Die vielleicht dramatischste und emotionalste Episode bis jetzt, bei der man aber Logik und Nachvollziehbarkeit nicht allzu konsequent handhabte. Allein die Einstiegsszene war schon verwirrend: Eine verwandelte und befreit wirkende
Chise trabt von dannen, worüber
Elias natürlich nicht gerade erbaut ist. Und während sich der Zuschauer noch fragt, warum
Hai no me sie überhaupt verwandelt hat (sein Gefasel ergibt keinen rechten Sinn), läuft Fuchs-Chise wie von Sinnen (aber dennoch irgendwie träge) durch den Wald, bis
Ruth sie einholt, ihr Handeln zwar hinterfragt, ihr aber trotzdem folgen will. Doch dazu kommt es nicht, denn schon hat Elias – in Tiergestalt – die beiden eingeholt und erklärt Chise, ohne sie sei er einsam. Das bringt sie so derart in die Realität zurück, dass sie sich (offscreen) in einen Menschen zurückverwandelt und wieder dorthin zurückkehrt, was sie als Zuhause betrachtet.
Tja, zwar reden Elias und Chise noch kurz über dieses Fell, das seinen Träger in ein Werbiest verwandelt und ihn (wenn ich es richtig verstehe) seinen innersten Wünschen hinterher jagen lässt, aber aus diesem Einschub wurde ich genauso wenig schlau wie Chise. Und keinem von uns beidem blieb großartig Zeit zum Grübeln, denn
Redcurrant (die Leannán Sídhe aus Episode 9) schneit mitten in der Nacht rein, denn ihr (vermeintlich überhaupt nicht) geliebter
Joel scheint langsam die Hufe hochzureißen – um mal ähnlich gefühllos zu reden wie Elias: Joel liegt klar im Sterben, Redcurrant ist über »den Tränen nahe« längst hinaus und Chise sieht man ihre Verzweiflung ebenfalls deutlich an. Elias, der hart an Level 1 der Fertigkeit »zwischenmenschliche Kompetenz« arbeitet, merkt mit gewohnt professioneller Sachlichkeit das an, was gerade keiner hören will: Dass Redcurrant am drohenden Ableben schuld sei. Da hab ich es Chise durchaus hoch angerechnet, dass sie ihn (leicht zornig) unterbricht, auch wenn Elias’ Verhalten natürlich nur konsequent ist.
Als klar wird, dass Joel nur noch einer Woche zu leben hat, möchte Chise ihm einen letzten Gefallen tun, weil … weil … weil sie ihn halt kennt. Aus
Folge 9, wo sie einmal zu Besuch war – na und? Eine Feensalbe soll es werden – aufgetragen auf Joels Augen kann dieser Redcurrant endlich sehen und somit auch kennenlernen. Fünf Tage muss Chise die Salbe halten (sagt Elias) und darf nicht mal schlafen dabei. Und zu allem Überfluss darf ein Mensch so etwas gar nicht herstellen, aber weil Chise so darauf besteht, lässt Elias sie gewähren – oder hat der etwa ein schlechtes Gewissen?
Am Ende des vierten Tages übermannt Chise dann (vor Elias’ Tür) doch der Schlaf, die Paste des wahren Blicks ist aber zum Glück gerade so fertig geworden. Und endlich kann Joel diese mysteriöse Frau kennenlernen, deren Augen wie rote Johannisbeeren (»red currant«) wirken.
In dieser Folge wurden etliche Tränen vergossen und Drama nicht ganz so dezent, aber immerhin nicht allzu übertrieben eingestreut, doch wirklich zünden dürfte das wohl nur, wenn man praktisch
im Wasser gebaut ist. Tja, und wie soll das auch funktionieren bei zwei Figuren, die für den Zuschauer bestenfalls angenehme Gelegenheitsbekanntschaften sind? Da kann man auch seitens Chise nur schwerlich von glaubhaften Verhalten sprechen; ihre Tränen auf dem Rückweg, nachdem sich Joel auf magische Art und Weise in schwarzen Staub aufgelöst hat, waren schon recht seltsam. Es ist bezeichnend, dass Elias’ Anmerkung zu dem seltsamen Gefühl in der Brust ob Chises Trauer vielleicht noch am nachvollziehbarsten war – oder bin ich am Ende auch nur genauso herzlos wie er?
Ironie beiseite: Die Erzählweise war nicht wirklich logisch, aber zumindest teilweise faszinierend – besonders beim Einstieg. Generell hatte die Folge etwas Magisches, was die Schwächen zumindest teilweise kaschieren konnte. Doch mit Magie war gegen Ende Schluss und die harsche Realität schlug zu: Nachdem
Oberon aufkreuzte und für seine Verhältnisse relativ nüchtern um die Herausgabe der Salbe bat (schließlich war die Herstellung ein Tabubruch), löste sich nun auch Chise Schutzring (der an ihrem Finger) auf, woraufhin sie prompt einen beachtlichen Schwall Blut heraushustete. Das dürfte nächste Folge interessant werden – sofern das nicht schon wieder nach wenigen Minuten gegenstandslos wird …
Randnotiz:
Die Musikuntermalung zu Beginn war klasse – weder zu aufdringlich noch zu unauffällig, dazu so schön, aber seltsam wie die ganze Szene an sich. Beim Treffen von Joel und Redcurrant hat man aber leider auf eher »klassischen« Streicherkitsch zurückgegriffen; meiner Meinung nach wäre die Szene ohne Musik besser gewesen.
Beitrag wurde zuletzt am 18.02.2021 22:37 geändert.