AsaneRedakteur
#1"Wo beginnen, da wo nicht aus noch ein?"
[Beckmesser in: Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg]
In »My Cultivator Girlfriend« geht es um einen Durchschnittstypen, der zum Helden mutiert, und um ein mysteriöses Girl, das gemessenen Schrittes mysteriös badassig in der Gegend rumschleicht, sich auf Dächern rumtreibt und mit ihren mysteriösen Kräften einiges durcheinanderbringt. Cool, mit langen schwarzen Haaren und dicken Möpsen. Dann gibt es da noch ein anderes mysteriöses Girl, rothaarig und ebenfalls mit dicken Möpsen, das sich als Antagonistin herausstellt. Jedenfalls bis zu dem Augenblick, als ein in himmlischen Sphären schwebender alter, weißer Mann hinzufindet, der sich als der wahre Gegner präsentiert. Viel wird mit magischen Kräften um sich geschmissen, und wer den größten Energieball hat, gewinnt.
Ein waschechter Shounen also.
Ein chinesischer Shounen. Aber gut: nur weil etwas aus China kommt, muss es ja nicht gleich schlecht sein. Habe ich mir gedacht, als ich diese kleine Serie mit 15 Episoden von halber Standardlänge in Angriff genommen habe. Und daß eine Episode netto nur etwa 12 Minuten geht, ist einer der unschätzbaren Pluspunkte, denn längere Folgen hätten die Grenzen des Erträglichen überschritten, mit sicherlich irreversiblen Folgen für die eigene geistige Verfassung.
Die Probleme bei diesem Anime sind auch Thema dieser Besprechung: man hat sich zum Ziel gesetzt, wirklich möglichst alles falsch zu machen. Am leichtesten greifbar wird sowas naturgemäß an der Optik. Die Screenshots geben keinen Begriff davon, denn die bewegen sich ja nicht. Und wenn sich dann doch etwas bewegt, dann mit CGI – und das Ergebnis gehört definitiv in die Kategorie "verheerend".
<Exkurs>
Solange sich nichts bewegt, ist der Anime ja auch in Ordnung. Der Sinn von Anime jedoch besteht zu nicht unwesentlichen Teilen darin, die Illusion von Bewegung zu vermitteln. Einer Illusion, deren Geheimnis im leicht Unvollkommenen liegt, um der Imagination des Zuschauers die Möglichkeit zu geben, die ihm überlassenen Lücken zu schließen kraft seiner Fähigkeit, interpolierend die Bewegung zu vervollkommnen. Bewegungen, bei denen all das der Computer übernimmt, lässt dem Zuschauer keine andere Wahl, als sie so zu nehmen, wie sie tatsächlich sind. Und gerade bei unvollkommenem bis widersinnigem CGI ist das schlicht fatal. Sehkrankheit stellt sich ein, und der Zauber der Animation verfliegt.
</Exkurs>
Hintergründe und Charaktere entsprechen weitgehend dem, was man von japanischen Werken auch kennt. Aber man hat hier den folgenreichen Entschluss gefasst, soviel wie nur möglich am Computer zu machen. Also die key frames normal gezeichnet, aber die in-betweens CGI-animiert. Somit also auch die Mimik der Charaktere, speziell die Mundbewegungen. (Wenn die dann wenigstens lippensynchron zum Text wären! Aber selbst daran scheitert die Technik.) Das Resultat ist ähnlich brechreizerregend wie das Gewackel in »Yona Yona Penguin«. Wirklich peinlich wird das aber dann, wenn trotz aller technischen Anstrengungen nicht mal Fallbewegungen halbwegs glaubhaft rüberkommen und wenn man dann noch extra Speedlines braucht. Was die Qualität solcher Bewegungen angeht, hat das damals Gorou Miyazaki mit »Ronja« entschieden besser hingekriegt.
Natürlich kann Anime per CGI oder in 3D funktionieren. Dann aber bedarf es noch weiterer Qualitäten, die man sich hier aber gespart hat. Macht aber nix, gespart hat man sich auch ein schlüssiges narratives Konzept. Die Art, wie hier Handlungssprünge inszeniert werden oder Flashbacks eingefügt, ist von atemberaubender Schlichtheit. Wirre Szenenwechsel gehen Hand in Hand mit unmotiviert eingestreuten Pantyshots und anderen Ecchi-Einlagen, die, mit etwas Glück, immerhin so etwas wie unfreiwilligen Humor beitragen. Aus dem Nichts werden absurde bis bizarre Situationen konstruiert, und es dauert ein wenig, bis man dahinterkommt, daß das Humor sein soll. "Freiwilliger" Humor. Humor, der genau so steril und aufgebacken ist wie die Computeranimation.
Das Skript macht über weite Strecken den Eindruck, es sei improvisiert, was angesichts des kruden Aufbaus von Spannungsbögen manche Kommentatoren auf MAL zu der Annahme verleitet, man habe es mit einer Fanfiction zu tun. Darüber hinaus kann man der dort geäußerten Einschätzung "It's like they worked off a trope list" nur heftig nickend beipflichten.
Das fängt bei den Figuren an. Als Protagonist hat man den üblichen Normalo, Yingxiong Ma, der in seiner ersten Nacht als Wachmann Muzi Li begegnet, die zu den Unsterblichen gehört und die aufgrund eines fehlgeschlagenen Experiments reglos auf dem Flachdach des Gebäudes liegt, das Yingxiong zu bewachen hat. Die Gelegenheit ist günstig, also küsst er sie kurzerhand (woran man erkennt, daß dies kein japanischer Anime sein kann) und raubt ihr auf diesem Wege einen Teil ihrer Energie. Im weiteren Verlauf macht sie ihn mit ein paar Besonderheiten der Unsterblichen und ihrer Welt bekannt, testet sein spürbar vorhandenes magische Potential und warnt ihn vor Leichtsinnigkeiten. Denn diese "Welt der Unsterblichen ist wie ein leerer Wald, und die Unsterblichen gleichen ausgehungerten Tieren."
Fast wie auf Zuruf erscheint da Ru Yue auf der Szene, und die Mädchen hauen sich erstmal ihre Flammenschwerter um die Ohren, um festzustellen, wer gewinnt (oder aus einem ähnlich nichtigen Grund), und im Verlauf dieser Kabbeleien erwachen seine inneren Kräfte, was ihn dazu veranlasst, den besten, liebenswertesten, hilfreichsten und altruistischsten Kirito zu geben, den die Welt je gesehen hat. Bald stellt sich heraus, daß es einen noch viel mächtigeren Zausel gibt, den es fortan zu bekämpfen gilt. Zur Abrundung der Dramatik und damit der Zuschauer was zum Heulen hat, beschert man den beiden Mädchen noch die blutigsten Backstorys, die sich denken lassen, aber derart verworren und dilettantisch erzählt, daß es der Sau graust.
Wo Story & Handlung nicht hinreicht, bedient man sich bewährter Tricks, plündert die klassischen Tropen und greift zum Allheilmittel "Magische Kräfte" in allen denkbaren Ausformungen, inklusive Telepathie. Was man eben so braucht im magischen Unsterblichkeitsgeschäft. Wie nicht anders zu erwarten, besiegt das Trio diesen Zausel
Zur Qualität der Vertonung vermag ich nicht viel zu sagen, da ich das Klangbild chinesischer Phonetik nicht gewohnt bin. Technisch gibt aber auch hier Anlass zu Irritation, denn oft ist akustische Räumlichkeit ist nicht so glücklich getroffen, oft sind die Stimmen zu hallig. Man ist immerhin so konsequent, zusätzlich auch die Abmischung zu versauen.
Zu den Highlights gehört allerdings die BGM, die vor allem gegen Ende zu großer, epischer Form aufläuft, wie generisch das immer auch sein mag, und den Zuschauer "mitnimmt". Auch haben mir das recht kurze Opening und das sanft-melancholische Ending wirklich gut gefallen, obwohl man die Vorbilder entsprechender japanischer Animes natürlich überall raushört.
Neben der Erkenntnis, daß "Scharlatan" im Chinesischen offenbar ein deutsches Lehnwort ist, bleiben die seltenen Momente in Erinnerung, wo den Mädchen, speziell Muzi, die Kunst gelingt, den Zuschauer mit ihrem Lächeln zu bezaubern. Anstelle eines Fazits: Als Hentai würde dieser Anime weit besser funktionieren, denn Hentai-Gucker sind Kummer gewohnt.
[Beckmesser in: Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg]
In »My Cultivator Girlfriend« geht es um einen Durchschnittstypen, der zum Helden mutiert, und um ein mysteriöses Girl, das gemessenen Schrittes mysteriös badassig in der Gegend rumschleicht, sich auf Dächern rumtreibt und mit ihren mysteriösen Kräften einiges durcheinanderbringt. Cool, mit langen schwarzen Haaren und dicken Möpsen. Dann gibt es da noch ein anderes mysteriöses Girl, rothaarig und ebenfalls mit dicken Möpsen, das sich als Antagonistin herausstellt. Jedenfalls bis zu dem Augenblick, als ein in himmlischen Sphären schwebender alter, weißer Mann hinzufindet, der sich als der wahre Gegner präsentiert. Viel wird mit magischen Kräften um sich geschmissen, und wer den größten Energieball hat, gewinnt.
Ein waschechter Shounen also.
Ein chinesischer Shounen. Aber gut: nur weil etwas aus China kommt, muss es ja nicht gleich schlecht sein. Habe ich mir gedacht, als ich diese kleine Serie mit 15 Episoden von halber Standardlänge in Angriff genommen habe. Und daß eine Episode netto nur etwa 12 Minuten geht, ist einer der unschätzbaren Pluspunkte, denn längere Folgen hätten die Grenzen des Erträglichen überschritten, mit sicherlich irreversiblen Folgen für die eigene geistige Verfassung.
Die Probleme bei diesem Anime sind auch Thema dieser Besprechung: man hat sich zum Ziel gesetzt, wirklich möglichst alles falsch zu machen. Am leichtesten greifbar wird sowas naturgemäß an der Optik. Die Screenshots geben keinen Begriff davon, denn die bewegen sich ja nicht. Und wenn sich dann doch etwas bewegt, dann mit CGI – und das Ergebnis gehört definitiv in die Kategorie "verheerend".
<Exkurs>
Solange sich nichts bewegt, ist der Anime ja auch in Ordnung. Der Sinn von Anime jedoch besteht zu nicht unwesentlichen Teilen darin, die Illusion von Bewegung zu vermitteln. Einer Illusion, deren Geheimnis im leicht Unvollkommenen liegt, um der Imagination des Zuschauers die Möglichkeit zu geben, die ihm überlassenen Lücken zu schließen kraft seiner Fähigkeit, interpolierend die Bewegung zu vervollkommnen. Bewegungen, bei denen all das der Computer übernimmt, lässt dem Zuschauer keine andere Wahl, als sie so zu nehmen, wie sie tatsächlich sind. Und gerade bei unvollkommenem bis widersinnigem CGI ist das schlicht fatal. Sehkrankheit stellt sich ein, und der Zauber der Animation verfliegt.
</Exkurs>
Hintergründe und Charaktere entsprechen weitgehend dem, was man von japanischen Werken auch kennt. Aber man hat hier den folgenreichen Entschluss gefasst, soviel wie nur möglich am Computer zu machen. Also die key frames normal gezeichnet, aber die in-betweens CGI-animiert. Somit also auch die Mimik der Charaktere, speziell die Mundbewegungen. (Wenn die dann wenigstens lippensynchron zum Text wären! Aber selbst daran scheitert die Technik.) Das Resultat ist ähnlich brechreizerregend wie das Gewackel in »Yona Yona Penguin«. Wirklich peinlich wird das aber dann, wenn trotz aller technischen Anstrengungen nicht mal Fallbewegungen halbwegs glaubhaft rüberkommen und wenn man dann noch extra Speedlines braucht. Was die Qualität solcher Bewegungen angeht, hat das damals Gorou Miyazaki mit »Ronja« entschieden besser hingekriegt.
Natürlich kann Anime per CGI oder in 3D funktionieren. Dann aber bedarf es noch weiterer Qualitäten, die man sich hier aber gespart hat. Macht aber nix, gespart hat man sich auch ein schlüssiges narratives Konzept. Die Art, wie hier Handlungssprünge inszeniert werden oder Flashbacks eingefügt, ist von atemberaubender Schlichtheit. Wirre Szenenwechsel gehen Hand in Hand mit unmotiviert eingestreuten Pantyshots und anderen Ecchi-Einlagen, die, mit etwas Glück, immerhin so etwas wie unfreiwilligen Humor beitragen. Aus dem Nichts werden absurde bis bizarre Situationen konstruiert, und es dauert ein wenig, bis man dahinterkommt, daß das Humor sein soll. "Freiwilliger" Humor. Humor, der genau so steril und aufgebacken ist wie die Computeranimation.
Das Skript macht über weite Strecken den Eindruck, es sei improvisiert, was angesichts des kruden Aufbaus von Spannungsbögen manche Kommentatoren auf MAL zu der Annahme verleitet, man habe es mit einer Fanfiction zu tun. Darüber hinaus kann man der dort geäußerten Einschätzung "It's like they worked off a trope list" nur heftig nickend beipflichten.
Das fängt bei den Figuren an. Als Protagonist hat man den üblichen Normalo, Yingxiong Ma, der in seiner ersten Nacht als Wachmann Muzi Li begegnet, die zu den Unsterblichen gehört und die aufgrund eines fehlgeschlagenen Experiments reglos auf dem Flachdach des Gebäudes liegt, das Yingxiong zu bewachen hat. Die Gelegenheit ist günstig, also küsst er sie kurzerhand (woran man erkennt, daß dies kein japanischer Anime sein kann) und raubt ihr auf diesem Wege einen Teil ihrer Energie. Im weiteren Verlauf macht sie ihn mit ein paar Besonderheiten der Unsterblichen und ihrer Welt bekannt, testet sein spürbar vorhandenes magische Potential und warnt ihn vor Leichtsinnigkeiten. Denn diese "Welt der Unsterblichen ist wie ein leerer Wald, und die Unsterblichen gleichen ausgehungerten Tieren."
Fast wie auf Zuruf erscheint da Ru Yue auf der Szene, und die Mädchen hauen sich erstmal ihre Flammenschwerter um die Ohren, um festzustellen, wer gewinnt (oder aus einem ähnlich nichtigen Grund), und im Verlauf dieser Kabbeleien erwachen seine inneren Kräfte, was ihn dazu veranlasst, den besten, liebenswertesten, hilfreichsten und altruistischsten Kirito zu geben, den die Welt je gesehen hat. Bald stellt sich heraus, daß es einen noch viel mächtigeren Zausel gibt, den es fortan zu bekämpfen gilt. Zur Abrundung der Dramatik und damit der Zuschauer was zum Heulen hat, beschert man den beiden Mädchen noch die blutigsten Backstorys, die sich denken lassen, aber derart verworren und dilettantisch erzählt, daß es der Sau graust.
Wo Story & Handlung nicht hinreicht, bedient man sich bewährter Tricks, plündert die klassischen Tropen und greift zum Allheilmittel "Magische Kräfte" in allen denkbaren Ausformungen, inklusive Telepathie. Was man eben so braucht im magischen Unsterblichkeitsgeschäft. Wie nicht anders zu erwarten, besiegt das Trio diesen Zausel
nicht, sondern er scheitert an der eigenen Hybris mit seinem arroganten Gepose, das prächtige Angrifflsücken schafft.
Zur Qualität der Vertonung vermag ich nicht viel zu sagen, da ich das Klangbild chinesischer Phonetik nicht gewohnt bin. Technisch gibt aber auch hier Anlass zu Irritation, denn oft ist akustische Räumlichkeit ist nicht so glücklich getroffen, oft sind die Stimmen zu hallig. Man ist immerhin so konsequent, zusätzlich auch die Abmischung zu versauen.
Zu den Highlights gehört allerdings die BGM, die vor allem gegen Ende zu großer, epischer Form aufläuft, wie generisch das immer auch sein mag, und den Zuschauer "mitnimmt". Auch haben mir das recht kurze Opening und das sanft-melancholische Ending wirklich gut gefallen, obwohl man die Vorbilder entsprechender japanischer Animes natürlich überall raushört.
Neben der Erkenntnis, daß "Scharlatan" im Chinesischen offenbar ein deutsches Lehnwort ist, bleiben die seltenen Momente in Erinnerung, wo den Mädchen, speziell Muzi, die Kunst gelingt, den Zuschauer mit ihrem Lächeln zu bezaubern. Anstelle eines Fazits: Als Hentai würde dieser Anime weit besser funktionieren, denn Hentai-Gucker sind Kummer gewohnt.
Beitrag wurde zuletzt am 09.03.2024 20:49 geändert.
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