Girls’ Last Tour (2017)

Shoujo Shuumatsu Ryokou / 少女終末旅行

Rezensionen – Girls’ Last Tour

Hier findest Du sowohl kurze als auch umfangreichere Rezensionen zum Anime „Girls’ Last Tour“. Dies ist kein Diskussionsthema! Jeder Beitrag im Thema muss eine für sich alleinstehende, selbst verfasste Rezension sein und muss inhaltlich mindestens die Kerngebiete Handlung und Charaktere sowie ein persönliches Fazit enthalten. Du kannst zu einer vorhandenen Rezension allerdings gern einen Kommentar hinterlassen.
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Avatar: Rabiator
V.I.P.
#1
Immer auf der Suche nach außergewöhnlichem und authentischem Material, stolperte ich zu Beginn der Herbstsaison auch über die erste Episode dieser Serie. Und obwohl ich eigentlich dem Setting von minderjährigen Mädchen inmitten von zum Teil schwerstem Kriegsgerät in der Regel nicht viel abgewinnen kann, und die erste Folge gleich mit einer ziemlich kompromisslosen Message aufwartete - wer zuerst dem anderen die Knarre an den Kopf hält, kriegt das Extrastück Proviant - war schon an dieser Stelle zu merken, dass diese Serie anders sein würde.

Spätestens mit der dritten Folge war klar, dass dem geneigten Zuschauer hier eine bisher nicht dagewesene, absolut friedliche Endzeit-Szenerie dargeboten wird, die uneingeschränkt auf sinnlose Gewaltszenen verzichten kann. Der herrschende Frieden ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es außer den beiden Protagonistinnen Chito und Yuuri kaum noch Menschen in dieser Welt zu geben scheint. Aber auch die beiden Mädchen halten in der Regel miteinander Frieden. Militante Szenen kamen bis auf wenige Ausnahmen (mir fallen spontan zwei ein) überhaupt nicht mehr vor. Und beide Szenen dienten wiederum zur Erläuterung einfacher Gesetzmäßigkeiten in der Welt des Menschen - sei es mit oder ohne Zivilisation.

Die Serie entpuppte sich mit wachsender Anzahl von Folgen als kleine Ansammlung von unterschiedlichen langen Geschichten, die zum Teil aufeinander aufbauen, die aber allesamt auch für sich stehen können - und von denen nahezu jede irgendeine pädagogische oder philosophische Lehre nach sich zieht, wenn sie nicht gerade zur Auflockerung eingetreut wurde. (Die kleine Auseinandersetzung aus der ersten Folge diente zum Beispiel der Demonstration des Rechts des Stärkeren in der Abwesenheit einer ordnenden Macht.) Generell darf man aber von der Tiefe der Gedankengänge nicht allzuviel erwarten - die meisten der Gleichnisse zielen meiner Meinung nach darauf ab, mit etwas elterlicher Hilfe bereits von Grundschulkindern verstanden werden zu können.

Was die Serie aus meiner Sicht hervorragend macht, ist die Darstellung der Welt nach dem nahezu kompletten Auslöschen der Zivilisation mit allen Folgen, die das für Chi und Yuu hat. Grundlegende Dinge, die wir (und nochmehr unsere Kinder) für selbstverständlich halten, könnten morgen aufgrund von Kriegen, Naturkatastrophen oder Seuchen Mangelware werden oder gar nicht mehr vorhanden sein. Das schließt nicht nur materielle Dinge ein, sondern auch kulturelle wie Musik, Fotos, Filme oder das Internet, ja selbst der Austausch mit anderen Menschen könnte zur Seltenheit werden. Die Serie schafft es, die daraus folgende Melancholie rüber- und die ganze Familie zum ernsten Nachdenken zu bringen: Nicht nur könnte uns das selbst passieren, es passiert anderen Menschen in der Welt genau in diesem Moment - so und schlimmer.

Andererseits hilft die Serie aber auch dabei, die Freude an einfachen Dingen (wieder) zu entdecken. Hier sei das Ende der fünften Folge als leuchtendes Beispiel genannt, welches direkt zum Nachmachen einlädt - genau dann, wenn man sonst eigentlich draußen nicht viel machen kann! Zusammen mit einem reichlichen Schuss Niedlichkeit, nicht nur in Gestalt der Mädchen, und einer gewissen, latent stets vorhandenen Absonderlichkeit ist Shoujo Shuumatsu Ryokou am Ende tatsächlich eine Serie, die  ich (moderiert) der ganzen Familie ab ca. 7-8 Jahren wärmstens empfehlen kann.
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Avatar: Pilop
V.I.P.
#2

Endzeit Slice of Life. Das de facto Genre dieser Serie ist ja fast schon ein Widerspruch in sich und doch funktioniert diese Mischung, da man dabei schlicht den richtigen Ton trifft.
 
"The night of humanity... May it be a peaceful age“. Zwar kann ich leider nicht sagen, dass Shoujo Shuumatsu Ryokou an diese Serie herankommt, aber es kam mir dabei doch dieses Zitat aus Yokohama Kaidashi Kikou in den Sinn. Auch wenn diese beiden Titel unterschiedlich gelagert sind, gleichen sie sich doch in vielen Elementen, allen voran, dass sie vom Ende der Menschheit handeln, gleichzeitig aber trotzdem keine tragischen, depressiven Geschichten darstellen. Es hat eher den Charakter eines ruhigen Ausklingens Menschheit. Im Vergleich zu YKK ist dieser Anime hier aber zweifellos der mit der weit dystopischeren Note. Die moderne menschliche Zivilisation ist bereits zu Ende gegangen und zwei einsame Mädchen durchstreifen in der Suche nach Nahrung und eventuellen anderen Menschen die verlassenen Ruinen einer mehrschichtigen, endlosen Mega-Stadt, in der es weder Menschen, noch Tiere, noch Pflanzen gibt. Wenn man es so beschreibt liest es sich sehr wohl wie eine tragische Geschichte und es ist nun der Kunstgriff dieser Serie es anders wirken zu lassen. Diese andere, an sich nicht dramatische Sichtweise auf diese Situation wird davon getragen, dass Chito und Yuuri wenig anderes kennen. Die Ruinen der menschlichen Zivilisation, die sie durchstreifen, können sie nicht mit Trauer und Wehmut erfüllen, da sie diese Zivilisation selbst nie gekannt haben. Die Überreste vergangener Bauten und Technologien sind ihnen meist fremd und nur fallweise verschwenden sie Gedanken daran. Gerade diese Situationen, in denen sich die beiden mit ihrer Situationen und ihrer Umgebung beschäftigen und versuchen sie zu interpretieren, zählen dann aber zu den stärksten dieser Serie. Hier kommt dann durchaus auch eine Prise Philosophie ins Spiel, die neben den Fragen des menschlichen Miteinanders auch Außenseiterperspektiven auf Aspekte unserer menschlichen Zivilisation zeigen. Angereichert wird das Ganze dann noch durch spärlich eingesetzte phantastischere Elemente, die sich aber gut in dieses Setting einfügen.
 
Wären die Serie nun immer so, wie in ihren stärksten Szenen, wäre sie ein echter Spitzentitel, nur ist dem dann leider halt nicht so. Sie ist auch gefüllt mit normalen Reise- und Abenteuerszenen, die stärker auf die beiden Figuren gestützt sind und gerade hier zeigt sich dann schon auch, dass Chito und Yuuri ausgefeilter sein könnten. Zu große Denker dürfen sie zwar per se nicht sein, da das wohl zwangsläufig in Depressionen enden müsste, aber ein wenig mehr Nachdenklichkeit wäre wohl trotzdem nicht fehl am Platz gewesen. Gerade Yuuri ist mir in ihrer völligen Unbekümmertheit schon zu einfach gestrickt. Letztendlich ist hier also vielleicht am Ende der Widerspruch zwischen dystopischen Setting und positiver Stimmung doch etwas zu groß, um ihn ohne größere Anstrengungen vollends überwinden zu können.
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Avatar: Asane
Redakteur
#3
Selten ist mir etwas untergekommen, das in gleichem Maße derart beruhigend für die Nerven und verstörend für den Verstand ist. Etwas, das eine dermaßen heitere Gelassenheit ausstrahlt und doch über weite Strecken so eintönig und in optischer Hinsicht düster ist.

Wenn die beiden, Chito und Yuuri, nicht gerade durch eine gottverlassene winterliche Ödnis streifen, tuckern sie mit ihrem Kettenkrad durch die Reste und Ruinen einer längst verfallenen Stadt, in der einige Grundfunktionen der Infrastruktur nur durch autonom agierende, ehemals von Menschen installierten intelligenten Robotern aufrecht erhalten werden.

Als Folge des Krieges sind auch wesentliche Merkmale menschlicher Zivilisation verlorengegangen und allenfalls noch in dokumentarischer Form vorhanden, beispielsweise in Büchern. Für diese Relikte menschlicher Existenz entwickelt Chito spürbares Interesse, während Yuuri mehr gleichgültig und einfältig in den Tag hineinlebt, bzw. -schläft.
Deren Verstand und Empathie scheinen begrenzt bis an den Rand der Unglaubwürdigkeit. Yuuri scheint nicht weiter zu denken als bis zu ihrer Nasenspitze und hätte keinerlei Problem damit, aus reiner Neugier (und Langeweile) den großen roten Knopf zu drücken, der alles in Schutt und Asche legt. Essen und Schlafen scheint ihre Grundbedürfnisse ziemlich umfassend abzudecken. Ab und zu vielleicht noch ein Bad nehmen.
Chito hingegen ist gewissermaßen der Gegenpart, stoisch und maulfaul; aber fähig, über den eigenen Tellerrand zu sehen und besonnen zu handeln. Dann und wann, wenn es nötig scheint, gibt sie auch Yuuri eins auf den Deckel. Optisch und charakterlich haben die beiden eine gewisse Ähnlichkeit zu Chika und Miu aus "Ichigo Mashimaro", erinnern aber auch in der Art ihres Zusammenspiels etwas an Hakumei und Mikochi.

Damit zu den unvermeidlichen Parallelen und Referenzen:
Unter "ähnliche Anime" listet anidb.net "Jinrui wa Suitai shimashita", "Yokohama Kaidashi Kikou" und "Kino no Tabi" – und diese letzten beiden völlig zu Recht. Mit Kino no Tabi haben die Endzeitreisemädels vor allem gemein, daß es keine moralischen Wertungen und keine erklärenden Kommentare gibt; daß hier nichts "ad spectatores" erzählt wird – ergo nichts, was den einzigen Zweck hat, den Zuschauer über die Situation in Kenntnis zu setzen. Alle näheren äußeren Umstände muss dieser sich anhand der Dialoge und der Erfahrungen der beiden selbst zusammenreimen und ist daher nie auf einem höheren Kenntnislevel als die Protagonisten.

Erst nach und nach erfährt der Zuschauer so die Tragweite der Geschehnisse, nämlich in welcher Welt sie leben, bzw. was von der alten Welt noch übrig ist. Die Kapitelüberschriften der einzelnen Episoden wie auch die Fragen der beiden an diese Welt geben darüber Aufschluss, was an katastrophalen Verlusten stattgefunden haben muss:

Was sind Bücher? (Für die leseunkundige Yuuri etwas zum Verbrennen)
Was ist Gott?
Wozu brauchen Menschen eine Stadt?
Wo kommt das Essen her? (Aus der Fabrik!)
Was ist Musik? (Das Geräusch, das entsteht, wenn zwei Dinge aufeinanderstoßen)
Was ist Leben, was Mitgefühl?
Was ist Kultur?

Und so machen nicht nur die beiden Reisenden sich Gedanken über zentrale Fragen menschlichen Lebens und menschlicher Kultur, sondern auch der Zuschauer, an den diese Fragen indirekt gerichtet sind.

Und diese Indirektheit ist ein wesentlicher Punkt und eine große Stärke dieses Anime: daß hier niemals plakativ dargestellt und mit dem Zeigefinger auf etwas gerichtet gewertet wird, sondern ruhig, nüchtern die Dinge gezeigt werden, wie sie sind, und was jetzt, aufs reine Überleben fixiert, zu geschehen hat.
All das bisher Geschriebene lässt vielleicht vermuten, man habe es mit einem monotonen, melancholischen, deprimierenden und vor allem deepen Anime zu tun (der in seiner Botschaft speziell an ambitionierte Deutschlehrer gerichtet ist) – das trifft teilweise auch zu. Und dennoch ist dies ein über weite Strecken sehr entspannender, heiterer, ja, lustiger Anime. Allerdings eher von leisem, lapidarem Humor. Schenkelklopferkomik - und übrigens auch Fanservice - bekommt man hier nicht geboten.

Fazit: Wäre das ganze nicht in einer postapokalyptischen Szenerie angesiedelt sondern in freier Natur, wäre das wohl Iyashikei in Reinkultur. So aber muss der Zuschauer mit der hier auftretenden kognitiven Dissonanz selbst fertig werden.
Beitrag wurde zuletzt am 15.08.2021 22:56 geändert.
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Kommentare (4)

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Avatar: Ojisan
V.I.P.
#4
Auch viele Wochen, nachdem ich die Anime-Serie fertig geschaut habe, lassen mich die Geschichte und die Bilder immer noch nicht los. Als vergleichbares Werk kenne ich nur "Kino no Tabi", wobei "Girl's Last Tour" aus meiner Sicht noch minimalistischer und emotional eindrücklicher ist.
Der Gegensatz zwischen der von aussen betrachteten unendlichen Einsamkeit der beiden Mädchen, die durch eine fast menschenleere und verwüstete Welt voller Techno-Schrott (meistens kriegerischer Natur) fahren, und der naiven und vergnügten Neugier, mit der die Beiden jeden Tag mit Freude verbringen (weil sie ja nichts anderes kennen), ist ... erschütternd. Mir fällt kein besseres Wort ein.
Dazu kommt noch die grafische Gestaltung, bei der der harte Realismus, mit der die Umwelt samt Kettenkrad, eingestürzten Gebäuden und Trümmern dargestellt wird, einen Kontrast mit der sehr "eigenen" Darstellung der beiden Mädchen bildet.
Inzwischen habe ich mir die sechs Manga-Bände besorgt und lese mich nochmal durch die Reise; wobei das Anime durch die Langsamkeit der Bilder und durch die Musik noch eindrücklicher wirkt als die gedruckten Bilder.
Für mich ist "Girl's Last Tour" ein wirklich einzigartiges Werk, das sicher nicht jedem gefällt. Eigentlich hat es keine "echte Handlung" (im Sinne von Action) und setzt wohl auch eine gewisse geistige Reife voraus (ja, ich bin schon etwas älter :-) ). Wer aber Geschichten mag, die jenseits von Action auch eine tiefere Botschaft haben und zum Nachdenken anregen, der muss sich die Serie unbedingt (ich meine: UNBEDINGT) anschauen - auf eigene Gefahr, so schnell nicht mehr davon loszukommen.
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