Häufigkeit aufgetaucht wären.
Wie bei einer Rezension eines anderen Anime schon geschrieben, finde ich es schwierig, bei Komödien eine Empfehlung abzugeben, da hier der persönliche Geschmack vermutlich eine gewichtigere Rolle spielt als bei anderen Genres.
Ich jedenfalls habe mich wunderbar unterhalten gefühlt. Das lag aber nicht nur daran, dass mich die Comedy angesprochen hat, sondern auch daran, dass man als Kaiji-Fan voll auf seine Kosten kommt. Es wird nämlich eine gute Mischung aus Alt und Neu geboten. Man taucht sofort wieder in diese Welt ein, indem es jede Menge Referenzen auf die Vorgängern gibt. Man begleitet unter anderem über mehrere Folgen das Spiel „Restricted Rock-Paper-Scissors“ von seiner Erfindung bis hin zur praktischen Anwendung. Das Spiel „Human Derby“ hingegen wird in einer Episode nur kurz vorgestellt. Seine Grausamkeit in der Praxis wird dem Zuseher aber erspart, was in dieser Folge der Gag selbst ist. Auch der Bog - die „Dämonische Pachinko-Maschine“ - hat einen Auftritt. Dem Zuseher werden darüber hinaus tiefe Einblicke in die Charaktere gewährt, wodurch bereits liebgewonnene Charaktere noch sympathischer werden. Und selbst wenn nicht, lernt man sie zumindest noch ein Stückchen besser kennen. Zusätzlich bekommt man viele Hintergrundinformationen über die Arbeit in der Teiai Group im Allgemeinen. Die neuen Haupt- und Nebencharaktere tauchen nicht willkürlich aus dem Nichts auf, sondern sind die bereits bekannten Männer in schwarz, denen hier jedoch eine größere Rolle zuteil wird.
Ein nicht weniger entscheidender Faktor für meine gute Kritik ist das interessante und gut umgesetzte Thema des Anime: Eine Geschichte über einen Mann im mittleren Management, der einerseits seine Angestellten unter Kontrolle haben muss, andererseits aber bei seinem Vorgesetzten Fingerspitzengefühl beweisen muss, um nicht selbst Opfer seiner Launen zu werden. Wie schon beim Ending passend gesagt wird: „This is the story of a lone man who struggles between his employer, the president, and his own employees, the men in black… Tonegawa Yukio: Middle Manager!“