Lewis Carrolls „
Alice im Wunderland“ gehört zusammen mit der
Bibel und
Shakespeare zu einem der am häufigsten zitierten literarischen Werke der Welt. In der Tat ist die Berühmtheit dieses Werkes so groß, dass
der Name des Romans selbst in die Medizin einging und alljährlich der „
Alice im Wunderland“-Tag gefeiert wird, weshalb schließlich auch auf
aniSearch dieser Anlass Grund für eine
Umfrage zu einem der zahlreichen Derivate des Buchs gab und letztlich meinen Anstoß für diese Kritik.
Im Sommer 1995 entstand eine weitere merkwürdige japanische Version des Klassikers, produziert von den Studios
Animate Film in Kooperation mit
Madhouse, unter Regie von
Kiyoko Sayama und
Mamoru Hamatsu. Eine zweitteilige, insgesamt nicht einmal 30-minütige OVA: „
Miyuki-chan in Wonderland“, die auf den ersten beiden Kapiteln des
gleichnamigen Mangas basiert. Diese kurze, zusammenhanglose und unsinnige Serie wäre vermutlich bereits, wie viele der anderen Interpretationen, vergessen worden, käme sie nicht aus der Feder der berühmten Künstlergruppe
CLAMP.
Als eines der früheren Werke von CLAMP liegt der Schwerpunkt dieser OVA auf erotischen Darstellungen der Charaktere. Das Konzept dieser „Alice“ im japanischen Stil ist sehr einfach: Fanservice! Eine Handlung gibt es nicht und auch keine wirkliche Beschreibung der Figuren. Alle Charaktere sind einfach nur weiblich und lesbisch.
Alles beginnt damit, dass
Miyuki aus einem seltsamen Traum erwacht und bemerkt, dass sie verschlafen hat und zu spät zur Schule kommen wird. Auf ihrem Schulweg begegnet ihr ein Skatboard fahrendes Playboy-
Bunny, das genauso verspätet zu sein scheint, wie sie selbst und in einem mysteriösen Loch verschwindet, in das Miyuki ebenfalls hineinfällt. Nun muss Miyuki ihren Weg aus dem „Wunderland“ wieder herausfinden, ohne den vielen Versuchungen zu erliegen, die dort auf sie warten.
Die Titelheldin Miyuki (auch bekannt aus anderen CLAMP-Werken, wie beispielsweise „
Clamp School Detectives“) ist die ganze Zeit einfach nur verwirrt und alle anderen Charaktere sind bis zu einem gewissen Grad Verführer. Einige Charaktere aus dem Originalroman sind nicht leicht wiederzuerkennen, zum Beispiel die chinesischen Kampfkunstschwestern
Toh Li und
Cho Li, verkörpern
Tweedledee und Tweedledum. Einige andere Charaktere sind hingegen offensichtlich, wie die
Herzkönigin, die in dieser OVA eine SM-Königin ist, und die
Grinsekatze, die jedoch nicht, wie im „Alice“-Roman, als diejenige, die den Wahnsinn im Allgemeinen in Frage stellt charakterisiert wird, sondern einfach nur als
ein sexy Katzenmädchen, das Miyuki sofort anmacht und das ist es auch, was fast alle Charaktere in dieser Serie tun, wenn sie Miyuki treffen.
Die Animation ist für eine fast 30 Jahre alte OVA weitestgehend in Ordnung, allerdings gibt es eigentlich keine flüssigen Bewegungen. Da es sich jedoch um eine CLAMP-Produktion handelt, sind die Charakterdesigns ansprechend, noch zudem sind die Charaktere kurviger und aufreizender gezeichnet, als man es von CLAMP gewöhnt ist. Die Designs für das Wunderland (Episode 1: „
Miyuki-chan in Wonderland“) und das Spiegelland (Episode 2: „
Miyuki-chan in Mirrorland“) sind tatsächlich ungewöhnlich und fantasievoll und passen daher gut zum Thema, dennoch sind die Hintergründe auch manchmal langweilig und etwas detailarm.
Unter den Synchronsprechern sind mehrere beachtenswerte Sprecherinnen zu finden, wie beispielsweise
Megumi Ogata,
Kikuko Inoue,
Emi Shinohara und
Ai Orikasa. Da es aber nicht viele Dialoge gibt, wirken ihre Darbietungen nicht so brillant wie üblich. Wirklich bemerkenswert ist nur die Stimme von Miyuki, auf die der gesamte Fokus dieser OVA liegt.
Mariko Kouda hat gute Arbeit geleistet ihre Rolle sympathisch erscheinen zu lassen und Mitleid mit der armen Miyuki zu vermitteln, die praktisch endlos von einem Abenteuer ins nächste stürzt.
Die Musik in dieser OVA ist im Prinzip eine lange, kontinuierliche Melodie, die während der gesamten Serie erklingt, was schnell als nervig wahrgenommen werden kann, wenn einem diese Melodie nicht zusagt, zusammen aber mit den visuellen Effekten schafft genau das die surreale Atmosphäre des Animes.
Zusammenfassend ist eine Handlung im Wesentlichen nicht existent, Charakterentwicklung gibt es nicht und am Ende auch keine wirkliche Auflösung. Allerdings ist „
Miyuki-chan in Wonderland“ extravagant genug, um während der kurzen Laufzeit auf seine Weise zu unterhalten, als eine Präsentation von sexy, weiblichen Charakteren, die von CLAMP und insbesondere von
Mokona entworfen wurden. CLAMPs Hommage an „
Alice im Wunderland“ bleibt unvergesslich, auch wenn diese Interpretation des Klassikers nicht wirklich gut ist. Empfehlen kann man diese OVA nur, wenn man Lust auf etwas Schräges und natürlich Merkwürdiges hat oder, man einfach ein CLAMP- oder Yuri-Fan ist oder Kunstfilme mag.
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