AsaneRedakteur
#1Nachdem ich mal wieder mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen durfte, wie unbeirrt und zielsicher idiotisch die deutschen Publisher bei der Erfindung landessprachlicher Titel sind, erhält der erste Teilfilm nun seine Fortsetzung, in welcher Oma Sesemann endlich auf den Plan tritt.
Auch hier wurde stark gekürzt, viele Filler wurden ganz gestrichen (Drehorgeljunge), jedoch einige charakteristische Szenen beibehalten, die Heidis Persönlichkeit und ihre Situation in Frankfurt besser beleuchten (wie dieser Bild gewordene Ausdruck unsagbarer Verlorenheit in der bedrohlichen Pracht dieses großbürgerlichen Hauses), ganz besonders natürlich im freundschaftlichen Zusammensein mit Klara. Daher erleben wir auch hier wieder den kleinen Ausflug, den Oma Sesemann mit den beiden unternimmt, in dessen Verlauf Heidi demonstrieren kann, wozu ein Bauernmädchen so fähig ist. Zum Beispiel Ziegen melken. Auch kommt die unterschiedliche Haltung zu Natur und Tieren recht gut zur Geltung, als sich Klara doch etwas vor der Bärenverkleidung der Großmutter fürchtet und auch der Begegnung mit echten, überaus neugierigen Ziegen doch eher etwas reserviert gegenübersteht.
Und ganz nebenbei liegt der Sinn solcher Szenen auch darin, aufzuzeigen, wie Oma Sesemann Licht ins Leben von Heidi bringt und wie Klara sich davon anstecken lässt. Was dieser leider nicht so gut bekommt, denn am gleichen Abend noch wird sie mit Fieber ins Bett gesteckt. Diagnose: Überanstrengung.
Wie schon im vorausgehenden Film, wird auch hier vieles in der gedrängten Abfolge der Ereignisse wesentlich deutlicher. Nur leider werden diese Ereignisse oft zu oberflächlich und zu kurz behandelt, als daß die Verbindungen untereinander ausreichend klar würden. Das sind übrigens die Szenen, in denen spätestens jetzt klar wird, daß Frl. Rottenmeier kein Unmensch ist, geschweige denn das inkarnierte Böse, sondern sich nur von der Gefühlswelt eines Kindes entfremdet hat. So gern ich einige dieser eigentlich verzichtbaren Szenen der Serie auch hier gesehen hätte, hilft diese Komprimierung, einige einschneidende Momente wesentlich intensiver zu erleben, da sie in der Serie vielleicht etwas untergangen sind. Wie dieser kurze, aber zentrale Dialog:
"Ich hatte noch nie soviel Spaß in meinem ganzen Leben", gesteht Klara nach jenem Ausflug, und daraufhin: "dakara, dokonimo ikanaide. Zutto watashi no soba ni ite" – ("Bitte geh nicht fort. Du musst immer bei mir bleiben.") – "ikanai. watashi zutto Klara no soba ni iru no wa" – ("Ich geh nicht weg. Ich werde immer bei dir sein"), antwortet Heidi da in einem Anflug von unerschütterlichem Selbstvertrauen und ehrlicher Überzeugung. Ein Versprechen, das, so wie die Dinge stehen, Heidi nicht halten kann. Dies sollte man im Hinterkopf behalten, wenn Heidi wieder in ihre Heimat zurückfahren darf.
Denn das ist der Wendepunkt. Das ist die Szene, die Heidis Krankheit drastisch verstärkt. Es ist nicht Heidis Heimweh, das ihre Lage immer unerträglicher macht – es ist ihr Dilemma, gleichzeitig für Klara da sein zu wollen. Das zeigt sich sehr eindringlich in den Szenen, als Heidi zu schlafwandeln beginnt. Diese sind auch hier stark zusammengefasst, aber auf gute, sinnfällige Art. Daher wird Heidis kritischer Zustand quasi mit Händen greifbar, was der Film von 1979 nicht zu leisten vermag, da all das der Schere zum Opfer gefallen ist. In der dichten Abfolge der Ereignisse entfalten auch die unheimlichen Mitternachtsschläge der Standuhr ihre ganz eigene Wirkung – selten habe ich Bedrohlicheres gehört als hier bei Heidi.
Dieser restliche Frankfurt-Arc nimmt nicht einmal eine halbe Stunde in Anspruch. Das heißt: Erfreulich viel Raum spendiert man der Rückkehr von Heidi in die Heimat und dem intensiven Wiedersehen mit Peter, dem Großvater und den Bergen. Diese Bergszenen wurden gegenüber dem älteren Film beträchtlich ausgedehnt, um auch das spätere Wiedersehen mit Klara und deren sehr spezielles Erleben dieser Bergwelt auf ein solides Fundament zu stellen. Vor allem emotional. So verbleibt also immerhin mehr als eine halbe Stunde für das mähliche Fortschreiten von Klaras Heilungsprozess.
In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, daß die allmähliche Rückkehr des Alm-Öhi ins Dorf wieder genug Raum bekommt sowie Heidis Aufnahme in die Schule. Daß dabei übergangen wird, wie der Großvater zu dieser Ruine, die einst ein stattliches Haus war, gekommen ist und wie sich die Begegnungen mit den Dörflern gestaltet, kann man in diesem größeren Zusammenhang verschmerzen.
Für diesen größeren Zusammenhang wäre es aber kein Fehler gewesen, die bekannte Rollstuhlszene beizubehalten. Denn sie illustriert in aller Eindringlichkeit das Dilemma von Klara zwischen überschäumendem Enthusiasmus und verbissenem Ehrgeiz einerseits und verzweifelter Resignation andererseits. Außerdem hätte damit der letztendliche Erfolg ihrer Quälereien eine ganz eigene Qualität erhalten. Schade.
Drei weitere Beobachtungen, die mir in der Serie selber so nicht aufgefallen sind:
Bei "Alm no Yama Hen" habe ich kurz mal erwähnt, daß auch kleinere, charakteristische Details beibehalten worden sind. Das ist hier ähnlich, wie ich bei dieser kurzen, neckischen Szene bemerkt habe.
Für eine letzte Irritation sorgt die Angabe des Release-Datums, das auf sämtlichen großen Anime-Sites mit "1996" angegeben ist, wobei der Abspann des Film jedoch störrisch auf "1993" beharrt. Bei beiden Teilen.
Fazit für beide Filme:
Wenn also die Wahl wäre zwischen diesen beiden Filmen von 1996 und dem von 1979, würde ich raten: Schaut die Serie.
Auch hier wurde stark gekürzt, viele Filler wurden ganz gestrichen (Drehorgeljunge), jedoch einige charakteristische Szenen beibehalten, die Heidis Persönlichkeit und ihre Situation in Frankfurt besser beleuchten (wie dieser Bild gewordene Ausdruck unsagbarer Verlorenheit in der bedrohlichen Pracht dieses großbürgerlichen Hauses), ganz besonders natürlich im freundschaftlichen Zusammensein mit Klara. Daher erleben wir auch hier wieder den kleinen Ausflug, den Oma Sesemann mit den beiden unternimmt, in dessen Verlauf Heidi demonstrieren kann, wozu ein Bauernmädchen so fähig ist. Zum Beispiel Ziegen melken. Auch kommt die unterschiedliche Haltung zu Natur und Tieren recht gut zur Geltung, als sich Klara doch etwas vor der Bärenverkleidung der Großmutter fürchtet und auch der Begegnung mit echten, überaus neugierigen Ziegen doch eher etwas reserviert gegenübersteht.
Und ganz nebenbei liegt der Sinn solcher Szenen auch darin, aufzuzeigen, wie Oma Sesemann Licht ins Leben von Heidi bringt und wie Klara sich davon anstecken lässt. Was dieser leider nicht so gut bekommt, denn am gleichen Abend noch wird sie mit Fieber ins Bett gesteckt. Diagnose: Überanstrengung.
Wie schon im vorausgehenden Film, wird auch hier vieles in der gedrängten Abfolge der Ereignisse wesentlich deutlicher. Nur leider werden diese Ereignisse oft zu oberflächlich und zu kurz behandelt, als daß die Verbindungen untereinander ausreichend klar würden. Das sind übrigens die Szenen, in denen spätestens jetzt klar wird, daß Frl. Rottenmeier kein Unmensch ist, geschweige denn das inkarnierte Böse, sondern sich nur von der Gefühlswelt eines Kindes entfremdet hat. So gern ich einige dieser eigentlich verzichtbaren Szenen der Serie auch hier gesehen hätte, hilft diese Komprimierung, einige einschneidende Momente wesentlich intensiver zu erleben, da sie in der Serie vielleicht etwas untergangen sind. Wie dieser kurze, aber zentrale Dialog:
"Ich hatte noch nie soviel Spaß in meinem ganzen Leben", gesteht Klara nach jenem Ausflug, und daraufhin: "dakara, dokonimo ikanaide. Zutto watashi no soba ni ite" – ("Bitte geh nicht fort. Du musst immer bei mir bleiben.") – "ikanai. watashi zutto Klara no soba ni iru no wa" – ("Ich geh nicht weg. Ich werde immer bei dir sein"), antwortet Heidi da in einem Anflug von unerschütterlichem Selbstvertrauen und ehrlicher Überzeugung. Ein Versprechen, das, so wie die Dinge stehen, Heidi nicht halten kann. Dies sollte man im Hinterkopf behalten, wenn Heidi wieder in ihre Heimat zurückfahren darf.
Denn das ist der Wendepunkt. Das ist die Szene, die Heidis Krankheit drastisch verstärkt. Es ist nicht Heidis Heimweh, das ihre Lage immer unerträglicher macht – es ist ihr Dilemma, gleichzeitig für Klara da sein zu wollen. Das zeigt sich sehr eindringlich in den Szenen, als Heidi zu schlafwandeln beginnt. Diese sind auch hier stark zusammengefasst, aber auf gute, sinnfällige Art. Daher wird Heidis kritischer Zustand quasi mit Händen greifbar, was der Film von 1979 nicht zu leisten vermag, da all das der Schere zum Opfer gefallen ist. In der dichten Abfolge der Ereignisse entfalten auch die unheimlichen Mitternachtsschläge der Standuhr ihre ganz eigene Wirkung – selten habe ich Bedrohlicheres gehört als hier bei Heidi.
Dieser restliche Frankfurt-Arc nimmt nicht einmal eine halbe Stunde in Anspruch. Das heißt: Erfreulich viel Raum spendiert man der Rückkehr von Heidi in die Heimat und dem intensiven Wiedersehen mit Peter, dem Großvater und den Bergen. Diese Bergszenen wurden gegenüber dem älteren Film beträchtlich ausgedehnt, um auch das spätere Wiedersehen mit Klara und deren sehr spezielles Erleben dieser Bergwelt auf ein solides Fundament zu stellen. Vor allem emotional. So verbleibt also immerhin mehr als eine halbe Stunde für das mähliche Fortschreiten von Klaras Heilungsprozess.
In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, daß die allmähliche Rückkehr des Alm-Öhi ins Dorf wieder genug Raum bekommt sowie Heidis Aufnahme in die Schule. Daß dabei übergangen wird, wie der Großvater zu dieser Ruine, die einst ein stattliches Haus war, gekommen ist und wie sich die Begegnungen mit den Dörflern gestaltet, kann man in diesem größeren Zusammenhang verschmerzen.
Für diesen größeren Zusammenhang wäre es aber kein Fehler gewesen, die bekannte Rollstuhlszene beizubehalten. Denn sie illustriert in aller Eindringlichkeit das Dilemma von Klara zwischen überschäumendem Enthusiasmus und verbissenem Ehrgeiz einerseits und verzweifelter Resignation andererseits. Außerdem hätte damit der letztendliche Erfolg ihrer Quälereien eine ganz eigene Qualität erhalten. Schade.
Drei weitere Beobachtungen, die mir in der Serie selber so nicht aufgefallen sind:
- Es sieht so aus, als passten Heidis alte Kleider ihr auf Anhieb und wie angegossen - was ich dem Anime aber nicht abnehme.
- Bisweilen kommt da von Klara ein dankbares "Peter!" – und man sieht: da ist ganz offensichtlich jemand verliebt. Ein schönes Detail, was auch prächtig alle folgenden Abweichungen vom Roman erklärt. Sinnfällig erklärt.
- Außerdem könnte man meinen, nichts mache mehr Spaß, als sich in der frühlingsfrischen Ziegenscheiße zu wälzen.
Bei "Alm no Yama Hen" habe ich kurz mal erwähnt, daß auch kleinere, charakteristische Details beibehalten worden sind. Das ist hier ähnlich, wie ich bei dieser kurzen, neckischen Szene bemerkt habe.
Für eine letzte Irritation sorgt die Angabe des Release-Datums, das auf sämtlichen großen Anime-Sites mit "1996" angegeben ist, wobei der Abspann des Film jedoch störrisch auf "1993" beharrt. Bei beiden Teilen.
Fazit für beide Filme:
Wenn also die Wahl wäre zwischen diesen beiden Filmen von 1996 und dem von 1979, würde ich raten: Schaut die Serie.
Beitrag wurde zuletzt am 11.04.2024 03:28 geändert.
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